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Nr. 267. 26. Ichrgavg. 1. KeW i>ks Jomirfs" fnlititr Polliüblitt. Smtitg, 14. iloDtiuliti 1909. Aus der Kriminalftaflftlk des veutlchen Kelches. I. Die Verkehrtheit unseres Straf- und Straf- bollzuizsfystems ergibt zur Evidenz eine Betrachtung der R ü ck f ä l"l e. Eine Vcrgleichung der von Unbestraften mit den von bereits Vorbestraften begangenen Straftaten ergibt, dah über zwei Drittel der Verurteilten bereits vorbestraft war. Von den Vorbestraften waren fast zwei Drittel mehr als einmal und ein Fünftel mehr als fünfmal vorbestraft. Ueber den Rückfall verbreitet sich die K r i m i n a l st a t i st i k auf Grund der Berichte über den zehnjährigen Zeitraum von 1837 bis 1Sl)7. In der sogenannten vorblickenden Statistil ist eruiert, wie viel von den in einem Jahre Verurteilten nachher wiederum eine Straftat begehen. Da bei dieser Betrachtung die Fälle des Todes, der Auswanderung und der durch Freiheitsstrafen an der Berübung neuer Straftaten Ver hinderten nicht in Betracht gezogen werden kann, ist die t a t s ä ch- l i ch e R ü ck f ä l l i g k e i t e i n e noch g r ö h e r e als die er- mittelten Zahlen angeben. Bedauerlich ist es, daß das vorhandene Material nicht ausreicht, um zu erkennen, ob die in einem Jahre Verurteilten und einem der folgenden Jahre wiederum Verurteilten späterhin abermals verurteilt sind. Die vorhandene Statistik scheidet aus der vorblickenden Rückfallstatistik die Personen ans, die in einem der folgenden Jahre wiederum verurteilt wurden. Wäre dies nicht der Fall, so würde dieser Prozentsatz der Rückfälligen noch wesentlich fich steigern. Von den nach der Statistik vom Jahre 1897 wegen Ver- mögen Sdelikten bestraften Personen sind in dem folgenden Jahrzehnt 1898 bis 1997 44,9 P r o z. wiederum bestraft. Der Rückfall trat um so häufiger ein, je häufiger der Verurteilte bestrast war. Von diesen wurden rückfällig: Erstmals Verurteilte 2S,3 Proz., früher einmal Verurteilte SS.I Proz., früher zwei- bis viermal Verurteilte 69,S Proz., früher fünfmal oder öfter Ver- urteilte 84,8 Proz. Daß unser die sozialen Momente völlig un- berücksichtigt lastendes Straf- und Strafvollzugssystem vollständig Schiffbruch erlitten hat, zeigen diese Zahlen und ebenso ein Rückblick auf die Statistik seit dem Jahre ihres Bestehens(18 82). Die Zahl der Vorbestraften unter den Verurteilten seit 1882 hat in ganz außerordentlichem Maße und viel stärker zugenommen, als die der erstmalig Verurteilten. In diesen 26 Jahren betrug die Zunahme bei den Vorbestraften überhaupt 185,6 Proz., bei den weiblichen Vorbestraften 80.0 Proz. und bei den Jugendlichen 195,5 Proz. Bei den Verurteilten ohne Vorstrafen überhaupt war die Steigerung demgegenüber nur 22,3 Proz., bei den Weib- lichen 17,4 Proz., bei den Jugendlichen jedoch 79,9 Proz. Die größere Ziffer bei den Jugendlichen ist ohne weiteres aus dem Alter der Verurteilten erklärlich. Zu einem genaueren Resultat gelangt man bei den Jugendlichen, wenn man nur Altersklassen be- rücksichtigt, deren Zugehörige vor der im Jahre 1832 erfolgten Ein- führung der Strafregister noch strafunmündig waren. Die Zunahme der Vorbestraften beträgt unter Berücksichtigung der Bevölkerungs - zunähme bei den Jugendlichen seit 1889 33,5 Proz. Das sind auf das Jahr durchschnittlich 2 Proz. Der Höhepunkt der Zunahme ist bereits im Jahre 1898 mit 47,9 Proz. erreicht gewesen. Seitdem hat fich die Zahl der jugendlichen Vorbestraften gemindert. Nanient- lich ist dies auch noch in den in krimineller Hinsich. ungünstigen beiden Jahren 1991 und 1992 der Fall gewesen. In den beiden wirtschaftlich günstigeren Jahren 1993 und 1994 war die Abnahme der jugendlichen Vorbestraften besonders groß. Die Zahl der jugendlichen Verurteilten ohne Vorstrafen ist zwar gleichfalls gestiegen, aber bei weitem nicht in gleichem Maße wie bei den jugendlichen Vorbestraften, nämlich seit 1889 um 16,2 Proz. oder durchschnittlich um 9,9 Proz. in jedem Jahre. Im Jahre 1898 war ein Höhepunkt mit 16,3 Proz. erreicht. Dieser wurde im Jahre 1992 mit 17,2 Proz., im Jahre 1995 mit 16,7 Proz., im Jahre 1996 mit 22,6 Proz. übertroffen. Die Kriminalstatistik für 1997 weist wiederum ein Sinken der Kriminalität auf 16,2 Proz. auf. Im Gegensatz zu den landläufigen Klagen über zunehmende Verrohung usw. ergibt auch eine Betrachtung der Art und Höhe der erkannten Strafen das Sinken der Kriminalität. Kleines Feuilleton. Stanleys Autobiographie. In London ist dieser Tage die Autobiographie des Afrikareisenden Henry Stanley erschienen, die von seiner Witwe herausgegeben wurde.Vula Motari", d. h. der Mann, der die Felsen zertrümmert", war der Beiname, den die eingeborenen Träger in Afrika Stanley beigelegt hatten. Und sein ganzes Leben war in der Tat ein fortwährender Kampf mit Hindernisten, und das nicht nur auf mühevollen Forschungsreisen durch unbekannte Erdteile, sondern auch im sozialen Leben der zivilisierten Welt. Stanley war nicht sein wahrer Name. Er war ein uneheliches Kind, der Sohn einer Bäuerin und eines Farmers. Ten Vater hat er nie gekannt, und auch die Mutter war ihm voll- ständig fremd geblieben. Die von dem Gutsherrn verführte Bäuerin hatte ihr Kind, als es ein Jahr alt war, zu Verwandten alsZiehkind" weggegeben. Als aber das Kostgeld schon nach kurzer Zeit ausblieb, brachten die Pflegeeltern den kleinen Burschen ins Armenhaus. Hier wuchs Stanley heran; er führte ein freudloses Dasein, daö sich nicht allzusehr von dem Leben eines Stärflings unterschied. Die Mutter hat er nur zweimal in seinem Leben wiedergesehen. Sie erschien eines Tages an der Tür des Armen- Hauses und brachte zwei andere uneheliche Kinder, die sie inzwischen geboren hatte. Als viele Jahre später Stanley in seinen Heimats- ort Denbiah in Wales zurückkehrte und den Versuch machte, feine Mutter näher kennen zu lernen, jagte ihn die Frau aus dem Hause, indem sie sagte, daß er sie nur an ihre Schande erinnere. Eines Tages wurde Stanley im Armenhause von dem ver- rückten Wärter bis aufs Blut gepeitscht. Er empörte sich, schlug den Wärter nieder und ergriff dann die Flucht. Verwandte ge- währten ihm eine Zufluchtsstätte; sie ließen ihn aber arbeiten wie einen Sklaven, nahmen ihm alles, lvas er besaß, und warfen ihn dann auf die Straße. Er wurde nun im Hafen von Liverpool Aus- träger eines Schlächters und ging dann als Schiffsjunge nach New Orleans . Während der Uebcrfahrt schlugen ihn die Matrosen braun und blau, und als er in New Orleans ankam, betrog man ihn noch um den Lohn und warf ihn fast nackt unter das Gesindel, das sich am Hafen herumtrieb.Ich fand den Haß in jeder Abstufung und auf Schritt und Tritt. Und Haß ist überall. Betrachtet nur die Justizpaläste, die ParlamcntSsäle, die Tempel der Religion; schaut in die Presse, auf den Markt, auf alle Straßen des Lebens, und gebt Euch bann Antwort auf die Frage:Wo ist die Liebe?" Und doch fehlte in diesen traurigen Lcbensanfängen auch ihm nicht ein Strahl von Liebe. Als er in dem wildfremden Lande, um Arbeit bettelnd, durch die Straßen schritt, fand er in dem ersten Hause, an dessen Tür er pochte, einen freundlichen Mann, der sich seiner wie ein Vater annahm. Es war ein alter, kinderloser Kaufmann. der mit dem armen Knaben Mitleid hatte.Da du weder Vater noch Mutter hast und kein Mensch sich um dich kümmert," sagte der alte Mann,will ich dich als meinen Sohn annehmen und dich zu einem tüchtigen Kaufmann erziehen, unter der Bedingung je- doch, daß du meinen Namen Henry Stanley annimmst." Das Glück dauerte aber nicht lange. Der Adoptivvater starb, ohne Stanley Die Zahl der zum Tode Verurteilten ist von 1882 ab ständig gefallen. Den niedrigsten Stand lveist die Statistik von 1996 mit 32 auf, die Statistik von 1997 hat 33 Todesurteile zu verzeichnen. Die Zahl der Verurteilungen zu zeitiger Zuchthaus- strafe hat ständig abgenommen. Sie betrug 1995: 7gh9, 1996: 7719 und ist im Jahre 1997 auf 7221 gesunken. Bei der Festungshaft läßt sich eine ständige Entwickelung nach oben oder unten nicht erkennen. Das Jahr 1997 weist die ausnahmsweise große Zahl von 149 auf. Der Durchschnitt der vor- angegangenen 25 Jahre beträgt 197, die Zahl der Verurteilten im Jahre 1994: 76, 1995: 89, 1996: 83. Von den Verurteilungen erfolgten 141 wegen Zweikampfes(im Jahre 1995: 84. 1996: 86), sieben wegen Friedensgefährdung durch Religionsdiener und die eine wegen der angeblichen Vorbereitung eines hoch- verräterischen Unternehmens durch Genosten Liebknecht . Die Zunahme der wegen Zweikampfes Verurteilten zeigt das beharrliche Streben der Anhänger der herrschenden Klasse und der herrschenden Vorurteile, das Gesetz zu verletzen. Die Statistik führt beim Zweikampf den Beruf der Verurteilten auf, während sonst die Statistik eine Berufsangabe leider nicht enthält. An den ZweikampfSdelilten waren beteiligt: 59 Studenten, 6 Referendare, 2 Gerichtsastestoren, 4 Baumeister und Ingenieure, 1 Bergingenieur, 4 Aerzte, 6 Rechtsanwälte, 2 Oberförster, 25 Technikumbesucher, 1 Landrat, 1 Schriftsteller, 1 Salinenbesitzer, 1 königlicher Brand- versicherungSassistent, 1 Hoftheaterinteiidnnt, 1 Hofkammerrat, 1 Schauspieler, 1 Kunsthistoriker. 2 Redakteure, 3 Rittergutsbesitzer, 1 Fechtmeister, 1 Rentier, 5 Gastwirte(Beihilfe zum Zweilainps), 5 Kaufleute und 7 Korpsdiener(Beihilfe zum Zweikampf). Die von den Militärgerichten abgeurteilten Fälle werden in der Kriminal- stalistik nicht angeführt, sondern in der besonderen Militärstatistik, die wir kürzlich auszugsweise wiedergaben. Die Gefängnisstrafe gegen Erwachsene ist zwar der Zahl nach in früheren Jahren beständig gestiegen, aber nicht in gleichem Maße wie die Verurteilung Erwachsener überhaupt. Der Anteil der Gefäuguisstrafe an der Gesamtheit der Verurteilungen ist vielmehr stäudiz zurückgegangen. Ihr Anteil an der Gesamt- heit der gegen Erwachsene erkannten Strafen ist von 47,7 Proz. im Jahre 1996 auf 46.8 im Jahre 1997 gesunken. Bei den Jugend- lichen ist im Jahre 1997»ach einer Zunahme in den beiden Vor- jähren die Zahl der Verurteilungen zu Gefängnisstrafen von 27 671 auf 26 779 gefallen. Der Anteil der Gefängnisstrafe an der Ge- sanitheit der Verurteilungen Jugendlicher ist von 51,6 Prozent im Jahre 1994 bis auf 49,3 Prozent im Jahre 1997 herabgegangen. Auch die Zahl der wegen Haft Verurteilten ist be- ständig gefallen. Nicht minder die Zahl der zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte Verurteilten. Diese betrug im Jahre 1997: 11 596 gegen 12 499 im Jahre 1996 und 13' 119 im Jahre 1995. Die Fälle, in denen auf Z u l ä s s i g k e i t der Polizeiaufsicht erkannt ist, haben gleichfalls ständig abge- nommen. Es waren im Jahre 1997 2162 gegen 3985 im Jahre 1996 und 3291 im Jahre 1995. Zugenommen haben ständig die wegen Vergehen erfolgten Verurteilungen zu G e l d st r a f e. Im Jahre 1997 sind sie von 254 768 im Jahre 1996 auf 258 636 gestiegen. Ein zahlenmäßiger Beweis dafür, daß auch die Schwere der begangenen Delikte ständig in der Abnahme begriffen ist. Hiis der Partei. Was versteht man unter christlicher Nächstenliebe." Genosse Otto N i e b u h r vomVolksblatt für Halle wurde von der Strafkammer zu Halle a. S. wegen angeblicher Beleidigung des Pastors einer Landgemeinde zu 499 M. Geldstrafe verurteilt. Der Artikel desVolksblatts", der unter der oben wiedergegebenen Ueberschrift erschien, hatte bemängelt, daß der Pastor einem Verstorbenen das kirchliche Begräbnis verweigert habe, weil er kirchenfeindlich gesinnt gewesen, und daß der Pfarrer ferner einmal von einem armen Manne die Vorausbezahlung für die Darreichung des Abendmahls an den totkranken Sohn gefordert habe. Für beide Tatsachen wurde durch Zeugenaussage der Be- weis erbracht. DaS Gericht aber glaubte den unbescholtenen Jen- gen nicht, soirdern dem Pastor und kam so zur Verurteilung. einen Groschen zu hinterlassen. Als bald darauf der amerikanische Bruderkrieg ausbrach, trat Stanley als Freiwilliger in die Armee der Südstaaten; er wurde gefangen genommen und schloß sich der Armee der Nordstaaten an; er wurde jedoch wenige Wochen später gefährlich krank und als unnützer Ballast wieder einmal auf die Straße geworfen. Eine nutleidige Bäuerin nahm ihn auf. Nach dem Friedensschluß wurde er Journalist und erwarb sich auf diesem Gebiete bald seinen Namen. Er bereiste als Zeitungskorrespondent die Türkei und Kleinasten und nahm 1867 als Berichterstatter am Feldzuge der Engländer gegen Theodor von Abessinien teil. Als Journalist erwarb er sich jene Erfahrung und Rücksichtslosigkeit, die es ihm ermöglichten, die Pforten des schwarzen Kontinents zu öffnen und der Welt das Geheimnis der Aequatorialländer zu ent- hüllen. Der eigentlich autobiographische Teil des Buches schließt an dieser Stelle. Der Halleysche Komet, der bisher nur mit dem größten Fern- röhre der Welt, dem 49zölligen Derkes-Refraktor, direkt beobachtet werden konnte, ist nun bereits mit dem 14 Zöller der Uccle-Stern- warte bei Brüssel lvahrgenommen worden. Am 21. Oktober gelang sogar schon eine Ortsbestimmung des Kometen. Auf der Aerkes- Sternwarte ist der Komet mit einem großen Spiegelfernrohr photo- graphiert und ausgemessen worden. Danach beträgt sein Durch­messer gegenwärtig rund 29 999 Kilometer, also über anderthalb mal soviel, wie der Erddurchmesser. Wenn es zur Entwicklung eines großen Schweifes kommt, dann geht die Erde nach den Be- rechnungen von Searle am 29. Mai kommenden Jahres durch diesen Schweif hindurch. Die Kometenschweife bestellen nach der Anschauung von Arrhenius aus ganz feinen Staubteilchen, die durch den Druck, das das Sonnenlicht auf sie ausübt, fortgestoßen, in den Weltraum hinauSgctrieben werden. Wenn also die Erde durch den Schweif hindurchlvandert, so geht sie durch einen ganz feinen Staubstreifen hindurch, wovon man nichts merken wird; günstigen- falls könnte ein mehr oder weniger reichlicher Meteorregen statt- finden, und wir kämen auf diese Weise nach den schlechten Er- fahrungen, die wir mit den Sternschnuppenfällen ,n den letzten Jahren gemacht haben, endlich einmal auf unsere Kosten. Hoffent- lich womit wir ängstlichen Gemütern zugleich die Versicherung geben können, daß dieserZusammenstoß" mit dem Kometen keinem einzigen Menschen das Lebenslicht ausblasen kann. Humor und Satire. Der Intendant des Hoftheaters einer Residenz vordem Gardeoffizier. Kammerherr usw. eröffnet die neue Saison stets mit einer längeren Ansprache an das Personal. Beim letztenmal bat er die Damen dringend, sich immer mif warmer Unterkleidung zu versehen, damit nach Möglichkeit Absagen ver- mieden würden.... die Herren ermahnte er, auf der Bühne bei Vorstellungen� niemalsRöllchen" zu tragen, denn:Wir Leute aus der Gesellschaft tragen die Manschetten immer am"-- nun genierte er sich, wegen der Damen weiter zu sprechenäh, äh, am, hm, hm, am,"--Am Hemd", schloß endlich ein entschlossener Chorist im Hintergrund die Rede seines Chefs. Derselbe Inten- dant wird von dem Oberregisseur gefragt, warum er denn Herrn X. nicht wieder engagiert habe. X. sei doch ein so vorzüglicher Dar- Jugendbewegung. Die sozialdemokratische Jugendbewegung in Norwegen . Seit ungefähr einem Jahre war die sozialdemokratische Jugendbewegung Norwegens in zwei Organisationen gespalten, von denen sich die eineJugendverband der Ar- beiterpartei", die andereSozialdemokratischer Jugendverband" nannte. Beide Verbände haben nun am letzten Sonntag einen gemeinsamen Kongreß abgehalten und beschlossen, sich zu einem Verband zu verschmelzen. An dem Kon- greß nahmen 30 Delegierte teil, und außerdem als Vertreter der Arbeiterpartei der Genosse Chr. H. Knudsen. Es wurde auch ein Verbandsprogramm beschlossen, wonach die Tätigkeit des Vor- bandes darin besteht: 1. Durch kräftige Agitation die Arbeiter- jugend im ganzen Lande zu sammeln und in den Jugcndvcreinen zu organisieren; 2. durch schriftliche und mündliche antimili» taristische Agitation die Jugend darauf aufmerksam zu machew, welche schweren Opfer der Militarismus vom Volke fordert und welche persönlichen Lasten er besonders der Jugend aufbürdet, ohne weder dem Volke, noch der Jugend irgendwelche Werte zu bieten, sowie die Jugend über die Barbarei des Krieges aufzuklären; 3. durch das VerbandsorganKlassenkampf" sowie durch Broschüren und Wanderbibliotheken Aufklärung unter der Jugend zu verbrei- ten. Der Kongreß stellte ferner ein Programm für die Tätigkeit der einzelnen Ortsvereine auf, das in den Hauptpunkten dem Verbandsprogramm entspricht, daneben aber auch besagt, daß die Vereine die Jugend über die schädlichen Wirkungen des Alkohols aufklären, ferner in religiöser Hinsicht durch Verbreitung naturivissenschaftlicher Kenntnisse für eine freier e Lebensauffassung wirken und dadurch die religiös-reak- tionäre Jugendbewegung bekämpfen sollen. Außerdem sollen die Vereine ihre Mitglieder auch auf die materiellen Interessen hin- weisen, sowie darauf, daß diese nur durch die Arbeiterorgani- sationen wahrgenommen werden können. Ter Zentralvorstand des neu geeinigten Jugendverbandes hat seinen Sitz in Kristiania . Als Vorsitzender wurde der Genosse N i t t e b e r g gewählt, als Redakteur desKlassenkampf" S v e r r e Krogh._ Gerichts-Zeitung. Streikposten und Schutzmannsmajestät. Vor dem Hause Mariannenplatz 12 stand am 5. Mai der Ar- beiter Airstein Streikposten. Ein Schutzmann wies ihn weg und verlangte, daß er nicht wieder vor dem Hause erscheine. Da K. doch zurückkehrte, stellte der Hüter der Ordnung ihn fest. K. wurde wegen Uebertretung der§§ 132 und 133 der Berliner Straßen- Polizeiverordnung angeklagt und vom Landgericht verurteilt. Be» kanntlich bedroht die Verordnung den mit Strafe, der einer zur Erhaltung der Sicherheit und Bequemlichkeit des Verkehrs auf der öffentlichen Straße ergehenden polizeilichen Aufforderung nicht Folge leistet. Der Angeklagte legte Revision ein und rügte, daß der Vorderrichter gar nicht geprüft habe, ob die Aufforderung des Schutzmanns eine solche gewesen sei, die der Erhaltung der Sicher- heit, Bequemlichkeit usw. des öffentlichen Verkehrs dienen sollte. Das Kammergcricht hielt diesen Einwand für durchgreifend, hob das landgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache zu noch- maligcr Verhandlung an das Landgericht zurück. Die Voraus- setzung für die Anwendbarkeit der§8 132 und 133 der Straßen- Polizeiverordnung sei, daß die Aufforderung des Schutzmanns verkehrspolizeilichen Charakter hatte. Da eine entsprechende Fest- stellung nicht getroffen sei, müsse das Landgericht sich nochmal mit der Sache beschäftigen. Wird dieseFeststellung" getroffen, so würde also nach Ansicht des Kammergerichts die Bestrafung gerechtfertigt! Das Gesetz fagt das Gegenteil. ES räumt ausdrücklich jedem Bürger die Benutzung der Straßen ein und berechtigt keine» Schutzmann, dem Gefetz entgegen jemand das Betreten der Straße zu verbieten, weil dieser von seinem Recht, Streikposten zu stehen, Gebrauch macht. Stellt aber das Kammergericht fortdauernd des Schutzmanns Majestät über das Gesetz, so sollte es konsequent sein und auch den Schutz- mann bestrafen. Oder ist der so schlank, daß sein Körper den öffentlichen Verkehr nicht stören kann? stcller.Ja," sagt der Intendant,als Künstler habe ich ja gar nichts gegen X. aber neulich erkundige ich mich bei ihm, wie sich mein Kollege in R., mit dem ich im selben Ilegiment gestanden habe, mit der Leitung des ihm jetzt unterstellten Hoftheaters abfinde und da gibt mir der unverschämte Mensch zur Antwort:Der ver- steht auch nichts!!" Preußen Anno 199 9. Schiller (schaut vom Olymp aus zu, wie vor einer von einem Schutzmann gehaltenen Stange mit dem Zylinder des Landrats darauf die Vorübergehenden den Hut abziehen):Wird daWilhelm Tell " gegeben?" Stimme aus dem Publikum:Nee? Das is überhaupt keen Theater, das iS Wirklichkeit!"(Jugend".) Notizen. Musikchronik. Der Verein für Frauen und Mädchen veranstaltet diesen Winter unter Leitung von Leo Kestenberg drei Konzerte, die als zusammenhängendes Ganzes gedacht sind. Es soll hier der Versuch gemacht werden, durch die Wahl der Programme, der Künstler und auch eines durchaus zweck- entsprechenden Konzertsaales(Choralionsaal, Bellevucstraße) das Niveau der üblichen Arbeiterkonzerte zu erhöhen. An den drei Abenden sollen die wichtigsten und charakteristischsten Werke unserer bedeutendsten Meister aufgeführt werden. An die Besucher diefer Konzerte kommen Fragebogen zur Verteilung, auf denen sie an- geben können, was den größten Eindruck hervorgerufen hat. Der Saal wird während der Vorträge verdunkelt sein. Für sämtliche Plätze sollen gleiche Eintrittspreise gelten. Das erste Konzert findet am 21. November statt. Dr. Guttmann wird am 17. November(Bußtag) nachmittags 3 Uhr imNeuen Klubhause", Kommandantenstraße 72, einen Ein- führungsvortrag halten, der für jedermann frei ist. Vorträge. Im Institut für Meereskunde (Georgenstraße 3436), spricht Dienstag, den 16. Nov., Herr Björn Heiland- Hansen aus Bergen über:Die BewegnngS- erscheinungen des Meeres".(Mit Lichtbildern.) Freitag, den 19. Nov., derselbe Redner über:Die Meeresströmungen in ihrer Beziehung zu Klima, Fischerei und Ackerbau".(Mit Lichtbildern.) Der Vortrag von Prof. Penck über:Eine Eisenbahn durch das Meer" ist auf den 20. Dez. verschoben. Im PavierHanfe (Dcssauerstraße 2) spricht am Sonntag, den 14. Nov., vorm. lOVi Uhr. der Phototechniker P. Faul st ich über:Praxis und ver- einfachte Methode der Photographie in natürlichen Farben"(mit Lichtbildern). Eine neue Berliner Sommeroper. An die Stelle der Morwitz-Oper, die im letzten Jahrzehnt allsommerlich im Schillertheater-Osten einem großen Publikum die Schätze unserer dramatischen Musik dargeboten hat, tritt im nächsten Sommer eine neue Oper, unter Franz Gott scheid, dem Direktor des Posener Stadttheaters.(Wir würden vorschlagen, die Oper nicht nach dem Namen des jeweiligen Direktors zu benennen. Die Red.) Mit den Opernmitgliedern werden ganzjährige Verträge abge- schlössen.