gesetzeZ herbeizuschaffen. Ehr- und gewissenlos wollke er Mit- gliedern des Bezirksvereins Osten Dtinamit mitbringen in der aus- gesprochenen Absicht:„Wir brauchen vor Verlängerung des Sozia- listengesetzes einen Coup; wir müssen etwas machen, damit das Gesetz verlängert wird." Diese Wirksamkeit verstärkte den gegen rhn bestehenden Verdacht und seine Entlarvung erfolgte. Vor einigen Wochen erklärte der Berliner Polizeipräsident die Jugendorganisation als politischen Verein. Das Material zur An- klage scheint gesucht zu werden. Was liegt für unsere Polizei- seelen unter solchen Umständen näher, als Beamte auf die Jugend- bcwegung loszulassen. So hat schon der Kriminalbeamte Wilhelm Schlaf als Goldarbeiter William Springer sein Glück in der Jugendorganisation versucht. Allerdings zog er sich bald„schmerzhaft berührt" vom Schauplatz dieser Tätigkeit zurück. Das liest aber den Ehrgeiz seines Kollegen, des KriminalschubmannS Adolf Palm, Genter Straste bS, vorn k Treppe, nicht schlafen. In ihm war in letzter Zeit wieder der Tatendrang furchtbar gewachsen. Schon einmal hatten wir uns mit dieser Blüte des Alexanderplatzes zu beschäftigen. Vor 21ch Jahren trat er als Mechaniker Max Heise, Willibald-Alexis st raste 32 bei Möck dem Wahlverein des zweiten Kreises bei. Die Familie Möck leistete ihm bei seinen Spionendienst Vorschub. Durch seine Bereitwilligkeit zu den Parteiarbeiten erwarb Palm-Heise auch die Würde eines stellvertretenden Bezirksführecs und voll„gerechter Entrüstung" schimpfte er auf alle Genossen, die den damals bestehenden Bäckerboykott nicht strenge durchführten. Lange konnte Palm-Heise seine Natur nicht verleuguen. Bald versuchte er durch alle Mittel der Ueberredung, den Bezirksführer Lewin für das schuftige Handwerk eines Polizeispions zu ge- Winnen. 150 bis 175 M. stellte er ihm als Monatsverdienst in Aussicht. Dabei half er Lewin fleistig Lumpen sortieren— wohl- verstanden in dessen Wohnung, nicht etwa auf dem Alexanderplatz , da Lewin sen. ein Produktengeschäft betreibt. Und wie vertraut er mit dieser Beschäftigung war! Aber trotz des hohen Angebotes muhte er abziehen, ohne sein Ziel erreickst zu haben. Dann ver° schwand er, da er Wind bekommen hatte, dost seine Entlarvung bevorstehe. Jetzt nach 2 Jahren begab er sich wieder auf den KriegSpfad gegen den inneren Feind, für Deutschtum, Thron und Altar. Sein Opfer sollte der Genosse Lewin junior werden, der Mitglied der Jugendorganisation ist. Es wiederholte sich das alte Ränkespiel. Da Lewin junior arbeitslos war, stellte Palm ihm sehr lohnende Arbeit in Aussicht. Er sei Verwalter des Hauses Genter Str. 65, da könne Lewin die Malerarbeiten verrichten. Dabei gab er Lewin zu verstehen, datz es auf die Höhe der Forderungen gar nicht an- komme. Er könne schönes Geld dabei verdienen. Und so kam es denn auch! Ein pflichtgetreuer Beamter, der die Unkosten seines Hand- Werkes lieber den Hauswirt, als den Korruptionsfonds des Alexanderplatzes tragen lästtl Der Hauswirt. Herr Dr. Otto Dammer, Friedenau , Stubenrauchstr. 67, hat sicher so viel patrio- tisches Gefühl, diese Mehrbelastung im Interesse des Vaterlandes und des ehrlosen Spionenfanges zu tragen. Selbst der Frau Palm waren die Preise etwas hoch, aber der Kriminalbeamte Adolf Palm beruhigte sie sofort und gab Lewin zu verstehen, dast er ganz mit seinen Forderungen einverstanden sei. Ob allerdings auch der Hauswirt Dr. Dammer, wissen wir nicht. Endlich glaubte er wohl. Lewin durch seinen Umgang sowe,t zu haben, datz er mit ihm einen„festen Vertrag" abschließen könnte.„Na, Sie können ja nebenbei ein ganz schönes Geld ver- dienen, wenn Sie schon vier Jahre in der Jugendorganisation sind," äußerte er unter scheinheiligem Judaslächeln zu Lewin. Als dieser nach einer erbetenen Bedenkzeit— in der er sich aber mit bekannten Genossen verständigte— scheinbar auf das nichts. würdige Angebot einging, glaubte Palm sich dadurch besonders sichern zu sollen, indem er Lewin folgendes Schreiben diktierte. das er seinem Kommissar zu überbringen habe: „Die politische Polizei bitte ich hierdurch höflichst, mich im Nachrichtendienst zu beschäftigen. Ich bin vier Jahre Mit- glied der Jugendorganisation und an leitender Stelle tätig ge- wesen. Habe in letzter Zeit meinen Posten infolge anstrengender Tätigkeit niedergelegt, jedoch wird es mir ein leichtes sein, wieder an leitende Stelle zu kommen!" Daraus könnte man vielleicht die Schlußfolgerung ziehen. die Polizei ist allmählich zu der Erkenntnis gekommen, datz ihre bisher geübte Ausbeutung der Notlage zu Judasdiensten die Ver- urteilung aller anständigen Leute finden müsse. Deshalb hofft sie durch solche Bewerbungsschreiben das Odium von sich abzuwälzen, denn dann ist anscheinend nicht mehr sie die Verführerin. sondern sie kann sagen, sie habe nur ein Angebot akzeptiert! O. diese anständige, gewissenhafte Polizei! Deshalb hat wohl auch der Kommissar Kuhnt den neuen Zögling nicht selber empfangen, wie Ehren-Palm vor der Werbung dem Lewin in Aussicht stellte? Monatlich 56— 75 M. Verräterlohn sollte Lewin erhalten. Und nun begann die„Berichterstattung". Die Berichte wurden natürlich vorher von informierten Ge- nassen zusammengestellt. Am 1. Oktober erhielt Lewin die ersten 5 M.. spater nochmals 26 M. und am letzten Sonnabend 3 M. auf die nächstfällige Halbmonatsrate. Palm verlangte natürlich fortlaufend Berichte. In seiner glanzvollsten Rolle zeigte sich der Kriminalbeamte Adolf Palm, Genter Strohe 65, aber erst, als er am 5. Oktober Lewin aufforderte, Druck- schriften, Zirkulare und dergleichen aus der Spedition Raschle mitgehen zu lassen, wenn es keiner sehe. Der königlich preußische Polizeibeamte scheint nicht zu verstehen, daß er damit einen jungen Menschen offen zum Diebstahl aufgefordert hatte. Denselben Wunsch äußerte er auch später be- züglich der Drucksachen im Bstreau der Jugend- organisation. Lewin sollte sehen, dast er solche Sachen e i n st e ck e n und mitgehen lassen könne. Dann sollte Lewin Aufschluß geben, ob die Flugblattverbreiter wirklich eine Entschädigung erhielten, wie es in dem Prozeß behauptet wird. Auch wollte Palm gern die Adressen von Abteilungsleitern der Jugendorganisation haben.— Als Lewin einige Broschüren, die von der Jugendorganisation allerdings schon seit Jahren öffentlich verkauft werden, mitbrachte, äußerte Palm seine Zufriedenheit mit den Worten:„Sie fangen ganz gut an; bleiben Sie nur so. Sie können bei uns'ne Menge Geld rausholen." Doch bald wollte er wichtigeres wissen.„Ob Lewin ihm das Manuskript zum„Mitteilungsblatt" der Jugendorganisation nicht schon vor der Drucklegung verschaffen könnte?" fragte er drängend an. So wollte er Lewin auch zum Treubruch gegen seine Kameraden, zum ehrlosen Denunzieren der Mitarbeiter verleiten. Gelang ihm das auch nicht, so war es doch nicht sein Verdienst, dast ein ehrlicher Mensch nicht zum ehrlosen Halunken Herabsank. Interessant ist folgender Vorfall: Als Lewin dem Palm einen„Bericht" über die Versammlung der Jugendlichen am 16. Oktober geben wollte, winkte er ab mit den Worten:„Ja, ja, ich weist schon Bescheid, von einem Christlichen ." Ist das wahr, <so kann man nur erschreckt sein, dast sich ein derartiges Früchtchen offizieller Jugenderziehung noch als„Christlicher" bezeichnet, also als ein Anhängeil der Religion, die noch heute den Denunzianten Judas als den erbärmlichsten Schuft hinstellt, der je gelebt. So großes Interesse Palm aber an der Jugendorganisation hatte, in die Versammlung derselben ging er nicht; da schreckten ihn anscheinend die Spuren seines Kollegen Wilhelm Schlaf. Schade! Nun wars aber genug des Spiels. Palm bestellte am Sonntag den Genossen Lewin zum Stelldichein am Belle-Allianceplatz. Lewin sollte ihm einen Bericht über'die an diesem Tage slangefundene Jugendversammlung bringen. Beide gingen dann nach Linden. stratze 16. Palm war eifrig beim Schreiben, als plötzlich sich eine Hand auf seine Schulter legte und freundlichst die Frage an ihn gerichtet wurde:„Na, Sie schreiben wohl schon, den Bericht von heute? Wollen Sie uns die Geschichte nicht mal lesen lassen?" Erschrocken drehte er sich um und sah— daß er in der Falle saß. „Ich kenne Sie gar nicht!" stammelte er.„Ist auch gar nicht not- wendig. Wir kennen Sie aber!" wurde ihm entgegnet. Und er stellte sich— so unglaublich das klingt— noch dümmer als andere Kollegen von ihm in gleicher Situation sich stellten. Es wurde ihm dann gesagt, was man von seinem Treiben denkt. Wäre er so dumm, wie er sich jetzt stellte, dann handelten seine Vor- gesetzten einfach gewissenlos, ihm sein Gehalt zu zahlen. Und trotz seines absichtlichen Mißverstehens konnte er eine persönliche Beleidigung nicht provozieren. Nur in einer Privatangelegenheit wurden ihm Backpfeifen in sichere Aussicht gestellt. So konnte er aber keine Handhabe zum Eingreifen erhalten. Was wir von ihm halten, das merkte er allerdings deutlich. Sein Kollege Malick hatte in einem ähnlichen Falle einmal ge- sagt:„Seht Euch mal diesen Lumpen an, diesen Halunken. Das ist auch so eine Pflanze aus dem Mistbeet vom Alexanderplatz ." Unsererseits wurde das allerdings nicht gesagt. Und nun fragen wir wieder: Was soll denn das Treiben dieser Elemente? Will man jetzt erst Material gegen die Jugendorganisation sammeln? Weiß man denn noch nicht, welchen Wert die auf solche Art und Weise erworbenen Berichte haben? Vor einem Menschenalter sagte Bismarck schon,„daß die Polizeibeamten aus Mangel an Stoff lügen und unverantwortlich übertreiben!" Und wir stimmen heut noch aus voller Ueberzeugung auch seinen weiteren Worten zu.„dast die Polizeibeamten eifern, die Resultate ihrer Bemühungen sowie die beabsichtigten und ver- hinderten Verbrechen in einer Weise aufzuputzen, daß man den eingeschüchterten Gemütern in bengalischem Feuer eines ununter- brocheneb Retters der Krone und der Gesellschaft aus haar- sträubenden Gefahren erscheint." Und mit diesen Mitteln des Verrats, der Tücke und der schamlosesten niedrigsten Korruption regiert man heute noch in Preußen. Dast die preußischen Junker Spione benutzen, ist man von ihnen gewohnt. Das haben sie getan, als sie noch als Buschklepper und Wegelagerer ihren Lebensunterhalt zusammenstahlen, und das behielten sie bis heute bei, wo sie unter der Devise„Mit Gott für König und Wucherzölle" das Volk systematisch ausplündern. Aber die Bürgerlichen, die doch früher selbst darunter zu leiden hatten und sich damals doch so wacker empörten, wo bleiben die? Wir klagen nicht die unteren Handlanger dieses schuftigen Systems an— bei dieser Beschäftigung muß ja jedes Verständnis für Ehre und Charakter verloren gehen— wir klagen die Re- gierung und den preußischen Landtag an, daß sie ein derartiges System des Treubruchs und der Verlumpung durch ihr Dulden des Treibens großziehen. AufdasKontoderRegierungkommtdieSchuld und gegen sie richtet sich die ganze Verachtung und Empörung aller ehrlichen Menschen. )ZufforclerunA. Durch den Kriminalschutzmann A. Palm, Genter Straße 65, ist im Auftrage des Polizeipräsidiums für zu leistende Spitzel- dienste die Summe von 28 M. ausbezahlt worden. Diese 28 M. stehen zur Verfügung der Polizei und sind entweder von Palm oder von einem andern seitens des Polizeipräsidiums legitimierten Beamten nach vorheriger Bcnach- richrigung im Bureau der Jugendorganisation, Stralauer Straße 13/14, sll. abends zwischen 8— S Uhr gegen Quittung abzuholen. Erfolgt dieses bis zum Donnerstag, den 25. November, nicht, so wird diese Summe dem Kampffonds gegen die Maß- regelung des Berliner Polizeipräsidiums in Sachen der Jugend- organisation überwiesen. HsnSelwIvister Sydow als Scharfmacher Als die 566 Millionen neuer Steuern dem Mittelstand und der Arbeiterklasse und gleichzeitig der Industrie durch eine Reihe der Steuern schwere Belästigungen unter dem Segen des Steuer- Sydow aufgepackt waren, haben wir betont, daß eine Folge der Segnungen des schwarz-blauen Blocks ein besonderes Entgegen- kommen der Regierungen gegenüber den großindustriellen Scharf- machern auf Kosten der Arbeiter sein dürfte. Unsere Befürchtungen haben sich vollauf bestätigt. Die GewerbeordnungS- Novelle, soweit sie Arbeiterschutz bringen sollte, soll dem Reichs- tag nicht wieder vorgelegt werden, wiewohl die Kommission nach einer großen Reihe von Sitzungen ihre erste Lesung beendet hatte. Hieraus hat der vom Reichsschatzamt in das preußische Handels- Ministerium geflüchtete Sydow durch eine in dem letzten Ministerialblatt veröffentlichte Anordnung vom 27. Oktober den Scharfmachern einen besonderen Liebesdienst er» wiesen. Der sicherlich nicht antigroßkapitalisttsche Handelsminister Moeller hat unter dem 26. Januar 1663 den Beitritt boi\ Innungen zu einem Arbeitgeberverband und Auf- Wendungen für einen solchen Verband aus dem JnnungSvcrmögen für gesetzlich unstatthaft erklärt. In der Begründung dieses dem Gesetz entsprechenden Entscheides, der die Frage der Zulässigkeit deS Beitritts der Schneiderinnung zum Allgemeinen Deutschen Arbeitgeberverband verneinte, wurde ausgeführt: „Nach§ 88 der Gewerbeordnung dürfen zu anderen Zwecken als der Erfüllung der statutarisch oder durch das Gesetz be- stimmten Aufgaben der Innung, sowie der Deckung der Kosten der Jnnungsvcrwaltung iveder Beiträge von den Jnnungsmit- gliedern oder von den Gesellen erhoben werden, noch Berwen- düngen aus dem Vermögen der Innung erfolgen. Die Zulässig- keit des Beitritts von Innungen zu einem Verbände, dessen Mitglieder zur Entrichtung von Beiträgen verpflichtet sind, ist daher — sofern andere Umstände nicht im Wege stehen— davon ab- hängig, ob die Beitragsleistung nach der öben erwähnten Be- stimmung statthaft ist. Diese Frage ist in Ansehung des Allgemeinen Deutschen A r b e i t geb e r v e r- bandes für das Schneidergewcrbe zu ver» ne i ne n. Dieser Verband ist seiner Bestimmung nach, wenn es auch in den Statuten nicht klar hervortritt, ein Kampfverein gegenüber der Organisation der Arbeit- nehmer. Seine Bestimmung steht somit Im Widerspruche zu § 8la Ziffer 2 der Gewerbeordnung, wonach die Förderung eines "gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen Auf- gäbe der Innungen ist. Hinzu kommt noch, daß den Innungen auch Mit- glieder angehören, die nicht Arbeitgeber sind» und datz es eine Unbilligkeit sein würde, die von ihnen mit auf- gebrachten JnnungSmittel einem Verbände zuzuwenden, dessen Aufgabe lediglich die Vertretung der besonderen Interessen der Arbeitgeber bildet. Uebngens bemerke ich. daß über die Frage, ob in dem Bei- tritt einer Innung zum Allgemeinen Deutschen Arbeitgeberver- bände für das Schneidergewerbe eine gesetzwidrige, das Gemein- wohl gefährdende oder eine andere als gesetzlich zulässige Zwecke oerfolgende Handlung zu erblicken ist, die nach 8 g? Absatz 1 Ziffer 3 der Gewerbeordnung die Schließung der Innung recht- fertigen würde, in jedem Einzelfall im Verwaltungsstreitver- fahren(H 97 Absatz 2 und 3 a. a. O.) zu entscheiden ist." Die Beachtung der in diesem Erlaß niedergelegten Grund- sätze wurde im Jahre 1965 vom Minister allen Oberpräsidenten zur Nachachlung empfohlen und dies im Ministerialblatt ver- öffentlicht. Jetzt hat der Handelsminister Sydow diesen Erlaß aufge- hoben und die gegenteiligen Grundsätze aufgestellt und nach und nach„den Beitritt der Innungen zu den Arbeitgeberverbänden" genehmigt. Der Erlaß besagt: „Nach der Entwickelung, welche die Arbeitgeberverbände ge- nommen haben, hat sich ein großer Teil von ihnen aus Kampf- verbänden der Unternehmer mehr und mehr zu Organi- sattonen umgestaltet, die in gemeinschaftlicher Arbeit mit den Organisationen der Arbeitnehmer die zwischen diesen und den Arbeitgebern bestehenden Interessengegensätze a u s z u- gleichen und dazu beizutragen bemüht sind, daß anstelle des Kampfes ein auf gerechter Grundlage beruhendes friedliches Zusammenwirken zwischen Arbeitgebern und Arbeit- nehmern zustande kommt. Insoweit erscheint ihre Wirksamkeit wohl geeignet, auch der Förderung eines gedeihlichen Verhält- nissts zwischen Meistern und Gesellen, wie sie der Z 81 Absatz 2 der Gewerbeordnung den Innungen zur Pflicht macht, zu dienen. In Abänderung des Erlasses vom 26. Januar 1963 iHMBl. 1965 S. 63) will ich daher genehmigen, daß in Zukunft auch den Innungen der Beitritt zu den Arbeitgeberverbänden gestattet wird. Ich setze dabei voraus, daß die Innungen innerhalb der Arbeitgeberverbände im Sinn« der Erhaltung und Befestigung des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern wirken und sich, wo noch Arbeitgeberverbände bestehen, die reine Kampforganisatio«en sind, von solchen fernhalten werden. Falls den Innungen aus diesem Beitritte die Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen an die Arbeitgeber- verbände erwächst, wird darauf Bedacht zu nehmen sein, datz die- jenigen Mitglieder einer Zwangsinnung, welche keine Gesellen und Lehrlinge halten, ebenso wie die Gesellen der Jnnungsmit- glieder selbst, gemäß Z 166, 8 Absatz 2 der Gewerbeordnung von der Zahlung von Beiträgen befreit bleiben." Die Arbeitgebervcrbände keine Kampfverbändel Schwarze Listen, Boykott, Arbeitsnachweisungsbureaus, Sperren und eine Reihe gesetzwidriger Maßnahmen gegen die Arbeiterklasse werden von Arbeitgeberverbänden seit 1963 und 1965 in immer größerem Umfange gegen die Arbeiter und ihre Organisationen und gegen diejenigen Arbeitgeber angewendet, die dem Terrorismus der hoch- besoldeten Sekretäre der Scharfmacher- sich nicht fügen wollen. Aber der Minister erklärt: Ein großer Teil der Arbeitgeberverbände hat sich aus Kampfverbänden gegen die Arbeiter zu friedlichen Kränzchen mit Windbeuteln und Schlagsahne umgewandelt! Und das deklariert der Minister just in dem Augenblick, wo unsere Veröffentlichungen aus dem Juliusturm jedem, der sehen will, die scharfmacherische Kampfnatur der Arbeitgeberverbände klar offen- baren. Den nach der zutreffenden Ansicht des Amtsvorgängers des Herrn Sydow als gesetzwidrig bezeichneten Beitritt von Innungen zu Arbeitgeberverbänden„genehmigt" der neu ernannte. Handelsminister! Der Minister hat kein Recht zu solcher Ge- nehmigung. Er steht nicht über dem Gesetz. Aber sein Erlaß offenbart, ob der preußische Handelsminister ein Höriger der Scharfmacher ist, der. weit entfernt über den Parteien zu stehen, sich redlich bemüht, die Gunst seiner Herren auf Kosten der Arbeiter sich zu erwerben. Desto sinnenfälliger macht er hoffentlich den noch nicht gewerkschaftlich oder politisch organisierten Arbeitern die Not- wendigkeit straffster Organisation der Arbeiter. /Ziis der parte!* DaS gleiche Recht in Hessen . Wieberum ist einem Sozialdemokraten in Hessen die De » stätigung als Beigeordneter versagt worden. Der Kreis- ausschuß in Groß-Gerau hat entschieden, daß die Wahl deS FahrradhändlerS Georg Jung zum Beigeordneten der Ge- meinde Rüsselsheim nicht bestätigt werden darf. da er Sozialdemokrat und Führer der sozial- demolratischenPartei in Rüsselsheim fei. auch seine politischeGesinnung st et« bekannt und besonders als Mitglied deS Gemeinderats betätigt habe. Die Entscheidung sagt zum Schluß wörtlich: Da das Ziel der sozialdemokratischen Bewegung die Um- gestallung unterer Staatsordnung und Gesetzgebung ist. ist Georg Jung VI. infolge seiner Parteistclluei und politischer Gesinnung nach der Ueberzeugung des KreiSnu*. husseS für das Amt eines Beigeordneten nicht geeignet. Unsere hessische Parteipresse hat die aufreizende Entscheidung. die freilich nur ein neueö Glied an einer schon ziemlich langen Kette ist. mit der gebührenden Schärfe kommentiert. Das»Osten- backer Abendblatt" schrieb u. a.: „Zu Reckt erkannt" nennt man eine solche Entscheidung! Kling! daö nicht wie blanker Hohn?... Die Entscheidung des Krei?ausichusses nimmt in Hessen nicht nur einem in ein öffent- licheS Ehrenamt gewählten Sozialdemokraten wider Recht und Gesetz seine staatsbürgerlichen Rechte, nein, sie begehl den gleichen Raub auch an den politischen Rechten all der vielen Tausende hessischer Staatsbürger, die ihrer Ueberzeugung nach sozialdemo- kratisch gesinnte Beamte wählen. Ein Fanstschlag in da» Gesicht dieser Tausende hessischer Staatsbürger, eine blutig« Verhöhnung des feierlich proklamierten Grundsatzes von der Gleichheit vor dein Gesetz und der Gewissensfreiheit— das ist die Entscheidung deS KreisausickusseS von Groß-Gerau ." Wie weiter ans der hessischen Partelpresse hervorgeht, hat die hessische sozialdemokratische Landtagsfraktion be- schlössen, künftig die parlamentarischen Abende deS Staats- Ministers Ewald nicht mehr zu besuchen. Früher hat sie diese parlamentarischen Abende besucht und mehrmals ist eS dort zu Unterhaltungen des GrohherzogS mit sozialdemokratischen Abgeord- neten gekommen, die dort auf neutralem Boden mit dem Staats- oberhaupt als Gleichberechtigte verkehren konnten. Der neue Kurs in Hessen , der sich in der Verweigerung der durch die Verfassung gebotenen Gleichberechtigung an die Sozialdemokratie kennzeichnet, macht unseren Genossen den ferneren Besuch dieser Abende un- möglich. Sie müssen„es ablehnen. Gäste eines Ministers zu sein, der, dem Verfassungsgrundsatz entgegen. Sozialdemokraten die Gleichberechtigung versagt, indem er ihnen als Beigeordnete und Bürgermeister die Bestätigung verweigert. Den Einladungen des verstorbenen StaatsministerS Rothe sind unsere Parteigenossen bekanntlich wiederholt gefolgt Unter Rothe Ivar der neue hessische Rechtsgrundsatz noch nicht proklamiert, daß Sozialdemokraten nicht gleichen Rechts sind. Dies blieb dem ehemaligen Reichsrichtcr Ewald vorbehalten." Der Entschluß unserer hessischen Landtagsfraktion wird in der deutschen Sozialdemokratie allgemeine Billigung finden. Er wird mehr ansprechen als die seinerzeitige Beteiligung der Fraktion an einem Glückwunsch für den Großherzog.
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