2 Proz. anTjeimgeßeBen, wozu nun diese breite Debatte und dieseErschwerung für die Geschäftsführung des Magistrats?Stadtv. Zylicz(A. L.) wendet sich ebenfalls gegen die Vor-läge. Die Grundstücke der angeschlossenen Vororte zahlten anBerlin viel weniger als die Berliner.Stadtv. Landsberg(A. L.j: Wenn wir die Gebühr jetzt er-höhen, ist noch lange nicht gesagt, daß der Oberpräsident das ge-nehmigt.(Unruhe.) Man will hier die Allgemeinheit entlasten undden Hausbesitzern ohne Grund eine neue Last auferlegen.(Zu-stimmung und Widerspruch.)Stadtv. Borgmann: Die Frage ist ausgiebig hier erörtertworden, so daß zweifellose Klarheit darüber herrscht. Wenn einTeil der Versammlung trotzdem Ausschußberatung wünscht, sowerden wir uns dafür erklären. Wenn Herr Landsberg behauptet,man wolle hier die Allgemeinheit entlasten und die Grundbesitzerbluten lassen, so muß Um entgegengehalten werden, daß doch dieGrundbesitzer die Last sofort wieder auf die Mieten schlagen.(Leb-hafter Ausbruch des Unwillens bei den Hausbesitzern.)— Aber dieHerren wissen doch, daß ein Grundstück, das keine Kanalisation be-sitzt, sofort um ein ganz Erhebliches im Werte steigt, wenn esKanalisation erhält. 1903 sind nicht weniger als drei MillionenMark aus allgemeinen Mitteln für den Kanalisationsctat an Zu-schuß geleistet worden. Die Anträge Werner zeigen die Meister-schaft des Antragstellers, die Beratung zu verschleppen. Eine solcheVerschleppungstaktik kann nur sehr zum Schaden der Allgemeinheitausschlagen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Kanndenn die Ausgabe für die Kanalisation überhaupt stationär bleiben?Nein, sie wird steigen. Auf den Rieselgütern haben wir 3009 Arbeiter, deren Bezüge auch erhöht, deren Arbeitsverhältnisse moderngestaltet werden müsseit; es darf dort keine Kinderausbeutung mehrstattfinden, wie es jetzt der Fall ist. Herr Zylicz ignoriert gänz-lich die Verträge, die die Stadt Berlin mit den angeschlossenenVororten geschlossen hat. Für Charlottenburg würde übrigensautomatisch der von uns erhöhte Betrag Geltung erlangen. Alsostecke Herr Zylicz zunächst einmal in die Verträge seine Nase.(Heiterkeit.) Ein so schlechtes Zeugnis wird sich die Versammlungdoch nicht ausstellen wollen, daß sie einen im März gefaßten Be-schluß im Herbst wieder aufhebt.Stadtv. Werner wendet sich in erregter Weise gegen die Kritik,die seine Anträge erfahren haben.Stadtv. Ullstein(soz.-fortschr.) kann die Befürchtung nicht ver-bergen, daß die erneute Ausschußberatung für die Vorlage nichtsGutes verheißt.Stadtv. Cassel: Die letztere Deduktion ist doch hinfällig. Esfragt sich, ob bis auf 2 Proz. erhöht werden muß oder ob man dar-unter bleiben kann. Die Ausschutzberatung ist also völlig gerecht-fertigt. Bedauern muß ich außerordentlich, daß eine Bemerkungfallen konnte, wie die, die sich aus den Oberpräsidenten bezog..(Zustimmung.)Stadtv. Tove(A. L.) tritt seinen Fraktionsgenossen Iben,Landsberg und Zylicz entgegen. Vom Hochhalten der Selbstner-waltung könne der nicht mehr reden, der schon jetzt den Ober-Präsidenten um Hilfe anrufe. Er(Redner) habe Übrigens vordem Oberpräsidenten tzar keine Angst. Wenn er die Wahl habezwischen dem Oberpräsidenten und den Vertretern des Grund-besitzes, so ziehe er den ersteren vor.(Demonstrativer Beifall derNichtHausbesitzer.)Stadtv. Haberland(A. L.) legt sich mit großem Eifer für dieAusführungen der Hausagrarier in seiner Fraktion ins Zeug.Damit schließt die Diskussion.Die Vorlage geht an einen Ausschuß.Der Antrag Werner auf Mitüberweisung des Antrags wegenEinrichtung einer kaufmännischen doppelten Buchführung an diesenAusschuß bleibt in der Minderheit.Der Ankauf eines Schulgrundstücks an der Zech-liner Straße auf dem Gesundbrunnen war von der Versamm-luna 1906 vornehmlich wegen des zu hohen Kaufpreises abgelehntworden. Der Magistrat bringt jetzt eine Vorlage, wonach dasselbeGrundstück für einen etwas ermaßigten Preis angekauft werdensoll. DaS Grundstück soll jetzt nicht 6076 Quadratmeter, sondernnur SSK6 Quadratmeter Fläche haben.Stadtv. Borgmann bemängelt, daß die Fläche des Schulgrund-stücks verkleinert und die Schule ganz auf Hinterland gebautwerden soll. Er beantragt Ausschußberatung, besonders auch zurPrüfung der Frage, ob der Schulhof noch eine genügende Größeaufweisen werde.Stadtrat Buchow, Stadtv. Jacobi und OberbürgermeisterKirschner treten dem Stadtv. Borgmann entgegen.Ter Antrag auf Ausschußberatung wird abgelehnt.Stadtv. Singer wiederholt in der zweiten Beratung den An-trag auf Ausschußberatung.Stadtschulrat Dr. Fischer erklärt ebenfalls die Größe desSchulhofs für ausreichend.Die Ausschutzberatung wird abermals abgelehnt, die Vorlageangenommen.Die Beratung der Wertzuwachs st euervorlage wirdvon der Tagesordnung abgesetzt.Schluß nach �10 Uhr.Huö Induftnc und HandelKonkurs in der Holzindustrie. Die Firma Gebr. Vogel u. Co.hat infolge der Zahlungsschwierigkeiten der Holzfirmeu Brühl-Vallcntin Konkurs anmelden müssen.Spritdividcnde. Die Posener Sprit- Aktiengesellschaft soll fürdaS laufende Jahr, so hat der Auffichtsrat schon beschlossen, wiedereine Dividende von 25 Proz. abstoßen. Der Schnaps bringtwas ein.Guter Abschluß. Die Eduard Singek Altienges. Schuhfabrikerzielte im letzten Geschäftsjahre bei 3 Mill. Mark Aktienkapitaleinen Gewinn auf Warenkonto in Höhe von 1295 252 M. gegen1 283 455 M. im Vorjahre. Nach Abzug von 505 791«W.(514144 M.) Unkosten usw. verbleibt einschließlich 35 237 M.(31 107 M.) Vortrag ein Ueberschuß von 677 718 M. gegen675 237 M. Daraus sollen dem Reservefonds wieder 40000 M..dem SpezialreservefondS wieder 15 000 M. zugewiesen, wieder17 Proz. Dividende gezahlt und 37 713 M. ans neue Rechnung vor-getragen werden.__SozialemDie Mankofrage vor dem Reichsgericht.Wiederholt haben wir betont, daß es dem Gesetz durchauswiderspricht, die Verkäufer. Filialleiter. Lagerhalter in weiteren,Umfange für Manko haften zu lassen, als eine Verschuldung derVerkäufer usw. vorliegt. Ferner liege die Beweispflicht für dieVerschuldung der Firma ob.Diese Betonung war gegenüber der selbst in Berlin bei Ge-Werbegerichten. Kaufmannsgerichten und dem Landgericht zumAusdruck gebrachten gegenteiligen Ansicht erforderlich. Und umso notwendiger, als das Landgericht zur Rechtfertigung seinerden Angestellten falschen Ansicht sich auch auf Vertragsklauselnvon Konsumvereinen berufen hatte.Dieser Tage hat nun das Reichsgericht einen Prozeß ent-schieden, in dem es zugunsten der Verkäuferin im wesentlichender von uns stets vertretenen Ansicht beitritt. Der Rechtssall lagfolgendermaßen:Eine Berliner Firma hatte in ihrer Butter-, Eier- und Käse-siliale in Schwerin(Mecklenburg) eine Berkiinferin als Leiterinmit vierwöchentlicher Kündigung angestellt. Da sich bei den In-venturen Fehlbeträge von 300— 400 M. ergeben hatten, war es zuUneinigkeiten zwischen den Vertragsparteien gekommen, so daßschließlich die Verkäuferin um ihre Entlassung bat. Die Firmaklagte daraufhin gegen die Verkäuferin auf Ersatz der mchrjährigenFehlbeträge und machte zuerst einen Schaden von 900 M. geltend.welche Forderung sie später auf 2500 M. erhöhte. Sie erklärt, daßes unmöglich sei. daß durch das Einwiegen beim Verkauf und durchdas Vertrocknen der Ware ein so großer Fehlbetrag sich ergebenkönne. Die Verkäuferin müsse Unterschlagungen gemacht haben.So habe sie einen jungen Mann, der sich zum Doktorexamen vor-bereitete, lange Zeit fast vollständig auSgehalten. ohne dre dazugehörigen Mittel zu besitzen. Außerdem hafte üe nach dem Bcr«trage aber auch für den natürlichen Schwund. Denn sie habe dieWaren auf eigene Rechnung getauft und wieder verkauft.Das Landgericht Berti» erkannte nach Vernehmung einesSachverständigen, der bekundete, daß der natürliche Schwund derWare nicht die angesetzten Beträge erreichen könnte, auf Ber-urteilnng der Brklagten. Dieses Urteil wurde auf die Berufungder Beklagten vom Kammergericht zu Berlin aufgehoben und dieKlägerin mit ihrer Klage abgewiesen, falls die Beklagte den Eidleistet, daß sie Unterschlagungen an Erlös oder Waren nicht ge-macht hat.Gegen das Urteil des Kammergerichts hatte die KlägerinRevision beim Reichsgericht eingelegt. Der III. Zivilsenat be-stätigte jedoch das Vorderurteil und erkannte auf Zurückweisungder Revision, indem er dazu folgendes erklärte:.Der Berufuugs-richter gibt zwei selbständige Gründe. Ein Beweis für wirkliche.von der Beklagten nach dem Engagementsvertrage vom 2. Mai1895 zu ersetzende Fehlbeträge ergebe sich weder aus den erst nach-träglich, nämlich innerhalb des Zeitraums von acht Jahren seitEntlassung der Beklagten bis zur Klageerhebung, auf leicht mög-lich unvollständige Unterlagen hin in Ordnung gebrachten Büchernder Klägerin, noch aus den Frachtbriefen, noch aus den Waren-spczifikationen. Es sei weder das Nettogewicht der übergebenenWaren, noch der durch Eintrocknen und Verderb der ihrer Naturnach schnellem Verderben ausgesetzten Waren erwachsende Preis-abgang festzustellen. Diese Auffassung ist rein tatsächlicher Beweis.Würdigung. Und ausgegangen ist von der zutreffenden Rechts-ansicht, daß der durch Eintrocknen und durch anfänglichen odernachträglichen Verderb der Ware erwachsende Preisabgang nachdein Vertrage vom 2. Mai 1895 die Klägerin, nicht die Beklagtetrifft. Daß die Beklagte, welche durch diesen Vertrag als Ver-käuferin der Klägerin engagiert war, für den ihr vorgeschriebenenVerkaufspreis wie eine Selbstkäuferin haste, ist von der Klägerinselbst in den Vorinstanzen nicht behauptet und wird durch den Ber-trag widerlegt. Daß der Berufungsrichter trotz dieses negativenBeweisergebnisses dazu kommt, der Beklagten einen richterlichenEid über etwaige Unterschlagungen an Erlös oder Waren aufzu-erlegen, beschwert die Klägerin nicht. Und zu mehr als zu diesemrichterlichen Eide führt auch nicht die Behauptung der Klägerin.die Beklagte habe damals einen jungen Mann fast völlig aus-gehalten."*Zu wünschen wäre, daß nunmehr auch olle Gewerbe- undKaufmannsgerichte, sowie das Landgericht an dem Grundsatz fest-halten: Verkäufer, Filialleiter, Lagerhalter usw. haben auch beientgegenstehendem Wortlaut des Vertrages nur für das Mankoeinzutreten, das durch von der Klägerin nachgewiesenes Ver»schulden der Verkäufer entstanden ist.'DaS Kaufmannsgericht in der Konditorei.Die 2. Kammer des Berliner KaufmannSgerichts fand sich bor-gestern zu einer Lokalbesichtigung in der Konditorei von C. Hellbrichm der Leipziger Straße ein, um durch örtliche Inaugenscheinnahmein einem zwischen der beklagten Konditorei und der klagbar ge»wordenen Kassiererin Grete V. schwebenden Rechtsstreit Klarheit zugewinnen. Der Fall lag folgendermaßen: Die Klägerin war ineinem von den Gasträumlichkeiten durch eine Glostür getrenntenNebenraum mit einer Kollegin in Streit geraten und beide hattensich dabei gegenseitig reckt bedenkliche Verbalinjurien an den Kopfgeworfen. Als der Geschäftsführer die sich Zankenden zur Ruheverwies, soll Frl. V. so laut weiter skandaliert haben, daß der Lärmim Lokal gehört werden mußte. Da olle Ermahnungen nichtsfruchteten, wurde seitens des Geschäftsführers die sofortige Ent-lassung ausgesprochen. Die Klägerin wendet nun ein, daß tS beider Bauart der Lokalitäten gar nickt möglich sei, daß der Zank beiden Gästen der Konditorei hätte Aufmerksamkeit erregen können;erstens würde in dem Nebenraum vom Personal immer mehr ge-schrien als gesprochen und sodann halte die Glaswand den Sckjallso stark ab, daß man im Lokal nichts höre. UeberdieS sei dieKollegin, die die Zankerei angefangen habe, nicht entlassen worden.Der Geschäftsführer bekundet dagegen, daß der Lärm so groß war,daß man ihn sogar in der höheren Etage hörte.Bei dem Widerstreit der Ansichten über diesen ausschlag-gebenden Punkt beschloß das KaufmannSgericht, eine sofortige Lo-kalbesichtigung vorzunehmen. Das gesamte Kollegium einschließlichder Parteien begab sich nach der nahe gelegenen Konditorei undkehrte nach etwa einviertelstündiger Besichtigung wieder in das Ge-richtsgebäude zurück. Bei Wiederaufnahme der Sitzung verkündeteder Vorsitzende, MagistratSasscssor Dr. Licbrecht. folgendes Nrteil:Die Klägerin wird mit ihrem Anspruch auf Nestgehalt abgewiesen.Die Besichtigung hat ergeben, daß die Konditorei der Beklagsienvom besten Publikum besucht wird, daß während der Geschäftszeitgrößte Ruhe herrscht und daß zankende Geräusche entschieden aufdie Vornehmheit des Lokals einen ungünstigen Einfluß ausüben.In einem solchen Milieu muß mehr als in einem anderen Betriebefür Ruhe und Ordnung gesorgt werden, die Entlassung war wegender Unbvtmäßi�keit jomit berechtigt.Senedts-Deining.WohltätigkeitSschwindel.In mehrtägiger Verhandlung hatte sich die 6. Strafkammer desLandgerichts I unter Vorsitz des Landgericksisdirektors Dr. Goebrlmit einem Manne zu beschäftigen, der in„Wohltätigkeit" machteund wegen seiner Tätigkeit auf diesem Gebiete schon mehrfach dieöffentliche Aufnierlsanikeit auf sich gezogen hat. ES handelt sichum den Architekten Adolf Cichbanm, dessen Ehefrau als Sängerinwiederholt aufgetreten ist. Er lvar wegen Betruges in mehrerenFällen unter Anklage gestellt. Seinerzeit war hier ein Verein ge-gründet worden, der es sich zur Aufgabe machte. Künstler, die durchEngagementslosigkeit in Not gerieten, zu unterstützen. Zu diesemZweck sollten große Wohltätigkeitsaufführungen unter Mitwirkunghervorragender Künstler stattfinden, außerdem war geplant, denVerein zu einer Zentrale für Theaterbillettverkauf auszubilden,die an gewissen Tagen die gesamten Einlaßkarten von den mit demVerein in Verbindung tretenden Theatern zu Vereinspreisen über-nehmen und durch Pen Weiterverkauf Ueberschüsse erzielen sollte,welche in die Vercinskasse fließen und den statutenmäßigen wohltätigen Zwecken dienen sollten. Der Grundgedanke, dem der Ver-ein sein Dasein verdankte, war ein ganz vernünftiger und leuchtetesehr vielen Bühnentünstlern in dem Maße«in, daß sie Mitgliederwurden. In den Vorstand wurde beispielsweise KammersängerRothinühl neben einer Anzahl anderer Personen gewählt, derwirkliche Leiter war aber der Angeklagte, der die gesamten geschäft-lichen Angelegenheiten in der Hand hatte und nach dem Zeugnisverschiedener Mitglieder diese Geschäfte auch mit großem Eiferversah, leider behauptete aber die Anklage daß das von dem Ver-ein Erreichte in übergroßem Mißverhältnis stand zu den außer-ordentlich hoben Betriebslosten. die der Angeklagte in Rechnungstellte. Die Art seiner Geschäftsführung erregte bei manchen Mit-gliedern große Bedenken und dewog den Kammersänger Rothmühlund mit ihm anders Mitglieder, sich von dem Unternehmen sehrbald vollständig zurückzuziehen. Die Geschäfts- und Kassenführungdes Angeklagten als Vertreter des Vereins unterlag in der Ver-Handlung einer überaus eingehenden Prüfung, die notwendig war,um zu entscheiden, ob der Angeklagte bei Pen zur Entscheidungstehenden Betrugsfällen, in denen er bei verschiedenen JuwelierenGoldsachen als Jubiläen- und Ehrengaben für Künstler auf Kreditentnommen und teilweise versetzt hatte, in gutem Glauben gewesensein könne. Das Gericht sprach den Angeklagten in einem Fallefrei, verurteilte ihn aber in den Übrige» Anklagefällen zuJVa Jahren Gefängnis. Der Angeklagte war schon während derVerhandlung in Haft genommen worden. Der Staatsanwalt hatte2� Jahre Gefängnis in Antrag grbracht.DaS recht eigenartige Schicksal der Laie Fullrrsche»Tänzerinneutruppespielte in eine Verhandlung hinein, mit welcher sich gestern dasSchöffengericht Berlin-Mitte zu beschäftigen hatte. Angeklagt wegenUnterschlagung bezw. Nötigung und Beleidigung toar der Pen»sionatsinhäber Eugen Reinhardt und dessen Ehefrau Marie R.—Anfangs b. I. trat die bekannte Tänzerin Laie Füller mit ihrer aussechs Engländerinnen bestehenden Tanztrnppe in einem hiesigenTheater auf. Die sechs Tänzerinnen lourden von Miß Füller indem Pensionat der beiden Angeklagten in der Morienstraße unter-gebracht. Da Miß Füller die Pension nicht bezahlte, mußten diejungen Engländerinnen eines schönen Tages das Pensionat ver-lassen. Vorher hatte ihnen die Angeklagte R., um sich schadlos zuhalten, sämtliche Kostüme und Kleider und sogar die allernot»wendigste Leitnväsche einbehalten. Die sechs Jungerinnen Ter»psichores, unter denen sich noch mehrere Kinder befanden, gerietenhierdurch in die größte Verlegenheit. Es wurde ihnen der Rechts»anwalt Dr. Aßmcinn als Pfleger bestellt, der aus dem Wege einereinstweiligen Verfügung die Angeklagte zur Herausgabe der ein-behaltenen Sachen auffordern ließ. Diesem Antrage wurde statt-gegeben, zumal nicht die sechs Tänzerinnen, sondern Miß Füllerals eigentliche Schuldnerin der R.schen Eheleute in Frage kam. DieAngeklagten verweigerten trotz des Gerichtsbeschlusses die Heraus- �gäbe der Sachen. Als schließlich der Gerichtsvollzieher erschien, er-klärten sie, daß sie die Sachen bei einem Kaufmann Löwenthal lom-barbiert �>ben. Nachdem sich ergeben hatte, daß dieser die Sachennicht in seinem Besitz hatte, wurde gegen die Angeklagten ein Offen-barungsverfahren in die Wege geleitet. Gegen beide muht« Haft-bcfchl erlassen werden, da sie nicht vor Gericht erschienen. Frau R.erklärte schließlich, daß sich die Sachen noch in ihrem Pensionatbefänden. Als hier der Gerichtsvollzieher Kosebeck in Begleitungdes Bureauvorstehers Pflanz und der Tänzerin SunShine May er-schien, riß R. der letzteren noch eine Federboa von den Schultern,um sich daran schadlos zu holten. Die Sachen wurden beschlag-nahmt und den Eigentümerinnen ausgehändigt. RechtsanwaltDr. Aßmann erhielt später seine dem Angeklagten zugestellte Kosten-rechnung mit einem in höhnischem Tone gehaltenen Brief zurück.Ferner telephonterte er an Dr. A., daß er dessen Angestellten, wennsie ihn noch einmal in dieser Sache aufsuchen würden, das Genickbrechen würde.— Das Schöffengericht erkannte bezüglich der Ehe-frau R. wegen der Unterschlagung aus Freisprechung, da eineUebergabe der Sachen an den Zeugen Löwcnthal noch nicht statt-gefunden hatte und die Verpfändung demnach nicht rechtsgültiggewesen war. Dagegen wurde der Ehemann Reinhardt wegen ver-suchter Nötigung zu 59 M. Geldstrafe verurteilt.Au» ber Schulstube.Vom Landgericht Essen(Ruhr) ist am 6. Februar der Ober»lehrer Karl Schröer wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einerGeldstrafe verurteilt worden. Er war am Proghmnasium in Buertätig und verwies die lärmenden Schüler der Sexta, derer Lehrer«r nicht war. zur Ruhe. Ein Schüler lächelte über seinen fremd-artigen Dialekt. Der Lehrer packte ihn dafür mit beiden Händenan den Seiten des Kopfeö. Dadurch riß er an beiden Seitendie Haare aus, so daß zehnpfenniggrohe Löcher entstanden. VonAusübung des Züchtigungsrechtes konnte nach Ansicht des Gerichtskeine Rede sein.— Die Nevision des Angeklagten wurde vomReichsgericht am Mittwoch verworfen.Es wäre zu wünschen, daß eine gleiche Praxis endlich auf dieGemeindeschulen ausgedehnt würde.Aus den Geheimnissen einer bayerischen Backstube.Wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittelgesetz batte stchvor dem Landgericht Nürnberg der Bäckermeister Engelbrecht zuverantworten. Der Mann macht ein Bombengeschäft mit einer inNürnberg und darüber hinaus bekannten Brezelspezialität. Nunwar beschuldigt, zum Backen dieser Leckerbissen Mehl ver-wendet zu haben, in dem sich drei tote Mäuse sowieMLnsckot befanden, ferner soll ein Hund einmal das Mehl so wieValentin seligen Angedenkens den Käse behandelt haben. Derreinliche Bäckermeister führte zu seiner Entschuldigung an, daßer das verunreinigte Mehl vor der Verwendung habe„durch-sieben" lassen. Die Geschichte mit den toten Mäusen konnte nichtals ganz sicher nachgewiesen werden, wohl aber die anderen Sachen.Der Mann kam mit der gelinden Strafe von 30 M. davon.Valentin erhielt seinerzeit eine hohe Gefängnisstrafe. Derbayerischen Gemütlichkeit würde es nicht schaden, wenn sie beimStrafausmaß gegen solche Schweinereien sich etwas mehr imHintergrund dielte._________Huq der frauenbcwegung.Mädchenhandel.Am 16. und 16. November wurde in Leipzig die diesjährigeHauptversammlung des deutschen Nationalkomitees zur Bekämpfungdes Mädchenhandels abgehalten. Der Vorsitzende. Reichstags-abgeordneter Dr. v. Dirkfen, machte unter anderen folgende Aus-sührnngen: �Man sei mit den Behörden gemäß der vorjährigen Beschlüssein Verbindung getreten, daß die Eintragung mindcnährigerAiisländerinncn in die Dirnenlisten unterbleibe uno daßeventuell diese Personen ausgewiesen werden. Die Ver-Handlungen schweben noch. Dann Hobe man sich mit den Eisenbahn-Verwaltungen und den Schiffahrlsgeseklschaften in Verbindmig ge-setzt, daß für in« Ausland reisende Frauen und Mädchen auf demTransport getrennte Unterkuiiftsräume beschaffen werden. Diedeutschen SchiffahrtSgesellschasteu sind aufgefordert worden. Mit-glieder in daS Nationalkomitee zu entsenden. Auf Grund der vor-jährigen Tagung in Breslau sind in Kaltowitz und Beuthen Heber-ivachungSgreiizstationen eingerichtet worden, da dieie beiden Orte alsEingangstore für den internationalen Mädchenhandel aufzufassensind. Sehr zu begrüßen war eS, daß aus dem deutschen Kathalikemagin Breslau in scharfer Weise die Belämpfuno der Schmutz- undSchundliteratur beschlossen worden ist. Sehr begrüßenswert sei eS,daß die Polizeibehörde die Ausstellung von Auslandspässen anjunge Mädchen verweigert, bis festgestellt wird, daß die Stelle imAusland eine einwandssreie sei. Ferner sei die in Aussicht ge-nommen e rcicksgesetzliche Regelung des StellenvermiltelungSwesenZsehr zu begrüßen. Die Vereine sollten Eingaben machen, damithierbei mehr ans die Moralität der Stellenvermiitler in der Regelung dieser Materie besonderes Gewicht gelegt wird.Major a. D. Wagener-Berlin erstattete den Jahresbericht: DerMädchenhandel ist im großen und ganzen in Deutschland ein Transit-verkehr, denn der Zug von Rußland und den Ballanländern gehtÜber Deutschland nach Frankreich und England, Die eigentlichenMädchenhändler werden ähnlich wie beim Wucher nicht gefaßt.Man faßt nur die Agenten und das find meist minderwertigeMenschen. Ans meine» Studienreisen im Ausland habe ich mBordellen selbst sehr wenig deutsche Mädchen gefunden. Ungeheuergroß ist dagegen die Zahl der jungen deutschen Mädchen, die alsKellnerinnen un Auslände tätig sind und dann bald der Prostitutionanheimfallen, aus diese Weise immer tiefer finkeu und