Nr. 271.

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Vorwärts

Berliner Volksblatt.

26. Jahrg.

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Telegramm Adresse: ,, Sozialdemokrat Berlin  

Zentralorgan der fozialdemokratifchen Partei Deutfchlands.

Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.

Ordnung in Ungarn  .

Sonnabend, den 20. November 1909.

Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Mr. 1984.

so gewaltige Vorteile gebracht hat, preisgeben und fallen lassen Die luguriösen Uniformen, die den Generälen vorgeschrieben will. Aber auch dieses Spiel, so fein es angelegt, kann ver- find, bilden aber auch eine Ausrede für die großen Bezüge der loren gehen, und die Hoffnung ist nicht ausgeschlossen, daß alle Generale. Da heißt es, man müsse die Herren gut bezahlen, weil wahlreformfreundlichen Kräfte an der nahenden Gefahr sich ihre Uniformen so viel Geld fosten. Die Steuergroschen des Volkes neu beleben und den Pakt, der das Schicksal der Wahlreform find aber nicht zur Anschaffung schöner und dabei höchst über­flüssiger Toiletten für die Generäle da. besiegeln will, zerreißen werden.

Parteigenossen! Arbeiter!

Bom vernünftigen Standpunkt aus ist es fomisch, daß Offiziere, die über die jungen Jahre gewiß hinaus sind, Schneiderrechnungen wie eine Weltdame zu verzeichnen haben.

Es ist richtig, daß die Einsparungen, die bei den Generälen gemacht werden könnten, im Verhältnis zum ganzen

Aus Wien   wird uns vom 18. November geschrieben: Habsburg   und Kossuth werden nun bald einig sein und die schier endlose ungarische Krise nähert sich ihrer Lösung. Nachdem Kossuth verkaiserlicht" worden ist, wird die Krone gnädig sein und der Gewährung von Konzessionen keinen Widerstand mehr entgegenseßen. Die Krone wird auf ihre imperialistischen Pläne und Kossuth auf seine Un­abhängigkeitsutopien verzichten und in einem faulen Um den Junkern und der Regierung ihre Steuer- Militäretat nicht viel bedeuten würden, aber es wäre doch Stompromiß werden fie sich finden, die einander räubereien heimzuzahlen, hat der Leipziger   Parteitag ein- ein Anfang. einmal ausrotten wollten und ausrotten zu können wähnten. stimmig beschlossen, alle Parteigenossen und Arbeiter aufzu Die Lösung wird also für beide Teile gleich ehrenvoll aus­fordern, den Branntweingenuß zu vermeiden. fallen. Vorher mußte Kossuth Buße tun und seine 11nabhängig­Mit jedem Tropfen Branntwein, der durch Eure Kehle fettsideen feierlich verleugnen. Indem er die historische Pro- rinnt, zahlt Ihr einen freiwilligen Tribut an Eure schlimmsten

grammforderung der Unabhängigkeitspartei, die Forderung nach Feinde! der Errichtung einer selbständigen ungarischen Notenbank auf­gab, die zu der ganzen überlangen Krise den Anstoß gegeben hatte, hat er durch die Tat abgeschworen, was seine Ver­gangenheit war und das Ziel seiner Partei schien, hat er sich gereinigt und zu einer f. u. t. Staatsstüße geweiht. Daß er dadurch seine eigene Partei zerschlug und den Stern seiner Anhänger, die sich um den grimmen   Just h scharen, vor den Stopf stoßen mußte, macht seine Befehrung nur wertvoller.

Arbeiterl

Beachtet den Parteitagsbefchluß! Meidet den Schnaps!

Єine Posse.

München  , 18. Nobember.

Wir befinden uns in freudiger Erwartung im bayerischen Parlamente, im hohen Haus der hohen Herrn des Reichsrates. Die großen Bilder der vier ersten Könige zieren die Wand, und die Sessel der hohen Herren erfüllen das Parterre. Kron= leuchter dienen zur Belichtung der erlauchten Gehirne, soweit songe vorhanden sind.

In diesem hohen Haus ist alles standesgemäß, selbst die Sessel. In besonderer Reihe stehen die lebergepolsterten und golbverzierten Prinzensessel und dahinter und gegenüber die einfacheren Reichs

Der Stofſuth, der aus der Koffuthpartei austreten mußte. Herunter mit den Generalsbezügen! asſeſſel. Die Miniſterſeſſel leuchten in blauem Plüſch. In einer

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Ecke neben dem Präsidententisch entdeckt man plebejische Stühle, besetzt von den Ministerhandlangern, in der Barlamentssprache Büchsenspanner" genannt. Die Reichsratstische sind mit Wappen geschmüdt, weshalb die hohen Herren auch die Gewappelten" heißen.

Schon eine halbe Stunde vor Beginn der heutigen Galavor stellung find die Tribünen dichtbesetzt. Das Haus der Abgeordneten hat ant Tage vorher Rellame gemacht.

weil sie in ihrer überwiegenden Mehrheit seine schwächliche Entsagungspolitik nicht mitmachen wollte, der Kossuth, Gleich so vielem anderen hat sich in den letzten Jahren auch der dem Unabhängigkeitsgedanten Valet sagt und zur Hof  - die Art und Weise, in der bisher Schlachten und große Gefechte burg sich bekehrt, der hat von dem Stoffuth, der die Habs. geleitet wurden, geändert. Das Telephonist ein wichtiges Justru burger entthronen wollte, wirklich nur den Namen geerbt. ment der Meldungs- und Befehlsübermittlung geworden, der seinerzeit Daß die alte Firma noch nicht gelöscht ward und Stoffuth sich so beliebte Feldherrnbügel" ist abgedankt worden und die obersten noch immer einen Achtundvierziger nennt( nach dem Geseze Führer leiten die am Kampfe beteiligten Truppen vor irgend einem aus der Revolutionsepoche, das jede Gemeinsamteit Defter Gause an einem Tisch sigend, neben sich ein paar Telephonhörrohre reichs mit lingarn beseitigte), ändert nichts daran, daß er und vor sich einige Karten. Die Sache spielt sich eigentlich höchst Dort hatten die Liberalen einen Antrag begründet auf eine praktisch ein regelrechter Siebenundfechziger geworden ist, die unfriegerisch, rein äußerlich betrachtet sogar gemütlich ab. Reform der Reichsratstammer. Sie wollen derselben durch Zu­ihren Namen von dem im Jahre 1867 gefchaffenen Dualis.. Während des Marfches wird von den höheren Truppenführern wahl von Vertretern der wichtigsten Berufsstände, auch der Ar mus tragen. Vor dem Kossuth braucht Wien   nicht mehr zu und ihren Stäben nieistens das Automobil benugt. Darin liegt, beiter, Hanbwerfer und Kleinbauern, frisches Blut zuführen. zittern, mit dem kann sie Patte" schließen. nebenbei bemerkt, der Hauptgrund dafür, daß seit einigen Jahren von Unser Redner, Genoffe Müller, war für eine raditale Be Fragt sich nur, auf welchen Fundamenten die Macht der Infanterie riesige Marschleishmgen gefordert werden. Durch seitigung der hohen Herren, und fonnte es in seiner farfaftischen Kossuths beruht. Denn daß es durch Neuwahlen entschieden das Automobil ist eben leider nicht wenigen höheren Weise nicht unterlassen, einen Besuch der morgigen Glanzfizung werden muß, ob die Wähler der Unabhängigkeitspartei in ihrer Truppenführern und vielen Generalstabsoffizieren das Verständnis der Oberen zu empfehlen, die in ihrer papageienhaften Farben Gesamtheit die Schwenfung mitmachen wollen, ob Kossuth für die Anstrengungen, die große Märtche mit sich bringen, verloren pracht eine Operettenvorstellung ersetze." Der liberale zweite stärker ist denn Justh, unterliegt keinem Zweifel, trotzdem die gegangen. Wenn ein General mit 58 Jahren an einem Tage Bizepräsident, Dr. Hammerschmidt, dem jeder Sinn für Humor neue Regierung den Fährlichkeiten der Auflösung des Hauses 50 Stilometer reiten muß. so spürt er seine Senochen sehr deutlich und fehlt, bellte mehrmals vom Präsidententisch herab den Redner an. gerne entrinnen möchte. Vorläufig ist die Mehrheit der alten fühlt dabei, was ein Marsch von 50 Kilometern für die Mannschaften Die Empfehlung hatte Erfolg. Das Haus ist besetzt und Partei zu Justh übergegangen und Kossuth   erscheint als der bedeutet. Sigt er aber im Automobil, so erscheinen ihm die 50 Kilo­wartet mit Ungeduld, bis es los geht". Hinausgeworfene. Daß hinter der Opposition des ehemaligen meter als angenehme Spazierfahrt. Punkt 10 Uhr teilt sich der Vorhang und die hohen Herren Aber das Automobil ist einmal da, ebenso wie das Telephon, Präsidenten des Abgeordnetenhauses denn seither hat ihn die neue Koalition vom Präsidentenstuhle gedrängt noch und daher gilt es, aus ihnen auch die Konsequenzen nach allen betreten das Haus, voran der Thronerbe Pring Ludwig, in Uni­etwas anderes steckt als die Agitation für die selbständige Richtungen zu ziehen. Eine von ihnen besteht darin, daß sie form, der seinen weit über die blauweißen Grenzpfähle hinaus. reichenden militärischen Ruhm einzig und allein dem Simpli Bant, ist sicher, obwohl es Justh selbst und seinen Leuten eine Beschneidung der Bezüge der Generäle ciffimus" verdankt. Ihm folgen die Prinzen des königlichen heute vielleicht noch nicht klar ist. Diese Opposition hat sehr empfehlenswert machen. auch ihre bestimmten ökonomischen Gründe: den Die Generäle haben bekanntlich ungerechtfertigt hohe Ansprüche Hauses, die Kronbeamten, die katholischen und protestantischen Widerstreit der Intereffen der bürgerlichen Elemente auf Pferderationen. Ein kommandierender General   erhält 8 Rationen, Bischöfe, die Standesherren, die erblichen und die lebenslänglichen Reichsräte. gegen den Feudalismus, der in der Person des Grafen ein Divisionsfommandeur 6 Rationen, ein Brigadekommandeur Andrassy die Gewalt ufurpiert und mit dem Pluralwahlrecht 5 Rationen. Derartige Bezüge können aber nur mit der Vorstellung, vorstellung! Zahlreiche Uniformen aller Waffengattungen neben Wirklich, die papageienhafte Farbenpracht einer Operetten seine Macht neu verankern möchte. In der ganzen konstitu- daß ein General auf dem Ererzierplatz und Gefechtsfeld herum der farbenreichen, ordensgeschmückten Amtstracht der Reichsräte tionellen Geschichte Ungarns   bedeutet die Unabhängigkeits- sprengen" und daher seine Pferde sehr anstrengen müffe, gerechtfertigt und untermischt von ganz köstlichen Kostümen. Das besondere partei den Stampf gegen die Feudalaristokratie, und daß der werden. Da diese Vorstellung aber schon seit Jahren nicht mehr Wohlgefallen des Publikums erregen zwei der hohen Herren mit Stampf durch die letzten Verfassungsstreitigkeiten in den zutrifft, so ist es höchste Zeit, daß die Rationsgebühren der Generäle rotem Frad und weißer Brustschürze, die in ebensolchen Hosen sich Hintergrund getreten, besagt nicht, daß sein Inhalt gründlich beschnitten werden; denn dazu ist das Volk nicht da, daß es fortjeßt. Aus der Ferne gesehen erinnert das Stopfbild an einen sich berflüchtigt hat. Es wird sich nun zu er den Generälen das Futter für Equipagenpferde liefert. Kragengeier. Man sieht auch rote Hosen und blauen Frack und weifen haben, ob dieser Gegensatz start genug ist, Jetzt wird das Bolt wegen der Generäle und auch wegen der ziegelroten Frack mit weißen Hosen. Ein phantastisch- karnevali. um den Verführungen, die von dem Kossuthnamen ausgehen Generalstabsoffiziere doppelt gefchröpft: Es muß den stisch- buntes Wild. und die durch den Besitz der Macht noch gesteigert werden, Herren die Pferderationen liefern und außerdem Widerstand zu leisten. Daß die Regierung alle Minen springen die Automobile und Telephonleitungen bezahlen, lassen wird und wie weit die Wahlforruption in Ungarn   deren sie sich bei Gefechtsübungen größerer Truppenförper bedienen. geht, weiß man um die widerstrebenden Elemente ein- Nun werden aber die hohen Bezüge, die den Generälen über zufangen und zu überwinden, ist selbstverständlich; auf der haupt zustehen, auch damit verteidigt, daß diefe Offiziere große Herzog Luitpold wartet bereits hinter der Szene. Die zwei anderen Seite muß aber wieder berücksichtigt werden, Summen für die Anschaffung neuer Pferde ausgeben Schriftführer der Reichsratskammer erhalten den Auftrag, den daß ein Kossuth, der von Wien   Handgeld nimmt, der echte müssen. Da man unter den heutigen Verhältnissen dem deutschen   Bringen feierlich in die Kammer einzuführen. Der Vorhang teilt Kossuth nimmer ist. Dazu kommt die geistige und moralische Bolte den Stachel gar nicht oft genug ins Fleisch drücken kann, so sich und es erscheint der Zug. 5 Mann hoch. Voraus zwei ordens Minderwertigkeit dieses Kossuth, der verfault, moralisch und feien angesichts der Tatsache, daß Regierung und Schnapsblock auch den geschmückte und stahlbewaffnete Herolde, dahinter der volljährige leiblich, bis ins Wart ist, und dem Volfe nichts mehr zu Armen und Aerinsten die Zündhölzer, den Staffee, den Tee, den Tabak Prins, flankiert von den zwei schriftführenden Reichsräten. Den fagen hat. Es ist also nicht ausgeschlossen, daß sich die Spe- zugunsten des Molochs verteuert haben, diese Bezüge furz sfizziert: Gib leistet er ganz allein. tulation der Hofburg auf Kossuths Popularität als trügerisch Ein fommandierender General fommt dem Bolle, erweisen wird, nachdem die Spefulation auf seine Säuflichfeit abgesehen von den Rationen, jährlich zu stehen fich bewährt hat. auf ungefähr 65 000 M.: Der Patt mit der Krone, auf dessen Grundlage die ein Divisionsfommandeur auf ungefähr 20 000 M.; Herren Andrassy   und Kossuth die Regierung übernehmen ein Brigadekommandeur auf ungefähr 18 500 W. werden, wird, was die Konzession betrifft, provisorisch sein, Reduziert man die Ansprüche der Generäle auf Pferderationen, was die Wah Ireform betrifft, scheint der Verrat schon so ist damit bewiesen, daß sie nicht so viele Pferde brauchen, wie definitiv. Die neue Regierung wird sich zur Verlängerung bisher angenommen wurde und infolgedessen fönnen auch ihre der Bankgemeinschaft verpflichten, dafür wird ihr die Aufnahme sonstigen Bezüge gekürzt werden. der Barzahlungen zugestanden werden( der betreffende Artikel der Da wir gerade von der Einsparung an den Generalsgagen Die Wiederholung der Einführungsseremonie ließ Zeit zu: Bantatte ist jest suspendiert); sie wird für die Stosten der Annerion reben, müssen wir noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Die Studien verschiedener Art. Das hohe Haus zählt jest 89 Mit­die Indemnität beschaffen, wozu ihr mehr oder minder Generalsuniformen sind möglichst kostspielig ausgewählt. Die Gala- glieder, darunter 19 Prinzen. Lieb Baterland fannst ruhig sein." dekorative nationale Stonzessionen im Bereich des Militarismus röcke der Generäle strogen von Goldstickereien, und, wahrscheinlich Prinz Ludwig ist nicht nur ein berühmter Heerführer, sondern zugesagt sind. Ein Ausgleich auf dieser Basis ist natürlich be- weil dies noch nicht genügt, werden auch noch goldene Fangichnüre auch ein zahlreicher" Familienvater. Auffallend ist die Schädel­fristet und wird nicht lange vorhalten; dagegen bedeutet schon darübergehängt. Die Epauletten sind möglichst protzig konstruiert bildung der meisten wittelsbachischen Prinzen. Sie gehören zur die Ernennung Andrassys, eines ausgesprochenen Feudal- und aus Silber. Dazu gehört zu den Epauletten ein besonderer Rasse der Langschädel und wären für einen Gelehrten nach Form magnaten, der in der dünkelhaften Ausgeprägtheit seines Klassen- Rod; der Galarod ist bei ihnen nicht zu verwenden. Selbst und Inhalt sicher dankbare Objekte zu Schädelstudien. Während bewußtseins einem preußischen Junker gleicht, zum Ministerpräsi- die Achselstücke, die alltäglich getragen werden, find fast ganz die Geblütsmenschen im Vordergrunde sitzen, hat man die Lebens­denten, daß die Krone die Wahlreform, deren Anregung ihr von Gold.  länglichen, die Gehirnmenschen unter den Reichsräten, ganz in den

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Es erfolgt der erste Aufzug des lustigen Schauspiels: die Einführung Seiner 18jährigen fgl. Hoheit des Herzogs Luitpold von Bayern  . Notabene, in Bayern   erhalten die Prinzen mit 18 Jahren ihren parlamentarischen Verstand.

Der zweite Aufzug bringt sodann die Einführung des neuen Erzbischofs von München   nebst Genossen. Die trafivolle Gestalt des Erzbischofs unter dem adligen Volt macht einen erfrischenden Gindrud, und als er sibend mit seinem Mantel gleich drei Seifel bedeckt, ist er ein bedeutungsvolles Sinnbild der Macht der Kirche in Bahern.

Als Legitimation mußte jedes neue Mitglied durch einen Ge burtsschein den Nachweis erbringen, daß es wirklich geboren ober hochgeboren ist.

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