81.279. 26. Jahrgang. 3. Anlage des Jitmürts" Setliun KIKsblM pifintnj, 30. Nmmder 1909. Der Kelerveoffizier als Kaiiber. Der räuberische Ueberfall auf die Juweliersfrau Richter auS der Potsdamer Stratze 35 gelangte gestern vor dem Schwurgericht des Landgerichts II zur Verhandlung. Es handelte sich um die- selben Angeklagten, die sich, wie unseren Lesern erinnerlich, am 12. November wegen verschiedener Einbruchsdiebstähle vor der Strafkammer zu verantworten hatten und zu längeren Gefängnis- bezw. Zuchthausstrafen verurteilt wurden. 5lus der llntersuchungs- hast wurden vorgeführt: der Kaufmann Willi Hohe, der Kaufmann Georg Kiihne, der frühere Leutnant Hubert Kuehnel, der Schlosser Otto Stäche und der Kaufmann Jacques Syz, welcher kürzlich wegen Anstiftung zum Diebstahl zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt worden war. Die Anklage lautet auf versuchten schweren Raub, gegen Shz auf Anstiftung zu diesem Verbrechen. Den Vorsitz im Gerichtshöfe führt Landgerichtsdirektor Dr. Seligmann. AblrhnungSantrag. Vor Eintritt in die Verhandlung erhebt sich der Angeklagte Syz und erklärt: er müsse den Vorsitzenden ablehnen. Dieser habe auch die vorige Verhandlung gegen die Angeklagten geleitet und er, der Angeklagte, habe das Gefühl, daß der Vorsitzende nicht ganz unbefangen sei. Hobe, der schon wiederholt Zwischenbemerkungen gemacht und sich etwas auffallend benommen hat, ruft laut da- * i zwischen:„Eine Frechheit ist das!" Der Borsibcndc untersagt ihm , solche Zwischenbemerkungen ernstlich. Zur Erledigung deS Ab- lehnungsantrageS mutz eine längere Pause gemacht werden. In der Zwischenzeit gestikuliert Hohe fortgesetzt lebhaft mit den Händen, wendet sich wiederholt sehr erregt zum Staatsanwalt und zu den Verteidigern und schreit dann, indem er nach der Zuhörer- löge hinaufzeigt:„RauS, raus! Du hast mich zum Verbrecher ge- macht!" Er hat dort oben ein Mädchen entdeckt, die nach seiner Behauptung ihn erst auf die Bahn deS Verbrechens gebracht habe. Nach geraumer Zeit übernimmt Landgerichtsdirektor Liep- mann, als der zur Erledigung des AblehnungsantragcS bestellte Richter, den Vorsitz. Aus seine Frage nach den Gründen des Antrages erklärt der Angeklagte Syz: Er habe vor einigen Tagen da? Urteil in der Strafsache bekommen, in welcher er am 12. No- vembec vor der vierten Strafkammer des Landgericht? II unter Vorsitz des LandgemchtSdirektorS verurteilt worden sei. In dem Urteil befänden sich ganz falsche Angaben, eS seien darin Beschuldi- gungen gegen ihn enthalten, die schon in der Verhandlung am 12. sich als falsch erwiesen haben.— Nach längerer Beratung ver- kündet Landgerichtsdirektor Licpmann: Der AblchnungSantrag wird als unbegründet abgelehnt. Direktor Dr. Seligmann habe sich nicht für befangen erklärt, außerdem begründe die Tatsache feiner Mitwirkung an der Verhandlung vom 12. November nicht seine Befangenheit, eS sei auch nicht glaubhaft gemacht, daß das Urteil, welches durch Mehrheitsbeschluß deS Gerichts gefällt ist, falsche Feststellungen enthalte. Verhandlung über die Besetzung deS Gerichts. � Landgerichtsdirektor Dr. Seligmann übernimmt hierauf wieder den Vorsitz. Der Angeklagte Syz wünscht noch einmal Aufklärung darüber, woher es komme, daß der ordnungsmäßige Vorsitzende für diese Schwurgerichtstagung, Landgerichtsdirektor Jtschert, oder dessen ordentlicher Stellvertreter nicht den Vorsitz führt. Land- gerichtsdirektor Dr. Scligmanu erwidert, daß gesetzliche Hinde- .. wungsgründe sowohl bei dem ordentlichen Vorsitzenden als auch bei dessen Stellvertreter vorliegen und er dazu bestimmt worden sei, den Vorsitz zu führen. Nach welchem Gesichtspunkte diese Be- stimmung seiner Person getroffen sei. darüber lehne er jede weitere Bemerkung ab. Rechtsanwalt Dr. Ludwig Friedmann bittet um die Protokollierung dieser Erklärung des Vorsitzenden, da der An- geklagte Syz daraus Reviswnsgrünoe herleiten könnte. Ist Hohe verhandlungSfähig? Bei den Fragen nach den Personalien erklärt der Angeklagte Hotze, er müsse um Vertagung bitten, er befinde sich infolge der Wegnahme einer Reihe von Papieren in solcher Aufregung, daß er sich nicht ausreichend verteidigen könne. Er müsse sich erst sammeln.— Nach Feststellung der Personalien der einzelnen An- geklagten teilt der Borsitzende den Geschworenen kurz den Inhalt der Anklage mit und weist auf daS gegen die Angeklagten er- gangene Urteil vom 12. November hin. Bei diesem Urteil haben sich nur Kuehnel und Stäche beruhigt.— Hierauf wird Medizinal- rat Dr. Hoffmanu über die Vernehinungsfähigkeit des Angeklagten Hotze vernommen. Der Sachverständige bekundet, daß vor einigen Tagen eine Durchsuchung der Zelle des H. stattgefunden habe, bei welcher verschiedene Briefe und Aufzeichnungen beschlagnahmt worden seien. Hierbei habe sich herausgestellt, daß Hotze auf ver- botenen Wegen mit seiner Braut korrespondiert habe. Hotze sei deshalb besonders scharf aufs Korn genommen worden. Dies habe bei ihm eine große Erregung herbeigeführt. Augenblicklich weise der Angeklagte einen Pulsschlag von 140 in der Minute auf, fo daß starke Zweifel an der BerhandlungSsähigkeit deS Hotze be- ständen. Der Vorsitzende erläutert den Geschworenen, daß am DonnerS - tag die Zelle des Hotze revidiert worden sei und man dabei Schriftstücke gefunden habe, die aus einen heimlichen Verkehr deS Angeklagten mit seiner Braut hinwiesen. Er selbst, der Vorsitzende, habe veranlaßt, daß von den Schriftstücken, die in der Zelle des Hotze sich befanden und ihm weggenommen wurden, alles was für feine Verteidigung von Wert sein könnte, ihm sofort zurückgegeben werde. DieS sei auch geschehen.— Angeklagter Hohe: Ich habe es erst gestern vormittag bekommen, und bei dem mangelhaften Licht der Zelle habe ich die Sachen nicht wieder zusammenbringen können.— Vors.: Was Ihnen zurückbehalten ist, hat mit dieser Sache gar nichts zu tun. Die Blätter, die für Sie wichtig sein könnten, sind Jhizen sämtlich wieder zugestellt.— Angekl. Hotze: Was nützt mir das? Drei Blätter sind verloren gegangen, wo ich das Datum und das Beweisthema vor Zeugen aufgeschrieben habe. Dadurch ist meine Verteidigung beschränkt. Ich kann vor Er- regung nicht sprechen, ohne diese schriftlichen Unterlagen kann ich nicht reden. Ich brauche Ruhe und Sammlung vor dem Termin, denn für mich steht bei dem Termin viel auf dem Spiel. — Auf nochmaliges Befragen erklärt Medizinalrat Dr. Hoffmann, daß eine Vertagung auf einige Stunden nicht viel nutzen würde und auch eine Unterbrechung bfs Freitag wahrscheinlich wieder das Er- gebnis haben würde, daß der Angeklagte nach kurzer Verhandlung zusammenbräche.— Rechtsanwalt Dr. Werthaner unterstützt den Antrag deS Hotze auf Vertagung. Auf das Strafmaß würde eS doch von Bedeutung sein, ob sich die Behauptung, daß Hotze von Syz verführt worden, bestätige. Bei den zu erwartenden Kontroversen über diesen Standpunkt sei es doch erforderlich, daß Hotze in völlig zweifelssreier geistiger Verfassung sich befinde.— StaatSanwalt- schaftsrat Dr. Pabst ist derselben Ansicht, während Rechtsanwalt Dr. Kantorowicz im Interesse der übrigen Angeklagten, die schon bald ein Jahr in Untersuchungshaft sitzen, eine baldige Verhand- lung dringend befürwortet.— Angekl. Hotze: Ich habe ja auf die anderen auch warten müssen, die sich eine ganze Zeitlang in di" Irrenanstalt haben bringen lassen. DaS Gericht beschließt hierauf nach kurzer Beratung, die Ver- Handlung auf unbestimmte Zeit zu vertagen. 8o2iaUs. Gegen da? Fortbestehen der Betriebskrankenkasse». Bekanntlich hat sich«in sogenannter„Verband der Betriebs- krankenkassen" gebildet, der aber nur ein Verband von Betriebs- krankenkassen-Nnternehmer» ist. Daß sich dieser Unternehmerver- band für den Fortbestand der Betriebskrankenkassen erklärt hat, ist selbstverständlich. Um so wichtiger ist die Stellungnahme der Mit- glieder der Betriebskrankenkassen, der Versicherten, zu der Frage, ob die Betriebskrankentassen weiterbestehen sollen oder nicht. Am 27. November hat nun die Herbstgeneralversanimlung der Textil-BetriebSkrantenkasse in Gera (Reutz) zur Reichsversicherung Stellung genommen. Diese Bctriebskrankenkasse umfaßt etwa Lv Betriebe der Textilindustrie in Gera und hat über 8V00 Mit- glieder. Der Vorsitzende der Kasse, Fabrikbesitzer Lnboldt, der auf der Hauptversammlung deS sogenannten„Verbandes der Betriebs- krankenkassen" in Weimar so offensiv den Unternehmerstandpunkt vertreten hatte, hielt einen ziemlich farblosen Vortrag über die Reichsversicherungsordnung. Stur in den Arzt- und Apothekerfragen nahm er, wie in Weimar , gegen die Bestrebungen der Äerzte und der Apotheker scharf Stellung und erklärte sich als schärfsten Gegner des Leipziger Aerzteverbandes. In der Diskussion sprachen nur Vertreter der Arbeiter, die eS sämtlich scharf rügten, daß der Vorsitzende die Beschickung des 5. Allgemeinen Kongresses der Krankenkassen Deutschlands hinter- trieben hat. Zur Reichsversicherungsordnung vertraten die Redner den Standpunkt, der sich mit dem des 5. Krankenkassenkongresses in Berlin deckt und forderten namentlich die Beseitigung der Betriebs- krankenkassen. Sie brachten folgende Resolution ein: „Die Textil-Betricbskrankenkassc in Gera sRcutz) erklärt: 1. Eine Aenderung der jetzigen Art der Beitragszahlung(% zahlen die Versicherten, K die Unternehmer) und eine Aenderung der jetzigen Vertretungsform für die Versicherten und die Unternehmer in� der Generalversammlung und im Vorstande wird nicht ge- wünscht. Gefordert wird vielmehr, daß die Beitragszahlung und die Vertretung in der Generalversammlung und im Vorstande so bleiben, wie sie jetzt sind und wie sie sich zur Zufriedenheit der Ver- sicherten und der Unternehmer durchaus bewahrt haben. 2. Die Uebertragung des Vorsitzes in der Kasse und im Vor- stände an einen„unparteiischen Vorsitzenden", an einen Beamten, wird nicht gewünscht. Gefordert wird vielmehr, daß der Vorsitzende auch in Zukunft von der Generalversammlung bezw. von den Mitgliedern selbst gc- wählt wird. 3. Di« Generalversammlung spricht sich entschieden dagegen aus, daß die Zersplitterung im Krankenkasfenwesen in Kassen ver» schiedener Art bestehen bleibt, wie es in dem Entwurf einer Reichs- Versicherungsordnung vorgesehen ist. Dies? Zersplitterung bedeutet eine außerordentliche Schädigung der Versicherten, in deren Interesse es liegt, daß die Krankenkassen im weitesten Maße zentralisiert werden. Deshalb fordert dir Generalversammlung der Textil-BetrUbS- krankenkasse in Gera die Beseitigung aller neben den OrtSkrankrn- kassen bestehenden und bestehen sollenden Betriebskrankenkassen, JnnungS», Bau» und Knappschaftskrankenkassen, der Gemeinde- krankenversicherung und der Krciskrankenkassen und die Orgcmi- sation des Krankenkassenwesens in großen, zentralisierten OrtS- krankenkasse» für jede Gemeinde oder jeden Bezirk mit vollem Srlbstverwaltungsrecht für die Versicherten in mindestens dem bis- herigen Gvade. 4. Ueber die Auslegung und die Tragweite der jetzigen§§ 25 deS GewerbeunfallversicherungsgefetzeS und 30 des Unfallversiche- rungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft, insbesondere über die Dauer der Unterstützungspflicht der Krankenkassen in den Fällen von Erwerbsunfähigkeit, die durch Unfälle herbeigeführt werden, ist ge- setzliche Klarheit zu schassen. Grundsätzlich wird aber gefordert, daß die Krankenkassen in Krankheitsfällen, die durch Unfälle verurfacht werden, von der Unterstützungspflicht überhaupt befreit werden und daß die Unfall- Versicherung vom Täge des Unfalles ab einzugreifen. daS Heilver» fahren zu übernehmen und Unterstützung zu leisten hat." Diese Resolution wurde mit den Stimmen sämtlicher Arbeiter- Vertreter gegen die Stimmen sämtlicher Unternchmervertreter, also mit Zweidrittelmehrheit, angenommen. Wir empfehlen sie dem Herrn Staatssekretär des Innern als Material für die Um» arbeitung der Reichsversicherungsordnung. Zur Behandlung auf dem Lande. Am 7. August d. I. beklagte sich der Kutscher Jakob Szhmanski bei seinem Diensthcrrn, dem Gutsbesitzer, Leutnant der Reserve Artur Erdmann aus Sackssenfelde bei Samter, daß er von dem Arbeiter Markwitz verprügelt worden sei. Der Gutsbesitzer begab sich darauf nach dem Stalle und versetzte dem ahnungslos auf einem Futterkasten sitzenden Markwitz zwei heftige Schläge über den Kopf. AIS der Geschlagen« eine Mistforke erfaßte, mit dieser drei Schritt nach rückwärts retirierend seinem Arbeitgeber zurief, ihm drei Schritt vom Leibe zu bleiben, schickte der Gutsbesitzer die anderen Arbeiter aus dem Stelle. Dann knebelte er in Gemein- schaft mit SzymanSki, dem Vogt Picchowiak und dem Wirtschafts- inspektor Boese den Markwitz an Händen und Füßen und bearbeitete den wehrlos am Boden Liegenden in barbarischer Weise mit dem Stocke. Der Gutsbesitzer ließ darauf den halbtot geprügelten Menschen etwa sechs Stunden gefesselt im Stalle liegen und dann um 3 Uhr nachts nach dem PolizeidistriktSamt in Samter schaffen. Von hier mußte der SckMrverletzw zu dem praktischen Arzte Dr. NisinSki gebracht werden, der an beiden Armen, auf dem Rücken. dem Kopfe und den übrigen Körperteilen unzählige Verletzungen konstatierte, an deren Folgen der p. Markwitz drei Wochen bett» lägrrig krank war. Der Gutsbesitzer und seine drei Helfershelfer wurden von der ersten Strafkammer des Landgerichts Posen auS Anlaß dieser empörend rohen Tat wegen gefährlicher Körperverletzung und Frei- heitsberaubung angeklagt. Ter Staatsanwalt beantragte in der am Sonnabend abgehaltenen Verhandlung gegen den Gutsbesitzer ganze— 75 Mk. wegen Körperverletzung und gegen ihn und seine drei Helfershelfer 3 Tage Gefängnis wegen Freiheitsberaubung. Das Gericht erkannte auf 150 Mk. Geldstrafe wegen Körperver- lctzung und auf Freisprechung von dem Vergehen der FreiheitZ- beraubung gegen all- vier Angeklagte. Das heißt in der Tat die Zubilligung einer Prämie für brutale, feige Rohheitsdelikte._ Gmebtö- Zeitung. 8000 ober 50 M.? Eine sehr eigenartige Verwechselung bildete den Ausgangs- Punkt einer Betrugsanklage, die einen bejahrten, bisher unbefcholte- nen Kaufmann vor die zweite Strafkammer des Landgerichts I führte. Die Frau des Angeklagten versorgte eine sehr wohl- habende Frau E. mit Garderobe, die sie für sie anfertigte. Frau E.. eine stattliche Dame in den fünfziger Jahren, hat im Liebes- und Eheleben schon verschiedene Stadien durchgemacht. Sie ist von ihrem ersten Manne geschieden und heiratete vor nicht langer Zeit einen Künstler, der aber auf Grund einiger in der Ver- Handlung unter Ausschluß der Oeffentlichkeit erörterter Vorkomm- nisse schon nach einem Vierteljahr alles in Bewegung fetzte, um von der Frau wieder loszukommen. Die Ehe wurde für nichtig er- klärt. Die Ehefchnfucht der bejahrten Dame war nun aber ein» mal vorhanden und sie war bald wieder die Braut ihres jetzigen Ehemannes, des Rentiers E. Sie trachtete danach, so schnell als möglich mit diesem verbunden zu werden, die Erfüllung dieses Wunsches stieß aber auf Schwierigkeiten. Da fiel es ihr ein, daß die Tochter des jetzigen Angeklagte» ihre Ehe ohne viel Zeitverlust in England bcwerlstelligt habe. Frau E. wandte sich deshalb an den Angeklagten mit der Bitte, ihr die Mittel und. Wege anzu- geben, wie man es bewerkstelligen könne, um in London die Ehe- schließung möglichst schnell zustande zu bringen. Der Angeklagte tat dies. Frau E. fragte, was sie für diesen Liebesdienst schuldig sei, und als der Angellagta meinte, sie solle ihm nur eine Pfeife und etwas Tabak aus London mitbringen, wollte sie nichts davon wissen, sondern erklärte ihm, daß sie ihm einen Scheck in Höhe von 50 M. als Belohnung geben wolle. Sie übergab ihm dann auch ein von ihrem Schreibtisch genommenes Papier, welches der An- geklagte in Empfang nahm und sich entfernte. Frau E. hatte ihm aber irrtümlich einen mit dem Namen des Empfängers noch nicht ausgefüllten Scheck über-- 8000 M. übergeben, der drei Tage später zu einer Hypothekenregulierung dienen sollte. Als der An- geklagte mit seinem Schatz nach Hause kam, war eitel Lust und Freude in seiner Familic. Man pries das gütige Geschick und floß über vor Dankbarkeit gegen die generöse Geberin, die so groß- mutig gewesen, die Aussicht auf baldiges Gelingen ihres HeiratS- planes so hoch zu bewerten. Der Angeklagte ging am nächsten Tage schon auf die Bank, holte sich die 8000 M. und benutzte 2000 Mark zur Begleichung drückender Schulden. In den Becher der Freude wurde aber sehr bald ein bitterer WcrmutLtropfen ge- gössen. Als Frau E. am dritten Tage nach dem Vorfall bei ihrem Rechtsanwalt erschien, um die Hypothekenregulierung vorzunehmen, entdeckte sie zu ihrem Entsetzen ihren Irrtum, denn jetzt sah sie, daß der dem Angeklagten zugedachte Scheck über 50 M. sich in ihren Händen befand, der Scheck über 8000 M. aber fehlte. Sie setzte sich sofort telegraphisch mit der Ehefrau des Angeklagten in Verbindung und verlangte ihr Geld zurück. Die zu Tode erschrockene und auS allen Himmeln gerissene Frau konnte aber nur mitteilen, daß ihr Ehemann nicht zu Hause sei, im übrigen aber von dem Gelde schon 2000 M. verausgabt worden seien, die abzuarbeiten sich die Frau bereit erklärte. Die Angehörigen der Frau E. übergaben die Sache der Staatsanwaltschaft, während das Brautpaar nach London abdampfte, von wo es als Ehepaar heimkehrte. Der An- geklagte hatte auf Rat seines Verteidigers diesem die noch übrig- gebliebenen 6000 M. vorläufig zur Aufbewahrung übergeben. Vor Gericht bestritt er ganz entschieden, daß Frau C. bei der Ueber- reichung des Schecks von 50 M. gesprochen habe. Sie habe ihm viel- mehr daS zusammengefaltete Papier ohne weiteres übergeben, er habe erst auf dem Wege nach Hause zu seiner hellsten Freude ge- sehen, daß es über 8000 M. lautete und mit seiner Familie die hochherzige Gcberin gepriesen. Er blieb auch dabei, daß er wohl habe annehmen können, daß die reiche Dame in der Freude ihres Herzens seinen Dienst so reich honorieren konnte, denn ihm sei be» kannt, daß sie auch bei anderen Gelegenheiten mit vollen Händen gegeben habe. DaS Gericht war aber der Meinung, daß diese Summe doch in zu großem Mißverhältnis zu der Leistung stehe und der Angeklagte wohl verpflichtet gewesen sei, die Frau auf den offenbaren Irrtum aufmerksam zu machen. Mit Rücksicht aber darauf, daß die Verführung sehr groß gewesen und der Perteidiger die 6000 M. im Gerichtösaale an die Frau E. zurückgezahlt hatte, erkannte der Gerichtshof gegen den Angeklagten nur auf eine Geld- strafe in Höhe von 300 M. Juristisch erscheint die Annahme, die Unterlassung des Hinweises auf die Summe sei die Unterdrückung einer wahren Tat- fache, durch die der Angeklagte die Frau geschädigt habe, und damit die Berurteilung recht bedenklich. Anders liegt die Frage, ob die Frau die Rückerstattung wegen Irrtums auf ihrer Seite ver- langen kann._ Mit einem Nachspiel zu den Nirsenunterschlaaungcn des städtischen Bureauassistentcn Fritz HauSwirth hatte sich gestern das Schöffengericht Berlin-Mitte unter Vorsitz des AmtSrickjters Mehner zu beschäftigen. Wegen Begünstigung bezw. Hehlerei war die Ehefrau Berta HauSwirth und deren Schwester, die Frau Anna Spange angeklagt.— Wie seinerzeit mitgeteilt, war der Bureauassistent HauSwirth vom Schwurgericht des Land- gerichts I wegen schwerer Urkundenfälschung und Unterschlagung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, die er augenblicklich in der Strafanstalt Plötzensee verbüßt. HauSwirth war in der WerkeinziehungZabteiluiig der städtischen Wasserwerke angestellt gewesen und hatte eS verstanden, sich in den Besitz der dort unbeaufsichtigt herumliegenden Quittungsformulare und der Stempel zu setzen. Er fälschte damit verschiedene Quittungen und zog dann Kanalisationsgebühren von recht beträchtlicher Höhe von den Hausbesitzern ein. Auf diese Weise soll sich HauSwirth in verhältnismäßig kurzer Zeit Beträge von zirka 40 000 M., nach anderer Behauptung sogar 70 000 M., angeeignet haben.— Während HauSwirth schon die gegen ihn verhängte Strafe büßte. wurde dem Magistrat mitgeteilt, daß ein großer Teil des ver- untreuten Geldes sich noch im Besitze der Ehefrau H. und auch bei deren Verwandten befinde. Die Kriminalpolizei, welche mit den Nachforschungen beauftragt wurde, stellte fest, daß von dem Geld- auf den Namen der Ehefrau ein Bankkonto in Höhe von 10 000 M. angelegt worden war, daß ferner noch 12 000 M. in Papieren und ferner 2000 M., die H. an ihm bekannte Beamte verliehen hatrc, in Schuldscheinen vorhanden waren. Eine Haussuchung in der Wohnung der Mitangeklagten Spange förderte einen im Kleider- schrank versteckten Blechkasten zutage, der insgesamt 22 000 M. ent- hielt. Dieses Geld wurde beschlagnahmt und der Stadtkasse wieder zugestellt. Die Staatsanwaltschaft erblickte in dem Verhattc.r der Angeklagten eine Begünstigung und erhob die vorliegenoe An- klage.— Vor Gericht behauptete die Angeklagte, daß sie das frag- liche Geld seit Jahren in kleineren und auch größeren Beträgen erhalten und gespart habe. Ihr Ehemann, der viel die stiemi- bahnen besucht habe, habe ihr stets gesagt, daß jenes Geld auS Gewinnen herrühre. Lediglich auS Furcht, daß das Geld für die Gerichtskosten beschlagnahmt werden würde, habe sie eS ihrer Schwester zur Aufbewahrung übergeben. Der StaalSanwnlt hielt die Angeklagten der Begünstigung für überführt und beantragte drei bezw. einen Monat Gefängnis. Das Gericht kam zu einer Freisprechung, da jeder Nachweis dafür fehle, daß die Angeklagten die strafbare Herkunft des Geldes kannte». Eine MeineidSaffäre mit einem im gewissen Sinne romantischen Hintergrund de- schäftigte das Schwurgericht des Landgerichts lll. Angeklagt wegen wissentlichen Meineids war die Frau Helene Salomon. Die An» klage hat folgende Vorgeschichte. Der Ehemann der An- geklagten, der Kaufmann S., war schon einmal verheiratet. Die Ehe war jedoch nicht glücklich, so daß die Eheleute sich schließ- lich trennten. Von beiden Seiten wurde die Ehescheidungsklage eingeleitet. Während dieses Verfahren schwebte, unternahm S eines TageS einen Ausflug nach Tegel . Mitten im Walde er- blickte er eine junge Dame, die im Begriff stand, sich das Leben zu nehmen. S. verhinderte die Lebensmüde, ihr Vorhaben zur Ausführung zu bringen und erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß der Schmerz über die Treulosigkeit ihres Geliebten als Motiv der de- absichtigten Tat in Frage kam. Herr S. tröstete die LebenSüber- drüfsige mit dem Erfolge, daß diese schon nach drei Tagen zu ihm als Wirtschafterin zog und nach Verlauf gar nicht langer Zeit seine Ehefrau wurde. Dieses Verhältnis hatte die erste Ehefrau deS S. in Erfahrung gebracht und suchte dies in dem schwebenden EhescheidungSprozetz zu verwerten. Die letzige Angeklagte wurde in diesem Prozeß als Zeugin vernommen und soll unter ihrem Eid« bekundet haben, daß sie sich mit S. vor Scheidung der Ehe
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