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Beschivcrde- und höhere Ailfsichtsinstanz her Negimmg gegen­über istdasOberträsibiumzutKeit überflüssig, was schon daraus hervorgeht, daß die Entscheidungen der Regierung und des'Oberpräsidiums sich ja ziemlich regel- mähig decken. Em der Partei. Die zweite Konferenz der sozialdeniokratischen Geineindevertreter Nordbayerns tagte dieser Tage in N ü r n b e r g und besprach in zioeitägigen Ver- Handlungen einige wichtige Fragen. Die in ganz Nordbayern auf- tretenden, auf die Agitation de? Bundes der Landwirte zurück- zuführenden Bestrebungen, die Milchpreise erheblich zu v erteuern, gab der Konferenz Anlaß, die Frage der g e m e i n d- l i ch e n L e b e n s nri t t e l v e r s o r g u n g eingehend zu behandeln. Genosse Merkel- Nürnberg hielt darüber ein umfangreiches Referat, in dem er hauptsächlich die Versorgung der Bevölkerung der Gemeinden mit Brot, Fleisch und Milch behandelte. Er kam in seinem Resümee dahin, daß überall dahin zu wirken sei, daß die Gemeinden nicht nur den Handel mit diesen wichtigen Lebensmitteln, londern schließlich auch die Produktion selbst in die Hand nehmen müssen. Das werde sich natürlich nicht alles auf einmal erreichen lassen, aber durch unablässiges Bohren und Drängen werde man nach und nach Erfolge erzielen und so allmählich zur Verwirklichung der in unserem Gemeindeprogramm ausgesprochenen Forderungen kommen. Vor allen Dingen müßten die Gemeinden einmal dazu gedrängt werden, die Versorgung ihrer eigenen Anstalten mit Nahrungsmitteln in Regie auszuführen. Schon das werde auf die Preisbildung eimvirkcn. Bezüglich der Milchvcrsorgung müsse zu allererst die Beschaffung der Säuglingsmilch von der Gemeinde übernommen werden. In der Diskussion wurde die Frage der gemeindlichen Brotfabriken, S ch l ä ch- tereien usw. eingehend erörtert; dabei kamen wohl einige ab- weichende Meinungen zum Ausdruck, die diesen Punkt für sehr ge- fährlich halten, im allgemeinen aber bekundete die Konferenz die Ansicht, daß bei jeder Gelegenheit auf das Ziel, die Lebensmittelversorgung durch die Gemeinde herbei- zuführen, hingearbeitet werden müsse. Bezüglich Milchverteuerung haben die sozialdemokratischen Vertreter in den Gemeinden jeden dahingehenden Versuch auf das entschiedenste z» bekämpfen. In einigem Zusammenhang mit dieser Angelegenheit stand der zweite Punkt:Der§13 d e S Zolltarifs und biege- m eiu d lich e n Er s a tz st e u e r n." Hierüber referierte an Stelle des verhinderten Genossen Segitz der Genosse Simon. Durch den Wegfall der städtischen Aufschlägel auf Fleisch und Mehl ab 1. April tgll) entgehen den Städten groß? Einnahmsn, für die durch die eben in: Landtage bchandelle Steuerreform kein aus- reichender Ersaß geschaffen wird. Den Gemeinden werden lediglich einige Nebensteuern, wie die volle'Hundesteuer. die We r t zu w a chs st euer zugewiesen, außerdem hat das Ministerium ihnen angeraten, die L n st b a r k e i t S st e u e r kräftig auszugestalten und insbesondere eine B i l l e k t st e u e r ein- zuführen. Biel « Gemeinden gehen jetzt dazu über, den§ 13 des Z.lltariscS zu umgehen, indem sie die Schlachthof- gebühren»im den Betrag der wegfallenden Auf- f ch l ä g e e r h ii h e n. In der Konserenz wurde allgemein betont, daß die sozialdemokratischen Vertreter sich gegen jeden Ver- such, ueue indirekte Steuern einzuführen, zu wenden haben, sie sollen lieber eine Nm lagen er höhung verlange». Die Lustbarkeitssteuer wurde von den »leisten Rednern überhaupt verworfen. Eine Resolution empfiehlt, überall den Wegfall der Aufschläge zum Anlaß zu nehmen, eine Preisherabsetzung bei Fleisch und Mehl- Produkten zu erwirken und zugleich die Frage der gemeindlichen Lebensmittelversorgung in Erwägung zu ziehen. Auf joden Fall sollen die Genossen in den Gemeindevertretungen einen geplanten Ersatz der entgehenden Aufschläge durch erhöhte Gebühren mit aller Energie bekämpfen. lieber die Arbeitslosen-Fürsorge in' derGemeinde referierte ebenfalls Simon- Nürnberg. Er behandelte die Arbeits- losigkeit und ihre Ursache» sowie die verschiedenen Methoden der Arbeitslosenfürsorge. Von den UnterstützuiigSsystemen gefällt ihm am besten das reine Genter System, luv das aber nicht zu erreichen ist, empfiehlt er, für ein gemischtes System einzutreten, daß eine gemeindliche ArbettSlosenunterstützungSkasse mit baren Zuschüsse» an die Mitglieder solcher Vereine, die Arbeitslosenunterstützung ge- währen, verbindet. Das Berner System der bloßen Arbeitslosen- versichsruilgsknssen sei unbedingt zu verwerfen. Die Konferenz schloß sich diesen Ausführungen an. Sozialistische Tageszeitnugen in Frankreich . Ein neues Tageblatt haben unsere französischen Genossen in Marseille , der Großstadt, die sich zuerst dem SoziallsmuS zu- gewandt hat, unter dem TitelI, a Vöritö" sDie W a hr h cit") ins Leben gerufen. Es ist die fünfte tägliche Zeitung. Die anderen sind:I-s Droit du Peupl o" s.Daö Recht des Volkes") in G renoble,Do Populairs du Contra"(Der Volks­freund aus Mittelfrankreich") in Limoges ,Do hlidi Socialiste1'(Der sozialistische Süden") in Toulouse und D'Lumanitü"(Die Menschheit ") in Pari s. Dazu komml eine große Reihe Wod)enblätter.Die Humanitö" bemerkt dazu: Das will noch nichi viel heißen gegenüber den 75 Tageblättern unserer deutschen Genossen, aber cS ist doch ein ganz hübscher Anfang. Mögen diejenigen, die manchmal Worte des Zweifels aussprechen, daran denken, wo wir noch vor ein paar Jahren standen." Parteiliteratur. Im Verlag von Molkenbuhr u. Co., Elberfeld (Verlag derFreien Presse"), gibt daS Niederrheinische Agitationskomitee heraus: Die Waffen nieder. Eine Abrechnung mit dem Militarismus von Z. H ö p l u n d. Ans dem Schwedischen übersetzt von einem deutschen jugendlichen Arbeiter. 13 Seiten. 15 Pf. Die kleine Schrift des Redakteurs unseres Stockholmer Partei- blattsSocialdemokraten" ist in der deutschen Ucbertragung mit Erlaubnis des Verfassers den deutschen Verhältnissen angepaßt worden. So ist das KapitelDer Militarismus in Schweden " ganz fortgefallen und dafür vom Uebersetzer ein neues Kapitel»Der Militarismus in Deutschland " eingefügt. polizeUiesits, OenchtUches ukw. Das Ansehen der Polizeibeamten. Zu 133 Mark Geldstrafe wurde Genosse Berten von derV o l k s z e j t u n g" in Düsseldorf verurteilt. Der Polizei- sergeant Meiner entwendet« einem Arbeiter vor der Haustür einer Wirtschaft eine mit Branntwein gefüllte Flasche aus der inneren Rock« tasche. In zwei Notizen derVolkszcitung" wurde das Borgehen des Beamten kritisiert. Wiemer fühlte sich durch die Notizen beleidigt und die Staatsanwaltschaft erhob Klage. Trotzdem von drei Arbeitern bestätigt wurde, daß der Beamte das ihm zur Last gelegte Bergeheu beging, beantragte der Staatsanwalt für jede Notiz 7S M.Geldstrafe; das Gericht erkannte auf die oben angegebene Strafe.-__ Jugendbewegung. Propaganda- und Organisationsliteratur. Die Zentralstelle für die arbeitende Jugend Deutschlands zu Berlin hat drei Flugblätter herausgegeben: Bäter und Wütterl"An die Arbeiter-Eltern!" undAn die Eltern der ArBeiterjiugendl" Die Blätter wollen da§ Verständnis für die Jugendbewegung fördern. Die Arbeitereltern sollen auf die Bedeutung der Veranstaltungen der Jngendausschüffe hingewiesen und veranlaßt werden, ihre Söhne und Töchter zum Lesen derArbeiter-Jugend" anzuregen. Gleichzeitig hat die Zentralstelle einen kleinen Leitfaden für die Leiter der Jugendausschüsse erscheinen lassen, betitelt: Künstlerisch-gesellige Veranstaltungen für die arbeitende Jugend. Das Heftchen enthält neben allgemeinen Ratschlägen und Quellennachweisen einige Musterprogranmie für Dichter- und Kompo- nisten-Abende, Schulentlassungs- und Weihnachtsfeiern u. a. m. Im Verlag der Leipziger Buchdruckerei A.-G.(Verlag der«Leipziger Volkszeitung ") erschien soeben: Spielbuch für die arbeitende Jugend von Paul Böttcher . Zweite stark vermehrte Auflage. 112 Seiten. Preis 1 Mark. Das Buch führt neben Regeln für Spielleiter auch eine Einführung für Spiele im Freien und im Zimmer auf. Die ersteren gliedern sich in Kinderspiele, Spiele ohne Geräte, Spiele mit Geräten, Volksbelustigungen: die letzteren in Pfänderspiele. Spruchspiele und Scherzspiele. DaS Buch ist, wie der Verfasser in der Einführung auseinandersetzt, auS der Praxis der Leipziger Jugendvereine hervor- gegangen._ grübe Cuiie und Marianne. In der gestrigen Sitzung wurde nach Beendigung der Ver- nehmung der Angeklagten mit der Beweisaufnahme begonnen. Von der Verteidigung wurde beantragt, den durch den Umfang seines Grundstückbesitzes und durch seinen Reichtum bekannten Geh. Kommerzienrat A s ch r o t t als Zeugen zu laden. Er soll be- künden, daß der Angeklagte Echtermeyer bis zu scin-cr Verhaftung. mit der naturgemäß sein Kredit schwand, in den GeschäftSkresien, zu denen auch Geh. Rat Aschrott gehörte, den Ruf eincö tüchtigen und sehr versierten Geschäftsmannes genoß, dem man persönlich und hinsichtlich seiner Uritenwchmungen volles Vertrauen entgegen­brachte. Dem Antrag wird stattgegeben. Bei der Vernehmung stellt der Vorsitzende auS den Akten fest, daß der über 73 Jahre alte Schwiegervater des Echtermeyer, der Kaufmann Martin Friedmann, der ebenfalls Mitinhaber der FirmK Grunsfeld u. Co. gewesen war, sich aber nie um die Geschäfte beküimnert hat, bereits zweimal den Offenbarung&eid geleistet hat. Zu der Zeit Ende Februar 1906 als dieser nochRitterguts- besitzer" war, hat er das erstemal den OffenbärungSSId geleistet. In dem zur Verlesung gebrachten Lermögcnsverzeichnis hat Friede- mann außer einigen Kleinigkeiten einen Kleidersckirank, einen Tisch, zwei Stühle und 28,30 M. bares Geld als sein Vermögen angegeben. In dem zweiten Falle handelte es sich um eine unerheblidje Forderung der Gerichtskasse. Auch in diesem Falle leistete F. am 4. März 1907 den Ofsenbarungseid. Die Vorgänge bei der Uebernahme der Zeche Luise und Bildung der Gewerkschaft stellt der Angeklagte Echtermeyer wie folgt dar: Als die Frist zur Inbetriebsetzung des Bergwerks bis zum Oktober bewilligt war, habe er mit Grunsfeld den Finan- zierungSplcm ausgearbeitet. Die Sache sei sehr aussichtsreuh ge- wese». Er sei durchaus berechtigt gewesen, Obligationen in Höhe von 1 500 000 M. auszugeben. Betrügerische Absichten hätten dabei nicht obgewaltet, vielmehr habe er bei dem Finanzplan möglichste Vorsicht walten lassen wollen. Der Vorsitzende hält ihm bei diesen Erörterungen immer wieder Einzelheiten vor, die große Bodenken erregen müssen. Dazu gehört auch die Begründung der Treuhand-Gesellschast", die als G. m. b. H. gegründet wurde und an deren Spitze dieselben Herren Grunsfeld und Martin Friede» mann standen, die auch die nominellen Inhaber des Bankgeschäfts Grunsfeld u. Co. waren. Der Angekl. Echtermeyer behauptet, es seien die verschiedensten Dinge unternommen worden, um die Grube auf Grund der Obligationen in Betrieb zu setzen. Ein Bergwerk, welches Jahre lang tot gelegen, könne in der kurzen Frist, die gestellt war, unmöglich vollständig in Betrieb gesetzt werden. Die Mitteilung des Herrn Landrats Hellwia, daß die Beschäftigung von zwei Arbeitern nicht als Inbetriebsetzung an- gesehen lverden könne, sei wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen. Landrat Hellwig sei vielleicht durch andere Leute, die auf die Ausgabe der Obligationen hinwiesen, zu der Meinung gebracht worden, daß hier Schwindel vorliege, was ihm ja auch nicht zu verdenken fei. Die Meinung sei aber falsch gewesen. Die Treuhand-Gesellschast habe mit Recht eine Forderung j!N Höhe von 10 000 M. im Interesse der Gläubiger geltend machcsi und mit Recht auf Grund dieser Forderung die Zwangsversteigerung bcan- tragen können. Das ZivangsversteigerungZvcrfahren wurde auch eingeleitet, da aber vom Gericht 200 M. Vorschuß verlangt wurden und diese Summe nicht bcigetrieben werden konnte, so ist die ganze Zwangsversteigerung ins Wasser gefallen, das Bergwerk ist ein Nichts und die Obligationen sind keinen Pfifferling wert. Die Inhaber der ausgegebenen etwa 200 000 M. Obligationen haben das Nachsehen. Der Angeklagte Laufer ist seit vier Jahren in Berlin Auto. mobilhändler. Mit dem Angeklagten Echtermetzer ist er schon von Kassel her bekannt. Im Jahre 1903 traf er dann zufällig Unter den Linden mit Echtcrmeyer zusammen, der ihm dann bald darauf mitteilte, daß er wieder«in Automobil kaufen wollte. Der Kauf sei auch perfekt geworden und E. habe ihm für ein Automobil fitr 15 000 M. Obligationen der Zeche Marianne zum Kurse von 95 Proz. in Zahlung gegeben. Er habe den E. damals für einen Gcldmann ä la Fritz Fmedländer oder Mendelssohn gehalten. Bei einem zweiten Automobilgeschäst habe ihm Echtermcyer Obligattonen der Zeche Luise alsgnwa prima" angeboten. Echtermeyer kaufte einen großen Dürkopp-Wagen, den er mit 18 500 M. in Obli- gationen der Zeche Luise bezahlte. Der Angeklagte Laufer hat dann noch ein Antomobilacsd)äst mit einem Herrn Becker gemacht, der ihn mit 25 000 M. Obligationen Luise bezahlte. Als Leute, denen er Obligationen der Luise als Zahlung gegeben hatte, re- klamierten, habe er sich an Cchtermcycr gewandt. Dieser aber habe geantwortet:Lieber Laufer, das verstehen Sie nicht! Ein Baum, welcher Früchte trägt, ist doch wohl nicht wertlos und ein Papier, welches seine Zinsen trägt, hat doch seinen Wert!" Dabei habe er sich beruhigt. Auf Befragen des Vorsitzenden gibt der An- geklagte zu, daß er mehrfach in dem GeschaftöloM von Grunsfeld und Eo. und auch im Lokal derTreuhand-Gesellschast" gewesen sei. Auf die Frage, ob ihm denn nicht aufgefallen sei, daß das große Bankhaus" doch sehr dürftig eingerichtet war, er- widert Laufer:Ich habe schon besser eingerichtete Bankgeschäft: gesehen, aber auch solche, die recht abgewetzte Tische hatten. Letztere haben oft das meiste Geld!" AuS der Vernehmung der anderen Angeklagten und der Be- Weisaufnahme war etwas Besonderes nicht zu entnehmen. Heber den Ausgang des Prozesses, der 14 Tage lang dauern dürfte, werden wir berichten. Gmedts- Zeitimg, Hinter den Knlissen einerSparbank ". Unter dieser Ucberschrist brachten wir am 6. März 1903 über eine Verhandlung vor dem KaufmannSgericht einen Bericht, der folgenden Tatbestand enthält: Ein Kandidat der Theologie. W., der sich die Mittel zum Studium der Medizin erwerben wollte und deshalb«ine Stellung suchte, wandte sich auf Grund eines Zeitungs- inferatS an dieDeutsche Sparbank für Lebens- Versicherung" G. m. b. H., die einen Geschäftsführer mit einigen tausend Mark zur selbständigen Leitung einer Filiale suchte. W. verhandelte mit einem Herrn Prinz, der sich als Prokurist der G. m. b. H. ausgab und ihm die Stellung eines Geschäfts- fllhrerS der Filiale Breslau übertrug. Sein ganze? Bermügen. 3003 M.. gab W. als Kaution und bekam als angebliche Sicherheit drei Anteilscheine der Gesellschaft a 1330 Mark, die aus den Namen des Geschäftsführers der Gesellschaft. Leutnant der Landwehr Brandt, lauteten. W. sollte laut dem mit Prinz abgeschlossenen Vertrage auf fünf Jahre die Filiale Breslau leiten und ein Monats- gehakt von 250 M. bekommen. Er ist auch nach Breslau gereist, konnte dort aber keine Tätigkeit entwickeln, da dieDirektion" der Gesellschaft seine Anfragen nicht beantwortete. W. erhielt auch kein Gehalt, ja er mußte sogar den Geschäftsraum, den er für die Gesell- schast gemietet halte, aus seiner Tasche bezahlen. In unserem Bericht wurde ferner gesagt: in der Verhandlung vor dem Kaufmanns- gericht schob der Geschäftsführer Brandt alle Schuld aus Prinz und Henrion, der alsDirektor" der Gesellschaft fungierte. Da Henrion und Prinz flüchtig seien, so sei dem Kläger W. der Eid auferlegt, daß er von Prinz engagiert worden sei, in welchem Fall? er 1105 M. Gehalt zu beanspruchen habe. Durch diesen Bericht fühlen sich Leutnant der Landwehr Brandt und der Buchhalter Henrion beleidigt. Der erstere meint, der Bericht lasse ihn als einen Menschen erscheinen, der sich an einem KautionSschwinde! beteiligt und die Schuld auf einen anderen zu schieben versucht habe. Henrion faßt es als eine Be­leidigung auf. daß der Bericht ihn alsflüchttg" bezeichnete während er vom Kaufmannsgericht nur alsunauffindbar" bezeichne l worden sei. Brandt und Henrion haben die BeleidigungS - klage erhoben gegen unseren Genossen D a v i d s o h n als damals verantwortlichen Redakteur desVorwärts" sowie gegen die verantwortlichen Redakteure einiger bürger- licher Zeitungen, die denselben Bericht brachten. Auw auf den Herausgeber einer Kaufmannsgerichts«i orrespondenz, Schrift- st e l l e r I g e r- L e i p z i g e r. der den Bericht verfaßt hat. haben die Kläger die Klage ausgedehnt! In der Verhandlung, die gestern vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte anstand, verglichen sich die Beklagten Dr. Stanjek(Berliner Volks-Zeitung") und Mulle ( D e u t s ch e S B l a t t") mit den Klägern. indem sie erklärten. sie nähmen die Aeußerungen, soweit sie für die Kläger beleidigend seien, mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Es blieben noch Davidsohn und Jger-Leipziger übrig, die auf keinen Vergleich eingingen. Jger-Leipziger bc- stritt, seinen Bericht in der von den Zeitungen veröffentlichten Form abgefaßt zu haben. Der Redakteur desDeutschen BlatteS", Herr Mulle, erklärte aber als Zeuge, daß außer Streichungen leine Aenderungen an dem Bericht vorgenommen worden seien! David söhn lehnte einen Vergleich deshalb ab. weil alles, was in dem Bericht gesagt wird, der Wahrheit ent- spricht und Aeußerungen, durch welche sich die Kläger mit Recht beleidigt fühlen könnten, nicht in dem Bericht enthalten sind. Die Beweisaufnahme ergab denn auch, daß sich die Verhandlung vor dem KaufmannSgericht genau so abgespielt hat, wie imVorwärts" angegeben war. Sie erwies sogar noch mehr zuungunsten derDeutschen Sparbank für Lebensversicherung". Da-Z KaufmannSgericht hatte dem alsFilialleiter" engagiert ge- wesenen 83. daS von ihm eingeklagte Gehalt zugesprochen. Aber bekommen hat er bis heut noch keinen Pfennig. weil die Zwangsvollstreckung fruchtlos ausgefallen ist. Auch von den 3000 M., die W. als Kaution stellte, hat er nichts wieder- gesehen. Er führt deswegen einen Zivilprozeß, der vielleicht seinen Rechtsanspruch feststellen, aber ihm sein Geld nicht verschaffen kamt. weil von denen, die zur Zahlung in Anspruch genommen werden könnten, nichts zu holen ist. Ob dieDeutsche Sparbank für Lebensversicherung" überhaupt noch existiert, kam nicht zur Sprache. Leutnant Brandt ist schon lange nicht mehr ihr Geschäftsführer, Prinz, der den 83. seinerzeit engagierte, ist ins Ausland g e- flohen und nicht erreichbar. Henrion, der in unserem Bericht als Direktor bezeichnet wurde, soll nur Buchhalter gewesen sein. Auch er ist längst nicht mehr in Stellung bei der genannten Gesell- schast. Henrion war allerdings nicht flüchtig, sondern nur für das KaufmannSgericht unauffindbar. ES ist aber in der Kaufmannsgerichtsverhandlung gesagt worden, auch Henrion sei flüchtig. Der Anwalt der Kläger beantragte eine empfind- liche Strafe und außerdem für Henrion noch eine Buße von 3000 Mark! Die Beklagten sowie Gen. DavidsohnS Ver- teidiger, Rechtsanwalt Siegbert Loewy, beantragten die Freisprechung, weil in dem Artikel keine Beleidigung der Kläger gefunden werden kömie. DieDeutsche Spar- bank für Lebensversicherung" fei schon im Juni 1907 durch ein hervorragendes Fachorgan, dieDeutsche Versicherungszeitung" als ein Schwindelunternehmen gekennzeichnet worden, vor dem daS Publikum gewarnt werden müsse. Die Leitung der Gesellschaft habe nicht gegen dieDeutsche VersicherungS- zeitung" geklagt. Wer in die Leitung eines Sdiwindelunternehmens eintrete, der müsie, selbst wenn ihm der schwindelhafte Charakter nicht bekannt wäre, doch die Konsequenzen seiner Beteiligung an einem solchen Unternehmen tragen. Wer ein solches Schwindel- unternehmen in der Oeffentlichkeit kennzeichne, der erwerbe sich ein Verdienst und gehöre nicht auf die Anklagebank. Daß der Kläger Henrion nicht flüchtig war, könne gern zugegeben und als entschuld­barer Irrtum bezeichnet, aber nicht als Beleidigung bestraft werden. Der Antrag auf Buße sei ebenso unbegründet wie die willkürlich be» messene Höhe derselben. Das Gericht sprach beide Beklagte frei und legte den Klägern die Kosten des Verfahrens auf. In der Urteils­begründung wurde erklärt: Das Gericht hat die Ueberzeugung gewonnen, daß die Darstellung, welche der Zeitungsbericht giebt, den Berhandlungen, wie sie sich vor dem KaufmannSgericht abgespielt haben, entspricht. ES mag dahingestellt bleiben, ob betrügerische Manipulationen gegen 83. versucht worden sind, aber ein Vorwurf gegen die Sparbank habe aus der Verhandlung des KaiisinannSgerichtS entnommen werden können. Der Bericht enthält keine Beleidigungen des Klägers Brandt. Daß 83., wie es in dem Bericht heißt, um sein Vermögen erleichtert wurde, ist Tatsache. Daß Henrion flüchtig war, ist zwar vor dem KaufmannSgericht nicht festgestellt, aber es ist doch davon die Rede gewesen, also liegt auch keine Beleidigmiz des Klägers Henrion vor._ Zwang der Dissidenten. Einem Zufall ist eine dieser Tage vom Kammergericht erfolgte Freisprechung von dem Bergehen zu verdanken, dem GeivisieirSzwaug sich iijcht gebeugt zu haben. Im Gebiet des ehemaligen Herzogtum» Nassau (im jetzigen Regierungsbezirk Wiesbaden) hatten die Dissidemen Bacher und Scvmidt, die Mitglieder der freireligiösen Gemeinde sind, ihre Kinder nicht am Religionsunterricht in der Volksschule teilnehmen lassen. Sie wurden deshalb auf Grund des§ 52 der allen nassauischen Schulordnung von 1817 zu SchulvenäumniSstrasen ver- urteilt. Das K a m in e r g e r i ch t kam als Revisionsinstanz ans einem ganz eigenartigen Umivege zur Freisprechung der An« geklagten. Zunächst erklärte es in Uebereinstimmung mit dem Land» gericht Wiesbaden, daß die Angeklagten an sich nach dem nassauisch«» Schulrecht ihre Kinder nicht ohne DiSpenS vom Religionsunterricht in der Schule hätten fernhalten dürfen. Dann führte es aus: Das