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Bereits im Oktober d. I. betonte der Finanzminister Gnauth die Notwendigkeit einer Steuererhöhung zur Bolan» zierung des Etats für 1910. Die Uneingeweihten traf die Nach- richt wie ein Blitz aus heiterem Himmel; sagte doch noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein Finanzminister:Wir schwimmen im Gelder Wenige Jahre später(seit 1894) arbeitete die Staatswirtschaft schon mit einem Fehlbetrage im Budget. Die Steuerreform" von 1899 verringerte das Defizit kaum und 1901/02 wurde eine Erhöhung des Vermögenssteuersatzes von BS auf 75 Pf. pro 1000 M. beschlossen. Zur Ausgleichung des Etats genügten die daraus resultierenden Mehreinnahmen nicht, und bei Beratung des Voranschlags 1903/04 wiesen unsere Genossen auf eine weitere Erhöhung der Vermögenssteuer und eine schärfer steigende Pro- gression der Steuern von den großen Einkonimen hin. Es kam der Konjunkturaufschwung 1900/07. Trotz der Balanzierung des Etats durch Inanspruchnahme von VermögenSresten aus früheren Jahren forderte der Wormser Lederkönig Freiherr   von Hey! in der Ersten Kammer sogar die Herabsetzung der ihndrückenden" Vermögenssteuer. Dabei war fast in keinem Etat eine Schulden- iilgung vorgesehen, ja sogar etwa 18 Millionen Marl   Schulden jährlich neu gemacht worden. Dann kam die wirtschaftliche Krise, die Staatseinnahmen gingen toesentlich zurück und der Finanzr"'ister erklärte am 4. Januar d. I.. ohne eine neue Steuer- erhöhung von 25 30 Proz. könne er nicht auskommen. In- zwischen hat die Reichsfinanzreform die Finanzlage Hessens   noch weiter verschlechtert und jetzt beträgt das Defizit im StaatshauS- halt über 5 Millionen Mark. Was das zu bedeuten hat, wird erst klar, wenn man sich vor Augen hält, daß Hessen   nur 1 130 000 Einwohner hat. Die Armut der Bevölkerung wächst ständig, und Hessen   entwickelt sich rasch zum Industriestaat. Im Jahre 1682 lebten noch 51.55 Proz der hessischen Bevölkerung von der Landwirtschaft, 1907 nur noch 27,07 Prozent. Die im Bergbau, Handel und Industrie und Verkehr beschäftigte Bevölkerung stieg in der Zeit von 438 440 Köpfen auf 711 222. Die Verwaltung deS Landes hat der zunehmenden Arniut freilich in keiner Weise Rechnung getragen; sie hat im Gegenteil immer aus dem Vollen gewirtschastet. Hessen   hat in 3 Ministerien 7 besondere Abteilungen. 11 Ministerräte, 40 vortragende Räte und eine ganze Anzahl Hilfsarbeiter. Denkt man sich dazu den Verwaltungsapparat der Registraturen, Revisoren. Buchhaltungen und Schreibstuben, so erhält man einen Begriff vom Bureaukra- tiSmuS in Hessen  . Die Veranlagung der direkten Steuern kostet jährlich 500 009 M., durch die Untererheberstellen wird das Land mit 160 000 M. jährlich be lostet. Hier und auch auf anderen Ge- bieten wäre eine Verbilligung und Vereinfachung der Geschäfte dringend nötig. Vor allem aber fordert die Sozialdemokratie Be- seitigung der kostspieligen Einrichtungen zu Repräsentationszwecken und eine Revision der Zivilliste. Wie aus der Vorlage hervorgeht, ist die Staatsschuld d«S Groß- Herzogtums von rund 57 Millionen Mark im Jahre 1890/97 auf etwa 418 Millionen gestiegen. Davon entfallen rund 351 Millionen auf die Eisenbahnschuld und rund 70 Millionen auf die sonstigen Schulden. Auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, marschiert das Grotzherzogtum Hessen   mit dem Gesamtbetrage seiner Staattschuld an der Spitze sämtlicher deutscher   Bundesstaaten, ausgenommen die Hansastädte. Die bürgerlichen Parteien forden» denn auchVerbilligung der Verwaltung". Wer aber meint, daß damitoben" angefangen werden soll, ist gründlich auf dem Holzweg«. Unsere fflcnoffen im hessischen Landtage stehen somit demnächst vor einer schweren Aufgabe. gilt, in Zeiten wirtschaftlicher' Not eine weitere schwere Belastung des Volkes durch neu« drückende Steuern abzuwehren, daneben aber für eine Gesundung der Finanz- Wirtschaft Hessens   zu sorgen.__ Kommunalwahlen. Im Monat Dezember finden in allen württembergischrn Gemeinden die Semeinderotswohlen statt, und zwar in Orten mit mehr als lO 000 Einwohnern nach dem Proportionalwahl-, in den kleineren Gemeinden nach dem Listenwahlsystem. Man darf auch in diesem Jahr« wieder auf eine stattliche Ver- mehpung der sozialdemokratischen Mandate rechnen, da die Wahlen, die schon am 1. und 2. Dezember stattfanden, einen befriedigenden verlaus nahmen. In Eßlingen   erhielten die sozialdemokratischen Kandidaten 10 844, di» bürgerlichen Kandidaten 10 108 Stimmen. Da jeder Wähler 0 Stimmen abzugeben hatte, so standen 1807 sozial- demokratische Wähler 1048 bürgerlichen Wählern gegenüber. Die Verteilung der Mandate ergab drei Sitz« für die Sozial- d e m o k r a H e und drei für die bürgerlichen Parteien. Hätten die Sozialdemokraten noch sech» Wähler mehr aufgebracht, s» wäre ihnen noch ein vierte» Mandat zugefallen. In Obereßlingen wurden die beiden sozialdemo» Iratischen Kandidaten mit 19l und 159 Stimmen gewählt, während auf die Gegner nur 115 und 104 Stimmen «ntfielen. In LudwigSdurg, dem schwäbischen Potsdam, wurden fünf bürgerliche Vertreter und ein Soziaidemol rat ge- wählt. In Böblingen   hatten Volkspartei und Sozialdemokratie ein Kompromiß geschlossen, daS glatt siegle. Jnfolgedesien wurden drei VoUspa> teilet und zwei Sozialdemokraten gewählt. In Oßweil   wurden zwei bürgerliche Vertreter und e t n Sozialdemokrat gewählt. Die meisten dieser Wahlen vollzogen sich unter sehr starker Wahlbeteiligung und lebhafter Wahlagitation. Ein bedanernswerter Mensch l So überschreibt derStadt-Anzeiger  " derKölnischen Zeitung  " einen Artikel, worin berichtet wird von dem Schicksal eine» Marine- soldaten, über den jüngst vor dem Kriegsgericht der 15. Division pKbln) verhandelt wurde. ES bandelte sich um den Arbeiter Htlbert Echwartz. geboren ,n Heiligenbeil   in Ostpreußen  . Schwartz wurde als Knabe in einer Fürsorgeerziehungs- anstatt untergebracht; er floh von dieser nach Holland  , «Wirde zurückgebracht und später zur Marine eingezogen. Dort lkeisertierte er und wuroe deshalb zu sechs Monaten Gefängnis Be rurteilt. DaersehrerregterNatur war. zog er sich viele «Strafen zu, desertierte zum zw e i t e n Male, was ihm «ine Gefängnisstrafe von achtzehn Monaten eintrug. Diese ver- büßte er im Kölner   FestungSgefängnis. Hier fiel der Angeklagte, der wegen geistiger Dienstuntauglichkeit auS dem Heere entfernt worden ist. durch sein Benehmen allgemein auf. Er wurde leicht ausfallend und begann dann auch sogleich zu weinen. Als die Gefangenen sich am 11. Juni auf dem Hof ergingen, wurde Schwartz dadurch gehänselt, daß seine Hintermänner ihm die Schürze aufzogen. Plötzlich wandte er sich zurück und trat einem Manne gegen die Schienbeine. Vom Unteroffizier zur Rede ge- stellt, wurde er frech und ausfallend und kam dann dem Befehle, ruhig zu fein, nicht nach, sondern skandalierte weiter. Deshalb hatte er sich wegen Unbotmäßigkeit und Achtungsverletzung zu ver- antworten. Der Stabsarzt war der Ansicht, daß man eS in dem Angeklagten mit einem Menschen zu tun habe, der zwar geistig '' oertig, aber für seine Straftaten verantwortlich zu machen »S gehe auch aus dem Umstände hervor, daß er zu einem Üraden geäußert habe, er werde sich verrückt stellen, bann kam in« er W» dem FestungSgefängnis weg. Der Vertreter der > Anklage beantragte eine Strafe von drei Monaten Gefängnis. DaS l Gericht erkannte aber auf die geringste Strafe von sechs Wochen und einem Tage Gefängnis. Der Angeklagte, der während der ganzen Verhandlung sich völlig apathisch ver- hielt, weinte und überhaupt nicht antwortete, anscheinend sich auch gar nicht um die Verhandlung kümmerte, erkannte das Urteil nicht an. Ob der Stabsarzt wohl der richtige Mann war, den Geistes- und Gemütszustand des Angeklagten richtig zu erkennen, und ob hier nicht ein Psychiater als fachmännischer Gutachter zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre? Die Besitzverteilung auf dem Lande. DieDeutsche Tageszeitung" schreibt: Es gab in Deutschland   1882 1896 1907 Großgrundbesitzer mit über 100 Hektar 24 931 25 001 23 500 Großbauern mit 20-100, 281 510 281 707 202 191 Mittelbauern» 520 920 005 398 804 1 005 589 Kleinbauern, 25. 981 407 1 OtO 318 1 000 277 Parzellenbeiitzer Mit unter 2. 3 001 831 3 230 307 3 378 509 Von der landwirtschaftlichen Fläche entfallen in Prozenten auf 1882 1895 1907 Großgrundbesitz..... 24,4 24,1 22,2 Großbauern....... 31,1 30,3 29,3 Mittelbauern...... 28,8 29,9 82,7 Kleinbaucrii....... 10,0 10,1 10,4 Parzellenbefitz...... 5,7 5,0 5,4 So sehen die Folgen der Politik, die augeblichdauernd von denGroßagrariern" bcherrichl worden ist," in der Praxis aus. Die Großgrundbesitzer wie die Großbauern haben an Zahl und an Fläche verloren, die Mittelbauern an Zahl und Fläche, und die Kleinbauern zwar an Zahl seit 1895 etwas verloren, aber an Fläche ebenfalls gewonnen. Wir sollte» meinen, daß dieDeutsche Tageszeitung" wirNich keine Ursache hätte, sich auf diese Form der Verteilung des länd­lichen Besitzes noch etwa» zugute zu tun. Oder ist es nicht unglaub- lich, daß rund 4 400 000 Kleinbauern und Parzellcnbefitzer nur 15,8 Proz. des Grund und Bodens ihr eigen nennen, während 23500 Großgrundbesitzer 22,2 Proz. besitzen. Oder ober ist eS nicht weiterhin überaus interessant, daß 285000 Großgrundbesitzer und Großbauern 51,5 Proz. deS gesamten Grund und BodenS besitzen, während auf die annähernd 5'/, Millionen Mittelbauern, Kleinbauern und Parzellen- besitz» nur 48,5 Prozent de« Besitzes fallen? Wir sollten meinen. daß daS eine Konzentration des Besitzes und ein Ueber wiegen der wirtschaftlichen Macht deS Groß- grundbefiyes wäre, wie es ärger kaum gedacht werden könnte. Wenn aber dieDeutsche Tageszeitung" etwa auS der gering- fügigen Verschiebung zugunsten der Mittelbauern den Beweis her- leiten will, daß die Entwickelung einegesunde" sei. so ist da? denn doch ein etwas zu kühner Versuch. Selbst wenn wir davon ab- sehen. daß diese Verschiebung zum guten Teil der künstlichen SiedelungStätigkeit deS Staates zuzuschreiben ist. einer Tätigkeit, die auf Kosten des Staates erfolgte, der dafür Hunderte und Aberbunderte von Millionen aus- gab. so beweist der geringfügige Rückgang des Besitzanteiles de« Groß« grundbesttzeS noch gar nichts. Ist e» doch nur zu bekannt, daß der Großgrundbesitz deshalb einen Teil seines Besitzes abgestoßen hat. weil bei der modernen laiidwirlschattlicheu Betriebsweise der Betrieb über eine gewisse Größe hinaus ivcniger rentabel ist. Von seiner wirtschaftlichen Uebermacht und der daraus reful- tierenden politifchen Uebermacht hat der Großgrundbesitz nichtdas geringste«ingebüßt I Die Kultnraufgaben leiden nicht! In Bonn  , der preußischen Prinzen-Universität hat am Mittwochabend eine von etwa hundert Studenten besuchte Ver- sammlung stattgefunden, um die Mißstände zu erörtern, die durch den Mangel an Mitteln im physikalischen In- stttut der Universität herrschen. Nach längerer Aussprache wurde ein Gesuch an da? Kultusministerium gerichtet, daß die nötigen Mittel zur Vermehrung der Lehrkräfte, zur Einrichtung größerer Unterrichts- und Arbeits- räume und zur Beschaffung moderner wissen- schaftlicher Apparate zur Verfügung gestellt werden. Die Londoner   Seekriegskonferenz. Dem Reichstag ist ein umfangreiches Weißbuch zugegangen, das die Erläuterungen zu den Ergebnissen der in London   vom 4. Dezember 1908 bi« 20. Februar 1909 abgehaltenen SeekriegS- k»nf«renz enthält. Seit der Pariser SeerechtSdeklaration   vom 10. April 1850 hat das SsekriegSrccht 50 Jahre lang keine allgemeine vertragsmäßige Fortbildung erfahren. Erst aus der 2. Haager Friedenskonferenz ist cs gelungen, einzelne Punkte deS Seekriegs- rechtes zu regeln sowie die Erriclstung eines Internationalen Prisen- rechtes zu vereinbaren. Dieses Werk ist nunmehr durch die Londoner  Verhandlungen zum Abschluß gebracht worden. Die Blockade ist nur gegen feindlich« Häfen und Küsten zulässig. Der Zugang zu neutralen Häfen und Küsten darf durch eine Blockade nicht ver- sperrt werden. Zur Lösung der Frage der Kriegskonter- bände sind 3 Listen aufgestellt worden. Die erste verzeichnet die«Segenstände� die unbedingt als Kriegskonierband« zu be. trachten sind: Waffen, Geschosse, Panzerplatten usw. Die zweite bezeichnet die Gegenstände, die u n t e r U m st ä n d e n als Kriegs- konterbande gelten können: Lebensmittel, bareS Geld, füx milt- tärische Zwecke geeignete Kleidungsstück«, Luftschiffe, FeucrungS« Material, Fernrohre, nautische Instrument« usw. Die dritte Liste endlich ist eine F r e i l i st e, die jene Gegenstände enthält, die nicht als Kriegskonterbande anzusehen sind. Dazu gehören: Rohprodukte wie Baumwolle, Rohseide, Flachs, Hanf und sonsttge Rohstoffe der Textilindustrie, ferner rohe Felle, Kautschuk Erze. Porzellan- uns GlaSlvaren. Maschinen für die Landwirischaft usw.; «Schiffe, deren Ladung zu mehr als der Hälft« aus Kriegskonter- bände besteht, dürfen weggenommen werden, wenn die Zuführung an ein Prisengericht daS Kriegsschiff einer Gefahr aussetzen oder eS an seinen Operationen beeinträchtigen würde. Ob die Zerstörung eines Schiffes nach Lage der Umstände berechtigt war, darüber entscheidet nachträglich das Prisengericht, das auf Ersatz de! Wertes deS zerstörten Eigentums erkennen kann. Bodenerzeugnisse eines feindlichen Landes gelten künftig nicht mehr als Feindesgut, wenn sie sich auf einem neutralen Schiffe befinden. Ergreift ein neutrales Kauffahrteischiff die Flucht, um sich der Anholtung, Durchsuchung oder Beschlagnahm« zu entziehen, so ist die kriegführende Macht befugt, alle Mittel zur Erzwingung deZ Gehorsams   anzuwenden. Besondere Strafe für den Fluchtversuch darf nicht erfolgen. In besonderen Bestimmungen wird dann noch der«Schaden- e r s a tz behandelt. Die wichtigste unter den getroffenen Vereinbarungen ist zweifel.  loS die, daß ver Industrie eines im Kriege begriffenen Landes die Zuftihr von Rohmaterialien durch den Feind nicht abgeschnitten werden darf, wenn der Feind die Güte hat, sich im Ernstfalle auch wirklich an die von der Seekriegskonferenz ausgeheckten hübschen Bestimmungen zu halten.. Oeftcmlcb. Eine Rede DaSzyuSkiS. Wie», 4. Dezember. Abgeordnetenhaus. In der veu- tigen Debatte über daS Budgetprovisorium machte der Ab- geordnete DaSzynSki(Soz.j den Ministerpräsidenten verantwortlich für die bisherige Arbeitsunfähigkeit de« HauseS; er habe d«S Parlament absichtlich ausgeschaltet. um Ungarn   ungehindert eventuelle Zugestäiidnisss machen zu können. Weiter sei an der parlamentarischen Misere der nationale Chauvinismus der bürgerlichen Parteien schuld. Der Schutz der Auswanderer lasse alles zu wünschen übrig, es sei heute die g r ö ß t e Erniedrigung, sich im Auslände als öster- reichischer Untertan zu bekenne». In Deutschland   habe man für österreichische Auswanderer p o l i ze i l i ch e L c g i t i ni a t i o n e n eingesührt. Niemand anderem gegenüber wage man etivas Derartiges. Nachdem sodann der Abgeordnete S l e i n w e n d e r die Staatsfinanzen einer scharfen Kritik unterzogen halte, wurde die Verhandlung auf Donnerstag vertagt. Italien  . Die Krise. Rom  , 4. Dezember. DemMessagero" zufolge gilt die Bildung deS Ministeriums Sonnino als sicher. Sonnino wird auf die Mitwirkung der Mitglieder der äußersten Linken verzichten. da er mit ihnen keine Mehrheit erzielen kann. Man glaubt, daß Sonnino mit den Mitgliedern der Mehrheit, die bisher Giolitti unter- stützt haben, sowie mit den Konstitutionellen ein Miiiisterium zustande bringen wird. Rußland. Gefäugnisgreuel. In dem berüchtigten Lukjanoiv-GefängniS in Kiew   sitzen iO politische Gefangene seit dem 11. November in Karzerhaft. Die Gefangenen bekommen nur Brot und Wasser und müssen, da die Betten entfernt sind, auf dem feucht-kalten Asphalt­boden schlafen. Zur Verschärfung der Strafe sind die stinkenden Schmutzkübel in die Kammern gestellt ivorden. Die Strafe wurde für 7 Tage zudiktiert, aber die Administration beschloß, wenn sich die Gefangenen nicht gefügig zeigen sollten, die Strafe auszudehnen. In der Tat wurden 4 Gefangene nach der ersten Woche in den Dunkelkarzer geschleppt, wo sie am vierten Tage den Hungerstreik begannen. Den nächsten Anlaß zu der Karzerstrafe soll die Weigerung der Gefangenen gegeben haben, beim Appell auszustehen. Klus der Partei. Verzeichnis empfehlenswerter Jngendschrifte«. Im dritten Jahrgang erschien soeben das Verzeichnis emPfehlenS« werter Jugendichristen, das der B i I d u n g S a u S f ch u tz herausgibt. Der wertvolle Führer hat gegen daS Vorjahr erheblich an Umfang gewonnen. Das Ergebnis der umfangreiche» Prüfungsarbeit des BildungsauSichusses und seiner Hefter ist die Empfehlung von 355 BüÄern, während im Vorjahre das Verzeichnis erst 184 Nummern hatte. Die Einführung sagt über diese Vermehrung: Nur ungern hat der BildungSauSschuß da? Verzeichnis so stark anwachse» sehen, da er eigentlich über einen gewissen Umfang nicht hinausgehen wollte. ES hat sich aber als unmöglich heraus- festellt, die vielen guten Jugendschristen älteren und neueren latumS, die noch nicht in unserem Verzeichnis enthalten sind, unberücksichtigt zu lassen. Um jedoch de» kleineren Orten, die nicht in der Lage sind, sämtliche Bücher deS Verzeichnisses für eine Ausstellung anzuschaffen, die Propaganda für gute Jugend- schriften z» erleichtern, hat der BildungSauSschuß<n dem vor- liegenden Verzeichnis die besten und zugleich billigsten Jugend- schriften kenntlich gemacht. Obwohl für daS Verzeichnis grundsätzlich die billigeren Bücher bevorzugt ivorden sind, hat eS sich doch nicht vermeiden lassen, eine Anzahl teurer Bücher mit aufzunehmen. Der BildungS- aiiSschuß empfiehlt den Arbeiterorganisationen, derartige Bücher für ihre Jugendbibliotheken anzuschaffen, damit auf diesem Um- wege gelegentlich einmal ein wertvolles teueres Buch iu ein Lrbeiterheim gelangt. Das Heft enthält außer dem Verzeichnis noch eine Anleitung kür die Beranstaliung von Jugendschriften-AuSstellimgen und eine energische Aufforderung zum Kamps gegen die Schundliteratur. Beigegeben ist ferner ein statistischer Fragebogen für die Veranstalter von Jugendschliftenausslellungen. DaS Verzeichnis trägt allen Altersstufen, Neigungen und Kauf- vermögen Rechnung. Auch derjenige, der nur wenige Groschen kür ein gutes Buch ausgeben kann, findet eine reiche Auswahl sehr billiger und doch sehr guter Schriften. Ein Vergleich dieser Hefte mit den Erzeugnissen der Schundliteratur wird zeigen, daß sie diese selbst in der Billigkeit überbieten; der Inhalt ist natürlich mit dem Greuel der verdummenden und verderbenden Schundliteratur gar nicht erst in Bergleich zu setzen. Allen proletarischen Eltern, die ihren Kindern da« beste Weih- nachtSgeschenk ein gutcS Buch geben wollen, ist deshalb dringend anzuraten, sich von dem Verzeichnis des BildungSauSschusieS bei der Auswahl leiten zu lassen. DaS gut ausgestattete Heft ist ein verdienstvolles Werk de« Ausschusses. Er wird aber mit uns darin Übereinstimmen, daß es diesmal leider einen bedauerlichen Fehler hat baß eS nämlich zu spät herauSlam., In Sachen Theorie und Parteischule. Unter dieser Ueberschrift erhalten wir folgende Zuschrift: Die Einsendung des Genoffen Tornow in der vorgestrigen Nummer desVorwärts" richtet sich gegen etwas, was ich gar nicht behauptet habe. Mit keiner Silbe habe ich in meinem Ar- tikel über die Theorie in der Partei das Wissen und Können der Lehrer der Parteischule angeznxifclt, noch habe ich unterstellt, daß sie im Unterricht die Gcwerlschaften feindselig behandelten. Davon wird man kein Wort in meinem Artikel finden. So steht die Frage ganz und gar nicht. Wovon mein Artikel handelt, ist die Frage der Fortbildung der Theorie im Hinblick auf die mit dem Fortschritt der Entwickelung sich einstellenden neuen Bedürfnisse des ArbeitskampfcS. Daß aber die- jcnigen Lehrer der. Parteischule, die dort die theoretischen Fragen behandeln, bisher wenig Neigung gezeigt haben, in diesem Sinn das«Kewerkschaftsproblem auszunehmen, dafür haben wir als Zeugen ihre Veröffentlichungen in den Parteiorganen. Der Unterricht, den sie an der Parteischule geben,«nag, das will ich durchaus nicht bestreiten, unanfechtbar sein, soweit er geht. Wer aber, wie der Schreiber dieses, von der Theorie verlangt, daß sie das austcimende Neue rechtzeitig er» kennt und würdigt, um so die verantwortlichen Führer der prak- tischen Beivcgung in den Stand zu setzen, dasjenige, Iva« sie gemäß dem Gebot der neuen Umstände tun müssen, auch mit gutem theoretischem G»!»issen tun und vertreten zu können und das ist doch eine der Hauptaufgaben der Theoretiker, in'der Partei, der kommt«nit Notwendigkeit zu denjenigen Schlüssen, denen ich in meinem Artikel Ausdruck gegeben habe. Andernfalls müßte er annehmen, daß die Betreffenden als Lehrer in der Parteischule aus einem anderen«Äeist heraus unterrichten, als dem, den sie auf den Kongressen und in den Zeitschristen der Partei vertreten. Und daS unterstellt niemand. ES ist nicht die Form und auch nicht der Ton ihrer Vorträge, die ich in Frage gestellt habe, sondern der wissenschaftliche Standpunkt. Soviel an dieser Stell« mit Bezug auf die so sachlichen AuS- führungen deS Genossen Tornow. Eventuell in denSozialistischen Monatsheften" mehr darüber. Für die Bemerkungen hinsichtlich meiner Einsendung, zu denen die Redaktion desVorwärts" sich das Recht nimmt, habe ich keinen parlamentarischen Ausdruck- Schöneberg  - Berlin  , den 3. Dezember 1909. Ed. Bern st ein. Wir unterlassen jede Bemerkung dazu, um dem Genossen Bernstein   nicht Gelegenheit zu geben, uns aus? neue derartige bezeichnende Erklärungen zu senden.