Kr. 284. 26. Zehrsns. 5. Irilogt kü Jmörts" fctlinn llslkHuft. Ssimtag, 5. DkZkmbkl MS. parte!- Angelegenheiten. Zweiter Wahlkreis. Friedrichstadt , gahlnachtl Mittwoch, den 8. Dezember er., nachts 11'/, Uhr, bei Jul. Meyer, Oranien straße 103. Der Borstand. Achtung, 2. Wahlkreis. Die Genossen, welche ihren Zahlabend bei N i tz l e(früher Zühlke), D e n n e w i tz st r. 13 hatten. werden gebeten, diesen Mittwoch nach dem„Königshof", Bülowstr. 37. zu kommen. Die Gründe werden auf dem Zahlabend bekannt gegeben. Der Abteilungsführer. SchSneberg. Heute Sonntag, nachmittags 4 bis abends 8 Uhr, findet die erste Jugendschriftenaus st ellung im Tunnel der Neuen Rathaus?äle , Mcininger Str. 8, statt. Die Besicht!- gung ist unentgeltlich; Bestellungen auf Weihnachtspräsente werden entgegengenommen. Sonntag, den 12. Dezember, nachmittags 2 Uhr. findet in der Urania . Taubenstr. 48. eine Sondervorstellung:»Der Kampf um Nord« und Südpol* statt. Billetts zum Preise von 60 Pf. inll. Garderobe sind am Zahlabend bei den Bezirks führern zu haben. Der Vorstand Steglitz . Heute, Sonntagvormtttag 8'/, Uhr Handzettelverbreitung Von den Bezirlslokalen auS. Morgen. Montagabend 8'/, Uhr, öffentlich« ver« fammlung im Albrechtshof(groher Saal). Retchstagsabg. Molkenbuhr wird sprechen über:»Die nach st en Auf- gaben des Reichstages.' Wilhelmsruh . Den Mitgliedern zur Nachricht, daß die Mit- gliederversammlung am Dienstag, den 7. Dezember 1909 ausfällt. Dieselbe findet am Dienstag, den 14. Dezember 1909 statt. Die Bezirksleitung. Berliner JVacfmcbten. Der Ehrensold. Vor uns liegt das bekannte rote Gebäude am Alexander- platz . Es ist gegen IV Uhr vormittags. Ein regnerisches, naßkaltes Wetter. Durch das Neunen und Hasten des Publi kums, dem dichten, gefahrbringenden Knäuel der Fuhrwerke, Straßenbahnen und Automobile zwängen sich alte, weiß- und graubärtige Gestatten. Alle streben sie dem Hauptportal des Polizeipräsidiums zu. Welche Macht zieht diese vielen Hunderte von Rheumatismus . Arbeit und Alter verkrümmten Gestalten hierher? Und gerade nach dem Alexanderplatz , einem der g e f ä h r l i ch st e n Verkehrspunkte Berlins? Nun, jene alten Leute sind ein vielfach ausgesiebter kleiner Teil der Teilnehmer aus den Kriegen 7V/71. 66, 64 und früher, die nicht direkt vor dem Feind invalide geworden, sondern die durch die ausgestandenen Strapazen mit dem herannahenden Alter besonders wider> standslos gemacht worden sind. An einen kleinen Teil jener Veteranen zahlt das„dankbare Vaterland" an den ersten drei Tagen des Monats ein Almosen— nein, pardon— einen „Ehrensold" von IV M. pro Monat. Aber damit die Sache nicht etwa einen humanen Anstrich bekommt, zwingt man diese menschlichen Ruinen, mit ihren Halbsteifen Knochen stundenlange Wege durch das Getriebe der Großstadt zu machen. Doch gemacht Der preußische Polizei- geist läßt sich daran noch nicht genügen. Folgen wir jenem alten Herrn im weißen Bart, die Brust mit den Medaillen der Kriege 64 und 7v behängt, die Steintreppe hinauf. Im ersten Stockwerk angekommen, bleibt unser unfreiwilliger Cicerone keuchend stehen. Die dürren Hände krampfen sich an das Geländer, er schnappt nach Luft. Wir treten in einen überheizten Korridor. Ein Schutzmann nimmt die Bücher ab.„Hinten aufstellen, immer drei zu dreil" Wir folgen der Aufforderung und biegen um die nächste Ecke des hier breiten und hellen Korridors. Auf einem langen, etwa 2\'i Meter breiten, spärlich b e- leuchteten Gange st ehe» einige Hundert alter Leuteeng oneinandergedrängt. Eine s ü r ch t e r- liche Luft herrscht hier. Es spricht geradezu aller Hygiene Hohn, in einem schlecht beleuchteten, engen Gange, ohne eine nennenswerte Ventilation. Hunderte, meist kränklicher Men- tchen, dicht gedrängt einzupferchen. Doch dürfen die Im Zichörerranm. EtwaS beklommen treten wir in das mächtige Gerlchtögebäude ein. Zuerst drängt sich uns die Frage auf: wieviel Jammer diese Mauern schon gesehen haben mögen— und dann denken wir an die Richter und an den hinter jenen stehenden furchtbaren Götzen: den Klassenstaat. Wen sollen wir mehr bedauern: jene, die gerichtet werden, oder jene, die da richten? Tausende bizarre Gestalten, Paragraphen genarmt, die uns im Gewoge deS Lebens so harmlos über den Weg sprangen, hier werden sie furchtbar. Im Namen des Rechts packen sie jeden, der dort draußen unversehens mit ihnen in Berührung kam, und wehe den Aermsten. Wir treten in den Zuhörerraum ein. Die paar Bänke find fast ganz besetzt. Ein Fleckchen findet sich noch für unS. Neben uns sitzen Neugierige, die sich aus Langeweile am menschlichen Elend weiden. Andere, Arbeitslose in sauberer Kleidung, wollen sich ein paar Swnden aufwärmen. Sie ahnten nicht, was sich vor ihren Augen abspielen sollte. Und so mancher ist anders fortgegangen wie er gekommen: er lernte sehen. Jenseits der Barriere sitzen auf erhöhten Plätzen: der Staats- anwalt: Mitte Vierziger, jovialer GcsichtSausdruck; der Gerichts- Vorsitzende: schneidiger Bureaukrat, Reserveleutnantston, Streber; zur Seite ihm zwei Schöffen: ohne individuellen Ausdruck. Soeben ist eine Sache beendet. Zur nächsten treten zwei elegant gekleidete Frauen herein, Mutter und Tochter, begleitet von ihrem Verteidiger. Erst nach längerem Zureden des letzteren bequemen sie sich, auf oder richtiger in der Anklagebank Platz zu nehmen. Ein mokanter Zug macht den ohnehin schon sehr un° sympathischen, raffinierten Gesichtsausdruck der Mutter nicht gerade angenehmer. Die Tochter sieht sich dreist, mit kokettem Lächeln im Räume um. Schnell find die Personalien erledigt und die Anklage wird verlesen: Warenhausdiebstahl. Beide„arbeiteten" nach einem raffinierten System. Als sie von der Verkäuferin auf frischer Tat ertappt wurden, hatte man geleugnet und die An. gestellte noch beschimpft. Der Rechtsanwalt ist der Ansicht, daß hier ein Fall von Kleptomanie vorläge, da doch der Vater bezw. der Gatte ein tüchtiger, gut besoldeter Beamter wäre, und die Frauen hätten doch nicht Eßware oder dergl., sondern nur Spitzen und ähnliches gestohlen. Die Angeklagten leugnen, trotz Zeugen, alle? ab. Der Staatsanwalt plädiert auf„schuldig", verwirft den Einwurf der Kleptomanie und beantragt eine Geldstrafe für beide. Der Verteidiger tritt für Freisprechung cventl. eine geringe Geldstrafe tia, Leute, zu drei und drei aufgestellt, beileibe nicht die ganze Breite des Ganges ausfüllen.„Den Gang freilassen l' heißt es. Eng müssen sie sich susammendrücken. Und nun beginnt die Folter. Stundenlang läßt man die alten Leute, die oft schon einen weiten Weg hinter sich haben, stehend in einer heißen, verdorbenen Stickluft, auf die paar Mark warten. So mancher ist schon ohnmächtig geworden. Mit ihren durch Rheumatismus , Gicht u. a. verkrüppelten Füßen wird den Aermsten ein stundenlanges Stehen auf einem Fleck zur furchtbaren Qual. Grimmig schimpfen sie— leise — auf diese Brutalität. Unser Vorschlag, sich doch zu be- schweren, wird mit verbittertem Lachen aufgenommen. „Na ja! Da kennen Sie„die" schlecht; wir hätten zum letzten Male unsere paar Mark gekriegt!" Langsam rücken wir alle Viertelstunden oder auch in längerer Zeit ein paar Meter vor. In unserem Falle war nach IVestündigem Stehen an uns die Reihe, daß wir in den Saal der„Schutzmannsfchule" eintreten durften, in dem aus gezahlt wird und wo auch Bänke zum Sitzen vorhanden sind. Am Ende ihrer Kraft, lassen sich die gebrechlicOn Gestalten mit einem Seufzer der Erleichterung auf die Bänke nieder- fallen. Soviel wir uns auch umsehen, ist weder draußen auf dem Korridor noch im Saal Gelegenheit, die trockenen Lippen mit einem Schluck Wasser zu befeuchten. Auch fehlt es auf dem Korridor an genügen- den S p u ck n ä p f e n. � Nach LV�stündigem Warten bekamen unsere Neben- männer— eine halbstündige Unterbrechung, während der der Rendant frühstückte, mit eingerechnet— ihr Geld. Das sind geradezu unglaubliche Zustände. Sehr wohl wäre es möglich, den Leuten den oft sehr weiten Weg von ihrer Wohnung nach dem Alexanderplatz zu ersparen, wenn die Auszahlung auf dem betreffenden Polizeirevier erfolgte, in dem der Empfänger wohnt. Die zweite Frage, ob es human und hygienisch zulässig ist, alte gebrechliche Leute so zu behandeln wie oben geschildert, beantwortet sich von selbst. Da ist kein Polizeipräsident, keine GesundheitspoliAei. die bei Versammlungen so sehr um das Wohlergehen der Besucher besorgt ist. Humanität und preußi scher Polizeigeist vertragen sich nun einmal nicht. FS« Vit Hilf« durch den Srmnworstehrr begeistert sich der„Lokal-Anzeiger" in einer Betrachtung über die von uns gestern gemeldete furchtbare Familtentragödie in der Weinstraße. Er schreibt unter der Unterschrift: Mußte eS sein? folgendes: „Die Familientragödie in der Weinstratze wird allenthalben große Teilnahme hervorgerufen hoben. Am Ende seiner Mittel und unfähig, seine Familie zu unterhalten, tötet der Friseur Poboß seine Frau und das eine Kind, verwundet das andere schwer und verletzt sich dann selbst auf den Tod. Die Notlage der Familie war längst bekannt. Die hungernden Kinder wurden oft von den Hausbewohnern unter- stützt. Als Poboß sich Schweinfurter Grün besorgte, geriet das HauS in Aufregung. Man stand unter dem Eindruck einer nahenden Kolastrophe. Da ist die Frage gerechtfertigt:„Weshalb wurde nicht der Armenkommissionsvorsteher von der schrecklichen Notlage in KennwiS gefetzt?" Die Abneigung vieler, sich an den Anneuvorsteher zu wenden, von dem sie eine rauhe Behandlung befürchten, ist ebenso bekannt wie die Antipathie mancher Per- sonen gegen ein Krankenhaus. Hier wie da handelt es sich aber um öffentliche Einrichtungen. Es darf nicht eingewendet werden, daß in den Armenkommiisionen ein bureankratischer Schneckengang herrscht, durch den die Hilfe verspätet wird. Die Armenvorsteher sind jederzeit mit Geldmitteln versehen und greisen in dringlichen Fällen sofort ein. In der Stadt Berlin , die jährlich 16 Millionen für die Zwecke der reinen Armenpflege ausgibt, braucht wahrhastig kein Mensch zu verhungern. Ebenso wie der Berliner die Feuer- wehr im Augenblick der Gefahr zu rufen pflegt, sollte er in Fällen der dringenden materiellen Not seines Nächsten den Arn,envorsteher alarmieren- Die falsche Scham ist da wahrhaftig nicht am Platze. Eine ganze Familie ist in den Abgrund gesunken, weil sie Hungers zu sterben glaubte.... Mußte es sein?!" Der Hrnweis de».Lokal-AnzeigerS"»uf die immer hilfs- bereiten Armenvorsteher beweist, daß er kein« Ahnung von unserem Armenwcsen hat. Leider ist eS nicht richtig, daß die Armenvorsteher sofort hilfsbereit find. Da werden oft sehr viele Schwierigkeiten ge- macht, bevor.tatkräftig" Hilfe geleistet wird. Die Summe, die ein Armenvorsteher sofort ohne besonderen Beschluß der Kommission ge- Das Gericht zieht sich zur Beratung ins Nebenzimmer zurück. Währenddem unterhalten sich Staatsanwalt und der Verteidiger über einen gesellschaftlichen Skandal. Nach etwa zwei Minuten betritt daS Gericht wieder den Saal. Der Vorsitzende nimmt sein Barett ab und verkündet im Namen des Königs als Recht: In Anbetracht der verführerischen Auslagen und der Gelegenheit in den Warenhäusern zum Stehlen usw. wird die Mutter mit 50 M. Geldstrafe und die Tochter mit einem Verweise bestraft. Kaum daß der Verteidiger seine Akten zusammengerafft hat. da beginnt schon eine andere Sache. Man führt, während der Vorsitzende flüchtig in den ihm zugereichten Akten blättert, ein armselig gekleidetes, blasses Weib herein. Mangel und Sorge haben tiefe Runen in das müde Gesicht gegraben. Ihr erster Blick fliegt nach dem Zuhörerraum hin, als wenn sie dort jemand suche, dann huscht sie scheu in die Anklagebank hinein. Die harte Stimme des Vorsitzenden wird um einige Nuancen schroffer, als er die Angeklagte nach ihren Personalien fragt. Sie ist 31 Jahre — der abgerackerte Körper scheint einer 50 jährigen anzugehören—, seit 4 Jahren Witwe und wegen Diebstahl vorbestraft. Weshalb? Sie hatte im vorigen Jahre, als sie nach Saisonschluß keine Näh- arbeit bekam und die paar Mark Armenunterstützung nicht aus- reichten, auf einem Güterbahnhof zwisckjen den Gleisen einige Pfund Kartoffeln aufgesucht, um den Hunger ihrer drei kleinen Kinderchen zu stillen. 8 Tage Gefängnis. Diesmal wird ihr zur Last gelegt, sie soll auf der Straße ein Stück Bohle, das einem Hauseigentümer gehörte, auf- genommen haben. Diese war zwar zerfahren, diente aber noch zur Erleichterung der Auffahrt über die Bordschwelle einer HauS- einfahrt. Der Wert wird vom Besitzer auf 40 Pf. geschätzt. Die Angeklagte gibt den Diebstahl zu; da sie jetzt lungenkrank sei, könne sie nicht mehr genügend verdienen; mit dem Nähen wolle es nicht mehr recht gehen und in ihrer Dachstube wäre es so furcht- bar kalt gewesen. Die Kinder hätten vor Frost und Hunger fort« wahrend geweint, das habe sie nicht mehr mit ansehen können. sie wäre davon gelaufen, um auf irgend eine Art etwas heran- zufchaffen,„trad wenn ich hätte einbrechen müssen; mir war alles gleich". Der Staatsanwalt blickt lächelnd nach der verhutzelten Gestalt hinüber.— Die und einbrechen. „Na hören Sie mal, Angeklagte! mit solchen Mätzchen bleiben Sie uns aber gefälligst vom Leibe! Sie bekommen doch eine Armen- Unterstützung? und dann gibt es soviel wohltätige Stiftungen usw., die helfen, wenn wirklich Not vorhanden ist." Eingeschüchtert durch den barschen Ton de? Richters, flüstert die Angeklagte, daß sie ja nur für zwei Kinder Unterstützung be- käme; auf jedes Kind ö M., was doch nicht im entferntesten aus« währen kann, ist äußerst minimal. Und wenn nach langem Hange» und Bangen nach Wochen sich die Armenkom misston entschließt, eine Unterstützung zu gewähren, so sind die Sätze so minimal, daß damit auch nicht allzu viel anzufangen ist. Die Redensart, daß bei uns niemand Hungers zu sterben braucht, wird durch die mosien« hasten Mitteilungen widerlegt, nach denen zahlreiche Personen au» Mangel an Subsistenznntteln sich das Leben nehmen. Eine schöne göttliche Wellordnung, in der ein kleiner Teil Herr» lich und in Freuden lebt und Hunderttausende im Elend dahinsiechen. Da nützt auch kein Armenvorsteher. Nebenerwerbschwinbel. Im Inseratenteil der bürgerlichen Presse, vor allem �lm „Lokal-Anzeiger" und in der„Morgenpost", finden sich zahlreiche Ankündigungen, nach welchen Interessenten lohnender Neben- erwerb versprochen wird, wenn sie Bewerbungen an eine bestimmte Farma einsenden; vielfach wird nur eine Chiffre angegeben, im die eigentlichen Hintermänner nicht zu nennen. Wer auf diese Inserate eingeht, wird in fast allen Fällen betrogen. Der Verlag„Germania ", Lichtenrade bei Berlin , veröffentlicht in verschiedenen Zeitungen folgendes Inserat:„Wirkl. schrift. Nebenerwerb, kein Adressenschr., f. Hrn. u. Dam. j. Std.. g. Handschr. nicht erfordl. Verlag.Germania ", Lichtenrade 10 b. Berlin ." Wer sich auf diese Anzeige meldet, wird aufgefordert. 80 Pf. einzusenden, worauf man ihm die gewünschten Angaben machen werde. Den Einsendern der 80 Pf. wird jedoch eine Enttäuschung zuteil; sie erhalten statt eines bestimmten Auftrages ein großes Formular zugesandt, das sich„Information zur Zeitungsbericht- erstattung" nennt. Die Nebenerwerbsuchenden werden mit folgenden unbrauchbaren Angaben abgespeist: „Sie haben gewiß schon oft nachgedacht, wenn in Ihrer Zeitung ein spannender Bericht erschien, was dieser dem Verfasser ein- gebracht haben mag? Denn viele Leute wissen nicht, daß diese Arbeit überhaupt bezahlt wird. Solche Berichte werden lohnend honoriert. Die Zeitungen zahlen für jede Kleinigkeit bis 10 M. (6— 12 Kr.) und mehr. Es ist daher eine lohnende Arbeit, die Berichterstattung einer oder besser noch mehrerer Zeitungen zu übernehmen. Für die Arbeit selbst ist eS ganz ohne Einfluß, ob man in einer Stadt oder einem kleinen Orte wohnt. Man erfährt überall etwas und kann es, in die richtige Form gebracht, verwerten; manche Zeitungen legen großen Wert auf Prooinzialnachrichten und nehmen Angebote gern« an. Man macht zunächst verschiedenen Zeitungen eine solche Offerte bezw. erkundigt man sich nach den Zeitungen, die am Ort(oder der nächsten Stadt) die höchsten Auflagen haben. Man kann dies durch Briefträger erfahren, oder bestellt bei einer Annoncen-Expedition einen Zcitungskatalog. Adressen neben- stehend. Hat man nun diese Auskunft, so schreibt man an die miS- gewählten Zeitungen. Für diese diene folgendes Schema, das nach Belieben und Umständen geändert werden kann." Hier folgt ein Zirkular, ein Briefschema und daran anschließend folgen verschiedene Angaben, die sich darauf beziehen, in welcher Weise ein Bericht abgefaßt werden mutz. Die Ratschläge sind für den Nebenerwerbsuchenden völlig wertlos und zu der neuen Enttäuschung hat er noch einen Verlust von 80 Pf. zu be» klagen. Aehnlich verfährt ein Verlag G. I. Nigl, Mannheim 7, der in der„Morgenpost" inseriert, und zahlreiche andere Inserenten. In fast allen Fällen ist es auf die.für Auslagen erwachsenen Ge- bühren" abgesehen. Die Tätigkeit der Nebenverdienstschwindler ist deshalb be- sonders zu verurteilen, weil diese Leute fast nur solche Personen schädigen und betrügen, die schon in großer Bedrängnis sind und die nach jedem Strohhalm fassen, von dem sie annehmen, daß er ihnen einen kleinen Verdienst einbringen könnte. Diese Schioindler benutzen die Not ihrer Mitmenschen, um sich einen leichten Erwerb zu verschaffen. Dieser Ausbeutung Arbeitsloser leisten dt« bürgerliche» Blätter durch Aufnahme der erwähnten Inserate Vorschub. I» der nächsten Woche findet eine Sitzung der Berliner Stobt» verordnetenversammlung wegen Mangel an ausreichenden BeratungS- stoffen nicht statt. Die Einnahmen der städtischen Straßenbahnen für November betrugen 74 661,70 M. gegen 63 501,55 M. im November 1908, das ist eine Tageseinnahme von 2488,72 M. gegen 2116,72 M. im November 1908. ES wurden insgesamt 815 529 Personen gegen% 683 398 Personen im Borjahre befördert. Die Anzahl der ge- fahrenen Wagenkilometer(Motorwagen und Anhängewagen) ist von 120 030 des Vorjahres auf 134 181 gestiegen. Die Einnahme für das Wagenkilomeier beträgt 55,64 Pf. gegen 52,9 Pf. im Vorjahre. reiche. Ihre Gesuche an Stiftungen wurden regelmäßig abgelehnt, weil sie schon eine Armenunterstützung erhalte. Hilflos sah sich die Angeklagte um. Hier sprachen weder Verteidiger, noch Staatsanwalt, noch Richter von Kleptomanie, von einer Handlung Pnter einem unwiderstehlichen Zwange!— Der Staatsanwalt steht auf. Ein gemütlicher Ton durchksmgt sein Plaidoyer; kaum einige Sätze. Er beantragt, da Diebstahl im Rückfalle, 8 Wochen Gefängnis. Von den 10 Wochen Unter- suchungshaft beantrage er zwei Wochen als verbüßt anzurechnen. Der Vorsitzende fragt die Angeklagte, ob sie noch etwas zu sagen hätte.„Ja, Herr Präsident, bitte sagen Sie mir, wo sind meine Kinderchen?" Unwirsch über die unnötige Aufhaltung blättert er ärgerlich in den Akten.„Ihre Kinder sind im Waisen- hause; übrigens wird der Antrag gestellt iverden, sie einer Zwangs- erziehungsanstalt zu überweisen, da Sie nicht zur Erziehung ge- eignet erscheinen." Lautlos sinkt die Angeklagte in der Anklage- bank zusammen. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Der Staatsanwalt trommelt nervös auf einen Aktendeckel. Eine bange Stille lagert über den Raum. Von draußen schallt der Lärm der Straße herein. Die Minuten werden einem zu Stunden. Der Gerichtsdiener flüstert einem Bekannten zu, daß der Richter erst noch frühstückt; eS wird wohl noch eine Weile dauern. Endlich geht die Tür auf. Und wieder nimmt der Vorsitzende sein Barett ab, und wieder verkündet er im Namen des Königs als Recht:......... in Rücksicht, daß die Angeklagte über ihre Tat keine wahre Reue zeigt, erkennt das Gericht auf 3 Monate Gefängnis. Im Hinblick auf ihre Verstocktheit, hat das Gericht von einer Anrechnung der Untersuchungshaft abgesehen. Da weiter die Angeklagte inzwischen von ihrem Hauswirt exmitiert ist, ihre Sachen von der Armen» Verwaltung in Verwahrung genommen sind, sie also ohne festen Wohnsitz ist, so hat das Gericht auf sofortige Verhaftung erkannt." Ein furchtbares Schweigen lagert über den Zuhörerraum; man wagt kaum zu atmen. Aller Augen sind auf die unglückliche Mutter gerichtet. Da— endlich bricht diese in ein leises, krampf- Haftes Schluchzen aus. Wie Wahnsinn leuchtet's aus ihren Augen: „Meine armen, armen Kinder!" Aber schon ruft man die nächste Sache auf. Der alte Gerichts- diener führt das arme Weib hinaus, wo sie sck>on der Gefängnis- Wärter erwartet. Geschäftig arbeiten die Mühlen der Gerechtigkeit weiter. Hört ihr das Wimmern der Zermalmten? Ja? Und un- endliches Weh packt Euch? Da blickt hinüber nach jenen, die da richten; seht, wie sie unbekümmert um den Aufschrei des gequälten und gehetzten Menschenwildes Recht sprechen. Und dann hinweg mit Mitleid und Weh; werdet hart wie jene, die da Recht sprechen, werdet hart im Haß und wieder Haß.
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