Grosz-Lichterkelde.Der hiesige Gemeindevorsteher, dem zugleich in seiner Eigenschaftals Amtsvorsteher die Ortspolizei untersteht, pflegt bei allen Ge-legcnheiten den„voliiehmei» Villenort" nicht nur bezüglich seinerAnlagen. Einrichtungen usw., sondern auch seiner Beamten und nichtzuletzt ieiner Polizeibcamtcn mit der entsprechenden vornehmen undwürdigen Haltung gegenüber der Einwohnerschaft als leuchtendesBeispiel rühmend hervorzuheben. Wenn Herr Schulz die geradenicht seltenen Berichte in der Presse über Polizeiausschreitungengrgen wehrlose Menschen gelesen hat, mag er wohl bei sich gedachthaben:„Wir Wilden sind doch bessere Menschen I" Um so mehrwird er erstaunt sein, wenn uns heute über grobe Ausschreitungenvon Lichterfelder Polizisten gegen einen Ortsbürger berichtet wird.In der Nacht von, Sonnabend zum Sonntag begab sich der GenosseOtto Pints. der dem Borstand des hiesigen Wahlvereins angehörtund als ein ruhiger, besonnener Mann bekannt ist, vom CaföHohenzollern in der Chausseestraste nach Hause. Er verweilte einpaar Minuten an der Ecke der Chaussee- und Auguststrahe, um miteinem Bekannten, der denselben Weg einschlug, zusammenzugehen.Wie unser Genosse mitteilt, kam plötzlich der PolizeiwachtmeisterH a u ck e auf ihn zu und forderte ihn in barschem Tone auf, sichnach Hause zu scheren. PintS ertviderte ihm, dah er niemand störe,im übrigen fei es seine Sache, ob er nach Hause gehen wolle odernicht. Er ging hierauf nach der anderen Seite der Strohe, umden Heimweg anzutreten. Da sei abermals der erwähnte Polizistauf ihn zugeeilt und habe ihn mit den Worten:„Euch verfluchteBande will ich es anstreichen, das Haus zu belagern", aufgefordert,mit zur Wache zu kommen. Inzwischen habe sich noch ein Schutz-i»ann eingesunden, der in Gemeinschaft mit seilten, Kollegen denSistierten am Genick packte und zur Wache beförderte. GenossePints erklärte, dah er ohne weiteres mitkomme, sich aber jede im-höfliche Behandlung verbitte. Auf der Wache, so betont PintS,nannte er seine» Namen und forderte die Beamten auf. zu sagen,was sie eigentlich von ihm wollten und aus welche» Gründen sieihn zur Wache gebracht hätte». Statt einer Antwort,die ihre Handlungsweise hätte rechtfertigen können, habe ereine Flut Schimpfereien über sich ergehen lassen müssen.Mit Schimpfreden hätten ihn auch die Beamten noch überschüttet,als er die Wache verlassen habe. Am nächsten Tage sei er, Pints,zur Polizeiwache gegangen, um von dem dort anwesenden Gen-darmeriewachtmeister die genauen Personalien der beiden„Schutz"-Männer feststellen zu lassen. Dieser kennt den Genossen P. von denVersammluiige» her und meinte, nachdem er den ganzen Sachverhalterfahren, dah eS sich nur um eine bedauerliche Personenverwechse-lnng Handel» könne. PintS hat sofort bei der StaatsanwaltschaftStrafantrag gegen die beiden Beamten gestellt. Ein Nachtwächter,der zufällig seinen Rundgang durch die erwähnten Ströhen machte,hatte den ganzen Hergang der Sache verfolgt und sich freiwilligals Zeuge den, Genossen Pints zur Verfügung gestellt. Wir sind ge-spannt, wie hoch Freiheit und Ehre der Staatsbürger gegen Ueber-griffe von Polizisten seitens der Staatsanwaltschaft eingeschätztwerden.Lichtenberg.Die Grundbesitzer und die Vefteiung der Bürgcrsteige von Schneeund Eis. Frau Henke war in zweiter Instanz vom Landgericht IIIzu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil der Bürgersteig ihres inder Frankfurter Chaussee belegenen Grundstückes am 1. Februaruicht vom Schnee befreit worden war. Die Bestrafungstützt sich auf eine Polizeiverordnung vom 20. Juni1903, die wiederum Bezug nimmt auf das Ortsstatutvon, 12. Oktober 1907, dessen§ l bestimmt:„Jeder Eigentümer istverpflichtet, den Bürgersteig bei«intretender Glätte mit ab-stumpfendem Material hinreichend zu bestreuen und nach jedemSchneesall vom Schnee zu befreien." Frau H. legte Revision beimKammergericht ein und machte u. a. geltend, dah die sich auf dasOrtöftatntstützendePolizeiverordnung ungültig sei, weil durch Ortsstatutallein, ohne dah eine Observanz vorliege, eine SlrahenreinigungSpflichtnicht eingeführt werden könne. Diesen Standpunkt vertrete dasOberverwaltungsgericht. Das Kamniergericht verwarf aber dieRevision, indem es ausführte, eS bleibe trotz der entgegenftehendenAuffassung deS Oberverwaltungsgerichts bei seinem Standpunkt.dah ein Ortsstatut genüge, eine Strohenreinigungspflicht der An-lieger(Grundbesitzer) zu begründen. Das Lichtenberger Ortsstatutund die entsprechende Polizeiverordnung seien gültig.Treptotv-Baumschulentveg.Aus der Gemeindevertretung. Im Vordergründe der Be-ratüngen stand die Gehaltsaufbesserung der Beamten und derLehrer sowie die Lohnerhöhung der Gemeindearbeiter. Für dieBerbeflcrung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der Gemeinde-arbeiter hatten die sozialdemokratischen Vertreter eine Reihe An-träge gestellt. Soweit sie nicht die Lohnerhöhung betrafen, wurdensie einer besonderen Kommission überwiesen. Als Anfangslohnwurde beantragt, 50 Pf. pro Stunde bei neunstündiger Arbeitszeitzu zahlen; Uebepstunden sollten um 2S Proz. und bei Nachtarbeitenum bO Proz. erhöht- werden. Dieser Antrag ist von der Gehalts-kommission abgelehnt worden. Die Kommission schlug vor, diezehnstündige Arbeitszeit beizubehalten und den Anfangslohn von40 auf 45 Pf. zu exHöhen ohne Extravergütung von Ueber- undNachtstunden. Diesem Antrage stimmte die Vertretung zu. Es er-halten demnach vom 1. April 1910 ab die Wegearbeiter während derersten zwei Jahre ihrer Beschäftigung 45 Pf., nach mehr als zwei-jähriger ununterbrochener Beschäftigung 47>4 Pf. und nach mehrals fünfjähriger Beschäftigung 50 Pf. Für die Kanalisations-arbeiter wurde der Lohn auf 47� Pf., 50 Pf. und 52(4 Pf. fest-gesetzt.Die Gemeindeschullehrer, welche bisher 760 M. Mietsentschä-digung erhielten, sind jetzt durch die Einrcihung Treptows in diezweite ServiSklasse, wonach nur eine Mictsentschädigung von480 M. gezahlt werden darf, um 130 M. pro Jahr geschädigt. Umeinen Ausgleich und zugleich eine Gehaltsaufbesserung herbvizu-führen, wurden mit Rückwirkung vom 1. April 1909 ab folgendeOrtszulagen festgesetzt, die bis zu dem Zeitpunkte in Gültigkeitbleiben, in welchem Treptow in eine höhere ServiSklasse tritt: Nachvierjähriger Dienstzeit 400 M., nach siebenjähriger 450 M., nachzehnjähriger 500 M., nach 13- bis 19jährigcr 550 M., nach 19jäh«riger 600 M., nach 22jähriger 650 M., nach 25jähriger 700 M., nach28- bis 31jährjger Dienstzeit 750 M. Die Rektoren erhaltenaußerdem eine Amtszulage von>200 M. Für die Lehrerinnen be-trägt die Ortszulage 250 bis 350 M.Die Gehaltserhöhung der Beamten beträgt 10 bis 12 Proz.Es erhalten demnach die Sekretäre 3000 M. Anfangs- und 5000 M.Höchstgehalt in 20 Jahren, die Bureau- und Kassenassistentcn2500 M. Anfangs- und 4000 M. Höchstgehalt in 20 Jahren, dieSteuererheber und Vollziehungsbeamten, Gemeinde- und Amts-diener erhalten 1900 M. Anfangs- und 2710 M. Höchstgehalt in18 Jahren. Die als Stcuererheber und Vollziehungsbcamtentätigen Beamten erhalten außerdem eine Gehaltszulage von 100 M..welche pcnsionsfähig ist, wenn sie der Betreffende mindestens einJahr lang bezogen hat. Für den Bureauvorsteher und Kassen-rendanten wurde da» Anfangsgehalt auf 3700 M. und das Endgehalt auf 5700 M. festgesetzt. Die Schuldiener erhalten 1300 M.Anfangs- und 1600 M. Höchstgehalt, die Heizer der Pumpstation1200 M. Anfangs- und 1500 M. Höchstgehalt. Außerdem wird fürden Schuldiener und die Heizer freie Wohnung, Heizung und Be-leuchtung gewährt. Auch bei den Beamten tritt die Erhöhung derGehälter vom 1. April 1909 ab in Kraft.Für den neugebildcten Armenkomnnssionsbezirk im BerlinerOrtöteil wurde als Borstcher der Hausbesitzer Mehlhaase und alsStellvertreter Lehrer Zernick gewählt. Zu den Kosten der Bücher-ausslellung und eines Bücherverzeichnisses des LehrcrvereinSwurden 50 M. bewilligt.Der seinerzeit von unseren Genossen gestellte und vertagte An-trag, die Speisung armer Schulkinder in die Wege zuleiten, stand von neuem zur Beratung. Nach dem Bericht deSBürgermeisters erhalten 9 Kinder niemals und 1 Kind unregel-mäßig warmes Frühstück. Mittagbrot erhalten 11 Kinder niemalsund 1 Kind unregelmäßig. Wie der Vorsteher weiter berichtet, stehtdie Schuldeputation auf dem Standpunkt, daß die Speisung nichtzu empfehlen sei; sie befürworte jedoch, aus bereitstehenden Mittelnetwas zu geben, wenn vorübergehende Not herrsche. Bei dauernderNot solle der Vaterländische Frauenvcrem eingreifen. Im übrigensei aber nach seiner Meinung jeder Mensch verpflichtet, für seineNachkommen zu sorgen. Genosse Karow verwies auf den Schul-arztbcricht, wonach bei vielen Kindern Unterernährung festgestelltsei; es müsse demnach auch der Arzt zu Rate gezogen werden. Ge-nasse Graftitenz bemängelt die von den Rektoren aufgestellteStatistik. Dieselbe gebe kcin� wahrheitsgetreues Bild, weil sie inder günstigsten Periode, im Sommer, aufgestellt worden sei; auchsei es sehr leicht zu sagen, die Eltern haben für ihre Nachkommenzu sorgen, ob sie dies aber in der heutigen Wirtschaftsordnung zutun in der Lage seien, sei eine andere Frage. Es müsse daher dieGemeinde helfend eingreifen. Hieraus wurde dem Gemeindevor-stand Vollmacht erteilt, im Sinne deö Vorschlages der Schuldeputa-tion die Speisung armer Kinder in die Hand zu nehmen und neueErhebungen anzustellen.Ueber die schlechte Beschaffenheit des Weges zur Schule in derBouchestraße, verursacht durch die Bauausführung auf dem Nach-bargrundstück der Schule, interpellierte Genosse G r a m e n z. DerWegekommifsar Nickel sowie der Bürgermeister erklärten hierauf,ihr Möglichstes zur Beseitigung dieses Mißstandes zu tun.— Diebei nassem Wetter unpassierbare Promenade in der Elsenstraße andein der Stadt Berlin gehörenden Rcnnbahngrundstück soll mitSchlacke beschüttet werden, weil Berlin, welches die UnterhaltungS-Pflicht hat, zur Beseitigung dieses Ucbclstandcs nichis unternimmt.Im Frühjahr nächsten JahreS soll die Straße kanalisiert werden.—Der Straße 8, welche die Grätzstratze zwischen Lohmühlen- undBouchestraße durchschneidet, wurde der Name Krüllsjtraße ge-geben.— Für die Einrichtung des Werkunterrichts in der Ge-meindeschule II(Baumschulenweg) wurden 100 M. bewilligt.Köpenick.Aus der Stadtverordnetenversammlung. Eingeleitet wurden dieVerhandlungen mit der Neuwahl eines unbesoldeten Stadtrats anStelle des Herrn Hentschel. Die Wahlperiode des zu Wähleirdenläuft bis Ende 1910, Die Abstimmung ergab, daß Stadtv. Streichhan(Fr. V.), welcher erst kürzlich zum stellvertretenden Vorsteher derVersammlung gewählt worden war, mit 20 Stimmen gegen11 Stimmen, die auf Stadtv. Rühl fielen, gewählt wurde.Es folgte nunmehr die Beratung der Magistratsvorlage bezüg-lich Einführung einer Wertzuwachsstcuer. Nach dem Antrage desMagistrats soll der Wertzuwachs besteuert werden mit 4 Proz. beieiner Wertsteigerung von mehr als 5— 10 Proz. usw. bis 20 Proz.bei einer Wcrtsteigerung von mehr als 160 Proz. Die Wertzuwachs-steuer wird nicht in Ansatz gebracht, wenn der Wertzuwachs bei un-bebauten Grundstücken 5 Proz., bei bebauten 10 Proz. nicht über»steigt. Die Steuersätze kommen bei bebauten Grundstücken jedochnur dann voll zur Erhcbuug, wenn seit dem früheren Umsätze oderseit Errichtung der Gebäude— falls diese später erfolgt ist— nichtmehr als 5 Jahre verflossen sind. Beträgt der Zeitraum mehr als5 Jahre, höchstens aber 10 Jahre, so werden'A der vorgenanntenSätze, bei mehr als 20 Jahren nur noch(4 der Steuersätze erhoben.Nachdem der Vorsteher vorgeschlagen, zunächst in eine General.debatte einzutreten und dann die Vorlage einer zu wählenden Kam-Mission zu überweisen— dem Etatsausschuß hatte sich bereits imPrinzip für die Einführung einer Wertzuwachssteuer erklärt—,eröffnete Stadtv. Jakob r(lib.) den Reigen der Redner. Eigentlichsei er kein Befürworter dieser Steuer, aber die RcichszuwachSsteuerwinke in der Ferne, und darum werde er, auch wenn mit schweremHerzen, dafür stimmen. Daß etwas herausgeholt werde, bezweifleer. Grund und Boden feien fast verkaust— nur die Altstadt könntenoch was aufbringen.Stadtv. Herbst(Soz.) betonte, daß die sozialdemokratischeFraktion die Vorlage begrüße. Mit der vom Magistrat vorge-schlagenen Staffelung könne sie jedoch nicht einverstanden sein. BeiWertsteigerungen von mehr als 100 Proz. müßten die Steuersätzeerhöht werden.Stadtv. Dr. Schulze(Fr. V.) meint, die Wertzuwachssteuer feidie Inbeschlagnahme eines Teils vom Vermögen, die sich nur vomsozialistischen Stadpunkt« aus rechtfertigen lasse. Genau so könnteoiese Handhabung auf jedes andere Vermögen ausgedehnt werden,wie auf das steigende Gehalt eines Beamten oder den hochgehendenGewinn eines Kaufmanns. Er sei Gegner der Vorlage. Die Genosse» Herbst und Nieke wandten sich noch einmal in längeren Dar»legungep gegen diese Anschauungen. Stadtv. Gilow(F. V.) betonte,es sei jetzt überall die Zeit, wo der Grundbesitz bluten müsse; fürdie Vorlage sei er aus dem Grunde, da er hoffe, daß die Grundwert-steuer ermäßigt werde, denn diese sei am drückendsten.Das Fazit der Debatte war die Verweisung der Vorlage aneine Kommission. Diese besteht aus den Stadtvv. Gilow, Noack,A. Martin(Fr. V.), Rühl, Cunitz, Mattes(lib.), Herbst, Tauchert,Woit(Soz.).Eine weitere Vorlage des Magistrats verlangt die Ausdehnungder obligatorischen Fortbildungsschulpflicht auf die weiblichen Hand.lun-gsgehilfen und Lehrlinge vom 1. April 1910 ab. Stadtv.Schneider(lib.) ersuchte, darauf Rücksicht zu nehmen, daß der Unter-richt nicht während, sondern nach der Arbeitstätigkert erteilt werde.Auch wünsche er, daß die erforderlichen Bücher von der Schule selbstgeliefert würden. Diesen Anschauungen trat jedoch außer unseremGenoffen Herbst, welcher bei dieser Gelegenheit auch die Ausdehnungdes Fortbildungszwanges auf die gewerblich tätige weibliche Jugendforderte, sein eigener Fraktionskollege Stadtv. Rohrbeck entgegen.Herr Rohrbeck, Obermeister der Barbierinnung, erklärte, daß er esnicht für gut befinde, wenn junge Leute nach der Arbeitszeit nochdie Fortbildungsschule besuchen sollen; für den Unterricht seiendieselben dann unfähig. Die Vorlage gelangte dann im Prinzipzur Annahme.Der BildungsauSschuß veranstaltet am kommenden Donnerstag.den 9. Dezember, abends 8'� Uhr. im Stadttheater einen Vortragmit Lichtkuldern des Herrn M. H. Baege über:„Unsere heutigeKenntnis vom Ursprung deS Menschengeschlechts". Der Eintrittspreis beträgt 20 Ps. Vom Sonntag den 12. bis Sonntag den 19. De-zember findet im Stadttheater im vorderen Zimmer eine Jugend-schriftenausstellung statt. Dieselbe ist geöffnet Wochentags von7—9 Uhr, Sonntags von 3— 6 Uhr. Wir ersuchen die Genossen, inihrem Wirkungskreis für einen regen Besuch dieser Ausstellung zuagitieren. Ein Eintrittspreis wird nicht erhoben.Die Liste der Schöffen und Geschworenen für 1910 ist in denletzten Tagen veroffentlicvt worden. Wie in den Borjahren befindetsich unter den Auserkorenen auch diesmal nicht ein einziger Arbeiter.Da wundert man sich noch immer in den Kreilcn deö Bürgertums,wenn in der Arbeiterschaft von Klassenjustiz gesprochen wird. ImUebriaen bat das Gewerkkchaftskartell bereits bei der Auslosung derSchöffen für 1909 auf dieses Verfahren hingewiesen und verflicht.auch Arbeiter an der Rechtsprechung teilnehmen zu lassen. Jetzt istbereits die Liste für 1910 fertig gestellt, eiue Antwort auf die Ein-gäbe vom September vorigen Jahres aber noch nicht erfolgt.Schmargendorf.In der Gemeindevcrtretersitzung wurde über die bereits imSommer eingebrachte Petition des WahlveremS betreffend die Vermehrung der Zahl der Gcmeindevertmer verhandelt. VomGemeindevorsteher wurde der Versammlung der Antrag unterbreitet, die Zahl der Vertreter von neun auf zwölf zu erhöhen.welcher Wunsch auch in unserer Petition ausgesprochen war. DieVersammlung stimmte dem nach kurzer Debatte zu. Der Zeitpunktdes JnkrasttreteiiS dieses Beschlusses wurde aus den l. April 19l0 fest-gesetzt. Bei den Neuwahlen im März werde» also in jeder Klasse zweiVertreter zu wähle» sei. Gegen die Bezirkseinteilung, die unserePetition ebenfalls verlangte, wandte sich der Herr Gemeindevorsteherganz entschieden, und zwar mit der Begründung, daß die Bezirks-wähl nur für die Sozialdemokratie von Borteil sei und er eS mitseiner Eigenschaft als.Staatsbeamter" nicht vereinbaren könne, dieWahl eines Sozialdemokraten zu fördern. Mit diesem Anlvurf aufdie Sozialdemokratie will der Herr Gemeindevorsteher offenbar seinPrestige, das durch die Taiiticmenangelegenheit etwas gelitten hat,wiederherstellen und sich die Gunst der hiesigen Bürgerschaft zurück-erwerben. Die Arbeiterschaft des Ortes wird alles daransetzen, dieWahl von Sozialdemokraten auch ohne die„Förderung" des HerrnGemeindevorstehers durchzusetzen.— Auch ein Nachtrag zum OrtS-statut betreffend die Geschäftsordnung der Gemeindevertretung wurdeangenommen, wonach analog dem jj 112 der Landgemcindcordmina dieGemeindevertreter wegen unentschuldigtem Ausbleiben aus den Ver-sammluugen und ordnungswidrigem Betragen in eine Geldstrafe von1—3 M. genommen werden können, oder deren Ansschließmig ansder Versammlung bis auf die Dauer eines JahreS verhängt wird.Haben die gegenwärtigen Gemeindevertreter so gegen die Ord-nung verstoßen, daß ein derartiger Beschluß gefaßt werden mußte,oder soll er ein Abschreckungsmittel gegen zukünftige unliebsameOpponenten sein?!Weihenfee.Die Provisionsaffäre des Schöffen Rathmann war in der letztenGemeindevenreterfitzung wiederum Gegenstand der Verhandlung.Bis zum Montag hatte Herr Rathmann trotz Versprechung sich nichtentschieden, die zuunrecht erhaltene Provision herauszugeben, so daßnunmehr die Mehrheit der Gemeindevertretung einen von unsere»Genossen gestellten Antrag annahm, Herrn Rathmann nochmals14 Tage Zeit zu lasten, sich dem Beschlüsse, das Geld zu wohl«tätigen Zwecken zu verwenden, zu fügen oder aber seine Gemeinde«ämtcr niederzulegen. Lebhaftes Interesse rief noch die Erklärungdes Herrn Dr. Pape hervor, daß er auf die erneuten Angriffe gegenseine Person nicht eingehe. Der frühere Eigentümer Mertens be-hauptcte in einer öffentlichen Zuschrift an die Gemeinde-Vertreter, daß Herr Dr. Pape sich bei einer früheren GelegenheitdeS Meineides schuldig gemacht habe und daher ins Zuchthaus ge-böte. Auch werden in der Zuschrift noch weitere HandlungenDr. Papes zur Sprache gebracht. Trotz all dieser Beschuldigungenwill der besoldete Schöffe keinen Strafautrag gegen Merten» stellen,weil in früheren Jahren bereits die Staatsanwaltschaft solche vonMertens gestellte Anträge abgelehnt hat. Einige Gcmeindevcrtreterhielten diese Angriffe für so unerhört, daß sie Dr. Pape aufforderten,Strafantrag zu stellen, lvährend andere wieder die Sache als Privat-fache auffaßten. Nach längerer Aussprache ging man zur Tages-ordnwig über. Der Ort ist somit um eine Sensation reicher.Nieder-Schönhausen.Die Errichtung deS ReformgymnasiumS zum!. April 1910 ist,wie in der letzten Gemeindevertretersitzung mitgeteilt wurde, vomProvinzialschulkollegium abgelehnt worden. In dem Bescheid sindjedoch die Bedingungen mitgeteilt, unter denen es später möglichist, die staatliche Anerkennung zu erlang». Ferner hat die Pro-vinzialbehörde in Aussicht gestellt, daß sie zum 1. April 1911 beimKultusministerium die Errichtung eines Gymnasiums befürwortenwerde. Zunächst wird die Finanzlage des Orts geprüft. Der Grundzur Ablehnung war vor allen Dingen die geringe Teilnahme vonSchülern; ferner ist die Behörde der Meinung, daß einige ElternAur Anmeldung ihrer Kinder gepreßt worden seien, die nicht einmal,n der Lage sind, ihre Kinder dauernd in das Gymnasium zu schicken.Der Hinweis, daß die Gemeinde Nieder-Schönhausen durch die Er-richtung des Gymnasiums sehr gewinnen würde, wurde als nicht-stichhaltig anerkannt. In der hierauf folgenden Debatte wurde all-gemein gewünscht, daß gegen diesen Bescheid Beschwerde erhobenwerden soll. Hiervon wurde jedoch Abstand genommen, als Bürger-meister Abraham erklärte, eine Beschwerde sei aussichtslos. DieVertretung beschloß, das Gymnasium zum 1. April I91l zu errichtenunter gleichzeitiger Annahme der voin Provinzialschulkollegium ge-forderten Bedingungen; hierzu gehört die Erbauung eines Gym-nasialgebäudes bis zum t. April 1915. Somit wäre das für diehiesigen Steuerzahler höchst kostspielige Experiment auf ein Jahrhinausgeschoben. Der Rechnungsabschluß der Gemeindekasse fürdas Jahr 1908 ergab 469 217.19 M. Einnahmen und 475 105,17 M.Ausgaben, somit einen Fehlbetrag von 5977,93 M., der aus demAußgleichfonds g-deckt Ivird. Für eine im Frühjahr 1910 statt»findende Städteausstellung wurden zum Zwecke der Beteiligung mitwichtigen Plänen der Gemeinde 300 M. bewilligt. Die in einerfrüheren Sitzung festgesetzte Entschädigung von 1200 M. für denHauswart im neuen Rathause wurde als nicht ausreichend ange»sehen und daher auf 1500 M. erhöht. Hierauf folgte eine nicht»öffentliche Sitzung.Tegel-Borsigwalde.Die Arbeiterschaft beider Orte wird auf die Ausstellungempfehlenswerter Jugendschriften aufmerksam gemacht. Bück? er füralle Altersstufen find in großer Auswahl vorhanden. Geöffnet istdie Ausstellung an Wochentagen von 7—9 Uhr abends, Sonntag»von 2—7 Uhr nachmittags. Die Ausstellung dauert noch bis ein«schließlich Sonntag, den 12. DezemberVermisckres.Grosifcurr auf de» Gaswerke» i« Hamburger Freihafen.Aus Hamburg wird vom gestrigen Tage gemeldet: Auf denGaswerken im Freihafen brach heute nachmittag GroßfeuerauS, angeblich infolge Entzündung von Gasen unter dem DachedeS alten Gasometers. Eine weitere Meldung über den Brand besagt:Gegen 3 Uhr nachmittag? explodierte auS bisher unbekannter Ursacheder noch im Bau befindliche Gasometer, in dem sich zirka 10000Kubikmeter Gas befanden. Eine hochaufschlagende Stichflamme griffauf den alten Gosometer über, der zirka 40 000 Kubikmeter Gas ent-hielt, und fetzte das Dach desselben in Brand. Infolge der isoliertenLage war eS der Feuerwehr nicht möglich, nahe genug an den Brand»Herd zu gelangen, so daß schließlich um 4 Uhr 40 Minuten dasDach in sich zusammenstürzte und dadurch den Gasbehälter eben-falls zur Explosion brachte. Hiinderte von Metern stiegeine gewaltige Feuersäule in die Lust, glühende Teile desGebäudes und brennende Koksstücke mit sich führend, die weit indie umliegenden Stadtteile und in den Hafen hinaus geschleudertwurden. Durch den ungeheueren Druck und die Hitze wurden dieUmfassungsmauern gesprengt. Auf der Brandstätte wurden bisheracht bis zur Unkenntlichkeit entstellte Leichen geborgen.Ferner sind etwa vierzig Verletztem das Hafenkrankenhauseingeliefert worden, von denen- bisher vier ihren Ver»letzungen erlegen sind. Unter den Trümmern sollen sichnoch mehrere Personen befinden.Eiseninhnunfall im Müncheuer Hauptbahnhof.Aug München wird vom gestrigen Tage berichtet: Gesternabend stieß, wie die.Münchener Neuesten Nachrichten" melden, imHauptbahnhof eine Leermaschine auf den eben einfahrenden PasingerVorortzug. Der Zusammenstoß war so heftig, daß an der Maschineder linksseitige Zylinder herabgerissen und das Gestänge beschädigtwurde. Der auf der Leernraschine befindliche Heizer wurde schwerverletzt, vier andere Personen sind leickn verletzt.Ueber eine» weiteren Eisenbabnnnfall wird aus Paris, 7. Dez.,gemeldet: Ein Personenzug der Weftbahn kreuzte gestern abend mder Nähe von Nantes einen in entgegengesetzter Richtung fahrendenGüterzug, der mit Eisenschienen belade» war. Eine quer liegendeSchieue durchstieß die Wand des letzten Personenwagens und trafdie Reisenden so unglücklich, daß einer sofort tot blieb und andereschwer verletzt wurden._Opfer des Sturmes. AuS Wilhelmshaven wird untern, 7. De»zember berichtet: Der Fischereikreuzer„Zieten" und da-Z Torpedoboot ,8 61" sind heute morgen in See gegangen, um Nach«forschungen nach dein Verbleib der 2l bei dem großen Sturmevermißten Finlenwärder Fischerkutter anzustellen.