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lt. 294. 26. Jahrgang. 1. Scilurjf des, Jotirirtö" Knlim Polblilnit fttitflä, 17. Zezmdtr 1909. Der frsvzöiilche eikenbahnerkongrek. Die französische   Eisenbahnerorganisation, nach den Bergarbeitern die stärkste Gewerkschaft deS Landes, hat in den letzten Monaten eine schwere Krise durchgemacht. Diese äusierte sich nicht in einem Absall von Mtgliedern denn unter den denkbar ungünsiigsten Verhältnissen hat der Verband im letzten Jahre noch 60(10 neue Mit­glieder gewonnen sondern in heftigen gegenseitigen Anklagen und Verdächiigungen, ja Ausschließungen und in einer Desorganisation, die schließlich jede Weileraibeit in der Zentrale wie in den regionalen und lokalen Gruppen unmöglich machte. Der Grund dieser Krise lag in den Gegensätzen zwiichen der reformistischen und der anarcho- syndikalistischen Richtung und die Zuspitzung auf eine persönliche Affäre hat sie noch verschärft. Die Opposilion gegen die reformistische Taklik der bisherigen Leitung konzentrierte sich in einem Angriff gegen de» Generaliekrelär G u s r a r d. der seit Jahren die Verbandsgeschäfte mit kaum beschränkter Autorität ge- leitet hat, wie denn überhaupt in den französischen   Gewerkschaften und in den revolutionären ganz besonders der Einfluß der Führer" viel stärker ist, als in den nach dem deutschem Muster formierten Organisationen, die man auf syndikalistischer Seite als eine willenlos hinter einem Leithammel einhertrollende Herde hin- zustellen beliebt. In das Feuer der Zwietracht blies Hervvs Guerre Sociale" fröhlich hinein, und die reformistischeAction Luvriöre" verteidigte Guvrard mit grobem Geschütz. Schließ- , lich entschloß sich G u s r a r d, sein Amt niederzulegen, aber die Abhaltung eines Kongresses zur Erledigung der persönlichen An- » gelegenheiten war nichtsdestoweniger unvermeidlich. Etwas anderes als diese hat der Kongreß, der vom Freitag bis Sonntag in Paris  tagte, nicht verhandelt. Die beruflichen Fragen wurden kaum ge- streift, aber immerhin wenn der Waffenstillstand, den er herbei- geführt hat, andauert, so hat er nützliche Arbeit geleistet. Gegen Guörard wurden eine Menge Beschuldigungen er- hoben. Mehrere davon waren aus bloßem Klatsch gesponnen und darum leicht von ihm abzutnn, andere wenig wichtig. Die ent- scheidenden Punkte waren die folgenden: 1. Sollte Guorard das unglückliche Ende deS Poststreiks durch Verräterei unterstützt haben. In der Tat hat er. nachdem er in einer Streikversammluiig im Hippodrom daS Eingreifen seiner Gewerkschaft in die Ausstandsbeweaung angekündigt halte, die Durchführung des Generalstreiks bekämpft. 2. sollte er das Interesse der Eisenbahner durch ein unleugbar sehr ungeschicktes Geldgeschäft geschädigt haben. Die Eisenbahner hatten vom Ministerium die Autorlsation für eine Lotterie zugunsten eines WaiseninstilutS erhalten. Ausgegeben wurden vier Millionen Lose zum Nennpreise von einem Frank. Als der Ziehungstag nahe war, war aber noch nicht einmal ein Viertel davon verkauft. Un- mittelbar vor der Ziehung verkaufte Guorard den ganzen übrig- gebliebenen Stock um 60 000 Frank an Herrn D e j e a n, den Herausgeber derPetite Republique", die sich einst als sozialistisch" bezeichnet hat und jetztOrgan für große Information" nennt und nach wie vor ein Organ für nicht immer unanfechtbare Spekulationen ist. Diesmal war das Geschäft verbältnismäßig anständig, trug aber Herrn D e j e a n gleichwohl einen mächtigen Profit' ein. Er heimste nämlich alle großen Treffer, im ganzen 370 000 Fr. ein. Die Ankläger Guörards behaupteten nun, dieser hätte die großen Gewinnst- chancen für die Gewerkschaft retten können und sollen. ß. wurde Guörard seine Intimität m i t M i n i st e r n vor- gelvorfen, im besonderen seine Auloesenheit bei Banketten zu Ehren B i V i a n i S un d M i l l e r a nds. Guorard verteidigte sich mit großer Gewandtheit. In der Frage der Lotterie legte er dar. daß er sich vor einem Defizit gesehen habe und in letzter Stunde außer stände gewesen sei, die Summen für die Treffer zu deponieren. Ein Versuch, den Rest der Lose an das Waiseninstitul selbst, um einen Centimes das Stück zu ver- kaufen, sei durch ein Verbot Clemenceaus vereitelt worden. Ein anderer Ausweg als der Vertrag mit D e j e a n habe sich nicht geboten und dieser'ei nicht ganz so fchlecht gewesen. Immerhin habe D e j e a n einen höheren Kaufpreis gezablt, als er ursprünglich angeboten halte und er habe auch die Zahlung der von einem der großen Losverschleißcr geschuldeten Summe übernommen. In mancher Hinsicht merklvürdig war GuörardS Ver antwortung in der Sache des P o st st r e i k S. Er gab ohne weiteres zu. einen Fehler begangen zu haben. Nämlich in dem kleines feuilleron. Japanisches Spielzeug. In der Kunst, für ihre Kinder an- regende und dabei ebenso einfache als billige Spielsachen zu erfinden, haben eS die Japaner weiter gebracht als irgend ein Volk der Erde. Es sind fast durchweg Artikel, die nur wenige Pfennige kosten, aber von einer Mannigfaltigkeit und einer Sinnigkeit, die ganz erstaunlich ist. Viele dieser winzige» Sächelchcn sind dem Inventar religiöser KultuSzeremonien entnommen, kleine Holzhämmer, Miniatur- trommeln, Opfertischchen, Mützen, wie sie die Schimopriester tragen u. dergl mehr. Ein Bündel niedlicher Ziiinglöckchen an hölzernem Griff ahmt daS heilige Snzi nach, das die jungfräuliche Priesterin beim Tanze vor de» Gölten« in der Hand schwingt. Masken und Puppen, die bestimmte Götter vorstellen, sind besonders häufig Anderes Spielzeug ist dem Tierreich entnominen und zum Teil auf recht sinnreiche Weise beweglich gemacht. Sehr beliebt ist das Tombo id. h. die Libelle), das»ur aus zwei D-förmig zusammengefügten Holzstäbchcn besteht und durch eine quirlende Bewegung dazu gebracht werde» kann, wie ein Insekt durch die Luft zu schivirren. Ein anderes heißt derehrenwerte Affe": zieht man an seinem Schwänze, so läuft er flink an einer Schnur hinauf. Karu-wazassi, der Akrobat, ist eine Holzfigur an einer Schnur, die zwischen zwei scherenartig verbundenen Bambus- stäbchen gespannt ist; drückt man die Stabenden zusammen, so führt der Akrobat alleihand Turnkunststücke aus. Kobiki, der Holz- fchneider, stellt einen japanischen Tischler mit einer Säge und einem Brettchen dar, der durch eine Schnur in Tätigkeit versetzt werden kann. Chi« ist ein kleiner weißer Hund, der kläfft, wenn man ihn auf den Kopf schlägt. Dann gibt eS winzige Spinnräder, die ge- trieben werden können, irdene Schildkröten, die im Wasier schwimme», hölzerne Pfeifen, die beim Geblasenwerden ein Wind- rad in Drehung versetzen, Fächer in Blumenform, bewegliche Miniaturpuppen und unzählige andere Dinge, die fast alle um eine Kupfermünze zu haben sind. Für Puppen haben die Japaner überhaupt eine große, fast abergläubische Vorliebe. Lebensgroße Puppen wurden, wie Lafcadio Hearn  , der leider zu früh verstorbene feine Kenner japanischen Volkslebens, erzählt, früher oft wie das Kind vom Hanse gehalten: sie hatten ihre eigenen Betten, viele hübiche Kleider, bekamen ihre regelmäßigen Mahlzeiten, und der Glaube war verbreitet, daß es dem Hause Ungemach bringe, wenn man sie vernachlässige. Theater. Deutsches Theater.Der Widerspen st igen Zähmung" von Shakespeare  . Shakespeares   Zähmungs- lomödie, die sich an ältere Dranien anlehnt, liegt in der Grellheit ihrer Farbcngebung dem heutigen Geschmacke fern. Die wider- spenstige Wildheit Kätbchens äußert sich ju einer Weise, die Zweifel an der ZurechnungSfühiglcit des Mädchens weckt. Die Kur. die ihr Petruchio angedeihcn läßt, indem er ihren Eigensinn die überlegene Macht des seinigen entgegenstellt, ist weniger humoristisch als brutal gewaltsam. Und daS Loblied, in dem die Gebändigte I Augenblick, wo er, den Bitten derFührer der AuSstandS- bewegung nachgebend, zur Ermutigung der Streikenden eine Zusage gemacht habe, deren Nichterfüllbarkei't ihm klar geivesen sei. Dieses Schuldbekenntnis Gusrards ist zugleich eine Anklage gegen anarchosyndikalistische Blufftaktiker, die in jenen Tagen über die französische   Arbeiterbewegung eine so schwere Niederlage herauf- beschworen haben. Zum Punkt derIntimität" mit Ministern bemerke Guörard nicht ohne Berechtigung, daß er dieselbe Freiheit der politischen Be° tätigung habe wie seine Gegner. In der Tat beiagt die auf dem Gewelkichastskongretz in-AmienS   angenommene Resolution, daß die Gewerkschafrsorganiiation in politischer Hinsicht vollkommen neutral sei. Wenn er also als Wähler zum Millerandschen Punsch gegangen ist, so ist das die unanfechtbare Konsequenz einer Gewerkschaftspolitik, die sich mit Absicht abseits der sozialistischen  Bewegung gehaltet« hat. Was aber den freundschaftlichen Verkehr mit den Ministern auf dem amtlichen Gebiete anlangt, so hat Guorard eigentlich nur das Wort des Anarchosozialisten L s v y paraphrasiert. der auf dem genannten Kongreß gesagt hat: In den Ministerien sind wir zu Hause. In einer unter Ausschluß der Presse gehaltenen Nachmittags sitzung wurde die Einstellung der persönlichen Angriffe beschlossen Der bisherige Vorstand wurde bis zum nächsten Kongreß wieder- gewählt, G u ö r a r d aber hielt seinen Demissionsentschluß aufrecht. Am Sonntagnachinittag sollte ein Demonstrationsumzug der Eisenbahner mit Fahnen und Standarten stattfinden. Briand  aber schränkte die Zahl der Teilnehmer auf 600 ein, die in drei Abteilungen marschieren mußten und damit sich der Zug nicht ver- größere, hielt die Polizei die Arbeitsbörse, wo einige Tausend Eisen vahner versammelt lvaren, stundenlang blockiert. Ifrozeß Kuhlbrodl. Die beiden jungen Handlungsgehilfen, die in so abenteuerlicher Weise geplant halte», den 19 jährigen Kaufniamislehrling Wilh. Palme in der Großen Fronkturter Straße zu überfallen und ihn, die Geldkassette seines Chefs abzunehmen, standen gestern vor de» Geschworenen. Sie sind des versuchten schweren Raubes, der Anstiftung zum gemeinschaftlichen Raub und Bedrohuirg mit dem Verbrechen des Mordes be- schuldigt. Den Vorsitz führte der Landgerichtsrat Thiele, die Anklage vertrat Staatsanwalt Schwickerath, die Verteidigung führten die Rechtsanwälte Bahn und Dr. Karl Liebknecht  . Es handelte sich bei der Anklage um de» Plan, den im Kolonial Warengeschäft von Julius Staege beschäftigten Lehrling Palme.  der abends die Geschäftskasse aus dem Geschäftslokal nach der Privatwohnung des Geschäftsinhabers zu tragen hatte, zu überfallen ihn zu knebeln und die Geschäftslasse zu rauben. Die Sache ist schon eimiial ausführlich vor der Strafkammer verhandelt worden. Damals stand auch Palme mit unter Autlage. weil behauptet wurde, daß er mit von der Partie gewesen sei und sich gegen eine in Aussicht gestellte Belohnung bereit gefunden habe, sichberauben" zu lassen. Palme wurde damals frei- gesprochen, Kuhlbrodt und Kayser wurden dem Schwurgericht überwiesen, weil sich die Strafkammer für unzuständig erklärte. Am 22. Oktober war dann das Schwur- gericht mit der Angelegenheit beschäftigt, die Verhandlung mußte aber vertagt werden, weil Palme als Zeuge fehlte. Ueber die Entstehung und weitere Entwickelung des Planes so wie über die Frage, wer der Hauptträger desselben gewesen, gehen die Erzählungen der beiden Angeklagten weit auseinander, darin aber stiinmen sie überein, daß von einem Raubveriuch keine Rede sein könne, da Kuhlbrodt den zu überfallenden Lehrling Palme in den ganzen Plan eingeweiht gehabt habe. Nach der Anklage sollen bei der Tat der Angeklagten zwei verschiedene Phasen zu unterscheiden sein: einmal soll Kayser schon dem Palme in das Haus gefolgt sein, um das Verbrechen auszuführen, aber gestört worden fein, das zweite Mal sollte dann der Kellner Birk die Tat ausführen Birk teilte den Plan der Polizei mit. Kayser be st reitet, den gaiizen Plan, den ihm Kuhlbrodt vorgetragen, überhaupt ernst ge- nommen zu haben. Die Sacke sei seinerseits überhaupt nicht weiter ge« kommen, als zu einer oberflächlichen Besprechung, er bestreite ent schieden, irgend etwas getan zu haben. waS als Anfang der Aus' führung der Tat angesehen werden könnte. An dem Tage, wo er schließlich die blinde Unterwürfigkeit der Frauen preist:Die Pflicht, die der Basall dem Fürsten   schuldet, die schuldet auch die Ehefrau dem Gatten; legt untern Fuß deS Gatten Eure Hand" verstärkt durch seine lehrhaft patriarchalische Tendenz noch den Eindruck deS Befremdens. Reinhardts Aufführung war«in mit phantasievoll auSgelasiener Laune unternommencS Experiment  , dem Werke, das dock als eigent- liche Charakterkomödie nicht gelten kann, durch keckeS Herausarbeiten seiner possenhaften Momente die Reize einer parodistiich schillernden Groteske abzugewinnen Im Namen literarischer Pietät dagegen zu protestieren, wäre abgeschmackt, unisomehr da eS noch sehr dahin, steht, ob dieser DarstellungSstil den Anklängen an den Stegreif komödienstil in diesem Drama an» ehesten entspricht. Die Musik von Leo Blech   in ihrer drolligen Primitivität an die der Krähwinkler Revolution eriniiernd, paßt sich der Idee gut an. Die sonst weggelassene EinleitungStzene. die einem betrunken auf der Straße aufgelesenen und für kurze Frist zum Lord er- hobenen Kesselflicker vorgespielt wird, gibt einen wirkungsvollen Auftakt. W a ß m a n n. der den Kesselflicker-Sätloßherrii mit drastischem Humor repräsentierte, nahm dann mit seiner schönen Lady als Zuschauer in dem Orchester Platz. Und im Handumdrehen erstand die kleine Bühne. Das Schauipielervölkchen selbst trug unter lustigen Klängen die hellen, von Stern gemalten Wandkulissen herbei. Wenn sie auch nicht wie die Kollegen vom Stegreifthealer improvisieren durften, erfreuten sie sich doch in der Bewegung unumsairäilkter Kapriolenfreiheit, worin vor allem Viktor Arnold als väterlicher Hüter seines ungeratenen Käthcheus ercellierte. Lustig knallte Petruckios<Bassermann) Peitsche er sah verwegen wie ein Zigeunerhauptmann drein in dem karnevalistisckieii Wirbel. Vorzüglich temperamentvoll war die Werbe szene, der Kampf, in dem er Lucie Höflich  , die trotzige Partnerin, zum ersten Male seine Kräfte fühlen läßt. Den Gipfelpunkt aber epreichte die Heiterkeit in den beim Lese» wenig eindnicksvollen Hochzeilsszenen. Der bunte Chor der Gäste bot eine äußerst amüsante Staffage. Petruchio kommt leibhaft aus seiner Scktiudmähre, einem immensen Hotzgestell, an­geritten und schwengt dann unter allgenleinem Jubel sein Kälhchen auf das Roß. Später trat ein Rückschlag ein. Ueber dem Streben, den ein- mal angeschlagenen parodistiichen Ton auch bis zu Ende festzuhalten, ging schließlich alles Augenmaß verloren. Die Regie hatte die Dienerschaft PetnichioS zu wahren Zirkliskünsten abgerichtet. Das lärmende Beiwerk sollte die nicht sonderlich kräftige Komik von KäthchenS Hungerkur steigern, konnte aber, weil es dem Stücke nur ganz äußer- lich angeheftet war, nur stören. Sogar Bassermann mußte sich, dem allgemeinen Zuge folgend, in turnerischen Uebungen produzieren. Ein Teil des Publikums demonstrierte mit Zischen gegen die Ueber- treibungen. Auch die Länge der Aufführung ermüdete. Erst das prächtige Spiel Lucie HöflickS lnid B a s s e r n, a n n S im Schlußbild stellte die gute Laune wieder her. Schade daß der Ver- üch zu keinem vollen Gelinget» führte. Jedenfalls bekundet auch er wieder jene Lebendigkeit der Phantasie und Energie der Initiative, durch die Reinhardt seine Sonderstellung in der Theaterwelt er- obert hat. ät. dem Palme in das Haus folgte, habe er sich diesen nuransehen� ivollen; er sei durchaus nichtgestört" worden, vielmehr habe ihn sei» Gewissen bewogen, von dem ganzen Plan Abstand zu nehmen. Das habe er auch getan. Von der weiteren Entwickelung des Planes unter Heranziehung des Kellners Birk wisse er überhaupt nichts. Und deshalb sitze er nun sieben Monate in Untersuchungs- Haft! Die gestrigen Ausführungen Kaysers stehen mehrfach in direktem Widerspruch mit seinen ersten protokollierten Aussagen vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter. Er will dies»nt seiner damaligen Erregung über seine Verhaftung erklären.M i r war alles gleichgültig! Ich hätte damals auch mein Todesurteil unterschrieben." Die Beweisaufnahme zog sich bis zum späten Abend hin, ohne im wesentlichen neue Momente zu erbringen. In einem der verlesenen Protokolle hatte Kayser sich u. a. auch dahin aus- gelassen, daß Kuhlbrodt sogar daran gedacht habe, nach geglücktem lleberfall seine Spur so zu verwischen, daß die Polizeihunde ver- sagen müßten. Der als Zeuge vernommene jetzt 20jährige Handlungsgehilfe Wilhelm Palme, der aus eiiiein Sanatorium durch einen Krankenwärter begleitet wurde, ist ein Be- kannler des Kuhlbrodt. Dieser ist ihm noch eine Summe Geldes schuldig. Der Zeuge behauptete, daß Kuhlbrodt mehrmals mit dem Plan herangetreten sei, daß er einen fingierten Raubanfall über sich ergehen lassen solle. Er habe ihn zunächst für verdreht erklärt und die Sache nicht für ernst gehalten. Dann habe ihn Kuhlbrodt dem Kayser vorgestellt. Der Plan sei n o ch m a l s ihm nahe gelegt worden und man habe ihm gesagt, daß, wenn die Sache glückte, er ein Drittel der Beute erhalten würde. Er habe zunächst so getan, als ob er darauf eingehen wollte, aber im Ernst habe er gar nicht daran gedacht und wisse nichts weiter. als daß eines Tages ein Kriminalbeamter bei ihm erschien und den Kayser bezw. Kuhlbrodt abfangen wollte. Er bestreitet, von vorn- herein in den Plan eingeweiht gewesen zu sein; an dem Tage, als Kayser auf der Treppe ihm entgegenkam, habe er von solchem ver- brecherischen Plane noch nichts gewußt. Kayser sei ihm erst später vorgestellt worden. Zwei zur Verlesung gebrachte Briefe deö Angeklagten. die derselbe aus der Untersuchungshaft nach außen schicken wollte, die aber beschlagnahmt worden sind, erregen wiederholt die Heiterkeit der Zuhörer. In dem ersten an seine Mutter gerichteten Briefe nimmt er den Mund ungeheuer voll, Kayser, so schreibt er, habe sich durch sei» Lügengewebe ordentljch hineingelegt und sitze vollständig drin. Er werde Kayser schon zeigen, was es heißt, wenn dieser ihn als Austister hinstellen wolle. Er werde auspacken, was Kayser für ein Mensch sei. Der arme Kerl tue ihm ja wirklich leid, aber er zwinge ihn doch dazu. Auch der Kellner sei eine fragwürdige Person, Palme aber befinde sich in einer Nerveiiheilanstalt und köiiiie nicht schwören, und so sei gegen seine eigenen Behauptungen nichts zu machen. Derliebe Staats- anwalt Schwickerath" werde sich nicht dagegen wehren können, daß er so an der Nase herumgeführt werde. Wer zuletzt lacht, lacht am besten! Was die Presse für einen Quatsch mache, sei geradezu lächerlich. WaS einem diese dreckigen Reporter alles aufhängen wollen, sei wirklich lächerlich. Bei der nächsten Verhandlung würden die Herren Reporter Mund und Nase aufsperren." In diesem selbstgefälligen Tone geht eS in dem Briefe noch eine Weile weiter. Der Brief an den Bruder. der auch allerlei heitere Wendungen enthält, trägt das Motto:Cum viribus unitis."(Mit beteinten Kräften.) Er erzählt auch darin alles mögliche über Kayser,der sich festgeschwindelt habe" und nun festsitze. Er werde in der nächste» Verhandlung den Kayser genügend kennzeichnen als den Zuhälter, NahrungS- miitelverfälscher, der Margarine unter seine Butter gemischt habe und bei dem er den Drechsler, der den Briefträger Eulenburg überfallen, gesehen habe usw. Er werde im nächsten Tennin der einzige Tonangebende sein, der liebe Staats« anwalt sei wütend, daß er ihm nichts anhaben könne. Das Hühnchen Kayser solle nur seinen Schnabel auftun, dann werde eS ihm gut gehen! Da müßten denn doch erst Granaten auf allen Seiten einschlagen, ehe sichHans v. Düren"(so pflegte sich der Angeklagte zu nennen) ergibt. Der Unsinn, den die Reporter über ihn berichten, sei gar nicht zu beschreiben, aber alle würden Mund und Nase aufsperren, denn er sei für die nächste Verhandlung ge- wappnet. Unterzeichnet ist dieser Brief:Im Luftbad Mo a bit Hotel Sicher." Zur Verlesung kam auch ein mit den schwärmerischsten Freund« schaftsbeteuerungen, überschwänglichen Phrasen, allerlei Versen ge« Humor und Satire. Die un st erbliche Büste. Sie kostet zwar 180 Mille, Jedoch man bedenke, welche Fülle Von Gegenständen, hineingestoppt, Der Herr Verkäufer da mitverkloppt; Was da alles drinsteckt kaum zu ergründen! Man fand schon und wird da noch weiter finden: Einen tüchtigen Pack Kolophonium, An Wert 30 Pfennig, ack nilnlmnrn, 4 Nägel, 2 gute Haderlappen, 3 Lederteile von Fliegenklappen, 8 Fahrscheine von der elektrischen Tram, Wvllflocken von einem Merino-Lamm, b Fetzen derTimes" undPaU Mali Gazetto", Papiermanschelten zu Kalbskotelette, 2 Negative zu Photographien Von Palmerston und Victoria Queen  , 3 Stückchen von einer Windel für Kinder, 1 Tuch zum Putzen für Lampenzylinder, Verschiedene wohlerhaltene Reste Von Lucas' gemusterter SonntagS-Weste (Ein Weihnachtsgeschenk seiner Schwiegermutter), Mit Perlmntterknöpfen und Seidenfutter, Erweislich in Birmingham   hergestellt, Na. ist denn das noch nicht genug für das Geld? Für lumpige 180 Mille? Ich find' das geschenkt, und nu seien Sie stille! (.Lustige Blätter".) Notizen. -»» Eine Liliencron  - Spende im Beirage von 10 000 M. hat die Hamburger Bürgerschaft für Liliencrons Hinter« bliebene bewilligt. DieLeipziger Volksztg." erhebt nun die For« deruiig, daß die Hinterbliebenen lind die Verleger Liliencroiis als Gegenleistling eine billige Ausgabe seiner Werke herausgeben und erinnert an die Beispiele aus dein skandinavischen Norden, wo nach Ibsens  , Lies und Kiellands Tode jeweils eine billige Gesamtausoabe erschien. Diese sehr berechtigte Forderung wird leider ivotst er« gebnisloS verhallen. Gibt es doch bei uns genug Leute, die die Schutzfrist für daögeistige Eigentum" noch auf 50 Jahre nach dem Tode seines Erzeugers ausdehnen möchten. Ausbau der drahtlosenTelephonie. Auf dem Panser Eiffelturm wird eine neue Station für drahtlose Telcphonie eingerichtet, die einen Sprechverkehr auf große Entfernungen ge- tatlen soll. In fünf Wochen soll mit den Versuchen begonnen werden und zwar zunächst mit Orten an der delltschen Grenze. In den nächsten Tagen werden auch Versuche mit drahtloser Telcgraphie zwischen Paris   und Madagaskar   aufgenommen werden. Man hofft eine Verbindung mit New York   ermöglichen zu können.