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ftndtter Brief, den der Zeuge Palme Ende September aus dem Sanatorium an seinen Freund Kuhlbrodt gerichtet hat. SanitätS» rat Dr. Fraenlrl bekundete, daß Palme an schwerer Neu­rasthenie leide, aber Zweifel an seiner ZurechnungSfähigkeit nicht gerechtfertigt seien. Die Verhandlung nahm eine Ausdehnung an, daß das Urteil vor der Mitternachtsstunde nicht zu erwarte» ist. Wir werden auf Einzelheiten noch zurückkommen. StadlverordnetcD-Versammlung. 34. Sitzung vom Donnerstag, den 16. Dezember 1669, nachmittags 5 Uhr. Vorsteher Michelct eröffnet die Sitzung nach 5V6 Uhr mit einer Ansprache, die an die heutige feierliche Einweihung der '60 0. Gemeindcichule anknüpft. Die Verbreiterung der Landsberger Straste zwischen Katharinen- und Lretzmannstraste soll durch den frei- händigen Ankauf von vier weiteren Grundstücken gefördert werden. ES handelt sich um die Grundstücke Landsberger Ctratze 46. 42 smit Landwehrstr. 60), 45(mit Landwehrstr. 27) und 46/47, Ecke Katharinenstrahe(mit Landwehrstr. 25/26). Die geforderten Preise wurden in der ersten Lesung am 25. November als zu hoch beanstandet und die Magistratsvorlage einem Ausschusse über» wiesen. Dieser hat versucht, auf dem Wege nochmaliger VerHand« lung mit den Besitzern eine Ermässigung zu erzielen, aber nur teil- weise und geringe Erfolge erreicht. Gleichwohl hat sich die Mehr- heit für den freihändigen Erwerb zum Preise von 416 666, 466 666, 685 666 und 535 666 M. entschieden und hat die beantragte Ein- lettung de« Enteignungsverfahrens abgelehnt. Der Magistrat soll jedoch ersucht werden, die Mietverträge in sämtlichen, auch in den der Stadt bereits gehörenden Häusern auf dieser Strecke, sobald cS die Kontrakte zulassen, zu kündigen, die Grundstücke zum Abriss auszuschreiben und die Strassenverbreiterung möglichst bald zur Ausführung zu bringen; ferner die Anlieger der gegenüberliegenden Strassenseite auf Eirund des§ 6 des Kommunalabgabengesetzes zu den Kosten der Verbreiterung heranzuziehen. Von densozial-fortschrittlichen" Stadtvv. Deutsch und Ge- nassen ist die Streichung der 535 666 M. für das Grundstück 46/47 beantragt, für welches das Enteignungsverfahren eingeleitet werden soll. Für de» Ausfchuh erstattet Stadtv. Manasse Bericht. Es ent- spinnt sich eine längere Diskussion über die Höhe des Preises für daS Grundstück 46/47. Schliesslich wird der Antrag der Sozial- fortschrittlichen Gruppe abgelehnt und der Ausschussantrag an- genommen. Seit dem 21. September hat ein besonderer Ausschuss über den Entwurf eines O r t s st a t u t s zum Schutze der Stadt Berlin gegen Verunstaltung beraten; sechs Sitzungen sind erforderlich gewesen, um mit der Erörterung zum Abschluss zu kommen. Der auf dem Gesetz zum Schutz von Ortschaften gegen Verunstaltung vom 15. Juli 1967 beruhende Eutwurf hat im Aus- schuss eine Anzahl von Abschwächungen erfahren. So sind auS dem rn Z 1 gegebenen Verzeichnis der Strassen und Plätze, die gegen wesentliche"(vom Ausschuss eingefügt) Beeinträchtigung der Eigenart der Strasscnbilder geschützt werden sollen, der Schinkel- platz, der Luisenplah. der Nikolaikirchplatz und das Tiergarten. viertel, ferner die Umgebung des Schillerparks, des Kleinen Tier- gartcnö, des Humboldt- und JriedrichShainS und des Invaliden- parkeS gestrichen worden; in jf 2, der unter den gleichen Voraus- setzungen die Umgebung gewisser Bauwerke schützen will, sind nur die Kolonnaden an der Leipziger. Königs- und Mohrenstrasse, da» JnvalidenhauS, die Generallotteriedirektion, das Ephraimsche HauS und das Rathaus, daS GerichtSgebäude an der Grunerstrahe, das Virchow-KrankenhauS, das Märkische Museum , daS Stadthaus, die Reue Kaiser-Wilhelm-Akademie , oie staatlichen Bibliotheksgebäude. die Akademie der Wissenschaften und die Handelshochschule stehen- geblieben. Auch daS Verzeichnis der zu schützenden Bauwerke ist mehrfach abgeändert worden. Nach Z 8 der AuSschussbeschlüsse soll die Anbringung von Reklameschildcrn, Schaukasten. Aufschriften und Abbildungen für folgende Strassen, Plätze usw. der baupolizei« lichen Genehmigung bedürfen: Pariser, Opern- und ZeughauSplatz. Kaftanienwald, Festungsgraben. Hinter dem Gießhaus«. Schlossplatz. Lustgarten, Museumsinsel, Burgstrasse von Friedrichs- bis Kur- fürstenbrücke. Am Kupfcrgraben von Gcorgenstrahe bis Hinter dem Giehhause, Wilhclmstrahe von Linden bis Leipziger Strasse , Wil- helmplatz, KöuigSplatz, Alsenstrasse, ReichStagsplatz, Sommerstratze, Königgrätzcr Strasse von Brandenburger Tor bis Vossstrasse, Vik- toriapark. Der gutachtlich zu hörende Sachverständigenbeirat (g 5) soll um zwei sachverständige Mitglieder der Versammlung vermehrt werden. Ein neuer Z 6 besagt, dass die bauliche Aus- nutzungsfähigkeit durch die Umgestaltungövorschläge in keiner Be- ziehung beeinflusst werden darf. Nach g 7 soll das Ortsstatut am 1. Januar 1010 in Kraft treten. Als Referent ist der Stadtv. Stapf(A. L.) bestellt. Von den Stadtvv. Dr. P r e u ss und Genossen(soz.-fortschr.) ist beantragt, das Tiergartenviertel in 8 1 wieder einzufügen und ferner den im Ausschuss abgelehnten Antrag wieder aufzunehmen, wonach das Ortsstatut nur gleichzeitig mit der lieber- tragung der Baupolizei an die Stadt Berlin in Kraft treten soll. Stadtv. Ladewig(N. L.) beantragt, den Antrag Preuss wegen des Inkrafttretens gesondert vorweg zu verhandeln. Stadtv. Singer(esoz.) widerspricht diesem Antrag, der jeder inneren Begründung entbehre. Stadtv. b'asscl(A. L.) sieht auch seinerseits keinen Zweckmässig- keitsgrund für den Vorschlag des Stadtv. Ladewig. Der Antrag Ladewig wirb zurückgezogen. Di« Diskussion wird Wer§ 1 und den dazu gestellten Antrag Preuss eröffnet. Stadtv. Ullstein(soz.-fortschr.) spricht sich für 8 1 und den Antrag Preuss aus. Man müsse dem Tiergartenviertel seinen Villencharakter erhalten. Geschäftshäuser sollten dort nicht er- richtet werden. In dem Ttergartenviertel wohnten fast alle Stadt- verordneten I. Abteilung. Stadtv. Ladewig empfiehlt, obwohl er im Ausschuss auf dem Boden des Antrages Preuss gestanden, jetzt im Interesse der Ver- abschiedung des Statuts mit grosser Mehrheit die Ablehnung des Antrages Preuss. Stadtv. Cassel: Wir lverden einstimmig für die Ausschußvor- schlage eintreten, sind aber gegen die Aufnahme des Tiergarten- Viertels. daS übrigens auch gar kein wirkliches Villenviertel mehr ist. Nach Ablehnung dcS Antrages Preuss werden die Ausschuss- antrüge zu 8 1 mit grosser Mehrheit angenommen, ebenso ohne De- batte 88 26. Zu§ 7(Inkrafttreten) bemerkt Stadtv. Dr. Preusi: Ein Widerspruch zwischen meinem Antrag und der Sympathie mit dem Inhalt des Ortsstatnts besteht nicht. Im Ausschuss kehrte in der Diskussion immer der Gedanke wieder, dass man eine so weitreichende Gewalt dem Polizeipräsidium in die Hand nicht legen dürfe. Es ist ja auch sonderbar, dass eine Kam- munalverwaltung die Befugnisse dieser Baupolizei noch erweitern soll. Wir klagen doch sonst stet? darüber, dass unö die staatlichen Befugnisse auf Schritt und Tritt in der Selbstverwaltung be- hindern. Wenn man sagt, die Annahme des Antrages bedeute das Scheitern des Statuts, so versteh« ich nicht,«veshallb man so oft gleichlautende Resolutionen angenommen hat. Die Staatsbehörde hat ja auch ein lebhaftes Interesse mi dem Ortsstatut. Ein Stück kommunaler Macht ist nur immer mehr wert als alle ästhetischen Interessen; wo der Schutzmann anfängt, hört die Aesthctik auf. Jedenfalls bietet sich hier eine ausgezeichnete Gelegenheit. Zug um Zug ein Geschäft zugunsten der Stadt zu machen. Missgriffe bei der.Handhabung des Ortsstatuts liehen sich viel wirksamer ver- meiden, wenn die Stadt die Baupolizei in Händen hat. Oberbürgermeister Kirschner: Wenn irgendeine Möglichkeit btstände, auf diesem Wege etwas zu erreichen, wäre ich der erste dafür. Aber das Gegenteil ist der Fall, Ein Bescheid auf unsere letzte Vorstellung in dieser Richtung ist von der Staatsregierung noch nicht eingegangen. Dieser Anlast ist der ungeeignetste, einen Zwang auf die Regierung auszuüben. DaS Gesetz von 1967 sieht für ein gewisses Gebiet die Mitwirkung der Gemeinden vor; die Gemeindebehörden haben aber auch nicht allein zu entscheiden, sondern müssen Sachverständige hören. Praktisch erlangen wir durch daS Gesetz und Statut Rechte und Befugnisse, die wir früher nicht gehabt haben. Würden wir die Erlangung derselben von einer anderweiten Konzession abhängig machen, so würde man uns ein- fach die Konsequenzen der Ablehnung tragen lassen, und wir sind doch die nächsten dazu, das Interesse für die Eigenart unseres Stadtbildes zu betätigen.(Beifall.) Stadtv. Ladewig: Nach den vorzüglichen Darlegungen des Oberbürgermeisters brauche ich kaum noch etwas zu sagen. Herrn Dr. Preuss muh ich sagen: Sonderbarer Schwärmer! Anders als sonst in Menschenköpfen malt sich in diesem Kopf die Welt! (Heiterkeit.) Stadtv. Dr. Prens): Nicht die Befugnisse der Stadt, sondern die der staatlichen Polizei werden erweitert. Eine Garantie für die Wahrung der Interessen der Bürgerschaft wird nur durch die Ueber- tragung der Baupolizei gegeben. tragung der Baupolizei gegeben. Im übrigen:Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr."(Heiterkeit.) Stadtv. Singer: Wir werden für den Antrag Preuss stim. men. Der ist nach unserer Meinung heute deshalb angebracht, weil eine Möglichkeit, die Baupolizei in unsere Hand zu be- kommen, gelegentlich dieses OrtsstatutS gegeben ist. Gegenüber dem Druck, den die Aufsichtsbehörde auf die Stadt ausübt, sehe ich nicht ein, warum man nicht auch die Gelegenheit ergreifen soll, von Stadt wegen einen Druck auf die Behörde auszuüben. Es erscheint auch uns als wünschenswert, alte, schöne, historische Ge- bäude vor Verunstaltung zu schützen. DaS kann schon jetzt bis zu einem gewissen Grade geschehe». Die Polizei hat schon heute diese Gewalt. Andererseits lässt sich die Enttvickclung der Stadt nicht aufhalten; sind Gebäude der Entwickelung des modernen Verkehrs im Wege, so müssen sie diesem eben weichen; das allgemeine Interesse darf unter dem speziellen Interesse der Erhaltung eines Gebäudes nicht leiden. Auf diesem Boden sind wir geneigt, dem Erlast eines Ortsstatuts zuzustimmen. Der Oberbürgermeister hat gegen den Antrag Preuss nur Opportunilätsgründe allerschlimmster Art borgebracht. Liegt wirk- lich bei der Regierung ein grosses Interesse für das Ortsstatut vor, so kann dieses schliesslich doch auch die Bedenken gegen die Uebcrtragung der Baupolizei an die Stadt überwiegen. Wir können nur lebhaft wünschen, dass der Antrag Preuss eine Mehrheit findet, um den Versuch zu machen, mit dem Ortsstatut zugleich die wirkliche Entscheidung in die Hand zu bekommen. Denn was wir ?eute bekommen sollen, ist Ornamentik, ist Stuck, aber kein estcs Material; in letzter Linie entscheidet ein Dezernent des Polizeipräsidiums, genau wie in unseren Verkchrsangelegenheiten. Will die Regierung die Mitwirkung der Stadt haben, so soll sie ihr auch eine entscheidende Mitwirkung gewähren.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Der Antrag Preuss wirdmit grosser Minderheit", wie der Vorsteher unter Heiterkeit der Versammlung konstatiert, abge- lehnt, das Inkrafttreten auf den 1. Januar 1916 festgesetzt und das Ortsstatut mit grosser Mehrheit in dieser Fassung genehmigt. Zur nachträglichen Verstärkung der für Heilstätten im Etat ausgeworfenen Mittel hat der Magistrat 166 660 M. gefordert, nachdem die Armendirektion 175 666 M. als notwendig bezeichnet hatte. Der eingesetzte AuSschuss hat einstimmig die 166 666 M. bewilligt und stellt ausserdem folgende Anträge: 1. Den Magistrat um eine möglichst baldige Vorlage zu er- suchen über die Errichtung grösserer, einfach ausgestatteter Walderholungsstätten, ähnlich wie die Heimstätten für Genesende, für kränkliche und schwächliche Kinder ohne Unterschied des Alters und Geschlechts, die daS ganze Jahr geöffnet sind; 2. den Magistrat zu ersuchen, zu erwägen, ob es nicht im Interesse der rationelleren Unterbringung der Kranken und Rekonvaleszenten wünschenswert sei, das Heimstättenkuratorium mit der Krankcnhausdeputation zu vereinigen. Den AuSschussbericht erstattet Stadtv. Liebenow(A. L.). Stadtv. Nathan(soz.-fortschr.): Aufgabe dcS Ausschusses war nur. zu prüfen, welche Summe die zutreffende war. DaS Bundes- amt für das tzeimatswesen hat wiederholt anerkannt, dass nicht nur die Unterbringung in eine Krankenanstalt, sondern auch die Ge- Währung eines Landaufenthalts, die Unterbringung in eine Heil- stätte zu den Aufgaben der Armenverwaltung gehören kann; daS Verfahren der Armendirektion steht daher durchaus auf gesetz - lichem Boden. Um das EtatSrecht handelt es sich hier gar nicht. Wir wünschen Aufrechterhaltung des bisherigen ZustandeS unter Besse» rung der Rechnungslegung innerhalb der Armenverwaltung: wir sind daher für die Bewilligung der ganzen 175 666 M. Be: Ein­zügen von Prinzen. Prinzessinnen und Fürstlichkeiten werden noch grössere Summen ausgegeben, für die ich stets gestimmt habe, weil sie ein nobile olkicium der Stadt Berlin sind. Ein solches nobile officium liegt auch hier vor. Stadtv. Dr. Wehl(Soz.): Auch wir sind überzeugt, dass mit 166 666 Ml die Ztvecke, welche die Armenverivaltung bisher ver- folgt hat, bis Ende des Etatsjahres nicht durchgeführt werden können. Im Ausschuss haben die Magistratsvertreter den Nach- weis dafür auch nicht erbracht. Stadtrat Münsterberg hat aus» drücklich erklärt, er sei nicht in der Lage, vom 1. Dezember ab im Sinne des bisherigen Verfahrens kranke Kinder usw. in den Heil- statten unterzubringen. Für uns ist da? massgebend, trotz aller Rrchenkunststücke des Kämmerers. Nach der vor 2 Jahren er- gangenen, vom Magistrat genehmigten Anweisung wird allerdings zwischennotwendig" undwünschenswert" unterschieden; die Armenverwaliung jedoch hat erklärt, es wären nicht einmal die für die notwendige Verschickung erforderlichen Mittel voohanden. Für den Kämmerer existierte die Anweisung eigentlich nicht, ebenso wenig wie die Entscheidung des Bundesamtes für das Heimatwesen; für ihn ist die Hauptsache, ob Geld vorhanden ist; wenn ein Fonds erschöpft sei, könne man daraus nichts mehr geben. ES ist sehr leicht, so mit bureaukratischer Schneidigkeit über die Sache hinweg» zugehen, aber der Magistrat hat doch jene Anweisung bestätigt und inuss dementsprechend handeln. 1906 haben wir im Heilstätten» kuratorium den Magistrat um Auskunft über die Verpflichtung der Stadt zur Errichtung von Heilstätten gebeten, und in der Ant- wort wird unter gewissen Voraussetzungen die Heil- und Heim- stättenbehandlung als ein Bestandteil der Armenfürsorge bezeichnet. Im Ausschuss hiess«s: wir vergeuden städtische Mittel, wir werfen das Geld zum Fenster hinaus i Aber der Kämmerer begründete diesen Vorwurf mit ganz kuriosen Zahlen; eS wurden 3 4, ja, von anderer Seite sogar 16 Millionen genannt. Die Zahlen schrecken uns nicht; vergessen Sie nicht, dass es sich hier um vorbeugende Tätigkeit handelt; bedenken Sie. welche Summen nachher für Kranken- und Jrrenhauspflege ausgegeben werden m ü ss t c n. Es handelt sich doch um kranke Kinder, die man durch diese Behandlung vor dauerndem Siechtum bewahren kann. Es wäre doch geradezu blamabel, wenn dieser 75 666 M. wegen in Zukunft keine Kinder mehr verschickt werden sollten! Selbstver- ständlich halten auch wir die vorbeugende Tätigkeit, bessere Woh- nungSverhältnisse usw., für bessere hygienische Faktoren als die nachträgliche Heilung, aber dennoch sind Heil- und Heimstätten ganz annehmbare Tinge denn wie lange wird es dauern, bis wir eine vernünftige Wohnungsgcsetzgebung bekommen! So lange bekommen wir sie gewiss nicht, als das Hausüesitzerprivileg, das unanständige" Dreiklassenwahlrecht noch besteht. Aber auch vom fiskalischen Standpunkt aus muss die vorbeugende Tätigkeit in Heil- und Heimstätten als ein Vorteil erscheinen. Uebcrnimmt die Stadt die Verpflichtung, dann muss sie auch die Mittel bewilligen; übernimmt sie diese nicht, dann darf nicht von einer städtischen .Hygiene auf diesem Gebiete gesprochen werden. Wir beantragen dal�r, der Armenverwaliung noch weitere 75 666 M. zur Verfügung zu stellen. Damit ist keineswegs gesagt, dass sie sie auch unter allen Umständen auszugeben hat. Die Entscheidung darüber, ob ein krankes Kind verschickt werden soll, muss doch schliesslich mass- geblich dem städtischen verantwortlichen Armenarzt verbleiben. Seitdem die Stadt Berlin Kranke, Genesende, Hilfsbedürftige in Heilstätten schickt, ist die Zahl der Tuberkuloscfälle in Berlin ganz erheblich zurückgegangen. Zweifel an den Erfolgen der Heilstätten können nur Tendenz- und Prinzipienreiterei erregen. Was eine Kommune an ihren Kindern versäumt und erspart, muß sie später doppelt und dreifach an den Erwachsenen in der Armen- und Krankenpflege bezahlen. Die Nation, welche die gesundesten Kinder hat, verfügt über daS beste Gesundheitsmaterial.(Beifall bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Bütow(Fr. Fr.): Ich befürworte, zunächst nur 166 666 M. zu bewilligen, da wir auf diesem gänzlich neuen, erst seit wenig Jahren betretenen Wege nur äusserst vorsichtig vorgehen können. Nurunter Umständen" hat das Bundesamt für das Heimatwesen die Heilstättenbehandlung als Armenpflege bezeichnet. Mit der Versendung kranker Kinder in die Heilstätten gehen wir sicher weit über das hinaus, was das Gesetz verlangt. Stellt sia) ein neues Manko heraus, so wird eben ein neuer Antrag nötig sein. Auch den Antrag wegen der Walderholungsstätten bitte ich für jetzt abzulehnen. Kämmerer Dr. Steiniger: Die Position steht gar nicht mehr im Armenetat, sondern mit 166 000 M. im Wohltätigkeitsetat. DieAnweisung" kann auch nicht über Etatsmittel disponieren, die nicht da sind.Bureaukratisch schneidig" scheint Herr Dr. Wey! alles zu nennen, was richtig ist. Der Kämmerer soll dafür da sein, daS Geld zu schaffen; Sie trauen mir etwas viel zu, Herr Dr. Weyll(Heiterleit.) Ueber das Etatsrecht darf man nicht so leicht hinweggehen. Nach den neuesten Vorlagen haben Sie auch im Dispositionsfonds nicht mehr über 75 666 M. zu verfügen, Stadtv. Dr. N«than tritt diesen Ausführungen und denen des Stadtv. Bütow lebhast entgegen. Stadtrat Münsterberg: Die Armendirektion hatte 175 666 Mark beantragt, der Magistrat hat 166 666 M. bewilligt. Die An- nähme des Ausschusses, dass die Armendirektion mit 166 666 M. nicht auskommen könnte, war natürlich; ich habe den Herren sogen müssen, dass ich mich mit dem, was uns bewilligt wird, würde einrichten müssen; gefragt ob ich eventuell keine Entsendung mehr vornehmen würde, habe ich gesagt, ich werde eventuell einhalten müssen.(Hört! hörtl) Die Armendirektion ist nicht befugt, mit der Versammlung direkt zu verkehren. Wir tragen wie jede andere Deputation unsere Wünsche dem Magistrat vor, der an die Versammlung herantritt. Der Standpunkt des Magistrats ist, daß 166 666 M. genügen sollen, und ich habe weder Amt noch Auftrag, über diesen Antrag hinaufzugehen. Ein Vergleich wird das klarstellen. Mein Kollege vom Hochbau kommt mit einem Projekt, daS ihm unmittelbar am Herzen liegt, aber dem Magistrat zu hoch erscheint.(Stadtv. Singer:Er setzt es durch!" Stürmische Heiterkeit.) Gut. aber nehmen Sie den ungewöhnlichen Fall, dass cS nicht geschieht. Las; der Magistrat statt 366 nur 260 Betten genehmigen will; auch der Stadtbaurat würde dann nicht vor die Versammlung mit seinem Projekt treten dürfen. Bei der Etatsberatung wird die Sache weiter zu verfolgen sein; hier handelt eS sich um das Verhältnis der Deputationen zum Magi- strat, und ich würde selbst Hand an die Selbstverwaltung zu legen glauben, wenn ich hier einen Konflikt auch nur andeutungsweise zu konstruieren versuchte. Ich bitte Sie also, nach dem wohl- erwogenen Magistratsantrag die Summe zu bewilligen.(Zurufe: Wr haben verstanden! DaS aenügtl") Stadtv. Sachs(A. L.): Wenn selbst der Stadtrat den Magistratsantrag als wohlerwogen hinstellt, können wir ihn wohl annehmen.(Stadtv. Hoffmann ruft:Sie haben den Stadtrat Münsterbera nicht verstaudenl" Heiterkeit.) Das Leben hat noch kein Mensch dadurch eingebüßt, dass er vielleicht einige Monate später in die Heilstätten lam. Stadtv. Dr. Weist: Stadtrat Münsterberg befindet sich hier wie im Ausschuß in einer ungemein peinlichen Situation. Wir attestieren ihm, dass er hier nur ein Amt und keine Meinung hat. Dein Kämmerer gegenüber betonen wir das Recht und die Pflicht des Magistrats, zu zeigen, wie man mit 166 666 M. auskommen will. Eine große Zahl der Kinder, das geht aus den ärztlichen Attesten hervor, steht in der Tat bor der hohen Gefahr, einen frühzeitigen Tod zu erleiden, wenn nichts geschieht. Merkwürdig. dass Herr Kollege Bütow gerade auf diesem Gebiete der Fürsorge für kranke und hilfsbedürftige Kinder Vorsicht und Sparsamkeit bewahren Willi Den Kämmerer halten wir für einen korrekten alten Bureaukraten; wenn er daS für einen Ehrentitel hält, so merkt er wohl selbst nicht, welch schneidender Hohn in der AuS- führung steckt:Mag mit den Kindern geschehen, waS da will; mögen sie verhungern; Geld ist nicht vorhanden.(Grosse Unruhe bei der Mehrheit.) Die Nachbewilligung von 166 666 M. wird ein- st i m mi g a n g cn o m m e n; der Antrag Weyl, weitere 75 000 M. zur Verfügung zu stellen, wird gegen Sozialdemokraten, Sozial- fortschrittliche und Neue Linke abgelehnt; die weiteren Anträge de» Ausschusses gelangen zur Annahme. Die speziellen Entwürfe zu weiteren Baulichkeiten der vierten Irrenanstalt in Buch gehen auf Antrag Cremer(A. L.) an einen Ausschuß. Für die V e r b r e i t e r usn g der F r i e d r i ch st r a ss e auf der Westseite zwischen Georgen st rasse und Reichstags- ufer auf 22 Meter soll eine neue Fluchtlinie zur Fest- sctzung gebracht werden. Von dem bisher mit der alten Pepiniero besetzten Grundstück Nr. 137 141 wird dadurch ein Streifen von 3 Meter Breite abgeschnitten; an dem Viadukt der Stadtbahn soll nichts geändert werden. Auf Antrag des Stadtv. Goldschmidt(N. L.) geht die Vorlage an einen AuSschuss. Ähluss �10 Uhr. Die nächste Sitzung findet Mittwoch statt. Soziales. Gcwerbcgcricht. AuS der Sitzung der Kammer 5 vom 16. Dezember. Bsrsstzendcr: MagistratSrat Wölbling. 1. Der Arbeiter D. war am 11. November bei der Bergmann- ElektrizitStswerke-Rktiengeseqschaft in Arbeit getreten. Er wurde aber nicht beschäftigt und am Abend wieder entlassen. Ein ab- gegebenes ArbeitszcugniS der A. E.-G. wurde ihm bei der Ent- lassung nicht zurückgegeben. Die Inanspruchnahme der Arbeits» nachweise ist ihm deshalb verwehrt worden, so daß er mehrere Tage ohne Beschäftigung war. D. klagt« nun auf Schadenersatz für den Verdienstausfall. Die Beklagte macht geltend, dass sie daS Zeugnis zur Anmeldung des Klägers bei der Krankenkasse benötigte; dasselbe sei dabei verloren gegangen; ein Duplikat sei dem Kläger verschafft worden. Letzterer betont, zum Zwecke der Anmeldung bei der Krankeniasse hätte die Firma ihm die Mit- gliedskarte der Betriebskrankenkasse der A. E.-G. abfordern und verwenden sollen. DaS Gericht verurteilte die Beklagte zur fahlung der geforderten 37,86 M. Die Beklagte hätte das cugnis ini Augenblick, wo es der Kläger zurückforderte, zurück- geben müssen, und nicht das Zeugnis, in dessen Besitz die Beklagte ja noch war, gegen den Willen des Klägers zum Zweck der An- Meldung zurückbehalten dürfen. Dass Kläger mit dem nur auf 1 Tag lautenden Zeugnis der Beklagten Beschäftigung nicht erhalten konnte, sei zu glauben, denn mit dem aus eine viel längere Be- schäftigungsdauer lautenden Zeugnis der A. E.-G. hatte Kläger eine ganz andere Aussicht auf Wiedererlangung einer Be- schäftigung. 2. Der Arbeiter K. war bei der Deutschen Glllhlicht- und Brennerindnstrie Richard d'Hcureuse als Vorarbeiter vom 13. Oktober bis 13. November beschäftigt. Er klagte wegen krist- loser Entlassung auf Zahlung des Lohnes für 14 Tage von 64 M.