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ton gedruckten Listen ihrer Vertrauensmänner, die er dann den Zollämtern übermitteln lassen werde. Nachdem noch einige Fragen nicht allgemeiner Art erörtert worden Ware», wurde schliesslich die grundsätzliche Frage besprochen, ob den Bestimmungen nicht nur in bezug auf die jetzt im Schluß- satz des§ t der Aüsführungsbestimmungen ausdrücklich als unter- stützungsberechtigt anerkannten Arbeiter, sondern auch bezüglich der jetzt angeführten Berechnungsmethode rückwirkende Kraft zu geben sei.» Die Arbeitervertreter machten geltend, daß durch die bisherige Berechnungsmethode, nach welcher den in der Zeit vom 1. Juli 1308 bis 33. Juni 1933 zeitweilig erwerbsunfähig gewesenen Personen auch die Zeit ihrer Erwerbsunfähigkeit bei der Durchschnitts- berechnung ihres Wochenverdienstes mit angerechnet worden wäre, viele schwächliche Arbeiter enorm geschädigt worden seien. Die «Leute hätten zum Teil so minimale Unterstützungen erhalten, daß sfe ohne Aufnahme von Darlehen oder auch fremder Beihilfe gar nicht hätten weiter existieren können. Der Herr Lteichsschatzsekretär erklärte, daß es selbstverständ- lich sei, daß in Fällen, wo durch die bisherige Berechnungsart be- sondere Härten zutage getreten seien, bei Einreichung von Gesuchen um Nachbewilligung von Unterstützungen, diese berücksichtigt werden müßten, doch können im allgemeinen Um- rechnungendcrbiShergewährtenUnterstützungS- tz e nicht erfolgen. Die neue Bercchnungsmethode werde allgemein von An- fang Dezeniber an Platz greifen. Der Herr Ncichsschatzsekretär ersuchte zum Schluß die Ver- treter der Arbcitervcrbände, bei ihren Kollegen darauf hinzuwirken, daß diese entsprechend den von ihm gegebenen Erläuterungen bei Zurückweisung von Beschwerden durch die Oberzolldirektion sich zu- nächst an die vorgesetzte LandcSbchörde wenden möchten, bei Be- schwerden allgemeiner Art sei er jedoch gern bereit. Vertreter der Arbeiter auch in Zukunft zu hören. ver fleiichmcher vor dem sächsische» Candtag. lieber die Verhandlung der freisinnigen FleischteueningSinter- pellation in der Zweiten sächsischen Kammer wird uns aus Dresden geschrieben: In Sachsen ist die Fleischnot besonders brennend. die Fleisckpreise sind hier wohl am höchsten. Das hängt ossenbar damit zusammen, daß Sachsen noch b e« sondere indirekte Fleisch steuern hat, so eine.lieber- gangSobgabe auf Fßeischwerk*. die allerdings nur einige 533 333 Mark bringt, und eine weit schlimmere Scklochlstener, die. obwohl sie bor Jahren infolge eines sozialdemolratischen Antrages ans die Hülste reduziert worden ist, doch»och b'/z Millionen Ertrag abwirst, woraus sich eine erhebliche Belastung des Fleisches ergibt. Davon war allerdings bei der Verhandlung über die Jnierpellation merkivürdigerweise wenig die Rede, dagegen forderte man von verschiedenen Seiten energisch die Oeffnung der Grenzen nach der österreichischen Seite, um genügend Schlachtvieh einzulassen und so dein Flesschwucher zu steuern. Dafür war aber, wie sich bald zeigte, die sächsische Regierung nicht zu haben. Der Minister des Innern, Graf Vitzthum, lieferte eine Beantwortung der Interpellation, die eine echt agrarische Leistung war. Er sieht überhaupt keine Fleischnot. nur Schwankungen der Fleischpreise gibt er zu, die eine natürliche Erscheinung seien. Im üblissen spielte er die berühmte Seuchengefahr gegen die Forderung nach Oeffnung der Grenzen aus, für die er unter keinen Umständen zu haben ist. Aus der Rede des Ministers ergab sich. daß die Regierung alles beim alten lassen und vergnüglich schniunzelnd zusehen will, wenn die Großagrariersich weiter aufKosten derbreiten. darbenden Masse die Taschen füllen. Die Konservativen stellten den Geschäftsführer deS Bundes der Landwirte, de» A5g. Schmidt, als Redner, der natürlich alle bekannten agrarischen«Argumente" auf- marschieren ließ, der aber auch seiiier Befriedigung über die Rede des Ministers Ausdruck gab. Eine Rede des nationallibcralen Abg. Singer kinterstützte die Agrarier zum große» Teil; nur zum Schluß trat der Redner schwächlich für beschränkte Zulasinng amerikaiiischen Fleisches ein, was für Sachsen zunächst nicht in Frage kommen kann. Denn hier kann es sich in erster Linie nur um eine Aushebung der Grenzsperre gegen Oesterreich handeln. Den Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion vertraten die Genossen Sinder prann und Riem, die mit dem Minister scharf abrechneten und nachwiesen, daß die Löhne bei weitem nicht so gestiegen seien ivie die Lebens- mittelpreise. Besonders der Mittelstand habe Veranlasiung, sich scharf gegen den Fleischwnchcr, der ein Produkt der Fleisch. zolle und der Grenzsperren sei, zu wenden und der agrarischen Zoll- Politik ein Ende zu machen. Die Verhandlung zeitigte noch einen bemerkenswerten Zwischenfall. Als der konservativ-agrarische Redner, Abg. Schmidt, mit seiner Rede begann, beschäftigte er sich eingehend mit der ZuckerauSsuhrpränne, der Braiiillwcinliebcsgabe und vielen Dingen, nur nicht mit der Fleischfrage. Das veranlasste den national» liberalen Präsidenten mit Recht, den Redner zur Sache zu rufen, nachdem das schon durch lebhaste Zwischenrufe auS dem Hause geschehen war. Gegen den Ruf zur Sache erhob der 1. Vize- Präsident, der Konservative Opitz, Einspruch, was den Präsidenten veranlasste an das Hau« zu appellieren. Unter lebhaftem EntrüstnngS- rmnmel der Konservativen stimmten Nationalliberale und Sozial- demokralen dem Präsidenten entschieden zu. Für einen Augenblick herrschte Erregung in der Kammer, die sich aber bald legte. Der Vorfall zeugte wieder einmal dafür, daß ein sehr gespanntes Verhältnis zwischen Nationalliberalen und Konservativen be- steht. UebrigenS hatte der Vizepräsident nach der Landtags- ordnung gar kein Recht zu einer derartigen, sofortigen Be- schwerde. Die Koisservaliven können aber offenbar die Zeit noch nicht vergessen, wo sie mit Hilfe ihres Präsidiums die Redner der Minderheit brutal unterdrückten, durch Schlussanträge vergewaltigten, während ihre Wortführer die grösste Freiheit hatten. Besonders arg war es in dieser Beziehung unter dem Präsidium Ackermann?. Die Zeiten sind jetzt freilich hoffentlich für immer vorbei. Sie Ms auf der ßgitationsreife. Man schreibt unS aus London : Die Lords wollen ihre echte demokratische Gesinnung durch die Tat beweisen und find von ihrem aristokratischen Sockel, wo sie bisher den grossen und den kleinen Snobs in olympischer Ruhe zur Schau gestanden sind, in das Gewühl des Wahllampfes getreten. Die konservative Presse hats ihnen angetan. Während der Budgetdebatte im Oberhaus versuchten die volkssciiidlichen Blätter mit aller Macht die langweiligen Ergüsse der wilden Hinterwäldler dtldurch zu vertuschen, daß sie einen Lobeshymnus auf das Haus der Lords anstiinmien, das an Weisheit und Erfahrung alle anderen Parlamente der Welt überrage. Sie wiesen auf die un- streitig grossen Fähigkeiten eines Lanßdowne, Morley, Milner, Courtney und Roseberh hin, unterliessen es aber wohlweis- lich, zu bemerken, daß auf einen edlen LanSdowneschen Schädel einige Hundert edle Dickköpfe kommen. So sind denn die Lords auf den Gedanken gekommen, die grossen Talente, die sie bisher gar nicht in sich vermutet hatten, ein- mal auf die Probe zu stellen, und haben sich daher entschlossen, der englischen Demokratie, so lange es ihnen erlaubt ist, das heisst bis zum Anfang der Wahlen, ihre solomonische Weisheit zum besten zu geben. Gleich zu Anfang merkten aber die konservativen Wahlagenten. dass es nicht anging, die hohen Herrschaften, ohne daß man sie erst sortierte, auf die Wählerschaft loszulassen. Sie hielten daher eine furchtbare Musterung ab, aus der nur ein Häuflein der Wackeren, die die Glücksgöttin nicht mit allzu grossem Reichtum und allzu kleinem Verstände ausgestattet hat, als tauglich hervorgegangen ist. Diese kleine Schar tummelt sich»un im Lande und buhlt zur Ab- wechselung anstatt um die Gunst der Ballettänzerinnen um die Gunst der Wähler. Die englische Demokratie ist augenblick- lich reich an glänzenden und packenden Rednern, und ihren AuS- führungen gegenüber machen sich die Bocksprünge der agiiie- renden LordS wie die drolligen Zwischenbemerkungen des ClownS in "einem Shalespeareschen Drama. Die konservative Presse ist sich dcsien wohl bewusst und schmuggelt die Berichte über die Herrschaft- lichen Versammlungen in irgend eine unbeachtete Ecke ihrer Spalte» ein. während die liberale Tagespresse sie gross und breit und meistens ohne Kommentar abdruckt und dem Urteil ihrer Leser über- lässt. Nicht allen der neucn Wanderredner behagt die frische kritische Luft der englischen Volksversammlungen; der eng- lische Wähler mit seiiier dramatischen Grundstimmung ist keineswegs spröde und ein Redner muh daher schon fest auf de» Beinen stehen, will er sich nicht von den zahlreiche» Witzen und satirischen Zwischenrufen über den Haufen werfen lassen. Die meisten der Lords haben es denn auch vorgezogen, nur in solchen Versammlungen zu sprechen, zu denen nur gute konservative Leute zugelassen werden. Einige schliessen sogar die Berichterstatter der oppositionellen Presse aus. Vor einigen Tagen redete zum Beispiel ein Lord F a b e r in Jslington, einem Londoner Stadtteil, vor einer solchen stubenreinen Gesellschaft. Vor Anfang der Versammlung wurde dem an der Tür wachthabenden CerberuS gemeldet, dass sich die Berichterstatter der drei liberalen Londoner Morgenblätter im Saale befänden. Nach einigen Minuten schon flogen die drei Jour- na listen, begleitet von einer Sturzwelle unflätiger Worte, zur Türe hinaus. Die»Daily News", eins der erwähnten Blätter, meinten am folgenden Tage zu dieser neuen Ausgabe der Press- kretheit:»Und das ist der Grund, weshalb wir unseren Leser» keinen Souderbericht über das, was Lord Faber gesagt hat, geben können. Es wird sie schmerzen, die« zu erfahren, aber nach dem Bericht zu urteilen, den uns eine Nachrichtenagentur zur Verfügung gestellt hat, hat Lord Faber wirklich nichts gesagt, waS etwas zu bedeute» hätte." Dieser Lord Faber gehört erst seit«inigen 15 Jahren dem Adel an, scheint aber in der Kunst deS aristokratische» Benehmens schon grosse Fortschritte gemacht zu haben. Wenn das am grünen Holz geschieht-- Die Agitation der LordS wird von dem englischen Volk mit Jubel begrüsst. Erstens kann man sich einmal gründlich auslache» und zweitens kann nichts besser wirken als ein abschreckendes Bei- spiel. Da? englische Volk wird die Leute, die sich als seine Herren aufspielen wollen, einnHl gründlich kennen lernen. _,% Oer König der Belgier. Brüssel , 17. Dezember. König Leopold II. ist heute früh um 2 Uhr 35 Minuten im Alter von 75 Jahren gestorben. Sein Nachfolger ist sein Neffe, der vier- unddreihigjahrige Prinz Albert . Marx hat Belgien das Parodie? der Kapitalisten genannt. Dieses Paradies hat seinKönig " verlassen. Er hat seinem Stande dem der Kapitalisten alle Ehre gemacht. Er war ein Finanzgenie, ein gerissener Geschäftsmann, und er hatte als solcher Qualitäten, die ihn zweifellos zu einemGroßen" irKder Welt der Geldmacherei stempeln. Indes: Leopold ll. war auch König der Belgier und man weiß: er hat nicht als bescheidener Statist dasSzepter getragen", sondern er hat mit der ganzen Wucht seiner autokratischen Persön- lichkeit seine Macht geübt, die für das Land darum nicht weniger verhängnisvoll wurde, weil Leopold denunpolitischen" König mimte. Allerdings war für Leopold die Politik vorzugsweise ein Mittel, um seine Geschäfte durchzuführen, und er hat dieses Mittel bekanntlich in skrupellosester Weise zu verwenden gewußt. Er hat sich zu diesem Zweck immer nur mit Ministern umgeben, auf deren Dienste er von vornherein rechnen konnte. Er hat die Deputierten in seine Geschäfte gezogen und in diesem Umkreis eine unerhörte Atmosphäre der Korruption geschaffen. Die Konstitution er- wies sich als eine nichtige Schutzwehr gegenüber dem autokratischen Koburger. Leopold hat keinen üblen Witz gemacht, als er im Jahre !83I den Arbeiterdelcgierten, die seine Intervention zugunsten des allgemeinen Wahlrechts verlangten, erwiderte, er könne aus der Reserve, die ihm die Konstitution in seiner Eigenschaft als Staats- oberhaupt auferlege, nicht heraustreten! Leopold und Reserve! Man erinnert sich, wie dieser König zu wiederholten Malen das Parlament behandelt hat, wie er seine Beschlüsse(z. B. in der Kongofrage) mißachtete und höhnte. Allerdings: König Leopold hat eS äußerlich verstanden, sich höchstunpolitisch" zu geben. Man sucht vergeblich nach einer Meinung oder einem Ansspruch aus Leopolds Mutzd über irgend- eine große oder populäre Bewegung. Er hat alle die großen Kämpfe, die Belgien während seiner 44jährigen Regentschaft durch- rüttelten, ohne ein Zeichen deS Interesses oder gar der Sympathie an sich vorüberziehen lassen, und wo ihm das Volt oder die öffent- liche Meinung angerufen, da hat er immer versagt. Im Jahre 1876, während eines Streike? im Kohlenrevier von Eharleroi, baten ihn die Bergarbeiterdelegierten um seine Intervention: er lehnte ab. Als 1866 nach den Maffenverurteilungcn die Oeffentlichkcit eine allgemeine Amnestie verlangte und erwartete, blieb diese aus. Tagegen hat Leopold einem Soldaten, der einen Arbeiter nach einer antimilitaristischen Demonstration erschoß, einen Orden ver- liehenin Anerkennung seiner energischen Haltung".... Es mag dabei bemerk werden, daß Victor H u g o'S Ausweisung aus Belgien der Dichter hatte den flüchtigen Opfern der Kommune sein Haus angeboten unter die Regentschaft Leopolds fällt. Nicht anders wie dem Dichter erging es übrigens all den Kommune- flüKtlingen, die in Belgien ein Exil zu finden hofften. Nein, Leopold machte keinePolitik"; er duldete die Reaktion bloß oder half, indem er die Gesetze unterzeichnete, mit, sie zu stärken! Er war sicher nicht auslleberzeugung" klerikal, aber er unterstützte den LlerikalismuS in seinen schlimmsten Plänen und kargte aus kluger Berechnung nicht mit seinen Sympathien für ihn. Waren es doch die klerikalen Minister, die seine Millionenanleihcn für sein Kongogeschäft in der Kammer zu lanzieren hatten. Als unter dem klerikalen Regime eln wütender Kampf gegen die offiziellen(weltlichen) Schulen entbrannte und schließlich von der klerikalen Majorität 1884 das verhängnisvolle Schulgesetz, das den Schulkrieg entfesselte, votiert wurde, setzte Leopold, trotz des Sturmes, der sich in der antiklerikalen Bevölkerung erhob, willig seinen Namen darunter. Durch das Schließen der offiziellen Schulen und der Lehrerbildungsanstalten wurden Tausende von Lehrern brotlos dafür konnten die Klerikalen, dank der Bereit- Willigkeit des Königs, ihre pfäffischen Lehrer versorgen und die Klerikalisierung der Bevölkerung ausdehnen. Hatte Leopold aber einelleberzeugung" in einer politischen Frage, dann war er auch bereit, sie zuopfern", wie er das seinerzeit in der Mlitärfvage während der ersten Kampagne für die persönliche Dienstpflicht gc- tan. Der König hatte sich öffentlich für die persönliche Dienst- Pflicht freilich weniger aus demokratischen, denn aus patriarcha- tischen und politischen Gründen ausgesprochen. Er hat es aber vorgezogen, der dieser Reform feindlichen Majorität keine Hinder- nisse in den Weg zu legen, um ihrer Unterstützung für ein dann erst eben vorbereitetes Millionenanleihen für oie Kongokolonie sicher zu sein! War dies keinePolitik", so war es dochGc- schüft"..... Geschäst" das war ja die Lebensmelodie dieses königlichen Kaufmanns! Geschäftsmann, das war Leopold in jeder Minute seines Lebens das Geschäft steht am Anfang und am' Ende seiner Regentschaft. Es ist bezeichnend, daß das, was uns als LeopoldsGenialität" gepriesen wird, das Kongowerk, für den König von der Gründung bis zur Uebernahme durch Belgien nichts war als ein nacktes Geschäft. Und von allenZivilisatoren" hak Leopold dieses Geschäft wohl am skrupellosesten betrieben. Lord C r o m e r hat im englischen Oberhaus seinerzeit erklärt, daß ihm in seiner reichen kolonialen Praxis nirgends Mißbrauche begegnet sind, wie sie im belgischen Kongo zu Hause sindl Die loyalen Federn werden in diesen Tagen die Kongogründung freilich als das glorreichste Kapitel in das Lebenswerk Leopolds eintragen, ebenso seinegenialen Leistungen" alsZivilisator". DieZivili- sation", die derUnabhängige Kongostaat" unter der Herrschaft Leopolds betrieben, ist bekannt. Jahrelang hatte die vom Presse- bureau bestochene Presse die skandalösen Zustände, die Grausam- leiten im belgischen Kongo geleugnet und sie als Erfindungen der Händler von Liverpool" hingestellt. Aber es kamen die Berichte der vom König selbst eingesetzten Untersuchungskommission, es er- schien das Cattier'sche Buch, und die zivilisierte Welt erfuhr schaudernd durch immer neu auftauchendes Material von der Leopoldschen Kolonialwirtschaft. Die Zivilisation, die Leopold nach dem Kongo getragen hat, hat den Negern die Zwangsarbeit ge- bracht, sie hat ihnen ihr Land geraubt und ihnen die Möglichkeit des Erwerbs genommen. Man hat ihre Dörfer niedergebrannt, ihre Frauen entehrt, ihnen die Hände abgeschnitten, um ihnen europäische Arbeitslust beizubringen, und damit für Leopold die Millionen geschaffen, die er für seine Luxusbauten und seine Weiberlaunen benötigte. Im Zeichen des Geschäftes deS Ge­schäftes natürlich für sich hat dann Leopold den Kongo, als dieser reis zur Uebernahme, d. h. genügend ausgebeutet war, und nach- dem er sich auch sonst sein Teil gesichert, den Belgierngeschenkt". Ohne Bedingungen, für.nicht?" sollte ihn Belgien einst haben! So hatte es Leopold wenigstens in seinem berühmten Testament verkündet, als er. sich die 25 Millionen für die Kolonie von der Kammer bewilligen ließ. Man weiß, sie ist nicht ganz so billig geworden, die Rechnung, die der König dem Parlament präsentierte. 53 Millionen alsEntschädigumg" und 45 Millionen für Bauten ist nicht gerade ein Beweis für die.Selbstlosigkeit", die Leopold von seinen Bewunderer» nachgernhwk foirft. Auch das UW-Wn'.' hat sich dem Geschäftsmann nochrentiert". Tie Erfahrung, daß Leopold nicht das kleine Belgien groß" gemacht, sondern es mit dieser Schenkung in ein kostspieliges Kolonialabenteuer gestürzt hat, wird nicht lange auf sich warten lassen. Man muß es Leopold lassen, daß er sich nie bemüht hat, weder als König noch als Privatmann, SentimentL zu heucheln. Es war neben seiner merkwürdigen, bis zu seinem letzten Augenblick vorhaltenden Energie wohl der entscheidenste Zug seines Wesens gewesen, dass er die Dinge, im öffentlichen und privaten Leben. ohne Sentimentalität, in kalter Berechnung des Vorteil« und Nutzens ansah: mit einem Wort, in jeder Minute der Geschäfts- mann zu bleiben.... Sicherlich hat nicht leicht eine Dynastie einen unsentimentaleren Herrscher wie diesen Koburger auf- zuweisen. Leopold hat die traditionellen Gefühlsreste als banale Illusionen abgetan man möchte diese Ehrlichkeit fast re- spektieren, seiner Natur nie Zwang angetan. Er hat seine Tochter Stephanie, die er wegen ihrerMesalliance" in Bann getan, vom Totenbett ihrer Mutter gejagt, und er hat die Hand nicht gerührt, um die Erbstücke seines Hause?, die die Gläubiger der anderen Tochter Luise versteigern lassen wollten, zu retten und den Skandal niederzuschlagen. Ein paar Wochen vor seinem Tode waren noch Familienbilder aus seinem Besitz im Museum ausgestellt, die er mit Möbeln und Kunstgegenständen aus seinen Schlössern zu Geld machen wollte. Nie hat Leopold der millionenreiche Mann den Wohltäter zu spielen versucht. Aber er hat ohne den Versuch einer Heimlichkeit Millionen für seine verschiedenen Verhältnisse ausgegeben. Wenn man will: auch hierinPersönlichkeit". In allen diesen Dingen hat Leopold mit einer so offenkundigen Absichtlichkeit die öffentliche Meinung herausgefordert, dass sich sein Egoismus zuweilen schon wie ein perverses Behagen an. der allgemeinen Verstimmung und ge­gebenenfalls an der Verachtung ansah. Noch weniger hat sich Leopold II. bemüht, in seine Be- Ziehungen zu seinemVolke" eine Gefühlsnote zu bringen. Er ver- brachte fast ostentativ die grösste Zeit aus seinen Schlössern oder im amüsanten Paris , und ließ sich sogar in Krisenzeiten die Minister dahinkommen, um nicht in die Residenz zurückkehren zu Mssen. Sein.Volk" interessierte ihn immer nur soweit, als er es brauchte. Leopold hatte im bürgerlichen Lager ebenso Bewunderer wie Feinde; es gibt klerikale Blätter, die zu seinen bittersten Gegnern zählen, und liberale, die ihn verhimmeln. Der zäheste, kon- sequenteste und unversöhnlichste Gegner deS Königs war die belgische Arbeiterschaft, die da? Leopoldinische System unerbittlich bekämpft hat. Leopold hat für die kämpfende Arbeiterschaft weder Sympathie noch Verständnis gehabt, und fie sieht mit Leopold nur einen Mann entschwinden, an dem jede Geste reaktionär und kapitalistisch war._ poUtifcbc OeberHcbt Berlin, den 17. Dezember 1909. Das Zentrum und die Erbschaftssteuer. Im Juli dieses Jahres lief eine Notiz durch die liberale Presse, der Laudtagsabgeordnete Giemsa, Architekt für Kirchenbauten in Kattowitz (Oberschlesien ), habe in einer Versammlung des Katholischen MäimervereinS in Kattowitz gesagt, bei dem Zustandekommen der Sleichsfi nanzreform seien ein paar Dutzend Zentrumsabgeordnete ur- sprünglich für die Erbanfallsteuer gewesen, sie hätten sich aber dem FraltionSbejAluss beugen und