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Die Niederlage des Zetttrums iu Dortmund  . Heber die Stadtverordneten wähl in Dortmund  , die die Niederlage des Zentrums besiegelte, schrieb unser dortiges Parteiblatt, dieArbeiterzeitung": Die Niederlage ist also vollständig, auch Lambert Leasing(der ührer des Dortmunder   Zentrums. Red. d.Borw.") ist im großen ogen geflogen. Das Zentrum hat die verdiente Züchtigung er- halten für all den infamen Verrat am Volke.... Im 3. Bezirk(wo Leasing zur Stichwahl stand) wurde ein Kampf auSgefochten, wie ihn Dortmund   noch nicht erlebte.... Die Schwarzen machten... die größten Anstrengungen, als handele es sich um Sein oder Nichtsein.... Das Gebaren der schwarzen Gesellen war geradezu ekelhaft, jeder anständige Mann, von dem sie annahmen, daß er nicht Lensing wählen werde, wurde angepöbelt. DieTremonia  " konnte große prächtige Erziehungsresultate vei> zeichnen. Ein bekannterchristlicher" Gewerkschaftsleiter ließ sich sogar verleiten, eineFrau.dieStimmzettelvcrtcilte. tätlich zu mißhandeln. Einer unserer Genossen erhielt von einem besonders frommen und eifrigen Zentrums- agitator einen Messer st ich in den Rücken. Mehrere Male wurden Zentrumswähler dabei ertappt, daß sie unberechtigtcrweise auf fremde Legitimationen wählen wollten. Kurz nacheinander mußten zwei zcntrümliche Wahlfälscher verhaftet werden.... Nach Beendigung der Wahl bewegte sich ein großer Zug nach Lamberts Wohnung. Vorauf marschierten fromme Jünglings- vereinler, die Lambert zum Tröste eine Ovation darbringen wollten. In der Pottgasse, vor Leasings Wohnung, stimmten sie die Hymne der Antisemiten:Deutschland  , Deutschland   über alle»" an. Sie drangen nicht durch. Bald erscholl wie Sturmesbrausen die Marseillaise  , der dann der Sozialistenmarsch folgte. Beim Gesang der Junglingsvereinler öffneten sich die Fenster der Lensingschen Wohnung, bei den ersten Klängen der Marseillaise  wurden sie schleunigst wieder geschlossen. Und die JünglingSvcrcinler zerstoben in alle Winde." . Inzwischen ist die Niederlage de« Zentrums durch einen neuen Sieg der Sozialdemokratie vollendet worden. Im Stadtbezirk C ö r n e wurde am Freitag das Stadtverordnetenmandat von der Sozialdemokratie erobert. Das Zentrum bat damit das acht« Mandat verloren. DaS Dorttnunder Stadtverordnetenkollegium ist jetzt zusammengesetzt aus: 40 Liberalen. IS Mitgliedern des Zentrums und 4 Sozialdemokraten. Kommunalwahle«. Wahlen in Württemberg  . In Afp   er g wurde ein Sozialdemokrat und ein Un» parte, sicher gewählt. In Berkheim   bei Eßlingen  , wo unsere Partei bisher im Gemeinderat noch garnicht vertreten war, gelang es mit großer Mehrheit beide zur Wahl stehenden Mandate zu er« o b e r n. In Reichenbach a. F. siegt« der sozialdemokratische Wahl­vorschlag. Gewählt wurden zwei Sozialdemokraten und ein Unparteiischer. In Mergelstetten   bei Heidenheim  , einer nationatliberalen Hochburg, gelang es. einen Sozialdemokraten in den Ge- meindera« zu brmgen. ?n Rohracker fielen der Sozialdemokratie alle drei zur __ stehenden Mandate zu. In Ulm   hatte die Sozialdemokratie einen glänzenden Erfolg. Sie erzielte einen starken Stimmenzuwachs gegen da» Vorjahr und eroberte zwei neue GemeinderatS- Mandate. S-zl-ldrmokratische Mehrheit i« Gemeinderat. In Ilmenau  (Sachsen-Weimar  ) hat die Sozialdemokratie bei den Gemeinderatswahlen ihre volle Liste mit elf Kandidaten durchgebracht. Die bürgerlich« Liste unterlag glatt. Bon den 22 Mitgliedern im Gemeinderate gehören vom I.Januar low ab tS der Sozialdemokratie und nur sechs den bürgerlichen Parteien an._ DaS politische Pfarramt. In der ulttamontanenTrier  . Landeszeitung' vom 15. Dezember findet fich folgende Anzeige: Oeffentlichepolitischeversammlung, Sonntag. 10. Dezember, nachm.'/A Uhr in Orscholz(Saar  ) im Saale der Wirtschaft Reden Zentrumsversammlung. TageS- ordnung: Reichsfinanzrrform, Schulfrage. Alle Zentrumswähler von Orscholz und Umgegend sind eingeladen. DaS Pfarramt. Bon den Machern der ultramontanen Politik aber wird der« kündet: Da» Zentrum ist eine politische, keine konfessionelle Parteil_ Gesinnungsschnüffelei. In der Budgetkommission de« babischen Land- t a g e s erklärte der Minister Bodmann auf die Anfrage eines demo- kratsichen Abgeordneten, daß die Nachforschung nach der politischen Gesinnung der Rekruten wesentlich«in- geschränkt worden sei. Sie ginge jetzt nur noch dabin, ob jemand unter den eingetretenen Rekruten bei den Sozialdemokraten eine fübrende Stellung eingenommen habe. Dieeingeschränkte" Gesinnungsschnüffelei ist ebenso unwürdig wie die uneingeschränkte._ Barbaren im bunten Rock. Skandalöse Soldateiischtndereicn haben die Unteroffiziere Schmidt und Koslowski vom S. Rhein. Husarenregiment in Straßburg   verübt. In der Verhandlung vor dem Kriegsgericht wurde festgestellt: Der Husar Achotzli wurde wegen eines kleinen Versehens, das nicht ein« ,nal disziplinarisch bestraft werden kann, von Schmidt g e- schlage» und amHalsegewürgt. Bei dem Husaren brach eine Geisteskrankheit aus, an der er heute noch leidet. Daß diese mit den Mißhandlungen in Verbindung steht, konnte nicht nachgewiesen werden. Vor der Militärzcit ist A. jeden- falls nach Aussage seine» Vater» geistig normal gewesen---- Andere Husaren erhielten von Schmidt Schläge auf den Kopf und in» Gesicht und wurden sonst i» jeder Weise schikaniert. Das Schmutzwasier goß der Unmensch in die Smbe oder auf den Eßtisch der Mannschaften: mit den Zahnbürsten mußten sie die Stube reinige»! im Winter kommandierte er die Leute au» den Betten. ließ sie 10 Minuten in der Kälte stehen, und einer nach dem anderen mußte ein Sireichholz anzünden, damit die Stubebeleuchtet" wurde l Ein Husar ward von ihm mit dem Sporenstiefel ins Gesäß Selreten! der Mann erlitt eine Wunde, an der er drei ?ochen lang kurierte. Auf Ellenbogen und Knien mußten die Soldaten 1v Minuten lang in der Stube herumrutschen, im Stall, sich in den Mist legen und darin herumwälzen. Hierzu gab e» dann noch die üblichen Schimpfworte. Koslowski schlug ver- schieden« Soldaten mit dem Reitstock. Der Vertreter der Anklage beantragte gegen Schmidt 8 Monate Gefängnis und Degradation, weil solche Soldatenschinder da» Ansehen der Armee schänden: gegen KoSlowSki beantragte er 6 Wochen Mittelarrest. DaS Urteil lautete gegen Schmidt auf 2 Monate 15 Tage Gefängnis, gegen KoSlowSli auf 5 Wochen Mittelarrest. Von der Degradation Schmidts sah da» Gericht ab wahrscheinlich: um das Ansehen der Armee zu heben. Wenn man Leute wie Schmidt al» Schtnderknechte kenn» zeichnete. dann pflegte der preußische Ex-KriegSminister v. Einem die verfolgte Unschuld solcher Helden durch Beleidigungsklagen in Schutz zu nehme». Ob der neue Kriegsminister, Herr v. Haenngen von der gleichen mimosenhaften Empfindsamkeit ist, das muß die Zukunft lehren. Die sozialdemokratiiche Presse wäre jedenfalls die erste, sich zu freuen, wenn kein Anlaß mehr vorfiele, Soldaten- schinder an den Pranger zu stellen. Ein Nachspiel zur Casablaneaaffäre. Vor mehreren Jahren desertierte der Musketier Heymann von seinem Truppenteil in Neumünster   und gelangte nach einem aben- tcuerlichen Vagantenleben in Frankreich   an, wo er von einem Werber betrunken gemacht und für den Dienst in der Fremden- legion gepreßt wurde. Als er Jahre in Afrika   gedient und auch an mehreren Gefechten gegen die Marokkaner teilgenommen hatte, rückte er nebst anderen Fremdenlegionären aus und die Flüchtlinge erreichten unter großen Entbehrungen und Anstrengungen Easa- blanca, wo cS zu der bekannten Affäre kam. die zu Reibungen mit Frankreich   und zum Einschreiten der deutschen   Diplomatie führte. Die Deserteure wurden zunächst nach französischem Mililärrecht wegen Fahnenflucht vor dem Feinde zum Tode verurteilt, welche Strafe in fünf Jahre Zuchthaus umgewandelt wurde. Nach Ver- büßung von 13 Monaten wurde H. plötzlich auf freien Fuß gesetzt und nach Frankreich   geschickt, wo ihm eröffnet wurde, daß er binnen 15 Tagen das französische   Staatsgebiet verlassen müsse. Von allen Mitteln entblößt, ließ er sich an der Grenze von einem deutschen  Gendarmen in Haft nehmen. Das Kriegsgericht der 17. Division (Altona  ) verurteilte ihn wegen Fahnenflucht zu 9 Monaten G«° fängnis und Nebenstrafe. Als strafmildernd wurde in Betracht ge- zogen, daß er in Afrika   schon ziemlich hart bestraft worden sei. Der neue Entwurf eines Stellenvermittelungsgesetzes ist vom preußischen StaatSministerium angenommen worden. Er wird in der nächsten Zeit den Bundesrat beschäftigen, so daß der Reichstag in nicht ferner Zeit auch in der Lage sein wird, ihn zu beraten. Der Inhalt deS Gesetzes entspricht etwa dem Spezialgesetz fiir Stellenvermittelung der Schiffsleute vom Juni 1992 und ist als Ersatz der Bestinnnungen der Gewerbeordnung gedacht. Eine wesent- liche Verschärfung gegenüber den Verordnungen des genannten Spezialgesetzes sieht der neue Gesetzentwurf insofern vor, als die Erlaubnis für Ausübung des SlellenvennittlergeweibeS von dem Nachweis eines vorhandenen Bedürfnisses abhängig gemacht werden soll. DieS bezieht sich nur auf die Erteilung von neuen Kon- Zessionen. fpankreick. DaS Koalitionsrecht der Beamten. Paris  , 17. Dezember. Deputierten kämm er. Bei der hentiaen Beratung des JnftizetatS erklärte Justizminister Barthou, er erkenne den Beamten daS Recht zu, sich in Verbände zu- sammenzuschließen. Italien  . DaS neue Ministerium. Rom  , 18. Dezeniber.(Privatdepesche deSVorwärts"). In der heutigen Kammersitzung, die von Abgeordneten nnd dem Publikum sehr stark besucht war, entwickelte Minister- Präsident S o n n i n o sein Programm: Er bat um Ber- schiebung der Frage der Dampfersubventioncn, kündigte Ver- waltungsreorganisationen innerhalb des Ministeriums sowie die Schaffung eines besonderen Eisenbahnministeriums an und versprach Gesetzesvorlagen über den obligatorischen Unterricht und über Sozialreform. Natürlich soll auch der Militarismus weiter gepflegt werden. Dagegen hält der Minister den Augenblick für Steuererleichterungen nicht gekommen. Fn bezug auf die a n S w S r t i g e Politik betont der Minsiierpräsident in traditioneller Weise seine Dreibundtreue und hebt dann neben den freundschaftlichen Beziehungen zu England und Frankreich   besonders die r u f s i s ch-italientfche Annäherung hervor. DaS dürftige Ministerprogramm wird von der Kammer mit eisigster Zurückhaltung aufgenommen. Es zeigt sich offenkundig, daß das Kabinett keine eigene Mehrheit besitzt und nur von GiolittiS Gnaden lebt. Der Vizepräsident hält sodann dem König der Belgier einen Nachruf. Da erhebt sich der Republikaner  C h i e s a zum Protest. Eine Trauerkuudgebung für einen Monarchen, der die blutigste Ausbeutung ver- k ö r p e r t hat, dürfe nicht geduldet»verden. Der Minister des Acußern remonstriert gegen den Protest in der üblichen Weise. Der Vizepräsident teilte bann noch mit, daß Präsident M a r c o r a sein? nt niederzulegen gedenke. Sounino hat die Kammer, die Detnission MarcoraS nicht anzunehmen, ein Er- suchen, dem die Kammer entsprach. Im Senat gab Ministerpräsident Sonnino eine gleich- lautende Erklärung wie in der Kammer ab. Englanct. Die Ire« und die Wahle«. London  , 16. Dezember.(Eig. Ber.) Im Stadthause von Dublin  sprach gestern John Redmont, der Führer der Nationalisten(irischen Partei), über die irische Wahltaktik. Er sagte, die Erfolge der Iren im britischen Parlamente zeigen sich in der Novelle zum Boden- reformgesetz nnd in der Schaffung einer katholischen Universität. Allein Irland kann nie zufrieden sein, solange es keine Homerule (Selbstregierung) hat. Das große Hindernis zur Homerule ist da« HauS der Lords. Nicht das britische Volk, sondern eine Handvoll Lords verweigert Irland die Selbstregicrung. Die frühere Feindschaft deS britischen Volkes gegen Homerule ist verschwunden, und eS wäre ganz leicht, eine Mehrheit im Unterhause für die irische Forderung zu finden, aber die Macht der LordS steht ihr im Wege. Endlich ist die Revolution gekounnen, und der große Kämpf zwischen Demokratie und den Privilegierten hat begonnen, und glücklicherweise nicht über eine iriiche Frage, sondern über eine große britische Frage, die die Grundlage der Verfassung betrifft. Durch de» Mund AsquitbS   hat die liberale Partei ihren Entschluß kundgegeben, nicht mehr die Regierung zu übernehmen, solange das Velorecht der LordS nicht zerstört ist. Asquiths Erklärung über Irland   bedeutet die Rückkehr zur Politik GladstoneS. Irland   hat jetzt eine Gelegenheit, wie sie selten vorkommt. Kehrt die liberale Partei mit einer starken Mehrheit zur Macht zurück, so wird eS mit den Privilegien der LordS zu Ende sein und Homerule wird schnell zur Tatsache werden. Ich versichere die britische   Nation, daß Irland  die Homerule im selben Geiste anwenden wird, wie die Buren ihre freie Verfassung in Südafrika   anivenden. Ich appelliere deshalb an die Iren, zusammenzuhalten und alles zu tu», den Erfolg ihrer Partei zu sichern." Di« Nationalisten beschlossen, die in Großbritamnen lebenden Iren aufzufordern, bei den kommenden Wahlen für die Liberalen und die Arbeiterpartei zu stimmen. Die»deutsche Gefahr" al« AgitationSmiitel. London  , 18. Dezember. Lord Curzo« hielt gestern in Derby eine Rede, in der pt auf die Beziehungen zu Deutschland   zu sprechen kam. Er sagte, die KriegSwolke erhebe sich bereits in etwas bedrohlichem Umfang. Wenn man nicht sorgsam wache, könnte sie eine Form annehmen, daß sich unter Um- standen, welche hoffentlich niemals eintreten würden, ein Verderben bringender Regenguß auf Engtand herabstürzen könnte. Wenn dem so sei, sei eS ein Gebot der einfachsten Klug- beit, Maßregeln zu treffen, um zu verhindern, daß.die Gefahr eine solche Ausdehnung gewinne. England brauche Beschäsligung, Wohl­fahrt. Ruhe und Fortschritt, aber die Bedingung für alles dieS sei die Sicherheit. In Becke nham sprach Lord W e a r d a l e und führte auS: Laßt un» die Deutschen   nicht als Feinde betrackiten, sondern als ehrenwerte Rivalen, die wir nicht fürchten, und lehnen wir es ab. sie al« Feinde zu behandeln, bloß weit sie zufällig unsere Handels- rivolen sind. In Liverpool   protestierte der UnterstaatSsekretär für die Kolonien S e e l y gegen de» uiiglücklichen Versuch, am Vorabend der Wahlen einen Sireit zwischen England und Deutschland   anfzu- wühlen, mit dem seiner Ansicht nach England immer in Freundschaft leben werde. Die britische   Flotte werde nicht herausgefordert nnd werde auch in Zukunft nicht herausgefordert werden. An Be- mannung, Schiffen und Geschützen sei sie doppelt so stark al» jede andere Flotte. K,ulZlancI. Die Polenfrage. Petersburg, 17. Dezember. Reichsduma. In der heutigen Abendsitzung erklärte der Abgeordnete R o d i t s ch e f(Kadett) bei der Beratung über die Zulassung der nichtrussischen Sprachen bei den örtlichen Gerichten, daß die A b s ch a f f u n g der den Polen durch die Grundgesetze gewährten Wahlrechte ungesctz mäßig gewesen sei. Diese Worte riefen auf der Rechten und zum Teil auch bei den Nationalisten unglaubliche Lärmszenen hervor. Man klappte mit den Pultdeckeln und mehrere llcationa- listen zerbrachen ihre Pulte in Stücke. Der Präsident versuchte vergeblich, die Ruhe wiederherzustellen, und sah sich schließlich gc- zwungen, die Sitzung zu unterbrachen. Darauf wäre der Abgeordnete Tumoschkin von der Rechten mit dem Kadetten Adschemow fast handgemein geworden; eine Prügelei wurde nur durch die Ordnungsbeamten des Hauses und durch die Freunde der beiden Abgeordneten verhindert. Japan  . Schutzzölle. London  , 18. Dezember. Wie aus Tokio   gemeldet wird, nimmt die Tarifrevision und der Abschluß neuer Handels- Verträge die Arbeitskräfte der Regierung zurzeit fast aus- schließlich in Anspruch. Der Reichstag   soll in seiner nächsten Session eine Anzahl»euer Zollsätze bestimmen, die von dem bis- hcrigen Tarif wesentlich abweichen. Der Ucbergang Japans   zur Aufstellung eines autonomen Zolltarifs, der übrigens einige Sätze der Vertragstarife beibehalten soll, wird damit be- gründet, daß Japan   bei dem Abschluß seiner Handelsverträge noch nicht imstande gewesen sei, seine Interessen handelspolitisch und zolltechnisch entsprechend zu wahren. Das sei jetzt anders ge- worden. ES soll jedoch kein Hochschutzzolltartf geschaffen, sondern ein Mittelweg eingeschlagen werden, indem man Finanz- zölle einführt, die aber doch zugleich geeignet sind, die Pro- duktion des Landes zu schützen. 8o2iaUs. (Siehe auch 1. Beilage.) Lebhaste» Temperament und schwere Ehrverletzung. In zahlreichen vor dem Berliner   KaufmaiuiSacricht vcrhan- dekten RechtSfällen zeigt eS fich, daß bei Beleidigsiilgerk! me zur Auflösung des Dienstverhältnisses führten, die Beleidiger die Rechtslage dadurch zu ihren Gunsten verschieben zu können glauben, daß sie sich mit ihrem lebhaften Temperament entschuldigen. Daß indessen derartig veranlagte Personen im Verkehr zwischen Chef und Angestellten besondere Veranlassung haben, ihr Temperament zu zügeln, lehrten zwei gestern vor der 6. Kammer des Berliner  KaufmannSgerichtS verhandelte Fälle. Der Inhaber eines Mäntel- geschäft» hatte zu einer Verkäuferin, die nach einem längeren G,v schäftSgange sich von einer Mitangestellten eine Tasse Kaffee er- beten hatte, gesagt:Wenn Sie nicht ruhig sind, dann kriegen Sic'n Ding in die Schn.....!" Der Vorsitzende entsann sich, daß der Beklagte wegen des Gebrauchs ähnlicher Kosiworte schon einmal einen Prozeß hatte und frug ihn, warum gerade er durch seine Angestellten so gereizt werde.Andere Chefs sind vielleicht ruhiger," erwiderte der Geschäftsinhaber,ich kann mich nicht halten. Mein Temperament ist schuld daran." DaS Kanfmanns- gericht sah daS Temperament nicht als genügende Entschuldigung an und verurteilte den Chef zur Zahlung von 199 M. Restgehalt. In dem zweiten Falle hatte der Inhaber einer Putzfedern- fabrik zu seinem Reisenden die recht harten Worte gebraucht:Sie haben sich die Stellung erstohlcn und erschlichen!" Gemeint hatte er nur, wie er durch seinen Vertreter vor Gericht ausführen ließ: Der Mann war für den Posten ungeeignet und hielt nicht das, was er versprach." Für diese allerdings sehr schwere Ehrverletzung, die auf den Protest des Beleidigten sogar noch wiederholt wurde, trifft den Prinzipal die harte Buße von annähernd b090 M., denn da» KaufmannSgericht verurteilte ihn zur SchadloShaltung des Reisenden bis Ablauf seine? auf drei Jahre lautenden Dienst- Vertrages. In beiden Fällen haben übrigens die beleidigten Angestellten die Ehrenbeleidigungsklage beim Strafgericht an- hängig gemacht. Pom Kampf um die Unfallrente. Vor dem Schiedsgericht für Arbeiterversicherung in Breslau  wurden dieser Tage wieder ein paar Fälle verhandelt, die typisch sind für die rücksichtslose Härte, mit der die Dcrufsgenossenschaften den Verunglückten die Rente zu kürzen suchen. Der Arbeiter Brückner aus Schwoitsch stürzte von einer Leiter, brach die Wirbel- säule und trug noch schwere innere Verletzungen davon. Die Berufsgenossenschaft bewilligte ihm eine Rente von 65 Proz. Nach kurzer Zeit mußte er sich durch den Vertrauensarzt Dr. Stempel untersuchen lassen und dieser stellte eine erhebliche Besserung fest. Auf Grund dieses Gutachtens, das den Verletzten sogar noch der Simulation beschuldigte, lürzte die �ZerufSgenossenschaft die Rente und setzte sie fortan auf 33)b Proz. fest. Auf Veranlassung deS Schiedsgerichts mußte sich Drückner dem Professor an der Breslauer Universitätsklinik Dr. Ludloff zu einer llntersuchung stellen. Dieser konstatierte, daß keine Verstellung vorliege und nur eine kleine Besserung eingetreten sei, welche aber durchaus nicht die Maßnahmen der Berufsgcnosscnschakt rechtfertigte. DaS Schieds- gericht setzte nun die Rente Ms 59 Proz. fest. Der Arbeiter Schnözcl hatte sich in einer chemischen Fabrik Schultern. Rücken. Beine und Arme gräßlich verbrannt. Da er vollständig erwerbsunfähig war. gewährte ihm die Berufsgenossen- schaft eine Rente von 83 Proz. Nach einiger Zeit muhte er sich in einer Heilanstalt einer Untersuchung unterziehen. Diese stellte ein Gutachten aus, was zur Folge hatte, daß ihm die Rente von 83 Proz. auf 69 Proz. gekürzt wurde. DaS Schiedsgericht erhöhte die Rente auf SöVä Proz. Um die Hinterbliebenenrente für sich und ihre Kinder war die Witwe Kotschate aus Breslau   eingekommen. Ihr Man» war in einer Fabrik vor sechzehn Jahren schwer verunglückt und hatte seitdem von der chemischen Berufsgenosseiischaft«ine Unfallrente bezogen. Jetzt starb er. Die Vertrauensärzte konstatierten Herz- lähmung, so daß der Fall leine Verbindung mit dem früher er- littenen Unfall habe. Der Arzt Dr. Feder, der den Mann die ganze Zeit behandelt hatte, konstatierte das Gegenteil. Die Witwe mit ihren Kindern wurde trotzdem abgewiesen.