8,297. i Ktilllgt ilts JotiHürte" UsIIisdllltt. A.W.W IM. Hud Induftne und F)andeU Wenn man— Glück hat. Mit den aufsehenerregenden Terrainspekulationen in der Nähe von Zossen und Baruth beschäftigt sich in ihrer letzten Nummer die bekannte Zeitschrift„Die BanF. Wir entnehmen den Tatsachen- angaben folgendes: „Seit mehreren Jahren war das preußische KriegZministe- rium mit dem Plan umgegangen, das Tempelhofer Feld als Truppenübungsplatz der Berliner Garnison auszugeben und aus dem bei den, Verkauf erzielten Erlöse einen größeren tlebungs- platz zu beschaffen. Seit etwa 1904 kam für diese Zwecke die Gegend im Süden des Kreises Teltow in der Nähe von Zossen und Baruth in Betracht. Tatsächlich ist denn auch im Juli dieses Jahres der Ankauf des Geländes im Umfange von etwa 6000 Hektar... beschlossen worden. Die Kenntnis'dieser Pläne muß schon lange vorher durchgesickert sein, denn bereits im Jahre 1904 begannen unter allerlei Vorwänden die Ankäufe von bäuerlichem Besitz seitens kapitalkräftiger Persönlichkeiten. Unter anderem kauften sich die beiden Söhne eines der höchsten preußischen Ver- waltungsbeamten dort an. Die hauptsächlich in Betracht kommen- den Dörfer haben eine sehr arme Bevölkerung, die schwer unter dem Steuerdruck seufzt, �so werden in einem dieser Dörfer an Äonimunalsteuern 250 Proz., Grund- und Gebäudesteuern 375 Prozent, Gewerbesteuern 500 Proz. erhoben. Als im Frühjahr 1909 die Gerüchte sich immer mehr verdichteten, daß der Truppen- Übungsplatz in der dortigen Gegend beschlossene Sache sei, tauchte naturgemäß der Gedanke aus, eine Wertzuwachssteuer einzu- führen, um von dem großen Gewinn, den die ahnungsvollen Käufer erzielen würden, einen kleinen Teil für die Gemeinde- finanzen zu retten.... Tank der tatkräftigen Propaganda eines in der dortigen Gegend beamteten Pfarrers gelang es unter außerordentlichen Schwierigkeiten, etwa im Mai dieses Jahres. die Wertzuwachssteuer in den beteiligten Gemeinden zur An- nähme zu bringen. Nun kam alles darauf an, die Genehmigung der übergeordneten Organe so frühzeitig zu erlangen, daß die neue Steuerordnung noch vor der Genehmigung des Uebungs- Platzes durch den Reichstag in Kraft trat. Große Terrainkomplexe ivaren inzwischen mit ungeheurem Aufschlag von den Zwischen- Händlern an die Agenten des Fiskus verkaust worden, jedoch nur gegen notariellen Vertrag, während die grundbuchliche Auflassung erst erfolgen sollte, wenn der Uebungsplatz absolut gesichert war. An diesem Punkte setzt nun ein trübes Kapitel der Berwal- tungsproxis ein.... Der Landrat des Kreises Teltow wird mit Eingaben und Telegrammen bestürmt— aber die Genehmigung kommt nicht. Das betreffende Schriftstück ist angeblich im preußischen Finanzministerium— verschwunden.... Am I. Juli wird der Uebungsplatz genehmigt— drei Wochen später erhalten die Gemeinden die Genehmigung ihrer Zuwachssteuer- ordnung. Es war zu spät. Die Auflassungen hatten inzwischen stattgefunden. Eine Million Wertzuwachssteuer war verloren. die rückwirkende Kraft der Steuerordnung seitens der Auffichts. inftanzen ausdrücklich verboten worden. Einige Gemeinden ver- zichteten unter diesen Umständen auf die bereits beschlossene Steuer, da ja der größte Teil der Landverkäufe, bei denen Ge- Winne bis zu 400 Proz. gemacht wurden, inzwischen unter Dach und Fach gebracht und deftnitiv steuerfrei war. Eine allgemeine Erregung hat sich der um ihren Anteil gebrachten Gemeinden bemächtigt. Man nennt bestimmte Namen, die sich ihrer Verbindung mit den höchsten Stellen gerühmt und wiederholt erklärt haben, daß sie das rechtzeitige Eintreffen der Genehmigung verhindern würden. Die Erbitterung ist um so b �echtigter, als der Erfolg der Stadt Schöneberg in Sachen der S'- v.'zulvachssteuer— innerhalb fünf Tagen wurden fünf In- s. ßttn durchlaufen— gezeigt hat. wie schnell Aufsichtsinstanzen unter Umständen zu arbeiten verstehen.... Die Bevölkerung eines ganzen Landstriches schwört jetzt darauf, daß der kleine Finger des Kapitals mächtiger ist als acht Gemeinden mit zehn- tausend armen Einwohnern." Tie„Berliner Correspondenz" ist beauftragt worden, eine harmlose Erklärung für das eigenartige Glück der Grundstücks- spekulanten zu veröffentlichen. Danach sind lediglich die vom Minister des Innern und der Finanzen unterm 18. Mai erlassenen generellen Vorschriften über den Inhalt von Wertzuwachssteuer- oodnungen Ursache der für die armen Gemeinden verspäteten Ge- nehmigungen ihrer Steuerordnungen. Daß durch diese Erklärung die Angelegenheit wirklich in eine weniger merkwürdige Beleuch- tung gerückt wird, können wir nicht finden. Den Vorschriften der Minister verdanken die Spekulanten Niesengewinne. Das kann man Glück nennen!_ Koks auf Lager. Wie in einer Aufsichtsratssitzung der Berg- werksgesellschast Hibernia mitgeteilt wurde, mußte das Unter- kleines Feuilleton. Tschudis Taten in München . Aus München wird uns geschrieben: Während die Berliner sich über Bodes Rechthaberei ärgern müssen, haben wir Münchener reine Freude an dem erfolgreichen und tat- kräftigen Wirken unseres neuernannten„Generaldirektors der bayeri- schen StaatSsammlungen". Wie dankbar sind wir. daß man Tl'ckmdi von Berlin weggegrault hat, so daß seine großartige orgmnsaiorische Kraft für München ftei wurde! Am 18. Dezember ist die Alte P i n a k o t h e k. die weltberühmte klassische Gnnäldegalerie Münchens . nach längerer Zeit dem Publikum wieder zugänglich gemacht worden. Die Arbeit TschudiS ist nun zu überblicken. Man muß gestehen, er hat mit glücklicher und fester Hand Reformen von durchgreifender Wirkung geschaffen, die Studium und-Genuß dieses früher mangelhaft ge« ordnete», mangelhaft gehängten, mangelhaft beleuchteten Bildcrschatzes nun jedermann ungestört ermöglichen. Bor allem hat Tichudi für eine bessere Beleuchtung der Säle gesorgt, indem er die dunklen Wandbeipannungcn mit lichten Farben überstreichen ließ. So hängen jetzt die allen Niederländer auf weißem Grunde, die Van Dycks und Tizians auf hellem Grün, Rubens und die Florentiner aus sattem Not. An Neuerwerbungen sind zu nennen: ein Goya, ein GainSbormigh, Guardis„Concert " und eine vortreffliche„Eni- kleidung Cbristi von dem griechischen Vorläufer des Belasquez: TheotakopouloS. Mit großer Energie hat ferner Tichudi die Sammlungen ergänzt durch wichtige Bilder, die er aus den bayerischen Promnzgalerien herbeiholte. So nahm er den Augsburgern sieben alte Italiener, worüber die Provinzpresse ein mörderisches Gcichrei erhob. Daß der Generalkonservator bei einer durchgreifenden Neu- ordnung der Pinakothek befugt ist. einen Austausch der dem Staate gehörenden Bilder z» vollziehen— die Augsburger Filialgalerie er- hielt dafür neun italienische Bilder— unterliegt gar keinem Zweifel. Ebensowenig ist eS zweifelhast, daß eine hauptstädtische Sammlung einen möglichst geschlossenen Ueberblick über die wichtigsten Meister der Kunstgeschichte zu geben hat. w. Theater. Sebbel-Theater: Adam und Eva. Drama von Julius Meicr-Graefe. In der ursprünglichen Anlage der Situation, der Charaktere und ihrer wechselweisen Beziehungen hat dieses Drama des bekannten, geistvoll-paradoxen KunstschriftstellerS viel nachdenklich interessante Feinheiten. ES ist" ein stark persönlicher Zug darin, ein Streben, das Grundgefühl feurig begeisterter Hingabe an das geniale Kunstwerk und seinen Schöpfer in bewegter Aktion und in Konflikt mit anderen Lebensmächten vorzuführen. nehmen von den in den ersten 11 Monaten des laufenden Jahres produzierten 640 923 Tonnen Koks 159 671 Tonnen wegen Mangel an Absatz lagern lassen. Die gelagerte Menge macht fast 25 Proz. der Gesamterzeugung aus._ Fleifchteuerung. Die Berliner Jleischerinnung hat dieser Tage ihre bereits bor 3 Jahren dem Reichstags eingereichte Petition erneuert, die dahin ging, 1. die Oeffnung der Grenzen zwecks Einführung von lebendem Schlachtvieh in die Wege zu leiten, 2. die Zölle auf lebendes Vieh für angemessene Zeit gänzlich aufzuheben, jedenfalls aber aus ein erträgliches, den vor dem 1. März gültigen Zollsätzen mindestens gleichkommendes Aiaß herabzusetzen.— Zur Begründung der er- neuten Petition bringt die Berliner Fleischerinnung neues Material bei. das sich allerdings nur auf Preußen bezieht. Danach hat der Bestand an Rindvieh in den Jahren 1906, 1907, 1908 eine ent- sprechende Zunahme von 2,20, 3,13, 0,65, der Bestand an Schafen eine Abnahme von 1,99, 0,48, 2,75, der Bestand an Schweinen im Jahre 1906 eine Zunahme von 11,11, 1907 eine Abnahme von 1,69 und 1908 eine Abnahme von 11,09 Proz. erfahren. Die Bevölke- rung von Preußen, die gegenüber obigen Zahlen allein in Betracht kommt, ist in den letzten 30 Jahren durchschnittlich jährlich um 1.45 Proz. gestiegen; vergleicht man damit die oben angeführten Verhältniszahlen der Zunahme bezw. Abnahme des Viehbestandes, so wird damit der unwiderlegliche Beweis erbracht, daß die Land- Wirtschaft nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse der Bevölkerung nach schlachtbarem Lieh zu befriedigen. Dynamit steigt im Preise. Wie aus London gemeldet wird, ist der Preis für Glyzerin um über 100 M. pro Tonne gestiegen. Das ist eine Verteuerung um rund 100 Proz. Angeblich wird Glyzerin infolge gesteigerter Dynamitproduktion sehr knapp. Natürlich sind auch die Preise für Dynamit hinaufgeschnellt. Esricbts- Leitung. Ein„Bertraueusmann" des Polizeipräsidiums. Mm 4. Juli, einem schönen Sommersonntag, war's— da schwebte wieder mal der preußische Staat in schwerer Gefahr. Die arbeitende Jugend Grofz-Berlins wollte, einer Einladung des Berliner Jugendausschusses folgend, einen Massenausflug nach Adlershof unternehmen. Es versteht sich von selber, daß die ordnungstützcnde Polizei beizeiten"auf dem Posten war. Der AmtSvorstcher von Adlcrshof hatte im voraus erklärt, daß er jede Versammlung unter freiem Himmel zu verhindern suchen und nötigenfalls Gewalt anwenden lassen werde. Als die jungen Leute zu vielen Hunderten durch die südöstlichen Vororte wanderten und ihrem Ziele zustrebten, sahen sie alle Wege mit Gendarmen besetzt. Diese machten sich auch bald an die ihnen zugewiesene Arbeit, die -Züge" zu„zerstreuen". In Adlershof wurde dann von den Teil- nehmern des Ausfluges unserem Genossen Karl Liebknecht , dein einige Wochen vorher aus der Festungshaft heimgekehrten„Hoch- Verräter", in Wöllsteins Lokal eine herzliche Begrüßung bereitet, auf die er mit einer Ansprache antwortete. Die eindrucksvolle Kundgebung durfte nicht ungerochen bleiben. Man suchte nach Schuldigen und glaubte schließlich, sie in den beiden Genossen Tischler Horlitz und Maler Schenk gefunden zu haben. Horlitz sollte auf öffentlicher Straße einen Aufzug ver- anstaltet haben, dem die nötige Genehmigung fehlte; Schenk sollte eine öffentliche Versammlung zur Erörterung politischer An- gclegenheitrn geleitet haben, ohne sich darum zu kümmern, ob es dem Herrn Amtsvorsteher paßte. Anfänglich erstreckten die Ermitte- lungen sich auch auf Liebknecht, weil er in einer nicht genehmigten öffentlichen Versammlung eine politische Rede gehalten und in ihr obendrein durch eine Kritik des Kampfes der Behörden gegen Jugendorganisationen und Arbeiterturnvcreine den Kultusminister beleidigt habe. Wegen der angeblichen Beleidigung wurde nicht eingeschritten, weil schließlich von der Stelle,' die zu entscheiden gehabt hätte, kein Antrag gestellt wurde. Aber-auch gegen die „politische Rede in nicht genehmigter öffentlicher Versammlung" ließ sich nichts machen, weil bei näherem Zusehen erkannt wurde, daß nach dem neuen Vereinsgesetz der Redner gar nicht straf- bar war. Blieben also nur Horlitz und Schenk. Aus der Art, in der das gegen sie eingeleitete Verfahren betrieben wurde, konnte ge- schlössen werden, daß die ganze Aktion ausgegangen sei von den Angaben eines sogenannte»„Vertrauensmannes" der Polizei. Es siel auf, daß man als Belastungsmaterial zunächst nur die Bc- kundungeu eines Gendarmen heranzog, der höchstens über die Vorgänge auf den Wegen nach Adlershos etwas hätte wissen können. Wo blieb der dunkle Jemand, dem man die Angabe verdankte, daß Schenk den Versammlungsleiter gemacht habe? Erst im letzten Augenblick wurde kurz vor der Hauptverhandlung als Belastungs- Der Kunstkritiker Karl Jäger, der ähnlich wie der Autor mit Leidenschast nach neuen, noch uncntdeckten Größen späht, glaubt in den Skizzen seines jungen Freundes Lassen Vorzeichen künftiger Meisterschaft zu erkennen. Die Möglichkeit, die innere Entfaltung eines Auserwählten teilnehmend mitzuerleben, erfüllt ihn mit selbstlosem Glücksgesühl. Jeder Gedanke spannt sich auf das eine Ziel, den weichen Freund zu stählen, sein Wollen anzufeuern und jede äußere Hemmung weg- zuräumen. Durch Vcrmitteluug eines kleinen Kunsthändlers, der als merkwürdig parodierende Parallelfigur JäaerS sich ihrer Inferiorität freilich ironisch schmerzlich bewußt ist, unter- stützt er Lassen heimlich. Dramatische Spannkraft aber gewinnt diese ganze Situation durch das Verhältnis des Kritikers zu Lassens reizvoll schöner Frau, an der dieser all ihren hysterisch tyrannischen Launen zum Trotz mit abgöttischer Verehrung hängt. Jäger sieht in ihr die Femdin, die den Mann von seiner großen Ausgabe abziehen will und er haßt sie doppelt, weil er selbst, von ihren Koketterien gefangen, und zum Betrüger an dem Freunde geworden. Wie er mit mühsam unter- drückten Grimm den Kampf um sein Idol führt, den grenzenlos gutmütigen Künstler, der von dem allen nichts begreift, aus den Fesseln dieses Bundes loszureißen sucht, das ist im ersten Att bedeutsam charakteristisch dargestellt. Jäger verachtet die Frau, doch ist er bereit, die eigene Freiheit zum Ovfer zu bringen, wenn sie den ungeliebten Gatten frei gibt. Ihre Weigerung empört ihn. Sein Haß flammt wütend auf, und in der Raserei der Rachsucht schwört die Beleidigte, das Geheimnis zu verraten. So interessant die Exposition ist, so sehr enttäuscht die weitere Fortführung. Schluß und Anfang stehen in gar keinem Zusammenhang. Die Frau, die in fiebernder Exaltation ihre Drohung wahr gemacht. wird in dem letzten Akt, nachdem sie sich einen Revolverschuß beigebracht, plötzlich ein Gegenstand der Apotheose. Sterbend legt sie die Hände der beiden Männer ineinander. Ihr Angedenken wird als guter Genius den Künstler umschweben. Und der Kritiker selber beugt sich versöhnt. So zerfließt das Drama in eine nebulose, von jeder psychologisch motivierende» Begründung losgelöste Symbolik. Die beiden Hauptrollen, der Geniegläubige, rücksichtSlos-gewalt« same Kritiker und die vieldeutig schillernde Frau erhielten durch a y ß l e r nud Ida Roland eine glänzende Darstellung. Sehr gut war auch der träumerische Künstler Ottos und Herzfelds schwärmerischer Kunsthändler. üt. Mufik. Die Macht des Gesanges über Banditen, die den in Leonore verliebten Sänger Stradella töten sollen, ist da» Textmotiv der .romantischen" odrr„romantisch-komischen" Oper.Allessandro zeuge ein Herr George genannt, der Journalist sei und über die Vorgänge in der Versammlung Bescheid wisse. Außerdem sollte noch ein„Vertrauensmann" des Berliner Polizeipräsidiums an der Versammlung teilgenommen haben, doch hatte das Polizeipräsidium „aus dienstlichen Gründen" Einspruch dagegen erhoben, daß durch seine Ladung den Angeklagten die angenehme Bekanntschaft dieses Herrn vermittelt werde. Würde durch die Gerichtsverhandlung da» Treiben eines Spitzels enthüllt werden? Diese Frage bewegte die beiden An- geklagten Schenk und Horlitz, als sie gestern vor den Schöffen des Amtsgericht Köpenick standen. Beide Angeklagten, deren Bcrteidi- gung in den Händen des Rechtsanwalts Dr. Karl Liebknecht lag, erklärten sich für nichtschuldig. Horlitz sollte belastet werden durch ltzcndarm Raul,. Aber dieser Zeuge bekundete, vdn einem öffent- lichen Aufzug könne man nicht reden, die jungen Leute seien nur in Kolonnen angekommen, die dann zerstreut worden seien. Er selber wenigstens habe das nicht als einen öffentliche» Aufzug an- gesehen, er habe ja auch nur die Anzeige gemacht, daß in einer nicht angemeldeten öffentlichen Versammlung politische Angelegen- heiten erörtert worden seien. Hierzu bemerkte der Amtsanwalt, er habe die in der Anzeige enthaltene Mitteilung, daß die jungen Leute in geschlossenen Zügen nach Adlershof gekommen feien, dahin aufgefaßt, daß ein öffentlicher Aufzug stattgefunden habe. Der Zeuge antwortete, der Zug sei ja schon unterwegs zerstreut worden. Als der Verteidiger hervorhob, daß es sich doch nur um Ausflügler gehandelt habe, die in Trupps dahingezogen seien, versicherte der Vorsitzende, auch Ausflüglern sei das nicht erlaubt und es werde bestraft, auch wenn es nicht Sozialdemokraten feien. Wichtig war die Bekundung des Gendarmen, daß er selber nicht an der Ver- sammlung teilgenommen habe. Was in ihr vorgefallen sei, das habe ein„Redakteur George" gemeldet. Dieser Herr Paul George, 23 Jahre alt, cvanglisch, trat nunmehr als Zeuge auf und gab an, er sei als Vertreter der 5iöpenicker Zeitung„Dampfboot" in die Versammlung gegangen. Der Leiter der Versammlung habe ganz anders als der Angeklagte Schenk ausgesehen, dieser sei es bc- stimmt nicht gewesen. Auf den Gesichtern des Gerichtsvorsitzenden wie des Amtsantwalts malte sich Ueberraschung. Der Verteidiger wies jetzt auf den nicht genannten„Vertrauensmann" der Polizei hin und meinte, bielleicht werde der mehr bekunden können, wenn man ihn habe. Der Vorsitzender schwieg zu dieser Anregung. Kiurz und bündig beantragte dann der Amtsanwalt für beide Angeklagten die Freisprechung. War den Angeklagten mit dieser geschwinden Erledigung gedient? Der Verteidiger führte aus, es liege ihnen weniger an ihrer Freisprechung, als an der Bekannt- schaft jenes„Vertrauensmannes". Es sei zu erwäge», ob man ihn nicht doch noch laden solle. Anderenfalls schließe selbswer» ständlich auch er sich dem Antrag aus Freisprechung a», er fordere aber auch Uebernahme aller notwendigen Auslagen der Angeklagten auf die Staatskasse, da beide ohne jede Berechtigung angeklagt worden seien. Das Urteil lautete: Freisprechung. Auf die Staatskasse seien zu übernehmen die Kosten des Verfahrens, doch nicht alle not- wendigen Auslagen, weil immerhin ein„genügender Verdacht" vorgelegen habe. So wurden die freigesprochenen Angeklagten schließlich doch noch an ihrem Geldbeutel dafür gestraft, daß der Amtsanwalt auS der Anzeige des Gendarmen einen„Aufzugherausgelesen und der„Vertrauensmann" den Bersammlungs» leitcr für Schenk gehalten hatte. Eine brutale Mißhandlung eines Kinde» beschäftigte wieder einmal den Strafrichter. Vor dem Schöffen- gericht Berlin-Schöneberg mutzten sich der Maurer Otto Nietsch und dessen Ehefrau Emma N. aus Steglitz unter der Anklage der mittels gefährlichen Werkzeuges und einer das Leben gefährdenden Behandlung begangenen Körperverletzung verantworten. ES handelte sich um die Leidensgeschichte eines unehelichen Kindeö, welches von der Mutter in der unerhörtesten Weise drangsaliert wurde. Der kleine, jetzt sechsjährige Otto Striese war vor der Ver- hciratung der Mutter bei anderen Leuten untergebracht worden. Als sich die Angeklagte dann verheiratete, nahm sie den Knaben zu sich. Von diesem Augenblick an begann für den Knaben ein wahres Martyrium. Be, der geringsten Kleinigkeit, vielfach auch ohne jede Ursache, wurde das Kind mißhandelt, wobei sich die brutale Mutter eines Leibriemens, eines Holzscheites und auch häufig des Feuerhakens bediente. Das Kind war über und über mit blauen Flecken und Striemen bedeckt, die zum Teil aufgeplatzt und in eitrige Entzündungen übergegangen waren. Einmal hatte der kleine Otto sich aus Versehen die Hose aufgerissen. Die An« geklagte steckte den Riß mit einer Sicherheitsnadel zu, wobei sie die Nadel durch das Fleisch trieb und den Jungen stundenlang da» mit herumlaufen ließ. Der Knabe war so eingeschüchtert, daß er es nicht wagte, irgendetwas über die ihm zuteil gewordene Bc- Handlung verlauten zu lassen. Erst im August dieses Jahres wurde von Nachbaren Anzeige bei der Polizei erstattet. Der Knabe wurde daraufhin sofort den Eltern abgenommen.— Der Staatsanwalt Stradella." Friedrich von Flotow , Schöpser der noch populäreren.Martha", bat sie komponiert und 1844 in Hamburg herausgebracht. Vor mehreren Jahren wurde sie uns bei irgend einem Opernunternehinen als eine unromantische Serenadelci ver- leidet. Am Sonnabend wurde sie von unserer Vollsoper auf- genommen und zeigte wieder ein freundliches Gesicht. Zur Halste aus Lyrik bestehend, verlangt sie vor allem gesangs- technische Vollendung; und der gut akustische Raum der Vollsoper begünstigt kleine Stimmen, während er Mängel der Ausbildung und der Gesangssprache stärker hervortreten läßt. Dazu paßten die die»« maligen Leistungen gerade richtig. ES sind meist kleine. aber gut gebildete Stimmen. Von den zwei Tenoren zeigte der lyrische, der Vertreter der Titelrolle, August Bock» mann als Gast, eine Tonbildung, wie sie jedes Gesang?- lehrerS Freude sein kann— oder könnte, Wenns mit gleich- mäßig schönen hellen Tönen allein getan wäre. Der Buffotenor Z ö r n i tz stellt seine ein wenig dunkler gefärbte Stimme begreiflicher- weise weit mehr in den Dienst des sprachlichen und dramatischen Ausdruck»; und der andere, der Baritcnbandit Paul Fisch ötter, stand ihm darin erst recht gut zur Seite. Auch die Koloratur- sopranistin Helene Eg geling geht mit ihrer hübschen, nur durch einige Schärfe getrübten Stimme über Singsang hinaus; und der Baß August R o e S l e r machte aus der dürftigen Rolle des zum Mord anstiftenden Vormundes der Leonore das Bestmögliche. Das Publikum vor dem Halleschen Tore scheint wärmer mid wärmer, Herr Direktor A l f i e r i immer noch eifriger, sein Ober» regisseur B. G l a s i n g e r stets sorgfältiger zu werden und sein Kapellmeister G. Enders auS der gegenwärtig üblichen Vortrags- weise der Jnstrumentalinnsik herauszuichlagen, loa» nur immer mvg- lich ist. W. Notizen. — Klara Ziegler , die letzte große Repräsentantin einer Schauspielkunst, d,e ihre Gesetze nur von der Bühne empfing, nicht vom Leben und nicht auL der Dichtung, ist am Sonntag in München im Mter von 65 Jahren gestorben. Sie hatte die großen Nüttel, die kraftvolle Gebärde, daZ leidenschaftliche Pathos, die schwungvolle Rede und all die anderen Reguisiten der Bomben- rolle. Die Tragödin. die hauptsächlich in München und Leipzig ihre Lehrzeit durchgemacht hatte, hatte ihr letztes längere» Engagement am Berliner Theater(1883—90). Von da ab sahjnan sie nur noch aus kurzen Gastspielen. Sappho und Medea waren die bevorzugten Rollen ihrer auf starke, äußerliche theatralische Wirkungen aus» gehenden Kunst.
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