vann nicht rotes et." Frau Puls, die sich nicht denken konnte, daß damit eine Verhaftung geineint war, legte der Aettßerung keine Bedeutung bei und war daher völlig verblüfft, als vorgestern Mittag zwei Kriminialbeamte erschienen und die Ver- haftnng vornahmen. Jetzt erfuhr sie, daß ihr Mann sich der Hehlerei schuldig gemacht habe, und dachte auch jetzt an den Zusatz, daß sie ihn nicht wiedersehen werde. Hierüber sollte sie nicht langein Ungewißheit bleiben. Vorgestern Abend schon erschien ein Schutzmann in ihrer Wohnung, um die traurige Botschaft zu überbringen, daß sich ihr Mann um 3Vs Uhr Nachmittags im Einzelgewq�rsam des Polizeipräsidiums durch Erhängen am Fenstergitter das Leben genommen habe. Durch das schon so oft gerügte übermäßig schnelle Fahren der Kutscher in den Straßen Berlins ist heute wiederum ein Unglück passirt. Am Oranienburger Thor verursachte ein etwa zehnjähriger Knabe, namens Fritz Staegmann, der Sohn einer tn der Lothringerstraße wohnenden Wittwe, heute Mittag gegen 1 Uhr einen gerade vorübersahrenden Wagen der Ringbahn zu erreichen— in demselben Augenblick bog eine Droschke I.Klasse im scharfen Trabe aus der Elsasserstraße kommend in die Friedrich- straße ein und überfuhr den armen Kleinen, der keine Zeit zum Aus- weichen mehr hatte, zum Entsetzen der zahlreichen Passanten so unglücklich, daß er schwere Verletzungen am Kopse und den Armen davontrug. Der regungslos daliegende Knabe, der eben aus der Schttle gekommen war und die Bücher noch krampfhaft unter dem Arme hielt, wurde sofort nach der Sanitätswache der Eichen- dorffstraße gebracht, wo er den ersten Verband erhielt und als- dann in die Charitee überführt. Glücklicherweise sollen die Ver- letzungen nicht lebensgefährlich sein. Ein Schutzmann stellte Namen und Nummer des Nosselenkers fest.— Zwei Stunde» vorher passirte in der Leipzigerstraße vor dem Reichstagsgebäude ein ähnlicher Unfall. Ein etwa zwanzig Jahre alter Hausdiener schob einen Handwagen vor sich her, als er plötzlich von einer vorüberfahrenden Droschke erfaßt wurde und unter die Räder kam. Er erlitt eine leichte Verwundung am Kopf, die ihn jedoch nicht hinderte, sich sofort-an der Verfolgung der davonsausenden Droschke zu betheiligen. Auch hier gelang es einem am Leipziger Platz stationirten Schutzmann, behufs Ausklärung der Sachlage die Personalien des Droschkenkutschers festzustellen. Plötzliche Todesfälle. Die Zentral-Markthalle verließ am Mittwoch Nachmittag der Engroshändler Reinicke, Schönhauser Allee wohnhaft, in Begleitung seines Schwiegersohnes. Plötzlich klagte er über Unwohlsein und bat seinen Schwiegersohn, eine Droschke herbeizuholen. Kaum hatte der alle Herr die Bitte aus- gesprochen, als er lautlos zusammenbrach und im nächsten Augen- blick verschied. Der Verstorbene war einer der ältesten und au- gesehensten Händler in der Zentral-Markthalle. Ein zweiter plötzlicher Todessall, der einen Berliner betrifft, hat sich Mittwoch Morgen in Pritzwalk zugetragen. Der In- genieur Siller von hier war im Austrage seiner Fabrik mit inehreren Monteuren in dem märkischen Landstädtchen mit der Ausstellung eines Dampfkessels thätig gewesen und wollte Mitt- rooch gegen halb 9 Uhr Morgens die Rückfahrt nach Berlin an- treten. Eben wollte S. das Trittbrett des Kupees besteigen, als er zusammenbrach und nach wenigen Minuten an den Folgen eines Herzschlages verstarb. Die Leiche wurde nach Berlin gebracht. Einer fahrlässigen Körperverletzung hat sich ein Lebens- retter bei seinem Werke schuldig gemacht. Als die 30 Jahre alte Wittwe Nordl aus der Kleinen Hamburgerstraße vorgestern Nach- mittag um SVs Uhr vor dem Hause Brunnenstr. 1 die Straße überschritt, stand sie plötzlich vor einer fahrenden Droschke und wäre unfehlbar unter die Räder gekommen, wenn der Kutscher nicht die Geistesgegenwart besessen hätte, sich nüt dein Oberkörper weit vorzubeugen und die alte Frau zurückzustoßen. Da- durch lam sie aber zu Falle und erlitt so schwere Verletzungen, daß ihre Uebersührung nach der Charitee erforderlich wurde. . Von einem eigenartige» Unfälle ist vorgestern Nachmittag um t>>/2 Uhr der 42 Jahre alte Maschinist Johannes Janath, Osnabrückerstr. 2, betroffen worden. Er zog einen Handwagen durch die Königstraße und wurde an der Ecke der Spandauer- straße durch eine Droschke angefahren. Durch den plötzlichen Ruck wurde er umgedreht, und die spitze Deichsel des Handwagens drang ihm in die Bauchhöhle. Mitschtveren inneren Verletzungen mußte er nach einem Krankenhause gebracht werden. Ans merkwiirdige Weise verunglückte vorgestern Abend der Former Hilbrich, der sich auf dem Nachhausewege nach seiner auf dem Gesundbrunnen befindlichen Wohnung befand. Der- selbe war in der Stadt auf einen Wagen der Omuibuslinie Potsdamer Brücke— Rosenthaler Thor gestiegen. Unweit des letzteren gerielh der Wagen in starkes Stoßen. H. stieß einen Angstschrei aus und griff nach seinem Munde. Als die Mit- fahrenden sich nach H. umsahen, bemerkten sie, daß dessen vor den Mund gepreßtes Taschentuch ganz blutig war. Es stellte sich heraus, daß H. sich mit dem Munde gegen den Knops feines Stockes gestützt hatte, der bei der heftigen plötzlichen Bewegung des Wagens dermaßen in den Mund drang, daß vier Zähne ausbrachen. H. mußte sich sofort zu dem nächsten Zahnärzte be- geben. Wiederum wird daS Verschwinden eines zwölsjährigen Mädchens gemeldet. Die am 13. Dezember 1860 geborene Tochter der Gitschinerstr. 81 wohnenden Tornow'schen Eheleute, Marie, wird seit dein 10. d. Mts. vermißt. Das Kind hatte eine fast unüberwindliche Furcht vor der Schule, und dieser Umstand mag an seiner Entfernung mit Schuld sein. Andererseits glaubt aber der Vater, daß das für sein Aller sehr entwickelte Mädchen in schlechte Hände gerathen sei. Es hat blondes Haar und blaue Augen und war mit einem roth und schwarz karirten Kleide, einer blau und weißen Schürze, weißen Strümpfen und Halb- schuhen bekleidet. Die Hilse der Polizei ist angerufen worden. Der neue Nübeupilz, IPbonm Betas, der zuerst von Pro- sessor Frank Hierselbst erkannt wurde, ist auch bereits in der Provinz Brandenburg aufgetreten. Da der neue Pilz den Rüben- bau ernstlich gefährdet, hat der landwirthschaftliche Provinzial- verein sich der Angelegenheit bemächtigt und will zunächst durch Umfrage genau seststellen. wie weit der Pilz bereits in der Provinz sich verbreitet hat. Die Untersuchung der lrankheits- verdächtigen Pflanzen hat Professor Frank selbst übernommen. Von dem Ergebniß der Umfrage will man die weiter zu er- greifenden Maßregeln abhängig machen. Jedenfalls soll die Sache so beschleunigt werden, daß noch in diesem Jahre der Vernichtnngs- kämpf aufgenommen werden kann. Das Auftreten des Pilzes ist daran erkennbar, daß die jungen Herzblätter der Rübenpflanze schwarz und tobt sind, und baß die Schwärzung sich bis auf den Rllbenkörper erstreckt, auch sind zuweilen an der Seite der Rübe kleinere oder größere schwarze Faulflecken vorhanden. Die er- krankte Rübenpflanze bleibt merklich im Wachsthum zurück und kann endlich ganz durch Fäulniß absterben. An den Samen- stengeln gehen die schwarzbraunen kranken Flecken oft streifen- weise von unten an hoch hinauf. Polizcibericht. Am 18. d. M. Morgens wurde im Friedrichshain die Leiche eines neugeborenen Kindes aus- gefunden.— Vormittags gerieth ein siebenjähriger Knabe vor den» Hanse Alt-Moabit 117/113 unter die Räder eines Kohlenwagens und erlitt einen Leistenbruch, so daß seine Uebersührung nach dem Augusta-Hospital erforderlich wurde.— Im Polizei- Gewahrsam erhängte sich Nachmittags ein wegen gewerbs- mäßiger Hehlerei verhafteter Bäckermeister.— An der Ecke der König- und Spandauerstraße fand ein Zusammenstoß zwischen einem Geschäftssuhrwerk und einem Handwagen statt, wobei ein den letzleren führender Maschinenardeiter gegen die Deichsel- stange seines Wagens gedrückt wurde. Er erlitt eine bedeutende Quetschung der Brust und mußte nach der Charitee gebracht werden.— Abends erschoß sich ein Buchhalter in seiner Wohnung, in der Oranienburgerstraße, mittels Revolvers. ©eeWifs-Belftmfl; Die Reihe der Preßprozesse, welche aus Anlaß der so- genannten Cholerakollekte der Postverwaltung Staatssekretär v. Stephan gegen Blätter der verschiedensten Richtungen bereits angestrengt hat, erhielten gestern eine Bereicherung. Wegen Beleidigung des Dr. v. Stephan bezw. auch derjenigen Ober- Postdirektoren, welche bei jenerCholerakollekte betheiligt waren, hatten sich die Redakteure des„V o r w ä r t§", Friede. Aug. Enders und der„B e r l i n e r P r e s s e", Franz Xaver W ißberger vor der I. Strafkammer des Landgerichts I zu verantworten. Bekanntlich bildete die in allen Postbezirken veranstaltete Kollekte zu gunsten der durch die Cholera heimgesuchten Hamburger Post- beamten seinerzeit den Gegenstand lebhafter Preßerörterungen. Die Kollekte war von Köln aus angeregt worden, Dr. Stephan hatte sie als einen Ausdruck edler Menschlichkeit genehmigt, und Ober-Postdirektor Griesbach hatte dies allen Ober-Postdirektions- bezirken mit dem Auftrage mitgelheilt, allen Beamten und Unter- beamten davon Kenntniß und ihnen anHeim zu geben, sich an den Sammlungen zu betheiligen. Diese Art der Hilfeleistung für Reichsbeamte, die bei Ausübung ihres Berufes in eine außer- gewöhnliche Lage gerathen waren, hatte auf verschiedenen Seiten Anstoß erregt. Es wurde der Standpunkt vertreten, daß es ein nobils officium des Reiches sein müsse, für seine Beamten selbst zu sorgen, nicht aber die armen Unterbeamten, welche jene von Oben her protegirte Kollekte als einen Druck schließlich empfinden müßten, zu veran- lassen, hierfür ihre Nickel herzugeben. Von postalischer Seite war demgegenüber behauptet worden, daß von einem moralischen Zwange gar nicht die Rede sei, ebenso wenig von einer Ab- tvälzung der Verpflichtungen den Beamten gegenüber auf die Schultern dritter Personen. Die Ober-Postdirektion in Hamburg sei, noch ehe von privater Sammlung für Hamburg die Rede gewesen, von Dr. v. Stephan angewiesen worden, Anträge auf Gewährung von Unterstützungen aus Reichsmitteln zu stellen und solche seien auch gewährt worden. Außerdem seien die Fahrt- und Ucberlagergebühreu des Fahrpersonals für die Dauer der Cholera-Epidemie um die Hälfte erhöht worden.— Der „Vorwärts" hatte nun in 4 Nummern gegen verschiedene Er- scheiimngen im„Reiche des Herrn Stephan" Stellung genommen. Unter Anklage gestellt war zunächst ein Artikel mit der Ueber- schrift:„Sonntagsarbeil bei der Post". Es wurde darin Herr von Stephan u. A. als„zu gut geschulter Beauftragter des Kapitalismus " und als„Marsyas IL" bezeichnet. Der Verfasser der Anklage hat jenen Vergleich„mit dem menschenschindenden Könige des Alterthums" als besonders beleidigend hervorgehoben. Die drei weiter inkriminirten Artikel des„Vorwärts" beziehen sich auf die Cholerakollekte. Es wird darin von„Bettelpfennigen" und von einer„Nöthigung" ge- sprachen, als welche sich die amtliche Aufforderung zur Kollekte bei den Beamten darstellen müsse, von„Almosen", die Herr von Stephan unter erschwerendsten Bedingungen versprochen habe ee. — Der Artikel der„Berliner Presse" hatte ungefähr denselben Gedankengang. Herr v. Stephan habe versprochen, soweit die Atittel der Hamburger Ober-Postdirektion nicht ausreichten, den Beamten durch Unterstützung des Reichspostamts zu Hilfe zu kommen, er habe dieses Versprechen aber nicht erfüllt, sondern die darbenden Unterbeamten für die armen Kollegen in Ham- bürg sorgen lassen. Die Beweisaufnahme erstreckt sich auf die Vernehmung der Ober-Postdirektoren Griesbach und Pankow und einiger Unterbeamten. Es wurde unter anderem festgestellt, daß zur Unterstützung nvthleidender Hamburger Postbeamten von Reichswegen außerordentlich nur 3S00 M., durch die Kollekte dagegen 48 Ot>v M. verwendet worden sei.— Der Staatsanwalt hielt die Kritik der Angeklagten für eine unberechtigte und die behaupteten That- fachen für nicht erweislich wahr. Die Beleidigungen seien sehr schwerer Natur und um so strafbarer, weil durch derlei Artikel der Geist der Unzufriedenheit in das kolossale Heer der Post- Unterbeamtei» getragen werde. Er beantrage daher gegen Enders 0 Monate, gegen Wißberger 2 Monate G e s ä n g n i ß.— R-A. Heine, ivelcher für Enders volle Frei- svrechuug beantragte, wandte sich zunächst gegen die falsche An- fchauimg des Anklageversasjers bezüglich des Marsyas . Dieser sei ja gar kein„menschenschindender König" gewesen, sondern gerade der Geschundene, der in dem Weltkampse mit Apollo unterlegen war. Das tsrtium compar ationia sei aber gar nicht auf dem Gebiete des Schindens, sondern darin zu suchen, daß Marsyas hier in der Bedeutung eines schlechten Dichters angeführt sei. Schlechte Gedichte habe selbst Cäsar gemacht und Dr. v. Stephan, der so häusig Gedichte pudlizire, müsse es sich gefallen lassen, daß Kritik an ihm geübt wird. Die Artikel enthielten überhaupt gar keine Thatsachen, sondern nur eine Kritik, die namentlich hinsichtlich der Kollekte vollauf berechtigt gewesen sei. Derartige Kollekten fänden weder bei der Justiz- noch bei anderen Be- Hörden statt und wenn die Postverwaltung mit diesem guten Brauche breche, dann müsse sie sich die Kritik gefallen lassen. Es handele sich dabei gar flicht um Personen, sondern um das ganze System der Postverwaltung, und die gesammte Presse der ver- fchiedensten Richtungen sei einstimmig in der Verurtheilung diefer Kollektenaffäre gewesen.— Rechtsanwalt Cohn I. empfahl, gegen Wißberger nur eine kleine Geldstrafe festzusetzen. Dem- selben stehe der Schutz des§ 193 vollauf zur Seite. Die Post- Verwaltung hatte sicher die Pflicht gehabt, die Roth ans Reichs- Mitteln zu lindern, sie sei auch dazu in der Lage gewesen, denn sie erziele jährlich einen Ileberschnß von 9 Millionen. Die Presse gat.z Deutschlands habe sich gegen das qn. Versahren ausgesprochen, ebenso im Reichstage die Redner aller Parteien, ja selbst Herr v. Keudell habe dieses Verfahren ausdrücklich gemißbilligt.— Der Gerichtshof stellte sich im Urtheile auf folgenden Standpunkt: Die Veranstaltung der- artiger Samutlungen unter den Beamten habe immer etwas Btiß- liches und rufe mit Recht Tadel tmd Kritik hervor. Natürlich werde damit ein Druck von oben nicht beabsichtigt, die Beamten glaubten aber doch an solchen versteckten Druck. Eriviesen sei durch die Beweisaufnahme, daß das Reich gegenüber der Privatsammlnng in der That sehr wenig gethan habe, und man könne sich nicht wundern, wenn daran 5kritik geübt werde. Der Gerichtshof habe auch berücksichtigt, daß die Motive, aus denen heraus die'Artikel geschrieben, ge- iv i s s e r m a ß e n ethischer Natur seien. In allen Fällen sei den Augeklagten der Schutz des§ 193 zugeb'Uigt worden, die Grenzen desselben seien aber weit überschritten. Was den Marsyas betreffe, so glaube der Gerichtshof dem Vertheidiger und dem Angeklagten, daß nur in dichterischer Beziehung eine Parallele gezogen werden sollte. Wenn man hiervon ausgehe, erscheine die Kritik nicht unberechtigt. Aus diesen Er- wügungen heraus vemrtheilte der Gerichtshof End ers zu zwei'Monaten G es än g n i ß, Wißberger zu Ivo M. Geldbuße. Eine Anklage wegen Gefährdung eines Eisenbahu- TranSporteö wurde gestern vor der vierten Straskammer des Landgerichts I gegen den Heizer Kenne verhandelt. Am 28. August v. I., Nachmittags 2 Uhr 30 Minuten, stand der nach Wannsee bestimmte Personenzug auf dem Potsdamer Bahnhof zur Abfahrt teereit. Da es Sonntag war, war der Zug bis auf den letzten Platz von Ausflüglern besetzt. Als Keune die Maschine vorlegte, geschah dies mit solcher Gewalt, daß sämmtliche Fahr- äste einen großen Schreck bekamen und theilweise gegen einander ogen. Es kamen zum Glück nur leichte Verletzungen vor, einer der Fahtgäste war etwas erheblicher verletzt. Dagegen war an dem Wagenmaterial ein Schaden entstanden, der gegen 700 M. Kosten verurfacht hat. Der Unglücksfall sollte durch die Fahrlässig- keit des Keune verursacht sein. Derfelbe hatte durch seineu Ver- theidiger, Redakteur Frankel, einen Entlastungsbeweis dafür an- getreten, daß lediglich durch die schlechte Verfassung der Maschine der Zusammenstoß erfolgt sei. Die Räder der Maschine hätten durch längeres Bremsen ihre kreisrunde Form verloren, indem an einigen Stellen Abschleifungen entstanden seien, welche man im Eisenbahn - Betriebe als„Schlaglöcher" bezeichne. Der Angeklagte wollte rechtzeitig gebremst haben, der Erfolg sei aber ans grund der erwähnten Abschleifungen ausgeblieben. Ein Entlastungszeuge, der Lokomotivführer©röscher, bekundete, daß er die fragliche Maschine wenige Tage vor dem Zusammenstoß gefahren und dabei dieselbe Erfahrung gemacht habe, wie der Angeklagte. Er habe dem Werkmeister erklärt, daß er nicht mehr mit der Maschine fahren würde, weil sie ihm zu unzuverlässig sei. Demgegenüber erklärte der Werkmeister Häntjens, daß er die Maschine nachträglich geprobt habe, wobei die Bremsvor- richtung vorschriftsmäßig gewirkt habe. Ein anderer Sachver- ständiger erwiderte, daß diese eine Probe nicht maßgebend fein könne, denn einmal funktionire die Bremse bei den mit Schlag- löchern versehenen Rädern, ein anderesmal nicht. Der Staats- anwalt beantragte selbst die Freisprechung des Angeklagten, dem eine Fahrlässigkeit nicht nachzuweisen sei. Diesem Antrage ent- sprach der Gerichtshof. Bemerkenswerthe Nahrungsmittel- Fälschnngen be- schäfliglen am Donnerstag die erste und dritte Straskammer am Landgericht II. Vorder ersten Kammer stand der Müller- geselle Hermann Hoffmann unter der Beschuldigung, um seine Veruntreuungen an Mehl zu verdecken, Sand unter den Roggen gemischt und mit vermählen zu haben. Hoffmann stand bei dem Windmühlen besitzer Brösicke in Petershagen bei Alt- Landsberg in Arbeit. Im Januar dieses Jahres wurde der Mühlenbesitzer durch einen Schlagfluß gelähmt, so daß der Geselle allein die Mühle zu leiten hatte. In drei Tagen, in denen er ohne Aussicht war, hat er 76 Zentner Mehl so hochgradig mit Sand vermischt, daß das Mehl voll- ständig ungemeßbar war. Wer dem diebischen Gesellen als Hehler gedient hat, konnte nickt ermittelt werden. Der An- geklagte wurde wegen dieser Handlungsweise mit b Wochen Ge- fängniß bestraft.— Der zweite Fall betraf den Bäckermeister Paul Knauer aus Tasdorf, früher in Rüdersdorf . Der Handelsmann Hölzer in Rüdersdorf hatte am II. August v. I. für 78 M. Brot von dem Angeklagten bezogen und an feine Kunden in Berlin abgesetzt. Am 15. August übernahm tölzer eine zweite Lieferung in gleicher Größe, aber alle s£ne unden in Berlin lehnten die erneute Abnahme des Brotes ab und gaben ihm das vorher bezogene als völlig ungenießbar zurück. Es befanden sich in demselben große schwarze Klumpen von ekelerregendem Ansehen. Knauer hat zwar beide Lieferungen zurückgenommen und dem Hölzer noch 25 M. Entschädigung gezahlt, einzelne Kunden hatten aber doch die Brote der Polizei übergeben und das weitere Verfahren führte zur Er- Hebung der Anklage gegen den Bäcker und seinen Gesellen. Das Schöffengericht in Alt-Landsberg verurtheilte den Meister zu 50 Mark, den Gesellen zu 40 Mark Geldstrafe. Letzterer beruhigte sich bei dem Urtheil, der Meister dagegen legte Berufung ein. In der zweiten Instanz gestaltete sich die Sache für den Angeklagten viel ungünstiger, wie in der ersten. Der Angeklagte behauptete, es habe sich um neues Roggenmehl ge« handelt, welches sich oftmals schlecht binde weshalb es mit ge- riebener Semmel vermischt werden müsse. Daß er altes, ver- schimmeltes Brot ausgeweicht und in den Teig gemischt habe, be- stritt er entschieden. Bäckermeister Gustav Wald, Obermeister der Rüdersdorfer Bäckerinnung, gab sich so ersichtliche Mühe, seinen Kollegen zu entlasten, daß der Gerichtshof plötzlich die Ver- nehmung dieses Sachverständigen abbrach und das Gut- achten des Kreisphysikus Dr. Philipp entgegennahm. Dieser er- klärte, ihm sei ein Brot zugesandt worden, er habe dasselbe aus- geschnitten und untersucht. Er habe schon viel dergleichen gesehen, aber so etwas noch nicht. Das Brot sah von Außen gut, auch vollständig ausgebacken aus, im Innern befandenffich jedoch große Klumpen alten Brotes, die vollständig durchschimmelt waren. Es war die kolossalste Schimmelbildung, die ich je gesehen— fuhr der Sachverständige fort— dieselbe muß im Innern des Brotes entstanden sein, denn Außen war das Brot schimmelfrei. Die Schimmelpilze würden ja wohl durch die Hitze des Backofens vernichtet worden sein, doch solch feste Brotstücken im Teige kann die Hitze nicht durchdringen, die Pilze greifen rapid um sich und das Brot wird so hochgradig gesund- heitsgefährlich, daß der Genuß den Tod zur Folge haben kann, weil die Bestandtheile des Brotes chemisch vollständig zersetzt werden. Hütte ich das Brot zur Stelle, wurde sich der Gerichts- hos selbst überzeugen können. Immerhin kam der Gerichts- Hof zu der Ansicht, daß auf feiten des Angeklagten nur eine Fahrlässigkeit vorliege, es wurde aber auf dieselbe Strafe von 50 M. erkannt.— Den Schluß des Reigens bildete eine Milchplantscherei. Der Gutsbesitzer Frie- brich Hermann Karl Frischmuth auf Remote war vom Schöffengericht zu Oranienburg zu 300 Mark Geldstrafe ver- urtheilt worden, weil er das Wasser, mit welchem die Milch- eimer und der Kühlapparat ausgespült worden waren, in die nach Berlin spedirte Milch gegossen hatte. Seine Tochter, verehelichte Thierbach, war wegen desselben Vergehens zu 75 M. verurtheilt worden. Beide hatten Berufung eingelegt. Der Vertheidiger vertrat den merkwürdigen Stand- punkt, daß es gar nichts Besonderes sei, wenn etwas Spülwasser in die Milch gegossen werde, indessen konnte der Gerichtshof die Richtigkeit dieser Ansicht nicht prüfen, weil eine erneute Äe- weisausnahme beschlossen werden mußte, zu welcher auch der Ge> richtschemiker Dr. Bischoff zugezogen werden soll. Der Schneidermeister Moritz Chaim, Linienstraße 40, früher 42, theilt uns mit, daß er mit dem in Nr. 113 des„Vor- wärts", 2. Beilage, unter Gerichtszeitung erwähnten Schneider- nteister Chaim nicht identisch ist. ÖOitnle ZUoberktchk. Ter Streik der Zimmerer OdrrbergS in der Mark dauert fort. Der Kampf scheint ein harter zu werden. Kameraden und Genossen allerwärts, unterstützt uns durch Zu- sendung von Geldmitteln. Bedenkt, daß ein günstiger Ausgang des Streiks von großer Wirkung aus die gesammte Arbeiterschaft dieser Gegend sein würde. Haltet den Zuzug fern! Geld- sendungen u. f. w. sind zu richten an W. K ü n e k e, Oderberg (Mark). Die Streik-Kommission der Zimmerer Oderbergs. Die Arbeiterblätter werden um Abdruck gebeten. Die Goldleistenarbeiter in Altona und Ottensen warnen insbesondere die Berliner Kollegen und Kolleginnen dringend vor Zuzug, da in Unternehmerkreise» geplant wird, Berliner Mädchen als Lohndrücker zu engagireti. Die Berliner Kolleginnen insbesondere werden daher ersucht, sich nicht nach Altona und Otteufen locken zu lassen. Die dortigen Goldleisten- arbeiter sind überzeugt, daß bei noch niedrigeren Löhnen, als bisher gezahlt wurden, niemand mehr existenzfähig bleiben könne. Als warnendes Beispiel führen sie an, daß in einer Fabrik die mit dem Verzieren der Leisten beschäftigten Mädchen bei an- gestrengter Akkordarbeit nur den geringen Wochenlohn von 0 bis 9 M. verdienten.
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