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Freitag, 24. Dezember 1909. Partei- Hncfelcgcnbeiten« Zur Lokallistr. Auf Wunsch der Parteigenossen von Zehlcndorf- Wannsccbahn weisen wir nochmals darauf hin, datz die dortigen LokaleK a i s e r h o f", Potsdamer Strake,F ü r sl e n h o s" mit Stehbierhalle am Bahnhof, Hauptstrahe, und B r u h n, Machnower Straße 2 der Arbeiterschaft seit Jahren beharrlich verweigert werden. Wir ersuchen daher, den Lokalkampf unserer Genossen, der gleichzeitig ein Kampf um die Gleichberechtigung mit den anderen Parteien ist, tatkräftig zu unterstützen. In Bicsdorf-Süd steht uns das LokalGustav Exners Gesellschaflshaus", Köpenicker Straße 25, zu den bekannten Bedingungen zur Verfügung. Die Lokalkommisfion. Weihuachtsveranstaltuugen haben auch in diesem Jahre versckiedene Wahlvereine in Aussicht genommen. Es kommen folgende Arrangements in Frage: Zweiter Wahlkreis. Sonnabend, den 2S. Dezember sl. Wcihnachtsfeiertag), abends 6 Uhr, in den Gesamträumen der Viktoria-Brauerei", Lützowstr. lll: Winterfest. Mitwirkende: Berliner Sinfonie-Orchesier, Herr Fr. Grosse lCcllo), Gesangverein »Liedertafel-West". Nachher Ball. Eintritt 3l> Pf. Vierter Wahlkreis. Sonntag, 26. Dezember(zweiter Weihnachtsfeiertag): Zwei große Matineen in Kellers Fest- s ä l e it, Koppcnstraße 29, unter Mitwirkung der Konzertsängerinnen Fräulein Hedwig Geißler, Fräulein Marianne Geyer und des Rezitators und Dialekthumoristen Otto Wiemer : im Konzerthans Sanssouci, Kottbuser Straße 6. unter Mitwirkung der Frau Margarete Walkotte und deS Trios der Herren R. Kurich, W. Deckert und F. Gutdeutsch. Eröffnung 11 Uhr. Billett 30 Pf. Anfang präzise 12 Uhr. Wir ersuchen die Mitglieder und deren Angehörige, sich rechtzeitig mit Billetts zu versehen, da offene Kasse nicht stattfindet. Sechster Wahlkreis. Sonnabend, den 2 3. Dezember, mittags 12 Uhr(1. Weihnachtsfeiertag): Große Matinee im Berliner Prater, Kastanien-Allee 7 9. Mitwirkende: Berliner Ulk-Trio, GesangvereinHilaritas", Freie Turner der Schönhauser Vorstadt, Zivil-Berufsmusiker. Sonntag, den 26. Dezember, mittags 12 Uhr(2. Weih- nachtsfeiertag): Sechs Matineen in folgenden Lokalen: Prachtiäle Nordwest, Wiclesstr. 24: Patzenhofer Brauerei, Turm- straße 23/26: Ballschmieders Etablissement, Badstr . 16: Jos. Fraukes Festsäle, Badstr . 19: Bernhard Rose-Theater. Badstr. 37: Germania - Säle, Chausscestr. 119. Mitwirkende: Berliner Nlk-Trio, Berliner Humor-Trio, Bolkssängergesellschaft Hugo Anke, Apollo-Sänger, Volkssänger- Gesellschaft Strzelewicz, Paul ManthcysLustige Sänger", Mundhannonika-VereinVorwärts", Elite-Orchester Fritz Blume. Gesangvereine: Liederlust II, Vereinte Sangesbrüder Moabit , Vereinigter Sängerchor Wedding ,Neu Erwacht". Freie Turner und Zivil-Lcrufsmusiker. Sonntag, den 26. Dezember, nachmittags 6 Uhr: Heiterer K u n st- und M u s i k a b e il d in den P h a r u s- Sälen, Müller- straße 142. Mitwirkende: Berliner Ulk-Trio, Tietzsche Konzertkapelle, Lotte Frapk(Soubrette), Herr Fritz Richard vom Deutschen Theater. Rixdorf. Den Parteigenossen zur Nachricht, daß die Bibliothek de ? Wahlvereins vom 24. bis 27. Dezember geschlossen bleibt. Wiedereröffnung Dienstag, den 28. Dezember, abends 7 Uhr. Die Bibliothekskommisfion. Schönebcrg. Die am Dienstag, den 23. Dezember fällige Wahlvereinsversammlung fällt aus. Am Montag, den 27. d. M. :(8-> Wcihnachtsfeiertag) veranstalten die Genossinnen in den Räumen der Neuen RathauSjäle. Meiningerstraße 8. eine Märchenaufführung: Der Fischer und sine Fru", dargestellt von Kindern. Kaulsdorf N.-B. Wir machen die Genossen, namentlich die- senigcn, welche während der Feiertage hierher koinmen, darauf auf- merksam, daß uns das Hamannsche Lokal(Inhaber Kobelt), Frank- furter Chanssee, nach wie vor zu Parteizwecken verweigert wird und ersuchen dringend, dieses zu beachten. Für den persönlichen Verkehr steht das Lokal von Götze an der Frankfurter Chaussee zur Ver- fügung._ Die Bezirksleitung. Beniner JVacbncbtcn. Der moderne Tannenbaum. Weihnachtsmann und Schutzmann sind niemals rechte Freunde gewesen. In den letzten Jahren hat sich die Polizei- obrigkeit innner mehr bemüht, ihre Nase recht tief auch in den Weihitachtskram zu stecken. Den kleinen Strahenhändlern, welche ja nunmehr voni Berliner Wcihnachtstrubel endgültig abgesägt sind, was im Prinzip des Kinderschutzes zweifellos sein Gutes hat, wurde von unseren Schutzleuten noch vor Jahresfrist scharf auf die Finger gesehen, und vielen großen Geschäftsleuten wird auch in Zukunft die Weihnachtsfreude durch übereifrige Polizeier mit einem Strafmandat versalzen werden. Noch hat ja der Weihnachtsmann nicht offiziell Ein- kehr gehalten, aber schon macht die Polizei gegen ihn mobil. Angeblich auf Veranlassung der Steuerbehörde läßt sie die bereits auf den Engrosmärkten lagernden Tannenbaum- bestände revidieren. Moloch Staat schenkt dem Volke selbst zumFeste der Liebe" nicht die geringste Kleinigkeit. Er nimmt, was er kriegen kann, und sorgt dafür, daß selbst die Preise für Tannenbäume kräftig in die Höhe gehen. Kostet der elendeste Tannenstrunk mehr als ein Vier- groschenbrot, dann muß der bescheidenen Proletarierfamilie der moderne Ausputz des Weihnachtsbaumes doppelt schwer fallen. Das sogenannte Christkind ist verteufelt anspruchs- voll geworden. Längst begnügt es sich nicht mehr mit grünen Zweigen, harzigem Tannenduft und schmalen Dreierlichten. Auch die Weihnachtstanne hat die Mode unserer nach außen hin so talmiglänzendcn Zeiten mitgemacht. Sie läßt sich putzen und schmücken wie ein eitles Frauenzimmer, das alle natürliche Aninut unter hohlem Tand versteckt. In unserer Jugend, noch vor zwanzig und dreißig Jahren, feierten wir Weihnachten anders, vielleicht besser und innerlicher Die ganze Familie war in den paar freien Abendstunden vor dem großen Tag damit beschäftigt, den Schmuck des Tannen- baums mühsani mit eigenen Fingern zu basteln. Da wurden bunte Pov'-rketten gcklebf, leuchtende Sterne geschnitten, Acpfel und Nüsse vergoldet und versilbert. All den liebevoll zusammengefügten Wcihnachtskram hing man nebst Pfeffer- kuchenfiguren und Zuckerkringeln an Wollfäden über die Zweige, und zuguterletzt kam als Prunkstück auf die Spitze eine goldene Pappsonne oder ein wächserner Engel. Solche selbstgefertigte Einfachheit, über die doch helle Freude herrschte bei Groß und Klein, sieht man heute selten. Wer das Geld dazu hat, kann seinen Tanncnbaumschmuck bis auf das letzte Stückchen fix und fertig kaufen und sich für wenige Tage einen Glanz vorzaubcrn, gegen den die rauhe Wirklichkeit ge- wältig absticht. Diese moderne Industrie des Christbaum- schmucks hat sogar einen Aufschwung genommen, an den man vor wenigen Jahren noch nicht dachte. Was da alles erfunden und hergestellt wird, isk oft bewundernswert, aber auch nichts für arme Leute. Der Appetit kommt hier beim bloßen An- sehen. Doch überlegt man es sich richtig, so ist ein Weihnachts- stallen oder auch nur ein Viergroschenbrot nützlicher als die glitzernde gebrechliche Ware, die das Auge, aber nicht den knurrenden Magen erfreut. Ist nicht auch dieser Luxus am Weihnachtsbaum des Reichen ein Zeichen unserer Zeit. In gar vielen Familien, bei denen das Geld keine Rolle spielt, brennen am Weihnachts - abend Tannenbäume, deren Herstellung einen Bläuling und mehr gekostet hat. Die Stearinkerze mit ihrem milden flackernden Licht ist durch die elektrische Glühbirne in allen Farben ersetzt. Der Fuß des Baumes wurzelt in einem mecha- nischen Musikwerk, und gefallsüchtig dreht sich das Ganze im Kreise. Unter Gold- und Silberslittern sind die grünen Tannenzweige kaum sichtbar. Rings auf den Gabentischen liegt ein halbes Warenhaus aufgestapelt. Blasiert machen die an Pracht gewöhnten Wohlhabenden den christlichen Rummel mit. Keine reine Freude kann in ihren versteinerten Herzen aufkommen und auch kein Funke von Gefühl, ob wohl jenen, die all den glänzenden Kram in schlecht bezahlter Arbeit ge- fertigt haben, heute auch der Tannenbaum strahlt. Sie können sich nicht hineindenken, daß in Tausenden von Familien auch am Weihnachtsabend die Sorge vor der Tür steht. Und wer doch mit den letzten zusammengekratzten Groschen seinen Lieben einen bescheidenen Tannenbaum aufgebaut hat, dem leuchtet trotz der pochenden Not wenigstens für kurze Stundin die echte Freude aus den Augen. Wintersonnenwende. Dem Tag, da die Sonne endlich ihren tiefsten Stand er- reicht, um sich zögernd aus ihrer gedrückten Stellung auf- zurichten wie ein vom Schicksal gebeugter Wanderer, der neuen Mut zu schöpfen beginnt, sehnt alles Lebendige sich entgegen. Nicht bloß der Mensch, der die Wintersonnenwende im vor- aus berechnet und schon in uralten Vorgcschlechtern seinen Kultus mit dieser Erscheinung getrieben hat, sondern auch Tier und Pflanze. Sie rechnen nichts aber sie fühlen, gleich- viel mit oder ohne Bewußtsein. Denn jedem Leben ist Empfindung gemeinsam. Wenn es bergab geht, der Kampf um die Existenzbedingungen immer schwerer wird und der Frost ans Herz greift,' dann wird im gleichen Maße die Empfindung stärker, daß der Tiefpunkt erreicht werden wird und die Zukunft wieder ein Aufsteigen bringen muß. Das Periodische beherrscht alles was lebt, wie es auch alles beherrscht, was wir tot nennen, weil wir sein Leben nicht sehen. Draußen hat alles die Energie des Lebens auf den kleinsten Punkt gestellt. Es ist Schlafenszeit. Am schlimmsten geht es der höheren Tierwelt, soweit der Winterschlaf bei ihnen nicht zur ständigen Institution geworden ist. Die Vögel, die bei uns ausharren, kennen diese Einrichtung nicht, sie läßt sich mit ihrem heißen Blute nicht vereinigen. Jeder Winter fordert viele Opfer unter ihnen. Auch Meister Lampe und den Rehen wird übel mitgespielt, wenn der Schnee zu tief und zu lange liegt. Besser hat eS das Eichhörnchen, das abwechselnd schläft und bei schönem Wetter erwacht, um Exkursionen nach seinen Haselnuß- und anderen Vorräten in hohlen Bäumen zu unternehmen. Das Kleinzeug aber schläft im Schlamm der Teiche, der Seen, in Erdlöchern und zil Myriaden in den Moospolstern und im Mulm des Waldbodens. Bald wird die Sonne wieder höher und höher steigen. Unmerklich und doch stetig wird sich die Kraft ihrer Strahlen steigern, und während der Kalender noch Monate hindurch den Winter anzeigt, und Schnee und Eis die Fluren decken, ist der Beginn des Winters doch nur der Anfang seines Endes._ lieber Mißerfolge des AchtklassensystemS der Gemeindeschule wurde in der letzten Stadtverordnetensitzung wieder von Wortführern der freisinnigen Mehrheit geklagt. Was von solchem Gerede zu halten ist. zeigte ihnen unser Redner Genosse Borgmann. Es ist vielleicht nicht überflüssig, daß wir auf den Gegenstand noch einmal zurückkomme». Gerade die Uebersicht über die Gemeindeschul- frequenz, die den Anlaß zu dieser Debatte über den Wert oder Unwert de? AchtklassensystemS gab, bestärkt uns nur noch in der Meinung, daß die Erfolge des Achtklassensystems sich von Jahr zu Jahr bessern werden. Wieder hat in dem laufenden Winterhalbjahr, auf daS die Frequenzübersicht sich beziehlt, die Zahl der in die obersten Klassen aufgerückten Kinder zugenommen. Ueberblicken wir den Zeitraum vom Winterhalbjahr 1997/98 bis zum Winterhalbjahr 1999/19, so sehen wir, daß die Gesamtzahl der Gemeindeschulkinder Berlins infolge deS Rückganges, der in 1998 begann, jeyt niedriger ist als Ende 1997. Vermindert hat sich aber die Zahl der Kinder nur in den unteren und in den mittleren Klassen, in den oberen hat sie ununterbrochen sich vermehrt. Im November 1997, Mai 1993, November 1998, Mai 1999, No- vember 1999 wurden gezählt: in den zweiten Klassen 9319, 19 129, 19 177, 19 381. 19 398 Knaben und 19 696, 19 399, 19 683. 19 844, 11 259 Mädchen, in den ersten Klassen 4347, 4724, 4773, 4988, 3137 Knaben und 4736, 3924, 5973, 3363, 3421 Mädchen. Diese Zahlenreihen zeigen besonders für die ersten Klassen eine kräftige Aufwärtsbewegung, wobei immer zu beachten ist. daß im Lauf derselben fünf Halbjahre in den Gemeindeschulen Berlins die Gesamtzahl der Knaben von 112921 auf 112 380, die der Mädchen von 113 347 auf 114 798 sich ermäßigt hat. Wir dürfen erwarten, daß die Aufwärtsbewegung der Frequenz erster und zweiter Klassen fortdauern wird, so daß schließlich eine ausreichend große Zahl Gemeindeschulkinder in diese Klassen gelangt. Daß in einer achtjährigen Schulzeit sämtliche Kinder eS bis zur obersten Klasse bringen, wird sich selbstverständlich niemals erreichen lassen. Auch bei sieben, ja sogar bei sechs Klaffen würde das nicht möglich sein und ist e« nicht möglich gewesen. Die hemmenden Ursachen, die so manches Kind im Aufrücken beeinträchtigen, sind in der Stadtverordnetensitzung er- örtert worden. Auch Stadtschulrat Fischer hat sie bei der Feier der Einweihung der 399. Gemeindeschnle in seiner Festrede berührt. Unter anderem nannte er die zahlreichen Umzüge innerhalb der Stadt, die zu einer Umschulung der Kinder nötigen, auch die zahl- reichen Zuzüge von außerhalb, die den Gemeindeschulen Berlins für die nach außerhalb wegziehenden Kinder einen minder gut vor- gebildeten Ersatz zuführen. ES hätte nahe gelegen, hier auch auf diejenigen Umschulungen hinzuweisen, die die Schul- Verwaltung den nicht umziehenden Kindern auf- zwingt, weil sie der Ersparnis wegen die Klassen mög- lichst füllen will und minder gefüllte Klassen auflöst. Der Herr Stadtschulrat überging in seiner Festrede diesen Punkt mit völligem Stillschweigen. Weiß einer, wie groß alljährlich die Zahl dieser Um« schulungen ist? In den Verwaltungsberichten der Schuldeputation* finden wir Angaben über die Zahl der Kinder, die ihre Schulen verließen, ohne die Schulpflicht erfüllt zu haben, d. h. derjenigen Kinder, die lediglich ihre Schule wechselten(soweit sie nicht durch Tod ausschieden oder in Erziehungsanstalten gegeben wurden). Im Schul« jähr 1998/99 schieden aus ihren Schulen aus: 18 999 Kinder wegen Verzug innerhalb Berlins , 19 361 wegen Verzug nach außerhalb, 2234 wegen Uebertritt in höhere Lehranstalten, 243 wegen Ueberweisung in Fürsorgeerziehung, 336 durch den Tod. Außerdem wird für 8486Umschulung aus anderen Gründen" genannt. Was fürandere Gründe" können das sein? Wir müssen annehmen, daß wir es hier mit jenen Umschulungen zu tun haben, die die Schulverwaltung aus Ersparnisgründen den Kindern auf« zwingt. Die Zahl dieser Umschulungen ist in den letzten Jahren noch beträchtlich gestiegen: in dem Jahrfünft 1994/93 bis 1998/99 war sie 6637, 6396, 7318, 6796, 8486. Wie toäps, wenn die Schulverwaltung sich bemühte, wenigstens diese Ursachen der Beeinträchtigung des Unterrichts- erfolgeS zu beseitigen? Aber gerade hier, wo ihr die Möglichkeit gegeben ist, bessernd einzugreifen, wird sie eS nicht tun wollen. Unsere Gemeindeschulen werden die auf- gezwungenen Umschulungen behalten, weil nach einem Wort des Stadtschulrats Geni ein beschulen nicht niit höheren Lehran st alten zu vergleichen sind. Gemeindeschulen müssen es eben leiden, daß man sie nicht als einen Schul- organismus ansieht, sondern als ein Sammelsurium von Kindern, die man bald hierhin, bald dorthin schiebt. Gemeindeschulen nlüsien damit zufrieden sein, daß man ihnen die minder gefüllten Klassen auflöst und die überzähligen Kinder fremden Schulen zuweist. Und das um der Ersparnis willen! Neujahrsgrüße des Weltverkehrs. Seit einer Reihe von Jahren hat sich die Sitte herausgebildet, daß die großen Post- und Tele- graphenämter der ganzen Welt Neujahrsgrüße austauschen. Von Berlin aus werden nach allen wichtigen Hauptstädten des In- und Auslandes poetische Depeschen und künstlerisch ausgestattete Karten- grüße gesandt. Für die Glückwunschkarte der deutschen Reichspost wird sogar in der Regel eine Preiskonkurrenz ausgeschrieben. Hier gratulieren auch die großen Telegraphen- und Postämter unter sich mit bunten Karten. Die Zahl der Depeschen und Karten, welche aus allen möglichen deutschen Gauen und aus dem Auslande kommen, geht in die Hunderte. Sie zeigen gewöhnlich hübsche An- sichten der betreffenden Städte und sind in der Landessprache oder in mehreren Sprachen abgefaßt. Regelmäßig waren in den letzten Jahren unter anderem Oesterreich, England, Holland , die Schweiz , Amerika , die Türkei , Ostasien vertreten. Beispielsweise depeschierte Wien vor Jahresfrist an Berlin die folgenden launigen Knittelverse: Im neuen Jahre 1999 Da wollen wir's wie un'sre Kanzler halten, Ob auch Gefahren uns umdräun, Wir bleiben doch die festverbundenen Alten. Schon Schiller sagt, daß Treu ' kein leerer Wahn, Und Schiller hat von Bülow nichts gewußt Und nichts, wie unten am Balkan Man die Völker gegen Oestreich hußt. Hauptsache bleibt aber doch derDraht", Selbstverständlich, wenn man ihn hat. Drum bring' auch das neue Jahr so viel Geld, Als man in Berlin Denkmäler zählt. Wir schreiben Herrn Kraetke an der Jahreswende aufrichtig inS Weltverkehrs-Staminbuch: Halt nicht mehr Neujahrskarten feil Und setz' Dich bald auss Altenteil! WieInterviews" deSBerliner Lokal-Anzeiger" zustande kommen. Die Sucht desLokal-Anzeigers", bei allen möglichen Gelegen- heiten bestimmte Personen interviewen zu lassen und das Ergebnis in sensationell aufgeputzter Weise seinem Lesepublikum brühwarm vorzusetzen, hat dem Scherlblatt wieder einmal eine arge Blamage eingebracht. Zum Ausgang des Kwilecki-ProzeffeS brachte derLokal-Anz." ein längeres Interview mit dem Posener Rechtsanwalt Landsberg, dem Vertreter der Frau Mayer. Nun teilt Justizrat Landsberg in denPos. Neuesten Nachr." mit, daß er ein solchesInterview" mit niemand gehabt habe. Auf das telegraphische Ersuchen eines Berliner Herrn habe er eine Ausfragerei abgelehnt und nur lediglich ein paar Fragen beantwortet. Daraus habe nun derBerl. Lok.-Anz." ein langes Interview konstruiert, dem er auf keinem Fall beistimmen könne. Justizrat Landsberg verwahrt sich ausdrücklich gegen dieseblöden, seiner Anwaltsstellung und seiner Ueberzeugung widerstreitenden Be- merknngen." Justizrat Landsberg hat ein Schreiben an die Redaktion des L.-A." gerichtet und den Abdruck desselben verlangt. In seiner gestrigen Morgenausgabe bringt der �,L.-A." nur eine kurze Bemer- knng aus dem Schreiben und wie wir konstatieren können, unte.r Weglassung der scharfen Worte. Das Originalschreiben, das in den Pos. Neuest. Nachr." veröffentlicht ist, wird sich Herr Scherl wohl nicht hinter den Spiegel stecken. Eisenbahnunfall. Nach amtlicher Meldung ist in vergangener Nacht, 1 Uhr 35 Minuten, bei der Einfahrt des letzten fahrplan- mäßigen StadtbahnzugeS in Bahnhof Charlottenburg in der Weiche 2 die Maschine und der erste Wagen des ZugeS entgleist. Die Auf- gleisung beanspruchte die Zeit bis 7 Uhr 23 Minuten morgens. Bis dahin wurde der Betrieb über die Ferngleise auftechterhalten. Per­sonen sind nicht verletzt worden. Der Schaden an den Betriebs- Mitteln und dem Gleise ist unerheblich. Ein Bauunfall, bei dem zwei Personen verletzt wurden, ereignet« sich gestern gegen Abend in der Kurfürstenstraße 113/116. Auf dem umfangreichen Grundstück führt der jüdischeBrüderverein zu gegen« seitiger Unterstützung" Neubauten auf. die im Rohbau fast fertig- gestellt sind. Gestern waren nun Arbeitee damit beschäftigt, in der Dachkonstruktion einen schweren Träger zu verlegen. Dieser ruhte an beiden Enden auf Holzblöcken und war zur Vorsicht angeseilt ivorden. Durch Zufall(jeriet nun einer der Holzblöcke ins Wanken, wobei auch zwer Arbeiter das Gleichgewicht verloren und mehrere Meter tief in daS oberste Geschoß hinabstürzten. Da sich sofort das Gerücht verbreitete, daß ein Teil deS Dachgeschosses ein­gestürzt sei und Personen unter sich begraben habe, so wurde die Charlottenburger Feuerwehr herbeigerufen. Diese brauchte jedoch nicht in Tätigkeit zu treten, da die abgestürzten Arbeiter bereits in Sicherheit gebracht waren. Ihre Verletzungen erwiesen sich glück- licherweise auch nicht als schwer. Beide konnten nach Anlegung von Verbänden ihre Wohnung aufsuchen. Unglaublich leichtsinniges Umgehen mit einer Schußwaffe hat abermals einen bedauerlichen Unglücksfall herbeigeführt. Vorgestern abend begab sich der Musikdirektor im königl. Opernhause Fritz Bäcker nach Erledigung von Weihnachtseinkäufen mit seinen beiden Söhnen im Alter von 8 und 19 Jahren nach einem Waffengeschäft in der Friedricbstraße, um einen Revolver entladen zu lassen. Der hier tätige 24 Jahre alte Angestellte Hugo Brandt ging mit der Waffe so fahrlässig um. daß sie sich plötzlich entlud und eine Kugel dem älteren Sohne Bäckers in die rechte Seite unterhalb deS Schulterblattes drang, die Lungenspitze durchbohrte und im Körper stecken blieb. Herr B. brachte den Knaben mittels Droschke nach dem Urbankrankenhause, wo er bedenklich daniederliegt. Daß ein