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Organ des deutschen   KriegerfmndeS, macht deshalb gegen die Lau- heit der Mitglieder scharf und verlangt strenge Maßregeln gegen diejenigen, die ihre patriotische Pflicht nicht erfüllen. In seiner Neujahrnunimer schreibt das ehrsame Vlatt: .... Tun die Kriegervereine bei den Wahlen ihre Schuldig- keit? Uns will eS nicht immer so scheinen. Denn wie hätte sonst die sozialdemokralische Hochflut so anschwellen können, wenn die 1,7 Millionen Mirglieder des Deutschen Äriegerbundes sämtlich auf der Wacht gestanden hätten? Wenn sie, einerlei welcher staats- erhaltenden Partei sie angehören danach haben wir nicht zu fragen dem roten Feind an der Wahlurne geschlossen entgegen- getreten wären. Auch hier ist eine Mahnung für die Vorsitzenden am Platze, es an Belehrung, Unterweisung und nötigenfalls an kräftigem Einschreiten nicht fehlen zu lassen." Deutlich wird in diesen Zeilen ausgesprochen, daß die Leiter der angeblich unpolitischen Kriegervereine ihre Gefolgschaft als Truppen zur Erkämpfung reaktionärer, volksfeindlicher Wahlsiege betrachten. Der eigentliche Zweck der Kriegervereine wird dadurch treffend klargelegt. Um so mehr»ruß sich jeder aufgeklärte, eine bessere Lebenslage erstrebende Arbeiter für verpflichtet halten, nicht einem Verein anzugehören, dessen Bestrebungen sich direkt gegen seine Klasseninteressen richten._ Ripplers Ende. Die rechtsnationaUibcralenHamburg  . Nachrichten' wußten vor einigen Tagen zu melden, die dem Bibliographischen Institut in Leipzig   gehörende Berliner  Tägliche Rundschau" sei an die national- liberale Partei verkaust worden. Das Nipplersche alldeutsch  -matt- konservativ-militaristisch-antiklerikal-antisemitische Schwatzblatt bestritt diese Meldung mit höchster Entrüstung. Trotzdem scheint die Ham- burger Meldung nicht so ganz aus der Luft gegriffen zu sein; denn der Berliner   Vertreter derMünchener Neuest. Nachr." telegraphiert seinem Blatt: Wir haben uns über die Nichtigkeit dieser Meldung beim hiesigen Zentralbureau der nationalliberalen Partei erkundigt und die Antwort erhalten, daß allerdings Verhandlungen wegen An- kaufs derTäglichen Rundschau" schweben, aber noch nicht zum Abschluß gebracht seie n." Das Organ der Nationalliberalen war bisher dieNational- Zeitung", die vor längerer Zeit mit der freikonservativenPost" verschmolzen wurde. Das geschah in der Weise, daß dieNational- zeitung" drei Seiten aus dem Text derPost" bekam und nur noch auf der ersten Seite nationallibcral sein durfte. Damit hatte das Blatt seine an sich schon recht minimal gelvesene politische Bedeutung eingebüßt. Kommt der Ankauf derTäglichen Rundschau" zu stände, dann dürsten die Tage derNational-Zeitung" gezählt sein. Eine lustige Frage ist es, ob die Skippler-Neumann und die anderen journalistischen Kapazitäten, die bisher dieTägl. Rundschau" leiteten, auch nach dem Besitztvechscl das Blatt weiter redigieren werden. Eigentlich sollte eine solche Möglichkeit für ausgeschlossen gelten; aber die Ehrbegriffe im alldeutsch  - nationalen Lager sind oft etwas qualliger Natur. Allerdings konimt es ja nicht nur aus die Herren Rippler und Neumann an, sondern auch auf die neuen Besitzer, und wie diese über die journalistischen Qualitäten der bisherigen Leiter derTägl. Rundschau" denken, ist nicht bekannt. Kommunalwahlen. An den GemeindeauSschuß wählen im bremischen Land gebiet, die im Dezember vollzogen wurden, beteiligte sich die Sozialdemokratie zun: e r st e n Male allgemein. Von den zur Wahl stehenden Mandaten wurden achtzehn erobert und drei mit Erfolg verteidigt. Damit ist die Sozialdemo« lratie in zehn von den fünfzehn Landgemeindeausschüssen ein- gedrungen und hat von den 84 Sitzen der zweiten Klasse dreißig mit ihren Vertretern besetzt. Bei der Gcmeinderatswahl in R a u s ch a bei Oelsnitz i. V. er- rangen unsere Genossen ohne Kainpf ein neues Mandat. In sicherer Voraussicht einer Niederlage halten die Gegner keinen Kandidaten aufgestellt._ Klerikale Wahlpolitik. Wie jetzt ans Anlaß eines Protestes gegen die Gültigkeit der Stadtverordnetenwahl der zweiten Klaffe' in K ö l n bekanntwird, hat man auf feiten der Zentruinspartei mit den schofelsten Mitteln gearbeitet. Die Leitung der Wirtevemnigungen hatte alle Stadt- verordnctcnkandidaten über ihre Stellung zur Schankkonzessionsstener befragt. Die Erklärungen von drei liberalen Kandidaten wurden aber der Oeffentlichkeir sowohl als den LLwten im Interesse der Zentrumspartei   vorenthalten. Ferner richtete der Zentrums-Stadtverordncte I. Comp, ein Restauratenr, in letzter Stunde ein Rundschreiben an die Wirte, die fast einmütig dem Zentrum wegen seiner Steuertaten bei der Reichsfinanzrefocm die Stimme verweigerten. Stadtv. Comp machte in dem Rundschreiben für daS Zentrum Stimmung, indem er auf dessen angebliche Verdienste um den Mittelstand hinwies und schließlich schrieb: Ich erwarte als Kollege, daß Sie im Interesse unsere? Wirte- standcS nach Erhalt dieses das Versäumte nachholen: denn nur dann kann ich erwarten, daß die Kölner   Zentrums- fraktion in ei neu Anträgen wie bisher auch in Zukunft freundlich gegenüberstehe.... Ich möchte Sie daher nochmals ebenso freundlichst wie drinegnd bitten, sich sofort zur Wahl zu begeben und Ihre Stimme für die Kandidaten des Zentrums abzugeben. Josef Comp Restauratenr und Stadtverordneter." Dieser Zentrums- Stadtverordnete gibt also unumwunden zu, daß seine Partei bei der Verwaltung der Gemeindeangelegenheile» sich nicht davon leiten läßt, was das Gemeinwohl und die Gerechtigkeit erfordern, sondern daß ihre Be- kchlüsse durch die Wahlpolitik bestimmt werden. Eine stürmische Sitzung zeitigte im D r e s d e n e r S t a d l p a r l a n, e n t die Verhandlung über einen Antrag, der eine Reform des Religionsunterrichts, in erster Linie Verminderung der Religions stunden in der Volksschule und eine Neusichtung des Memorierstoffes, forderte. Der ganze Antrag war eine freisinnige Halbheit, die im NechlsauSfchuß noch stark nationalliberal verwässert worden war. Von sozialdemokratischer Seile wurde das durch den Stadtv. Nitzsche gebührend gekennzeichnet und im Anschluß daran der Religionsunterricht in den Volksschulen einer scharfen Kritik unter- zogen. Die bürgerliche Mehrheit begleitete diese Ausführungen mit Lärm und mimte laut Entrüstung über verletzte Gefühle. Ein halbes Dutzend liberaler und konservativer Redner fielen über den sozial- demokratischen Redner her, den sie aber dann durch einen Schluß- ontrag das Wort abschnitten, wogegen die Sozialdemokralen lebhaft aber vergeblich protestierten. Die stürmische Debatte wird aber den Vorteil haben, daß der Widersinn des heutigen Religionsunterricht« ins Licht gerückt worden ist. DaS tut in Sachsen   besonders not, wo der ReligionSniitcrricht noch in orthodox-dogmatifcher Weife so reichlich verzapft wird wie kaum in anderen deutschen   Staaten. Die stnatsgefährliche Jugend von Breslau  . Am Sonntag fand in Breslau   eine vom Jugendausschuß ein- berufene öffentliche Versammlung statt, in der Genosse Müller über:Wesen und Ziele der Arbciter-Jugendbewcgung" sprach. Trotzdem die Versammlung keine politische war, und als solche auch nicht bekannt gemacht worden war, hielt es die Breslauer Polizei doch für notwendig, die Versammlung als eine p o l i- tische zu betrachten. Der Einspruch des Einberufers gegen diese Bevormundung und der Hinweis auf das Reichsdereinsgesetz, wo- nach Jugendliche in politischen Versammlungen nicht anwesend sein dürfen, fand vor den Augen des überwachenden Kommissars keine Gnade. Ausdrücklich erklärte dieser, daß er Befehl vom Präsidenten habe, die Versammlung der Jugendlichen genau so belegen" zu lassen, wie jede große politische Versammlung. Außerdem wies der Kommissar noch darauf hin, daß ein 20 Mann starkes Wachtaufgebot für den Gewerkschaftshausdienst bereit sei. Die Versammlung nahm, nachdem das Verhalten der Polizei gehörig gegeißelt worden war, ihren normalen Verlauf. Es wird aber Beschwerde erhoben werden. DieBrandenburgische Wacht" in Verlegenheit.' DieBr. W." veröffentlicht in ihrer Nummer vom 1. Januar im Briefkasten folgende Notiz: Vorwärts. Wir haben ja nichts dagegen, daß unsere Br. W." vor Schere und Kleisteriopf Ihres Redakteurs nicht sicher ist. Sie sollten aber wenigstens so viel Anstand befitzen, die Quelle Ihrer Veröffentlichung anzugeben." Dieses Verlegenheitsgestammel soll anscheinend eine Entgegnung auf unsere Notiz in der Donnerstngnummer desVorwärts" sein. Wir können derBr. W." versichern, daß wir zur Feststellung deutsch  - nationaler Heuchelei weder Schere noch Kleister gebrauchten. Be- zeichnend ist es, daß dieBr. W." auf die Sache selbst nicht ein- geht und daß das betreffende Inserat auch in der neuesten Nummer derBr. W." wieder abgedruckt ist. Die Quelle unserer Veröffent- lichung war eben dieBr. W.". Eine Amnestie in Sachsen-Weimar  . Der Großherzog von Sachsen-Weimar   hat aus Anlaß seiner heute stattfindenden Vermählung eine Amnestie erlassen. Sie um- faßt alle bis zum 4. Januar ergangenen Urteile wegen Ueber- tretungen und Eigentumsvergehen, die mit Haft oder Gefängnis bis zu 2 Monaten oder Geldstrafe bis zu 300 M. geahndet sind. 0ePterreick-(lngarn. Die ungarische Krise. Wie«, 4. Januar. Dr. von Lukacs wurde heute in anderthalbstündiger Audienz vom Kaiser empfangen und zum ungarischen Ministerpräsidenten ernannt. Damit erreicht die mit der zweiten Demission des Kabinetts W e ck e r l e am 23. September ausgekrochene Ministerkrise ihr End s. Dr. von Lukacs reist heute nachmittag nach Buda- Pest zurück und wird sich dort mit den Persönlichkeiten in Ver- btndung setzen, die er zum Eintritt in sein Kabinett bewegen will. Er wird dann in einigen Tagen wieder nach Wien  zurückkehren und dem Kaiser seine fertige Ministerliste vor- legen. Die Entlassung des Kabinetts Wekerle wird jedenfalls schon früher erfolgen. Spanien  . Fortdaner der Reaktion. Die Kriegsgerichte in Barcelona   arbeiten ununter- brachen weiter.' Der Genosse Jaime Rodriguez, der von Klerikalen als Aufruhrer denunziert worden ist, wurde zu IS Jahren, andere unter gleicher Beschuldigung zu 10 Jahren und zu lebens- länglichem Zuchthaus verurteilt. Der republikanische Ge- meinderat Benito C o n d e ist wegen eines Wahlflngblatts, in dem die militärische Gewaltherrschaft gekennzeichnet ist, vor dem Kriegs- gcricht angeklagt worden. Soziali st ische Gemeinderäte sind insgesamt öS ge­wählt worden. Davon entfallen auf Madrid   2, die meisten auf den industriellen Nordwesten(Bilbao   ö, Santander, San Sebastian  , Oviedo   je 2 usw.). Snglsncl. Wahlreden. London  , 4. Januar. Der Staatssekretär für Irland, B i r r e l l, sagte in einer Rede, die er gestern in Bristol   hielt, er verurteile aufs strengste den Versuch eines Teils der Presse, den Geist der Feindseligkeit gegen Deutschland   zu entflammen. Staatssekretär Gr eh erklärte in Craster(Northumberland  ), die Regierung werde die Oberherrschaft zur See sicherstellen. Der Sekretär der Landesverteidigung, P e a s e, der in. Saffron  - Waldcn sprach, bezeichnete die Seemacht Englands der deutschen  gegenüber als überwältigend. In 2M Jahren, wenn Deutschlands  Sckfiffbauprograimn ausgeführt sei, werde England S 4 Schlacht­schiffe haben gegen 41 der deutschen   Flotte. Chambcrlains Wahlmanisest. London  , 3t. Dez.(Eig. Ber.) Trotz seines hohen Alters und leidenden Zustandes wurde Mr. I. Chambcrlain als Kandidat in seinem Wahlkreise West-Birmingham aufgestellt. Er erließ ein Manifest an seine Wähler, das tatsächlich das Manifest der Konservativen ist und in dem gesagt wird:.... Die Wahlen werden ioahrscheinlich mehrere Fragen entscheiden. In erster Linie werden sie das Schicksal des Etats besiegeln. Ich kann nicht glauben, daß Sie dem Etat Ihre Unterstützung geben werden. Angeblich besteuert er die Reichen mehr als die Armen, aber er besteuert ungleichmüßig die Personen von gleichem Einkommen und legt die ganze Steuerlast auf unser Volt, ohne irgendwelchen Versuch zu machen, die Ausländer heranzuziehen, die unseren Markt in reichem Maße benutzen und gleichzeitig ihr Mögliches tun, uns von ihren Märkten auszuschließen. Ich glaube, der Etat wird zur Wirkung haben, daß die Arbeitsgelegenheiten abnehmen und die Not zunimmt. Ich glaube, daß die Lords durch ihre Verweisung des Etats an das Land nicht über die Befugnisse einer Zweiten Kammer hinausgegangen sind. Der Premierminister erklärte, der Etat sei ein Ersatz für Tarifreform. Ich habe diese Frage studiert und ich bin der Ansicht, daß die Zeit reif ist für einen Tarif, der auf einer anderen Grundlage beruhen soll als auf der von CobdenS Ansichten, die seit 60 Jahren vorherrschend in diesem Lande waren. Cobdens Ansichten mögen gut gewesen sein für eine Zeit, in der wir ein Produktionsmonopol hatten. Die Verhältnisse haben sich in- zwischen geändert und wir dürfen, ohne Inkonsequenz und ohne Aendcrung unserer Ziele, den geänderten Verhältnissen Rechnung tragen. Wir haben die Gelegenheit, einen größeren Anteil am Handel unserer Schwcstcrnationen zu erwerben. Unsere Kolonien sind bereit, uns entgegenzukommen, wenn wir in ein System der Gegenseitigkeit einwilligen wollen. Die gegenwärtige Regierung lehnte jede Konzession ab; schon aus diesem Grunde bin ich der Ansicht, daß sie unfähig ist, unsere Staatsgeschäfte vorteilhaft zu leiten. Sie läßt sich offenbar von Vorurteilen beherrschen, und sie ist entschlossen, am CobdeniSmus fcstAlhaltcn, trotzdem er für unsere Zeit nicht mehr paßt. Wenn Sie der Regierung eine Niederlage bereiten, so werden wir imstande sei», ein neues System zu versuch:», das das einzige Mittel gegen Arbeitslosigkeit ist und einen bedeutenden Schritt zur Rcichsvcreinigung darstellt. Wenn wir diese Gelegenheit verpaffen, so dürfte es schwerlich eine andere geben, diese Ziele zu erreichen. Es ist indeS nicht genug, auf das hinzuweisen, was die Re- gierung nicht tun will; es muß auch auf das hingewiesen werden, was sie tun will. Der Premierminister sagte uns, die Regierung werde so bald als möglich den Iren Homcrule gewähren. Sie wird es sicherlich tun, um so mehr als sie gleichzeitig bemüht ist, das Vetorecht der Lords zu beschränken. Homerule ist aber eine innere und äußere Gefahr.... Die Gefahr ist so groß, daß jeder Wähler, dem der britische Name teuer ist, die Pflicht hat, diese Verschwörung unmöglich zu machen. Abgesehen von der Haltung der Regierung gegenüber Tarif- reform und Homerule ist ihre Politik in Sachen der Landes- Verteidigung ganz unbefriedigend. Es ist meines Erachtens über allem Zweifel erhaben, daß unsere Rüstungen, besonders die zur See, unseren Bedürfnissen nicht mehr entsprechen. Das einzige Mittel ist, diese Regierung zu beseitigen, denn sie entwaffnet unser Land. Sie haben sich über alle diese Angelegenheiten auszusprechen. Sie haben sich zu entscheiden, ob Sie durch eine Kammer oder durch zwei Kammern regiert werden wollen; ob Sie die Vereinigung mit Irland aufrechtzuerhalten wünschen; ob Sie unsere Landwirtschaft und unsere Industrie beleben oder entmutigen wollen; schließlich, ob Sie die Einladung unserer überseeischen Blutsverwandten, den Reichshandel und die Reichsmacht durch Vorzugstarife zu stärken, anzunehmen oder zu verwerfen wünschen." In keinem anderen Wahlmanifest der Konservativen(Unio- nisten) sind die Wahlfragen so klar auseinandergesetzt wie in dem oben gegebenen. Chamberlain ist immer noch der leitende Geist seiner Partei. Schweden  . Eine Neujahrsbcscherimg. Die schwedische Regierung veröffentlichte zum Jahreswechsel einen Vorschlag zur ErboHung des Kosfeezolls von 12 auf 18 Oere pro Kilo. Die Jahreseinnabmen aus den, Kaffeezoll sollen dadurch von 4 Millionen Kronen auf 6 Millionen steigen. Schweden   ist neben Holland   das am meisten Kaffee verbrauchende Land Europas  . Es kommen auf den Kopf der Bevölkerung ungefähr 6>/a Kilo im Jahr und die Einfuhr bewegte sich in den letzten Jahren zwischen 32 und 35 Millionen Kilo.Socialdemokraten" fordert Prolestversamm- lungen im ganzen Lande gegen das ungerechte und kulturwidrige in- direkte Sienersystem auf, das die wichtigsten Lebensmittel unerhört verteuert und nun durch die Kaffeezollerhvhung noch weiter aus- gedehnt werden soll. Orkei. Talaat   Bey. Konstantinopel, den 30. Dezeinber.(Eig. Ber.) Gestern hatte ich mit dem Minister des Innern, Talaat Beh, eine Unterredung über die inneren Verhältnisse in der Türkei   und die Absichten der Regierung. Talaat Bey ist gegenwärtig der beliebteste Minister in der Türkei  . Seine Popularität hat er durch seinen demo- kratischen Charakter und seine Zugänglichkeit gewonnen. Die Worte des jungen Ministers klingen vielleicht ein wenig zu optimistisch, aber ohne Optimismus kann ein Staatsmann in der Türkei   nicht arbeiten. Ohne Glauben an die bessere Zu- kunft des Osmanischen Reiches   wäre es unmöglich, seine Kräfte für die öffentliche Tätigkeit anzustrengen. Talaat Bey glaubt an die Wiedergeburt seiner Heimat, und deshalb strengt er alle seine Kräfte an, um für die Türkei   möglichst schnell einen besseren Zustand zu erreichen, um so mehr, als jede Ver- säumnis für das Land fatale Folgen haben kann. Auf Ihre Frage," sagte der Minister,ob ich die Kon- stitution für gesichert und unerschütterlich halte, kann ich im positiven Sinne antworten. Die Hauptsache ist, daß die Volksmassen, wie schon längst überall in Europa  , so auch jetzt bei uns, die Vorteile der Konstitution verstanden haben und wohl erwägen, daß ihre Lage nur unter dem neuen Regime verbessert werden kann. In der Türkei   gibt es jetzt wenig- stens keine Gruppen, die reaktionäre Ansichten hätten nnd als eine Organisation handelten. Es sind nur einzelne Per- sonen, die in ihrem eigenen Interesse gegen die Konstitution sind, und für uns sind sie auf diese Weise nicht gefährlich." Auf meine Bemerkung, daß es schwer sein müsse, mit den Angestellten des alten Regimes eine schöpferische Arbeit an- zufangen, erwiderte Talaat  :Sie haben Recht, wir besitzen nicht die notwendige Zahl von Leuten, mit denen wir die Beamten Abdul Hamids ersetzen könnten. Aber wir haben mehrere höhere Schulen, deren Unterricht den Bedürfnissen des Staatsdienstes entsprechen. Und da die jungen Leute. die in diesen Schulen lernen, meistens der Idee der Freiheit ergeben sind, so bin ich überzeugt, daß wir in kurzer Zeit die nötige Anzahl von guten Beamten haben werden. Außer- dem wäre es falsch, zu meinen, daß alle Beamten des alten Regimes untauglich sind. Es ist ja wahr, daß es unter ihnen auch anständige Leute gibt, die zweifelsohne, wenn man ihnen nur die richtige Anleitung gibt, sehr nützliche Mitarbeiter sein können. Alles hängt also davon ab, wie sich die zentrale Re- gierung benimmt, weil das Beamtentum immer nach ihrer Pfeife tanzt. Es ist aber auch wahr, daß wir gegen die Be- amten, die uns als böswillige Gegner der Konstitution be- kannt sind, schonungslos vorgehen. Allein aus nieistem Mi- nisterium sind in Konstantinopel   270 Beamte entlassen worden. Man vermutet, besonders ini Auslande, daß wir vor diesen Leuten Furcht haben. Es ist aber ein komisches Mißverständnis. Die Entlasstnig der nichtswürdigen Beamten wird von der Bevölkerung mit großer Freude aufgenommen, und deshalb wäre es naiv, zu meinen, daß ihre Propaganda unter dem Volke Erfolg haben kann. Die Sympathien der Volksmassen sind auf der Seite der konstitutionellen Re- gierung, und deshalb haben wir vor niemand Furcht." Hier lenkte ich das Gespräch darauf, ob der Minister die lokale Autonomie nicht für zu zeitgemäß halte.Doch!" antwortete er.Neulich hat die Negierung einen Entwurf unter dem NamenWilajetgesetz" ausgearbeitet, der in einer Woche im Parlament eingebracht werden wird. Dann kommt die Reihe auch an die Reformierung der Stadtverwaltung I" Ueber die nationale Frage, diese schmerzhafte Stelle des »Osmanischen Reiches  , sagte Talaat  , daß er selbst und die Re- gierung Anhänger der kulturell-nationalen Autonomie seien. DaS Prinzip der Gleichheit aller Nationalitäten finde bereits seine Verwirklichung: die Militärpflicht sei z. B. auch auf christliche Nationen ausgedehnt. Weiter seien auch die Rechte der Muttersprache in den Volksschulen anerkannt. Ist die Frage des Kabinetts noch immer schwankend?" fragte ich Talaat Bey. Darüber werden wir bald, höchstens in zwei Tagen. sprechen." antwortete mit vielsagendem Lächeln der Minister. indem er sich zur außerordentlichen Sitzung des Ministerrates begab. Erst nach einigen Stunden habe ich den Sinn seiner Worte und die Bedeutung seines Lächelns verstanden: der Ministerrat beschloß die Demission des Kabilletts. Die Kämpfe in Ntmen. Konstentliioprs, 4. Januar. Im V erneu kam es zu Kämpfen zwischen türkischen Truppen nnd mehreren Stämmen, die nach großen Verlusten zurückgeworfen wurden. Auch in Divaniye im Wilajet Bagdad   haben türkische Truppen Nomadenstämme zurück- geschlagen, welche die Stadt angegriffeil hatten.