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Kümmerdaseiil stocke» bleibe», ansiait dah sie durch eine Voll- ansiiutzuns, der Produktionsfähigkeit unseres Kolonialbesitzes so- wohl selbst zu einem reicheren Dasei» emporsteigen als auch den Gesaintbau der humanen und nationalen Wohlfahrt freier in die Höhe richten helfen(sei es in Afrika , sei es in Europa ) diese Idee ist absurd," Herr Rohrbach bildet sich also ein: wenn trotz aller Kolouialpolitit immer noch in Deutschland unzählige Existenzen in einem proletarischen Kümmerdasein steckenbleiben", so liege das daran, daß die Eingeborenen in den Kolonien zu rücksichtsvoll behandelt worden seien! Gegen diesen Satz zu polemisieren, ist vor unseren Lesern überflüssig. Wir führen ihn nur an. weil er mit krasser Deutlichkeit zeigt, welche moralischen Verwüstungen das kapitalistische Denken sogar bei einem Mann van den hervor- ragenden geistigen und sittlichen Qualitäten Rohrbachs an- richtet. Sieht man genauer zu, so muß man nämlich erkennen, daß diese kolonialpolitische Moral in ihrer praktischen Betätigung zu de» Greueln führe» inuß, die der jüngst verstorbene belgische Leopold im K o n g o st a a t verschuldet hat. In der Tat, was ist es denn, das die gesamte Kultur- Welt dem Leopold-Shstenl zum Vorwurf macht? Die Tat- fache, daß eS jede Spur von Menschlichkeit gegenüber den Eingeborenen beiseite gesetzt hat, zu dem Zweck, Vorteil aus ihnen zu ziehen, oder wie mau mit Rohrbachs Worten sagen könnteeine Vollausnutzung der Produktions- fähigkeit seines Kolonialbesitzes" herbeizuführen. Das ist der Grund, weshalb Leopold die Eingeborenen am Kongo nicht nach ihrer eigenen Fasson" hat leben und sterben lassen, sondern ihnen, besonders fürs Sterben, eine andere Fasson vorgeschrieben hat. Als guter Christ konnte Leopold sich das leisten, denn auf dem Sterbebett hat er ja um Verzeihung für die Fehler gebeten, die er während seines LebeuZ begangen hat. Ihm kann also nichts passieren. In den letzten Wochen, kurz vor Leopolds Tode, sind wieder ein paar Bücher über die Kongogreuel erschienen, die zwar etwas wesentlich Neues nicht bringen, aber den hier erwähnten Zusammenhang klar beleuchten. Der Engländer Conan Dogle, bisher durch seine Sherlock Holmes-Geschichten bekannt, hat eine Schrift über das Aoiigo-Verbrechen ver­öffentlicht*), auZ der wir z. B. folgendes erfahren(Seite 15 und folgende): Im Jahre 1886 schloß eine lange(offizielle) Erklärung (der Kongorcgierung) mit den Worten:Verboten sind alle Hand- lungen oderllebereinkommen.welche geeignet sind.dieEingeborenen aus den von ihnen bewohnten Gebieten zu vertreiben oder sie direkt oder indirekt ihrer Freiheit oder Existenzmittel zu be- rauben." Vor dem Ende des Jahres 1887 war aber ein Gesetz veröffentlicht worden, welches genau die gegenteilige Wirkung erzielte. Durch dieses Gesetz wurden alle Ländereien, welche nicht tatsächlich von den Eingeborenen okkupiert waren, als Eigentum des Staates beansprucht. Man bedenke doch nur, was das heißt. In einem solchen Lande sind die Gebiete niemals tatsächlich von den Eingeborenen okkupiert. mit Ausnahme des unmittelbaren Bodens, auf dem ihre Dörfer stehen, und der dürftigen uni- liegenden Getreide- oder Manioc-Felder. Rings um diese winzigen Flecken dehnen sich die Ebenen und Wälder, welche die Wanderplätze ihrer Vorfahren gewesen waren und die alleinigen Gegenstände ihres Handels hervorbringen: Gummi, Farbholz, Copal. Elfenbein und Tierhäute. Mit einem einzigen Federzuge wurde in Brüssel alles von ihnen ge- nomine«, nicht allein das Land, sondern auch seine Produtte... Nachdem man sichjjas Land und seine Produkte gesichert hatte,, war der nächste Schritt, Arbeitskräfte zu beschaffen, mit deren Hilfe diese Produkte sicher eingeheimst werden konnten, In dieser Richtung wurde der erste definitive Schritt im Jahre 1888 getan... Der wirkliche Schutz des Schioarzen in Sandelsangelegenheiten würde sclbstverständlicherweise in der ewährung einer Löhnung bestanden haben, die ihn zur Verrichtung der Tagesarbeit hätte bewegen können, und in der Gewährung des Rechts, seine eigene Beschäftigung zu wählen.... Aber das erwähnte Gesetz gestattete die Aus- liefcrung der Schwarzen für Zeitperiodeu von sieben Jahren an ihre Herren zum Zwecke einer Dienstleistung, die tatsächlich von Sklaverei nicht zu unterscheiden war. Da die Verhand- lungen gewöhnlich mit demCapita", dem Aufseher, geführt wurden, so wurde der unglückliche, dienende Eingeborene von einer Hand in die andere überwiesen, ohne für sich Vorteile zu gewinnen und ohne eigentlich die Bedingungen seiner Knechtschaft zu kennen.... Major Parminter, der selbst im Kongogebiet Handel trieb, faßte die Verhältnisse im Jahre 1902 folgendermaßen zusammen:Die Anwendung der neuen Bestimmungen der Negierung bedeutet folgendes: Der Staat betrachtet das ganze Kongogebiet mitalleinigerAusnahme derDörferderEingeborenen und der dazu gehörigen Gärten als sein Privateigentum; alle Produkte dieses immensen Gebiets sind gleichsfalls sein Privat- cigentum und er monopolisiert den Handel. Was die ursprüng- lichen Besitzer, d. h. die eingeborenen Stämme betrifft, so werden sie enteignet auf Grund eines einfachen Zirkulars. In gnädiger Weise wird ihnen das Sammeln der Produkte gestattet, jedoch nur unter der Bedingung, daß sie dieselben dem Staate für einen Preis überliefern, den wiederum der Staat nach eigenem Gutdünken bestimmt... Im Januar 1892 schrieb'Distriktkommissar Baert:Die Eingeborenen des Distriktes Ubangi -Welle sind nicht berechtigt, Gummi zu sammeln. Sie sind benachrichtigt worden, daß ihnen die Erlaubnis hierzu nur unter der Bedingung gewährt werden kann, daß sie die Produkte ausschließlich dem Staate auS- liefern." Kapitän Le Marmel äußert sich ei« wenig später noch deutlicher folgendermaßen:Ich habe beschlossen, die Rechte des Staates über feine Domäne rücksichtslos zur Aus- führung zu bringen und ich kann deshalb nicht erlauben, daß die Eingeborenen irgend einen Teil deS Gummis oder Elfen­beins, der in der Domäne hervorgebracht wird, zu eigenem Nutzen ausbeuten oder an andere verkaufen. Händler, welche solche Früchte von den Eingeborenen kaufen oder zu kaufen versuchen, machen sich meiner Ansicht nach des Empfanges ge- stohlener Güter schuldig, und ich werde sie zum Zwecke der Strafverfolgung den gerichtlichen Behörden zur Anzeige bringen." Noch die folgende Stelle(S. 3031) mag wörtlich an­geführt werden: Nachdem der Staat, d. h. der König das ganze Land mit seinen gesamten Produkten für sich in Anspruch genommen hatte, war sein nächster Schritt die Einführung eines Systems, vernnttelst dessen die Produkte möglichst schnell und billig ge- sammelt werden konnten. Dasselbe lief darauf hinaus, daß die enteigneten und ironischerweifeBürger" genannten Ein- ") A. Conan Dohle, Das Kongo -Verbrechen, Deutsch von Abel- MuSgravo, Berlin 1909 bei Dietrich Reimer, 165 S. 1 M. geborenen gezwungen wurden, zum Nutzen des Staates die ihnen geraubten Produkts zu sammeln. Diesem Ziveck dienten zwei Mittel: Erstens Besteuerung, durch welche eine willkürliche Auflage(die dauernd wuchs, bis sie fast das ganze Leben der Eingeborenen in den Frondienst stellte) ohne irgendwelche Entschädigung verlangt wurde. Das andere Mittel war sogenannterTauschhandel", der darin bestand, daß man den Eingeborenen für ihre Waren nach eigenem Gutdünken willkürliche Preise bezahlte und zwar in der vom Staate selbst gewählten Tauschform, da eine Kon- rurrenz durch andere Händler nicht gestattet wurde... Konsul Thesiger sagte in einer Beschreibung dieses so- genannten Tauschhandels im Jahre 1908:Man verteilt die Waren, indem man dem einen Mann einen Hut, dem anderen eine eiserne Hacke gibt usw. Jeder Empfänger ist dann nach einem Monate für die Ablieferung einer gelvissen Quantität Gummi verantwortlich. Keine Wahl der Tausch- gegenstände ist gestattet, ebensowenig wie Zurück- Weisung derselben. Wagt jeniand einen Einwand, so wird der Gegenstand vor seiner Tür niedergeworfen, und ob er ihn aufnimmt oder nicht, der Mann muß am Ende des Monats die Ouantität Gummi abliefern. Die Gesamtmenge desselben wird immer so hoch angesetzt, wie sie von den Ein- geboreneu nur irgend beigeschafft werden kann." Uns dünkt, der Zusammenhang ist von einer grausamen Klarheit. König Leopold wolltedie Produktionsfähigkeit seines Kolonialbesitzes voll ausnutzen", d. h. so viel Gummi herausholen wie nur irgend möglich. Deshalb wies er es ganz nach Rohrbachschem Rezept weit von sich, die Schwarzennach ihrer eigenen Fasson leben und sterben zu lassen", und erreichte damit dann freilich, was Herrn Rohr- bach noch nicht gelungen ist: er hat seine Kolonie wirklich rentabel gemacht.Würde man." schreibt Conan Doyle S. 35,den Handel auf seine natürliche Basis stellen, dann mühten die gegenwärtigen Besitzer des Kongolandes viele Jahre hindurch, anstatt sich ihre Dividenden zu teilen, jährlich mindestens eine Million Pfund (zwanzig Millionen Mark) auf die Vcrlval- tung des Landes verwenden." Wie das Leopold-System gewirkt hat, ist bekannt, und es wäre ermüdend, all die Greuel und Scheusäligkeiten hier auf- zuzählen, die dort des Gummis wegen verübt worden sind und noch täglich verübt werden: die Verstümmelung von Männern, Frauen und Kindern durch Abhauen der Hände oder Beine, das Niedermetzeln ganzer Stämme, das Ver- brennen ganzer Dörfer usw. usw. Jedermann kann das im Conan Doyleschen Buche selbst nachlesen. Selbstverständlich wissen wir genau, daß Herr Rohrbach dergleichen nicht will. Aber es ist tatsächlich nur die Folge eines Systems, das sich auf seine Lehre stützt, die die Eingeborenen zugunsten desKulturfort- schritts" aufopfern will. Wie denn auch ähnliche Greueltaten in anderen Kolonien-- nur weniger bekannt ge- ivorden sind! Und so ist denn der neueste Ausspruch Rohrbachs ein Beweis des traurigen Verfalls der kolonialpolitischcn Moral. politifchc OebcrHcbt. Berlin , den 5. Januar 1910. Die schöne Pose. An dieglorreiche" Zeit des Kulturkampfes der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert ein Streit, der zwischen der Regierung des Reichslandes und den Bischöfen von Metz und Straßburg , den Herren Benzler und Fritzen, ausgebrochen ist allerdings verhält sich der jetzige Streit zu dem früheren ungefähr wie die Farce zur Tragödie, ganz in Uebereinstimmung mit der oft beobachteten geschichtlichen Tatsache, daß, wenn historische Vorgänge und Personen sich zweimal ereignen, das zweite mal nur eine Karikatur oder Persiflage auf das erstemal herauskommt. Der Anlaß zu dem Streit ist. daß der elsaß -lothringische Lehrerverband den Entschluß faßte, dem interkonfessionellen Allgemeinen Deutschen Lehrerverein beizutreten. Das paßte den Bischöfen von Metz und Straßburg nicht. Sie hielten das Seelenheil der reichsländischen katholischen Lehrer für ge- fährdet und richteten an diese einen Hirtenbrief, in dem sie den katholischen Lehrern untersagten, sich dem Allgemeinen Deutschen Lehrerverein anzuschließen. Nun erschien die Re- gierung der Reichslande auf dem Plan. Bekanntlich ist die preußische Regierung stets, wie das erst jüngst wieder ihr Eintreten für die Wahlfreiheit der Lehrer und Beamten in Kattowitz bewiesen hat, außerordentlich darum besorgt, daß den im Staats- oder Kommunaldienst Angestellten ihre staatsbürgerlichen Rechte in keiner Weise verkümmert werden. So erging denn von Berlin aus ein Wink an den Staats- sekretär des Reichslandes, die Anmaßung der Bischöfe zurück- zuweisen. Und Freiherr Zorn von Bulach leistete Folge. Er richtete an die beiden Bischöfe ein längeres Schreiben, in dem es heißt: Aus den öffentlichen Blättern entnehme ich, daß Eure Gnaden an die Ihrer Diözese angehörigen katholischen Lehrer eine Mitteilung und Aufforderung bezüglich ihrer Stellung zum Allgemeinen Deutschen Lehrerverein gerichtet haben. Da die Nachricht bisher von keiner Seite widerrufen ist, muß ich an- nehmen, daß sie den Tatsachen entspricht. Die Mitteilung Eurer Gnaden an die Lehrer kommt der Erteilung von Ver- haltungsmatzregeln gleich. Den darin liegenden Ein- griff in den Bereich der staatlichen Befugnisse muß ich zurück- weisen. Ich bedauere denselben um so mehr, als Eurer Gnaden aus früherer Mitteilung meines Herrn Amtsvorgängers(Schrei- ben vom 14. Oktober 1907 O. S. 7265) die Stellung der Schul- Verwaltung zur Sache bekannt ist:Es ist für diese selbstver- ständliche Pflicht, daß sie das Recht des einzelnen LehrerS achtet, sich außerhalb des Amtes frei, jedoch innerhalb der Schranken der Gesetze, insbesondere des Beamtengcsetzes zu bewegen." Die gleiche Richtlinie muß von jeder anderen Behörde innegehalten werden, Mit- teilungen aber in bezug auf das Verhalten der Lehrerschaft in ihrer Gesamtheit oder ihren Hauptgruppen sind nur auf dem Dienstwege zulässig. So fern es mir liegen würde, den Seel- sorger zu verhindern, mit den Angehörigen der Gemeinde über religiöse und kirchliche Angelegenheiten zu verhandeln, so wenig ich daran gedacht hätte, den Oberhirten einer Diözese das Recht zu beschränken, durch einen kirchlichen Akt sich an die Gesamtheit seiner Diözesancn zu wenden, ebensosehr mutz ich daran fest» halten, daß die mir nachgeordneten Beamten und Lehrer hin- sichtlich ihres Verhaltens lediglich von ihren Vor- gesetzten Weisung erhalten." Doch die Bischöfe sind nicht gewillt, Zurechtweisungen Uorc der Negierung entgegenzunehmen. Der durch des Kaisers Huld und Fürsprache vorn Ab! zu Maria Laach zum Bischof von Metz beförderte, manchmal etwas bockige Herr Bcnzler, der sich als BischofWillibrod" nennt, hat daraus bereits mit folgendem Gegenschreiben geantwortet: Ew. Exzellenz erwidere ich aus das gütige Schreiben vom 1. d. M. ganz ergebenst, daß ich die vorletzte Nummer desSchul- freundes" a» die Pfarrer meiner Diözese gesandt und sie er- sucht habe, von derselben Kenntnis zu nehmen und dieselbe als- dann den Lehrern ihrer Gemeinden zuzustellen. Ich erachte es als ein Recht beziehungsweise eine Pflicht meines oberkirchlichen Amtes, die katholischen Lehrer meiner Diözese auf die religiöse Seite des Eintritts in den Allgemeinen Deutschen Lehrervercin aufmerksam zu machen. Eine Erteilung von Verhaltungsmag- regeln an die Lehrer lag mir dabei selbstverständlich fern und noch mehr ein Eingriff in die staatlichen Besilgnifse. Wenn Eure Exzellenz cS für angezeigt halten, das Schreiben zu vcc- öffentlichen, so bin ich benötigt, auch diese Antwort der Oeffcnc- lichkeit zu übergeben." Die liberalen Blätter sind entzückt über dasenergische Vorgehen" der Regierung und sehen bereits eine argeVer- st i m m u n g" zwischen Regierung und Klerus am politischen Himmel herausziehen. Kindische Hofsnungen! Beide brauchen einander, der Klerus die Regierung, und die Re- gierung den Klerus._ Die Einfuhrscheine. Der neue Staatssekretär des Reichsschatzamtes Mermuth läuft Gefahr, sich bei den Agrariern verhaßt zu machen. Er will die Geltung der Einfuhrscheine einschränken. Die offiziösen Berliner Politischen Nachrichten" schreiben nämlich: Nach§ 11 des Zolltarifgesetzcs vom Jahre 1902, das le- kanntlich am 1. März 1906 in� Kraft trat, werden bei der AuS- fuhr von Roggen, Weizen, Spelz, Gerste, Hafer, Buchweizen, Hülsenfrüchten, Raps und Rüben aus dem freien Verkehr des Zollgebietes, wenn die ausgeführte Ware wenigstens 5 Doppcl- zentner beträgt, auf Antrag des Warenführers E i n f u h r- scheine erteilt, die den Inhaber berechtigen, innerhalb einer gewissen Frist eine dem Zollwerte der Einfuhr- scheine entsprechende Menge einer der vorgenannten Waren ohne Zollcntrichtung einzuführen. Die Ermächtigung ist weiter auf Kaffee und Petroleum ausgedehnt. Durch die Bestimmung werden die Zolleinnahmen von Jahr zu Jahr mehr beeinflußt. In der Zeit vom Januar bis No- vember 1907 wurden 41,8 Millionen Mark Zölle mit Einfuhr- scheinen beglichen, im gleichen Zeitraum 1908 78,9 Millionen Mark und 1909 80,9 Millionen Mark. Der Staatssekretär des Reichsschatzamtes hat in seiner, die letzte Etatsdebatte des Reichstages einleitenden Rede davon gesprochen, daß hinter die Schätzung der Zolleinnahmen im Jahre 1909 das Fragezeichen der Einfuhrscheine träte, und damit betont, daß die Entwich- lung der Einrichtung der Einfuhrscheine die Zolleinnahmen des laufenden Jahres und namentlich diejenigen, die für den Hinterbliebenenversicherungsfonds in Betracht kommen, ungünstig beeinflussen könnte. Die neuer- liche EntWickelung der Ein- und Ausfuhr, namentlich in Hafer, scheint dem Reichsschatzsekretär recht geben zu wollen. Beim Hafer war bis Ende Oktober die Ausfuhr kleiner gewesen als die Einfuhr. Im Monat November hat sich das Bild aber wieder ganz verschoben. Einer Einfuhr von 412 751 Doppelzentner steht eine Ausfuhr von 546 526 Doppelzentner gegenüber. Stei- gert sich die Ausfuhr nun so weiter, so ist damit zu rechnen, das; in den letzten Monaten des laufenden Finanzjahres wieder eine beträchtliche Summe von Zöllen durch Ein- fuhrscheine für Hafer beglichen werden, und daß dar.nt die Zolleinnahme eine Minderung erfahren wird. Eine der- artige EntWickelung bedeutet vom finanzpolitischen Stanill�.it eine große Schwierigkeit für die Feststellung und Festhaltung der Einnahmen des Reiches.... Der Reichstag hat seinerzeit das Ersuchen ausgesprochen, daß die ganze» Verhältnisse durch eine Denkschrift geklärt wer- den möchten. Diese Denkschrift ist im R e i ch s s ch a tz a m t bereits aufgestellt und unterliegt zurzeit der Prüfung der mitbeteiligten Verwaltungen de� Reiches und Preußens. Sobald die Denkschrift dem Reichstage zugegangen sein wird. wird sich Anlaß bieten, die oben berührte wichtigte Frage einer eingehenden Erörterung zu unterziehen." Das Motiv der Geltungsbeschränkung der Einfuhrscheine ist also nicht die Einsicht in die Ungerechtigkeit de? heutigen Systems, sondern der Wunsch, die Zollcinkünfte des Reiches zu steigern. Aber welchen Motiven auch der Versuch entspringt, den Agrar- konservativen ist jede Einschränkung des Geltungsbereichs der Ein- fuhrscheine zuwider. Ihnen bringt daS heutige System reichen Segen folglich ist es nach ihrer Logik nicht nur berechtig i, sondern auch für das deutsche Vaterland höchst nützlich. Wir wer- den deshalb in den mäckisten Tagen wieder die bekannten lache r- lichen Tiraden über die Gefährdung der Landwirtschaft, die Notlage des Getreidebaus usw. in der konservativen Presse lesen. Zur preußischen Wahlreform liegen zwei beachtenswerte Meldungen vor. DieKölmscfe Zeitung", das führende Organ der rheinischen Nationalliberalen, bezeichnet die geheime Stimmenabgabe und die direkie Wahl als das mindeste, was eine Wahlrechtsreform bringen muß. Diese Auffassung des nationalliberalen Blattes findet jedoch ohne Zweifel in den Reihen der nationalliberalen Land- tagSfraktion keineswegs ungeteilte Zustimmung. Hat doch ei st dieser Tage der in der Nachbarschaft derKölnischen Zeitung ", in Dortmund , hausende nationalliberale Wg. Schmieding in der National-Zeitung" dargelegt, daß die geheime Wahl zur p o l i t i- scheu Charakterlosigkeit erziehe. Die andere Meldung stammt aus der sreikonservativenPost", die es als zutreffend bezeich net, daß an der öffentlichen Stimmen- abgäbe festgehalten werden soll, und dazu bemerkt:Darüber wird man aber nicht zweifelhaft sein können, daß eine Wahlvorlage, in welcher die öffentliche Stimmabgabe allgemein beibehalte» wird, die Sanunlung der durch die Reichsfinanzreform aus- eimmdergesprengten Parteien nicht fördern, sondern im Gegen- teil den Riß nur erweitern wird, es sei denn, daß in derselben den liberalen Parteien durch weitgehendes Eut- gegenkommen in bezug auf die Abstufung des Wahlrechts e i n Ausgleich geboten wird. Auch wird man sich nicht mit der Hoff- nung schmeicheln dürfen, daß ein Wahlgesetz, welches die gehet»:: Stimmabgabe grundsätzlich ausschließt, den Abschluß der Reform des preußischen Wahlrechts bedeuten würde. So weit sich die Dinge jetzt beurteilen lassen, würde man es alsdann vielmehr nur mit einer Phase in dem voraussichtlich demnächst noch heftiger entbrennenden Kampfe um das preußische Wahlrecht zu tu» haben."_ Das Arbeitsprogramm des Reichstags. lieber die Arbeitsdispositionen des Reichstags für das nächste Vierteljahr weiß eine hiesige halboffiziöse Korrespondenz zu berichten: Nach Absolvierung der erste» Lesungen der Strafprozeß- ordnung, der Novelle zum Strafgesetzbuch und dem Reichsbeamten- Haftpflichtgesetz und nach den Besprechungen der vorliegenden noch unerledigten Interpellationen wird beabsichtigt, um die Milte