Sem Krle'gttvereinsvorfißend'en sandte und dann die VerKalkung des Borsigwerks davon in Kenntnis setzte. Die Verwaltung wiederum forderte den um die Sicherheit des Vaterlandes besorgten Lehrer auf, zur Abwehr der drohenden Gefahr-- Vorträge im Kriegerverein über den staatSgefährlichen Kalender zu halten I Der Hauptmann des KriegervereinS gab Order, dah der vom Lehrer als staatsgefährlich bezeichnete Kalender an die Vorsitzenden der Vec- eine zur Information geschickt werde. Auf Befragen des Ange- klagten mußte dieser Zeuge schließlich zugeben, daß er gar nicht einmal den beschlagnahmten Kalender in der Hand gehabt hat, sondern einen anderen! Als sodann ein aus dem Kalender über- nommener und ins Deutsche übersetzter Artikel zur Verlesung kam, wurde festgestellt, daß viele Sätze in der bei den Akten liegenden und zur Anklage stehenden llebersetzung fehlten.... Trotzdem hielt der Staatsanwalt die Anklage aufrecht: Die Broschüre von Kautsky und Schoenlank, so führte der Anklagever- treter aus. sei zwar eine wissenschaftliche Arbeit, es sei aber nicht ausgeschlossen, daß sie gegen die besitzenden Klassen wirke und zu Gewalttätigkeiten aufreize. Er beantragte-- 300 M. Geldstrafe. Das Gericht konnte sich nicht davon überzeugen, daß das, was Tag für Tag in sozialdcnwkratischen Zeitungen zur Propa- ganda für den Sozialismus unbeanstandet abgedruckt wird, jetzt auf einmal in polnischer Uebersetzung strafbar sein soll. Es sprach den Genossen MieczkowSki frei. So hat denn also durch diese große Staatsaktion, die unter Führung des tüchtigen Polizeirats Mädler gerade in der Zeit vor- genommen wurde, als die Polenhetze aus Anlaß der Kattowitzer Stadtverordnetenwahlen am höchsten war, mit einer geradezu kläg- lichen Niederlage für die Polizei- und Anklagebehörde geendet. Eine Ausstellung für sozialistisches BildimgSwesen in Kopenhagen . Es wird unS geschrieben: Nachdem der Versuch, die Bildungsfrage auf die Tagesordnung des Internationalen sozialistischen Kongresses 1010 zu setzen. als gescheitert gelten muß. da ein bezüglicher Antrag auf dem deutschen Parteitage abgelehnt worden ist und mich bei der Sitzung des Internationalen Bureaus nicht wieder auf- genommen wurde, könnte vielleicht doch noch etwas Nützliches nebenher, inoffiziell, geleistet werden, wenn alle beteiligten Organisationen, die etwas zu zeigen haben, ein möglichst vielseitiges. der Bildung und der Propaganda dienendes Material rechtzeitig nach Kopenhagen senden; hier könnte es dann in der Weise, wie die Zeitungen in Stuttgart , später eine ähnliche Sammlung auch in Essen beim Partei- tag, den Kongreßteilnehmern vor Augen geführt werden. Es braucht ja, das gilt nicht nur für diese Veranstaltung, sondern für Museen und Ausstellungen überhaupt, kein sehr reichhaltiges Material zu sein, sondern immer nur einige wenige Proben: e? bringt ein jeder, was er mag; in Amerika wird beispielsweise mit Lichtbildern, welche die sozialen Gegensätze vor Augen führen, sozialistische Propaganda ge- trieben; es genügt, daß dies in einem gewissen Umfange eben tat- sächlich geschieht, um die eventuelle Vorführung in Kopenhagen zu rechtfertigen, unabhängig davon, wie der einzelne Parteigenosse über diese Methode denken mag. Ich selbst mache allerdings kein Geheimnis daraus, daß meiner Ansicht nach wir Sozialisten kein Mittel unversucht lassen sollten, um an da? Publikum heran- zukommen, das nicht liest und das sich nicht mit öffentlichen An- gelegenheitenlbefaßt, umsomehr, als auch die bürgerliche Welt durch die Vorführung von Königsbegräbnissen und darauf folgenden Krönungen jetzt, leider mit großem Erfolg, für Patriotismus wirkt.— Die erste Zusammenkunft unserer Parteijournalisten in Stuttgart hatte ja wohl auch keinen.amtlichen" Charakter, und trotzdem haben ja bereits zwei weitere ähnliche Ver- sammlungen stattgefunden: wenn das unmittelbar greifbare Ergebnis dieser Aussprachen zunächst und auch bis heute nicht sehr be- deutend war und ist, so ist doch unter allen Umständen eine nähere Berührung und Bekanntschaft mit den Ge- nossen anderer Länder, die doch alle dasselbe wollen, und ihren Kampfesweisen ein erwünschtes Ziel. Gibt es auf der einen Seite Nationen, die vielleicht auf dem einen oder anderen Gebiete Ursache zu der Annahme haben, daß sie hier von anderen nichts mehr lernen können, so ist dafür ihre Verpflichtung aus der anderen Seite um so größer, die Länder, in welchen die sozialistische Propaganda noch weniger entwickelt ist. einmal, wenn man so sagen darf, hinter die Kulissen blicken zu lassen. Insbesondere sollte auch bei dieser Ausstellung das Bibliothek- Wesen durch Kataloge und Vorführung der Verwaltung in Gestalt der verwendeten Vordrucke zur Geltung kommen. Der Eifer unserer Kopenhagener Genossen sowie die Nachsicht der Besucher, die auch mit einer weniger eleganten Aufmachung zufrieden sein müssen, werden schon das Nötige tun. um unserer Bewegung die Vor- teile zu sichern, die ihr aus einer derartigen Veranstaltung über- Haupt erwacksen können. Inwieweit eine zwanglose, gewiß ebenfalls wünschenswerte Aussprache der beteiligten Personen dabei zustande kommen kann, muß einer späteren Erörterung vorbehalten bleiben. Morgaris Widerlegung der Anklagen Ferri?. Rom , S. Januar.(Eig. Ber.) In seiner Rede zu seinen Wählern hat Ferri, wie bekannt, die sozialdemokratische Partei- fraktion beschuldigt, das Ministerium Giolitti nicht mit der Energie bekämpft zu haben, die seiner zweideutigen Haltung gegenüber Pflicht gewesen wäre. Diese Anschuldigung widerlegt der Sekretär der Parte, fraktion, Genosse Morgari, im„Avanti" vom 2. und 6. Januar, indem er Sitzung für Sitzung die Stellungnahme der Fraktion durchgeht. Am 2. April brachten die Sozialdemokraten eine Motion gegen die Wahlpolitik der Regierung ein, bei ber Ferris Unterschrift fehlte. Am 20. Mai legte die äußerste Linke auf Anregung der sozialistischen Fraktion eine Tagesordnung gegen die innere Politik des Ministeriums vor. Auch hier fehlte die Unterschrift von Ferri. Bei der FraktionSsitzung, die zur Ver- werfung der Giolittischen Refornrentwürfc durch die Partei führt, ist Ferri nicht zugegen. Ebenso bei der namentlichen Abstimmung über die Militärausgaben. Im Auftrag der Fraktion hat Turati gegen die Proletariermetzeleien. Bissolati, Turati, Casalini und Morgari gegen die neuen Militärausgaben gesprochen usw. Ferri hat dagegen, obwohl er in Rom lebt, seit Eröffnung der Kammer bis zum Fall des Kabinetts Giolitti nur viermal das Wort ge- nomine,,. Er sprach im Juni über die Italiener in Amerika , im Juli über die Marinekonventionen und im November, um Lom- broso einen Nachruf zu widnien. AuS diesen Angabpn geht deutlich hervor, daß Ferri zu allerletzt das Recht hatte, der.Parteifraktion Indolenz und Giolittifreundlichkeit vorzuwerfen. Parteiliteratur. Im Verlage der Buchhandlung Vorwärts, Berlin , er- schien: Atcmgymimstik von Otto Rühle . Heft 21 der Arbeiter- Gesun dheitS- Bibliothek. Zunächst werden in einen, Kapitel:„Atmen und Atmungsorgane" die Grundlagen für eine rationelle Atemgymnastik gewonnen. Darauf gibt der Verfasser an der Hand zahlreicher— mehr als zwei Dutzend— selbstentworfener Figuren eine anschauliche Anleituug zur Ausführung der Uebungen: zur Ventilation der Lungenspitzen, nach dem Ablauf von Luftröhren-, Lungen- und Brustsellentzündungen, bei chronischer Stuhlverstopfung, bei Asthma, bei Freistiftbehandlung von Lungen- kranken usw. Im Verlage der Wiener Volksbuchhandlung(Jgnaz Brand u. Co.) erschien soeben: Sozialistische Bewegungen und Systeme bis zum Jahre 1848. Von Elisabeth Luzzatto. 400 Seiten. Preis gebunden 4 M. Das Buch schildert das Entstehen kommunistischer Strömungen, Ideen und Zukunftsbilder, wie sie das Altertum, das Mittelalter und die Neuzeit gebracht haben. Das allmähliche Reifen vom un- klaren Sehnen nach einem goldenen Zeitalter sozialen Friedens bis zum Eintritt in den modernen, bewußten, auf Klassenkampf beruhenden und zur Aufhebung der Klassen führenden Sozialismus wird Schritt für Schritt verfolgt. Der in Aussicht genommene zweite Band der Arbeit, die den Gesamttitel führt:„Geschichte und Wesen des Sozia- I i s m u s", soll sich mit dem eigentlichen Marxismus, der dritte Band mit einer kurzen Skizze der seitherigen EntWickelung be- schäftigen. poHecilichca, Gmchtlichea ukw. Die Korrektur eines unverständlichen Urteils. Vor ewiger Zeit sah sich der Vorstand des Sozialdemokratischen Vereins Dortmund genötigt, das Mitglied Oberhaus in der Mitgliederliste zu löschen. Es ergab sich die Notwendigkeit, der Oeffentlichkeit zu zeigen, wer Oberhaus eigentlich ist. Die„Arbeiter- zeitung " deckte sein Sündenregister auf: Streikbruch, Denunziation, merkwürdige Intimität mit der Polizei usw. Oberhaus klagte gegen Genossen Beyer, den Verantwortlichen der„Arbeiterzeitung", mit dem Erfolg. daß B. zu einer Woche Gefängnis verurteilt wurde. Jetzt ist in der Berufungsinstanz das Urteil ausgehoben worden. Dem Genossen Beyer wurde der Schutz deS§ 163 voll zugebilligt. Beyer habe sagen dürfen, daß Oberhaus nach seiner Ueberzeugung ein Denunziant sei, ein Judas , dem das Handwerk gelegt werden müsse. Dagegen durste Beyer nicht von einem„Burschen" sprechen. Wegen dieser formalen Beleidigung wurde Beyer zu 5 0 Mark Geldstrafe verurteilt. Der Kläger Oberhaus muß'/« der Kosten tragen. Die Anarchofozialisten, an die sich Oberhaus heranzumachen suchte, haben den Herrn nun auch preisgegeben. Soziales« Wie die Firma Wolf Werthcim mit ihren Arbeitet» Lereinbarunge» trisft! Gestern klagte vor der Kammer? des GewerbegerichtS gegen die Firma Wolf Wertheim der Hausdiener Schenavki. Der Kläger ist am 27. Dezember fristlos entlassen worden. Der Lohn wurde ihm bis einschließlich 3. Januar gezahlt. Kläger forderte aber noch für weitere acht Tage 21 M. Lohn. Der Vertreter der Firma wendete ein, daß eine achttägige Kündigungsfrist mit dem Kläger vereinbart worden ist. Hierüber wurde nun eine umfangreiche Beweisaufnahme vorgenommen. Der als Zeuge vernommene In- spektor Chynowski» der die Einstellung und Entlassung der Arbeiter im Geschäfte der Beklagten bewirkt, bekundete, am 1. Dezember habe er beim üblichen Morgenappell, an dem etwa 300 Leute teil- genommen haben, erklärt: es haben alle diejenigen, die am 15. Ok- tober beziehungsweise 1. November eingetreten sind, von«un ab eine siebentägige Kündigungsfrist: bei denen, die nach dem 1. November eingetreten sind, bleibt die eintägige Kündigungsfrist bestehen und bei denjenigen, die bereits eine besondere, hiervon abweichende Kündigungsfrist haben, bleiben diese Vereinbarungen in Geltung. Die Leute hätten diese Bekanntmachung in Ruhe an- gehört, und auf seine Frage, ob sie jemand nicht verstanden hat, habe sich niemand gemeldet. Der Kläger bleibt dabei, daß er nicht gehört hat, daß für ihn eine siebentägige Kündigungsfrist gilt. Die weiteren Zeugen machten Bekundungen über den Raum, in dem sich der Vorgang abspielte und über die Entfernung, in der sich der Kläger vom Inspektor befand. Ein Zeuge, ein Kolonnen- führet, bekundete, daß er von mehreren Leuten nochmals gefragt worden sei, weil diese den Inspektor nicht verstanden hatten. Das Gericht unter Vorsitz de ? Magistratsassessors Dr. Lehmann empfahl dem Vertreter der Beklagten , nachdem es von der Be- ratung zurückkam, sich mit dem Kläger zu einigen, da es das Vor- liegen einer ordnungsgemäßen Vereinbarung nicht annehmen konnte. Denn wenn verschiedene Kategorien von verschiedenen Arbeitern zusammengerufen und ihnen so verschiedene Be- dingungen gesagt werden, so muß damit gerechnet werden, daß dies von vielen Arbeitern nicht verstanden wird. Der Inspektor hatte juristisch gänzlich ungebildete und ungewandte Leute vor sich. DaS Wjesirn einer Vereinbarung bestehe aber darin, daß sich der Er- klärer und der Erklärungsempfänger unzweifelhaft klar über solche Erklärungen und mit ihnen einverstanden sind. Das Gericht konnte hier nicht annehmen, daß eine gültige Kündigungsverein- barung zustande gekommen ist. Diesen Ausgang des Prozesses mußte wohl der Inspektor nicht erwartet haben, denn der offensichtlich nur nach seinen Wei» sungen handelnde Vertreter der Beklagten lehnte eine Einigung ab und lehnte nunmehr auch einen Arbeitnehmerbeisitzer wegen Be- sorgniS der Befangenheit ab! Dieser hatte beiläufig den In- spektor befragt, ob er nicht früher in Düsseldorf gewesen sei, was von diesem bejaht wurde. Der Inspektor will darauf bemerkt haben, daß der Beisitzer eine, vermutlich auf die dortige Tätig- keit Bezug habende Notiz machte, die er an den Nachbar wettev- gab. Die Wahrnehmung des Herrn Jnspeltors erwies sich sofort als unzutreffend, so daß sich der Vertreter der beklagten Firma genötigt sah, den AblchnungSantrag zurückzuziehen. Einen Antrag auf weitere Beweisaufnahme lehnte daS Gericht als überflüssig ab. Der Kläger hatte seine Forderung, weil sie noch nicht in voller Höhe fällig war, auf 15 M. ermäßigt. Die Beklagte wurde dem Antrage entsprechend verurteilt. Wir vermögen nicht anzunehmen, daß der Firmentrager mit dieser eigenartigen Aenderung von Vertragsbestimmungen, wie sie der Inspektor für gut hielt, einverstanden ist. Vertragsverein- barungen können nicht, wie hier versucht wurde, kommandiert werden, sondern müssen eben verabredet werden. Dazu ist aber in erster Linie erforderlich, daß die Offerte der Vertragsänderung den einzelnen in Betracht konimenden Arbeitern bekannt gemacht wird. Wird für diesen Zweck nicht der Zweifel ausschließend: schriftliche Weg gewälstt, so muß die Aenderung deS Vertrags- inhaltS doch mit den einzelnen vereinbart werden. DaS ist bei einem Morgenappell unmöglich. Ueberdies müssen Abweichungen von der gesetzlichen vierzehntägigen Kündigungs- fr ist in der Arbeitsordnung Aufnahme finden.(§ 134b Ziffer 3 G.-O.) Solche Abänderungen erhalten nach s 134a, letzter Absatz, und s k34e G.-O. erst frühestens zwei Wochen nach ihrem Erlaß Geltung und müssen vor ihrem Aushang den Arbeitern bekannt gemacht werden und der unteren Verwaltungsbehörde eingereicht sein. Der Firmenträger möge aus diesem Rechtsstreit Veran- lassung zur Revision darüber nehmen, ob den gesetzlichen Vor- schriften über den Arbeitsvertrag Genüge geschehen ist. Ihre Nichtachtung müßte den Ruf der Firma schädigen. Hartnäckiger Ungehorsam. Wie leicht auf Grund des Ausnahmegesetzes gegen ländliche Arbeiter und Gefinde vom Jahre 1854 Strafbefehle zustande kommen können, dafür lieferte wieder eine Verhandlung vor dem Stolper Schöffengericht den Beweis. Bekanntlich wird nach Z 1 des Gesetzes Gesinde und eine Reihe ländlicher Arbeiter bestraft, wenn es sich hartnäckigen Ungehorsam zuschulden kommen läßt. Am 30. Oktober waren auf dem Gute Bilgelow die Hofgängerinnen Anna.und Marie Papenfnh mit Kartoffelansnehmen beschäftigt. Da sie Nun nicht so schnell sammeln konnten, blieben sie hinter den andern zurück und die„vorschriftsmäßige Reihe" war zerstört. Da nun eine tadellos: Reihe der Kartoffelsammler der Stolz der In- spektoren ist, so forderte der Inspektor Peter sie auf, schneller zu sammeln und in der Reihe zu bleiben. Sie kehrten sich nicht daran, sondern sammelten ruhig weiter. Das wurmte den Inspektor und er erstattete Strafanzeige, mit dem Erfolg, daß sie ein Straf- Mandat in Höhe von 3 M. erhielten. Ferner hatte Anna Papen- fuß am 1. November mit ihrem Rechtsanwalt in Stolp wegen einer Klage Rücksprache zu nehmen, sie verließ die Arbeit am Nachmittag und schickte ihre 14 Jahre alte Schwester als Stell- Vertreterin. Diese wurde nicht angenommen. Die Anna Papen- fuß erhielt einen zweiten Strafbefehl in Höh: von 2 M. wegen unberechtigten Verlassens des Dienstes. Gegen die Strafbefehle er- hoben die Arbeiterinnen Widerspruch. Sie erzielten Freisprechung von der Beschuldigung„hartnäckigen Ungehorsams". Das Gericht führte aus: in der Nichtbefolgung der Aufforderung, schneller zu sammeln, liegt kein Ungehorsam, geschweige hartnäckiger. Denn die Arbeiterinnen haben gesammelt. Wenn es nicht schneller ging, dann konnten sie nichts dafür. Dagegen mußte wegen unbercöz- tigten Dienstverlassens eine Verurteilung erfolgen. Sie hätte es eben melden müssen. Wie das Gericht zu diesem Schlüsse kommt, ist unbegreiflich. Denn durch die als Vertreterin erschienene Schwester war doch die Meldung erfolgt. Jedenfalls ist dieser Vorfall wieder ein Beweis, wie notwendig eine Beseitigung des Ausnahmegesetzes ist._ Gegenüber dem drohenden Milchkrieg in Nürnberg hat sich die Stadtverwaltung bisher vollständig untätig verhalten, obwohl die Milchproduzenten seit Monaten von Sendlingen deS Bundes der Landwirte systematisch aufgehetzt werden, mit einer Preis- erhöhung vorzugehen, die derart bemessen sein soll, daß die Milch dem Konsumenten mindestens 25 Pf. pro Liter(bisher 20 Pf.) kosten soll. Es ist nötigenfalls in Aussicht genommen, die ganze Milchzufuhr einzustellen, wenn die Preiserhöhung nicht ange- nommen wird. Die zurückgehaltene Milch soll verbuttert werden. Man hofft, die Konsumenten tu wenigen' Tagen mürbe gemacht zu haben. Nun hat die bayerische Regierung der Sache auch ihre Aufmerksamkeit zugewendet und den Stadtmagistrat ermahnt, sich um die Milchversorgung zu bekümmern und u. a. das Zustande- kommen von genossenschaftlichen Milchsammelstellen in der näheren Umgebung der Stadt sowie die Einführung des Stratzenverkaufs durch große Milchwagen zu erwägen. Anfangs wollte man über- Haupt kein Bedürfnis für irgendwelche Schritte anerkennen, da noch keine Milchnot bestehe, aber auf sozialdemokratisches Drän- gen wurde wenigstens erreicht, daß ein Ausschuß mit der Er- örterung der Frage beauftragt wurde. Bezeichnend ist wieder das Verhalten der freisinnigen Agitatoren, die zum Teil gegen ein Eingreifen der Stadt Front machten, weil dabei viele kleine Existenzen auf dem Spiele ständen. Ein freisinniger Metzger- meister brachte es sogar fertig, die Schuld an der Milchnot den Städtern selbst zuzuschieben, weil sie kein Kuhfleisch mehr essen wollten und die Landwirte daher gezwungen seien, statt Kühe Ochsen zu halten!— Die Zahl der Ochsen scheint wirklich in der Zunahme begriffen zu sein._ Amtliche Erhebungen über die Arbeitsverhältnisse der Anwalts- angestellten will nunmehr die Regierung veranstalten. Schon vor zehn Jahren hat der Reichstag eine Resolution angenommen, in der die Regie- rung ersucht wurde, tunlichst bald einen Gesetzentwurf zuiü Schutze der Bureauangestellten vorzulegen. Sodann hat am 4. No- vember 1903 der Reichstag einem Kommissionsankrage entsprechend— dem Reichskanzler eine Reihe Petitionen, betreffend die Regelung der Rechtsverhältnisse und der Lohnverhältnisse, zur Berücksichtigung überwiesen. Ende November wandte sich nun der Staatssekretär Lisco an den Anwaltsverein in Leipzig mit einem Anschreiben, in dem er den Verein ersucht, ihm einige Nechtsan- walte namhaft zu machen, mit denen er als Vertreter dp? Anwalts- standes sich in mündlicher Verhandlung über Inhalt und Umfang der Erhebungen besprechen könnte, um beurteilen zu können, ob gesetzliche Maßnahmen in der Tat angezeigt seien. Daraufhin hat der Vorstand des Verbandes der Bureaucmgestellten und Vor- waltungsbeamten der Krankenkassen und Berufsgenossenschaften an den Staatssekretär das schriftliche Ansuchen gestellt, auch Ber- treter der Angestellten der Rechtsanwälte zu hören; denn würden die Rechtsanwälte in dieser Sache allein gehört, so wären sie tat- sächlich Richter in eigener Sache. Zu solcher selbstverständlichen Ansicht kann sich die deutsche Regierung bei amtlichen Erhebungen über Arbeiterverhältnisse anscheinend von vornherein nicht auf- schwingen. Erst auf das Anschreiben von feiten der Bureauange- stellen erteilte der Staatssekretär den Bescheid, daß auch die Bureauangestellten einen Vertreter stellen können. In einer Be- sprechung dieser Angelegenheit weist daS Organ der Bureauangestellten mit Recht darauf hin, daß gerade vom Reichsjustizamt er- wartet werden mußte, daß es die Grundsätze der deutschen Rechts- pflege auch hier anwendet und mit den Parteien kontradiktorisch verhandelt._ Hus clei* frauenbcwcgung. Der Streik der Blusenarbeiterinnen in New Aork, über den im„Vorwärts" berichtet wurde, hat zu einer großen Menge von Verhaftungen streikender Mädchen geführt. In den ersten füi'.s Wochen des Streiks wurden 2500 Mädchen verhaftet und es galt als eine Ausnahme, wenn ein Mädchen vom Polizeirichter frei- gesprochen wurde, wenn die Anklage auch noch so haltlos war. 2000 Sünderinnen wurden verurteilt. Entweder schickte der Richter die Mädchen ins Arbeitshaus oder sie mußten Geldstrafen von 2 bis 20 Dollar bezahlen. Unsere Genossinnen belehren die Streikenden, daß das Klasseninteresse und als Ausfluß dessen die politische Rechtlosigkeit der Frau die Richter so rücksichtslos macht und die Streikenden so hilflos. Die Richter werden vom Volke ge- wählt, das heißt, vom männlichen Teile des Volkes. Männern gegenüber halten sie gewöhnlich noch darauf, den Schein des formalen Rechts zu wahren, aber ganz rücksichtslos wahren sie das Klasseninteresse der Herrschenden, wenn eS sich„nur" um Fronen handelt, um Arbeiterinnen. Die Arbeiter schätzt der Politiker immer noch etwas höher ein als Arbeiterinnen, weil die ersteren daS Stimmrecht haben und gegen ihn zur Anwendung bringen können. Ein Komitee von Frauen hat sich in New Uork gebildet, um Gelder zur Unterstützung der von der Polizei fo arg bedrängten Mädchen zu sammeln._ Eine Organisation österrcichischer Staatsarbeiterinnen. Der österreichische Staat beschäftigt in 30 Tabakfabriken 35 000 Arbeiterinnen und 4000 Arbeiter. Bis bor etwa acht Jahren herrschten in diesen staatlichen Betrieben die ärgsten Mißstände. Mißhandlungen brutalster Art wurden häufig ge- meldet. Die Löhne waren schlecht, die Arbeitszeit in jeder Fabrik anders und die Vorgesetzten herrschten despotisch. Jeder ge- bürdete sich als ein kleiner Herrgott. Ende der neunziger Jahre entstanden einige lokale Fach- vereine der Tabakarbeiterschaft, die mehr ein Sammelpunkt für die sozialistisch denkenden Arbeiterinnen dieser Orte waren; etne zewerlschastliche Macht konnten sie noch nicht ausüben. Erst 1902 kam eS zur Gründung einer ReichSorganisation, und nun ging es von Jahr zu Jahr vorwärts. Die besten Elemente sammelten sich in der Organisation. Wohl bilden in den meisten Fabriken die Organisierten noch die Minorität, aber man weiß aus Er- fahrung, daß in der Wirkung eine gut geleitete Organisation immer stärker ist. als es iZrer Mitgliederzahl entspricht. Und
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