Einzelbild herunterladen
 

Zum NaiMchtskampf. DerKreuz-Zeitung " ist die Absicht der Sozial- dcmokratie, den Wahlrcchtskainpf ungesäumt mit aller Energie aufzunehmen, begreiflicherweise unbehaglich. Sie hätte es natürlich lieber gesehen, wenn die Massen der Entrechteten erst einnial schafsgeduldig die Bescherung der Regierung ab- gewartet hätten. Da das preußische Proletariat nun keine Lust verspürt, sich von der Regierung und den reaktionären Parteien am Rarrenseil herumführen zu lassen, versucht das weiland Hammcrsteinsche Organ, der Sozialdemokratie wenigstens Polizei und Gerichte auf den Hals zu hetzen: DieEntfesselung" dcS Sturmes soll nun von Berlin ans vor sich gehen. Das preußische Wahlrecht bildet dabei nur einen Vorwand, weil die Sonaldemokratie hosst, durch diese Parole auch einen Teil der Freisinnigen mit sich fort- reißen zu können. Wenn diese Aussaat des Sturmes üble Früchte zeitigen sollte, dann werden die s o z i a l d e m o- kratischen Führer die volle Verantwortung d a- für zu tragen haben." Die braveKreuz-Zeitung " braucht sich der Verantwort- lichkeit der sozialdemokratischen Führer ivegen. keine Sorge zu machcit! Wenn sie ihre Politik und Taktik so getrosten Mutes verantworten kann, Ivie die Sozialdemokratie die ihrige., kann sie sich gratulieren! Wie lvenig das Organ der agrarischen Kreuzritter allerdings an Gewissens- strupeln leidet, beweist folgende unverschämte Verhöhnung der Arbeiterschaft: Bei allen sozialdemokratischen Veranstaltungen spricht für deren Teilnehmer stets ein bißchen Hoffnung auf Slandal mit. Insbesondere von den WahlrechtSversamnilimgen erwartet ein großer Teil des großstädtischen Proletariats Gelegen- heit zur Befriedigung der Lust am Randalieren. Wenn auch die sozialdemokratische Parteileitung nach wie vor mit großein Ernst" mahnen wird, Straßcndeinvnstrationen zu unter- lassen, so liegt doch immer die Gefahr vor, daß die in den Per- sammlungslokalen durch die Agitatoren aufgereizten Massen von ihrem angeblichenRecht auf die Straße" Gebrauch machen." Die Arbeiterklasse erfährt aus solchen Ergüssen wenigstens mit erfreulicher Deutlichkeit, welch wichtiger Kundgebungen es noch bedarf, um den Junkern und ihren Handlangern, der Regierung, den Ernst der Situation begreiflich zu machen! Ueber das VerkteeMpiei mit der Cttablreform schreibt die F r a n k f u r i e r Z e i t u n g": Endlich, so wird auch der Politiker sagen, denkt man daran, die schon so lange zurückliegende Ansage einzulösen. Aber wie wird die Einlösung sein? Kein Wort sagt die Thron- rede darüber. Aengstlich wird jedes Wort vermieden, das schon ein Urteil ermöglichen könnte. Nicht« voin Inhalt, auch nicht einmal von der Tendenz der Vorlage, die nach der früheren Zusage eine organische Forlentwickelung sein sollte. Man will also offenbar die Kritik so lange wie möglich zurückhalten, und die Bermntung liegt nahe. daß die Vorlage diese Kritik nur zu sehr zu scheuen hat. Oder sollten im StaatSininisterium noch Meinimgsverschiedenheiten bestehen, die eS nicht zulassen, daß schon bestimnitcre Mitteilungen gemacht werden können? Man wird jedenfalls gut tun, die Er- Wartungen auf dieseReform" nach dem. waS bisher verlautet hat. und vor allen, nach der zurechtgestutzten Statistik nicht allzu hochHu spannen. Je weniger aber die Regierung den berechtigten Wünschen der Bevölkerung entaegenkommt, um so entschiedener wird die Linke darauf bestehen müssen, daß ganze Arbeit gemacht wird." Wenn sich in, weiteren dieFrankfurter Zeitung " darüber ent- rüstet, daß einige sozialdemokratische Blätter dem tapferen Freisinn fälschlich vorgeworfen hätten, daß er bereits daö geheime Wahl- recht preisgegeben habe, so halten wir diesen Aufwand von Entrüstung für schnöde Kraftvergeudung. Denn daß der Freisinn schon im eigensten Interesse an der Forderung des geheimen Wahlrechts festhalten wird, will uns keineswegs als eine Tat besonderen freisinnigen Prinzipienheroismus erscheinen I Aber kann uns vielleicht die«Franlfnrter Zeitung" die bestimmte Zusicherung geben, daß der Freisinn ebenso entschieden für daS gleiche Wahlrecht kämpfen wird I Darauf aber kommt es an I Zentrum und KlalTenwab!. lieber dis voraussichtliche Haltung des Zentrums zur preußischen Wahlreform schreibt das Organ des Verbandes der Windthorst-Buude: Das Zentrum wird an annehmbaren verbesse- r n n g e n de« geltenden Wahlrechts mitarbeiten. Mit ziemlicher Bestimmtheit kann aber vorausgesagt werden, daß eS für die jetzt angekündigte Lorlage nicht zu haben fein wird. Was die Vorlage bringen dürfte, nämlich das Plural- Wahlrecht, hat die ZenlrmnSpartci stets abgelehnt. Eine wirkliche Verbesserung wäre die Einführung der geheimen oder der direkten Wahl gewesen: sie hätte sich trotz der Bei- bchaltuiig des Klassensiiftcurs erwäge» lasse». Kann mm, aber vom Zentrum erwarten. daß eS an der Umwandlung des ver- alteten Klassensystems in ein ganz unerwünschtes Pluralwahliystem mitwirkt, ohne daß seine Reformsorderungen irgendwie berück- sichtigt werden?" Das Zentrum würde danach gegen die Bei- beHaltung des Klasse nsy st ems nicht allzuviel ein- zuwenden haben, wenn nur die geheime und direkte Wahl eingeführt wird I Das von allen bürgerlichen Parteien im Stich gelassene Proletariat ist also geztvungen, sich seine politischen Rechte selbst zu erkämpfe»!_ Der Begicrungtlcrrorismus in Kattowitz . 4 Aus dem Reichstage, 12. Januar. Wie die Katze das Mausen nicht läßt, läßt die Bureaukratie nicht den Terrorismus. Unterdrückung, Drangsalierung unbequemer Meinungen ist ihr Lebcnselemcnt. Die Betätigung dieses Dranges setzt sich bei ihr jederzeit durch, selbst dann, wenn die Bureaukratie damit den Jntcr- essen ihrer zeitweiligen?lnhängcrschaft entgegenarbeitet. Deshalb ist die Maßregelung der Kattowitzer Beamten, die heute auf Grund zweier Interpellationen, des Zentrums und der Polen , zur Ver- Handlung im Reichstage kam, so überaus bezeichnend für das Wesen unserer Bureaukratie. Denn in Kattowitz waren Beamte gemäß- regelt worden, die einer der zeitweiligen Regierungsparteien an- gehören, weil sie bei der Stadtverordnetenstichwahl für eine andere Partei gestimmt hatten, die gleichfalls eben erst der mämlichen Rc- gierung durch eine sehr freigebige Steuerbewilligung die Fort- existenz ermöglicht hatte. Die Vethmann u. Co. hatten unbekümmert «ach dem Grundsatz gehandelt; Ein echter Bureaukrak Mag keinen Polen leiden, Doch seine Steuern nimmt er gern- Namens des Zentrums begründete in sehr ausführlicher Dar- legung der Graf Oppersdorf die Interpellation, und zwar durchaus zutreffend, soweit er die willkürliche Beeinträchtigung der Wahlfrciheit der Beamten kennzeichnete und Verwahrung da- gegen einlegte. Er beeinträchtigte aber seine Argumente erheblich durch den Versuch, für die gemaßregelten Beamtenmildernde Ilmstände" geltend zu machen, weil sie sich im Kampf gegen die Simultanschule und gegen Liberale und Sozialdemokraten befunden hätten. Das war offenbar berechnet auf die Gemüter der maß- gebenden Personen in Negicrung-krcisen. Da aber der zweite Interpellant, der Pole Korfanty , darauf hinweisen konnte, daß sich der König von Preußen über diese Sache von dem Polizei- beamten Di ä d l e r hat informieren lassen, konnte der Minister jedenfalls ruhigen Mutes die Maßregelung verteidigen. Die Herren Delbrück und K r a e t k e machten sich diese Verteidigung denn auch sehr leicht. Der Beamte hat zu wählen, wie derStaat", das heißt der Minister eS will. Für staatSge- fährliche Parteien darf er nicht stimmen. Die Polen sind aber staatsgefährlich, weil siesagen wir einmal" eine großpolnische Partei bilden, wie Herr Delbrück sich unter stürmischer Heiter- lest des Hauses auszudrücken beliebte. In der Diskussion zitierte Herr Gröber Aussprüche Bis- marckS und sogar P u t t k a me r s für die Wahlfreiheit der Beamten und konnte auch nachweise», daß der nationallibcrale Freiher v. B e n n i g s e n sich in gleicher Weise ausgesprochen hatte. Der Vertreter der nationalliberalcn Partei, der Wg. Heinze, bewies aber, daß die Nationalliberalen auch so völlig im HakatisinuS verkommen sind, daß sie die Maßregelung der Kattowitzer Beamten billigen. Daun lourde die Debatte auf morgen vertagt. politiscde CUbcrSicbt. Berlin , den 12. Januar 1910. Aus dem preustischcn Oberhanse. DaS Herrenhaus hat im Gegensatz zum Dreiklassenhauso sofort daS Bedürfnis positiver Mitarbeit an den Aufgaben der Gesetz- gebung verspürt. Zunächst nahm e» gleich dem preußischen Unterhause die Visitenkarte des Ministerpräsidenten, Majors v. Bethmann Hollweg. in Empfang. Der große Philosoph und Kanzler legte wiederum ein feines Gefühl für soziale Abstufung an den Tag, indem er seine Verbeugung vor den geborenen und berufenen Gesetzgebern durch eine tiefere Kopf- Neigung vollzog, als er sie vor dem Hause der immerhin doch ge° wählten Klassenvertreter für nötig befunden hatte. Dann nahm daS«hohe Hauö" ein paar neue Mitglieder in EidcSpflicht: alles Grafen, darunter einen Eulenburg mit dem schönen Beinamen Prassen! Schließlich machte sich noch der ungezügelte Arbeits- eifer in der Ueberweifung mehrerer Vorlagen an unterschiedliche Kommissionen Luft. Sogar eine Debatte fand statt, in deren Verlauf der Generalfeldmarschall und Graf H a e s e l e r sich mit durchschlagendem Erfolg bemühte, sich vom Verdachte des Liberalismus zu reinigen, in der ihn feine Stellungnahme gegen Bülows Polen- enteignungSpolitik gebracht hatte. Graf Haefeler erklärte auch noch, daß ein Knecht nichts von Kali zu wissen brauche. Immerhin noch eine gewisse vornehme Fassung desselben Gedankens, den einstmals ebenfalls im Herrenhause ein Graf Schulenburg so ausdrückte: Unnütze Kenntnisse blähen die Knechte nur auf. Nachdem man so im Hause der Lords mit Gott für König und Vaterland drei Stunden im Schweiße des edlen und erlauchten Ant- litzesgearbeitet" hatte, glaubte man mit Recht Anspruch auf auS- reichende Erholung zu haben und vertagte sich daher auf un- bestimmte Zeit, doch nicht ohne zuvor den Präsidenten und Triarierhäuptling v. Manteuffel bevollmächtigt zu haben, des Königs von Preußen Majestät die Geburtstagsgrüße feiner allergctreucstcn PairS zu Füßen zu legen..._ Prenstens Staatsschuld. Nach den Erläuterungen des Etats der Staatsschulden- Verwaltung für das Etatsjahr 1910 hat die preußische Staatsschuld sich für das Etatsjahr 1909 auf 8 770 149 764 M. belaufen. Davon kommen in Abgang durch Tilgung, Rück­kauf usw. 28 378 945 M. Dagegen kamen in Zugang bei den Anleihen auf Grund der neuen Anleihegesetzo an 4prozentigcr konsolidierter Anleihe 270 Millionen Mark und an 3'/zprozentiger konsolidierter Anleihe 310 Millionen Mark, ferner bei den unverzinslichen Schatzanweisungen 100 Millionen Mark, so daß sich der Gesamtzugang auf 680 Millionen Mark beläuft. Es kommen also zur Staatsschuld (551 621 054 M. mehr hinzu, als von ihr abgehen. Die Staatsschuld wird sich demnach für daS Etatsjahr 1910 auf 9 421 770 789 M. belaufen. Die Gesamtausgabe für die Staatsschuld beträgt für das Etatsjahr 1910 395 644 510 M.; davon entfallen auf Ver- zinsung 333909 868 M.. auf Tilgung 56 983 937 M.. auf Renten 3 361 500 M. und auf Verwaltungskostcn 1389 202 M. Drohender Zollkrieg mit Amerika . Wie demLokal-Anzeiger" aus Washington gekabelt wird, sind die Verhandlungen mit den Vertretern Deutschlands über den Abschluß eines Handelsvertrages ins Stocken geraten, weil Deutsch- land sich nicht geneigt zeige, daS Einfuhrverbot für Schlachtvieh zu lindern. Unter diesen Umständen müsse ein Zollkrieg in den Bereich der Möglichkeit gezogen werden. Die Richtigkeit dieser Depesche wird imLokal-Anzeiger" von gut unterrichteter Seite bestätigt. Danach steht die ReichSverwaltuiig auf dem Standpunkt, daß die Ueberwachung der ausländischen Fleischeinfuhr ein Gebot der Veterinär- und nicht der handelspolitischen Gesetzgebung sei. Angeblich kann Amerika keine Garantie dafür bieten, daß amerikanische Fleischprodukte, die eingeführt würden, den in Deutschland geltende» Vorschriften entsprechen. In Wirklichkeit steht eS natürlich so, daß die Regierung nicht den Mut hat, den Agrariern den Fehdehandschuh hinzuwerfen. Seit Wochen schon hetzt die agrarische Presse gegen alle Zugeständnisse an Amerika . Wenn eS zu einem Zollkriege mit Amerika kommt, dann werden weite Kreise der deutschen Industrie kolosial geschädigt. DaS alles will die ReichSregierung anscheinend in den Kauf nehmen, bloß um es mit den Agrariern nicht zu ver- derben, die mit der schärfsten Opposition drohen, wenn eS zugelassen werden sollte, daß in Deutschland billiges Fleisch auS Amerika ein- geführt werde._ Klerikale Wahlrechtsfeindschaft. DieRheinische VolkSstimme", das in Köln erscheinende Organ deS Rheinischen BancrnvcreinS, bringt in seiner Numnier vom 11. Januar einen Leitartikel, der an dem preußischen Drei- klassenwahlsystem nicht daS mindeste auszusetzen hat. ES findet nicht nur die Einteilung in drei Klassen, sondern auch die indirekte Wahl vortrefflich und preist die Arbeiten des preußischen AbgcorduetenhauseS gegenüber denen des Reichstages. MS einen gar nicht genug zu schätzenden Lorteil" deS jetzigen Systems bc- zeichnet es die. Bevorzugung des Landes gegenüber der Stadt, zwischen denenniemals eine Zahlengleichheit" walten dürfe. Schließlich fragt das Blatt:Worin fallen eigentlich die schreckhaften Nachteile und Ungerechtigkeiten dieses Wahlrechts beschlosien sein?" Wenn wieder behauptet werden sollte, dieRheinische Volks- stimme" sei lein richtiges Zeutrumsblatt, so ist demgegenüber fes:- zustellen, daß das Blatt unter seiner jetzigen Redaktion stets mit de,:: Zentrum in allen Fragen durch dick und dünn gegangen ist, was sich insbesondere auch jetzt bei der ReichStagsnachwahl in Mülheim - Wipperfürth -Gummcröbach zeigt. Und überdies steht dieRheinische Volkssiimme" mit ihrer Wahlrechtsfeindlichkeit durchaus nicht allein im Zentrum, daS sich allerdings im allgemeinen hütet, seine reaktionären Instinkte so unverhüllt zu zeigen, wie daS Kölner Baucrnblatt._ Psychologisches aus dem heiligen Köln . Die Künstler der vier Kölner Bühnen hatten ein großes Bühneu- fest geplant, dessen Ergebnis zum Besten der Genosieuschast deutscher Bühnenangehöriger dienen sollte. Wie es in den Nnkündigungeu hieß, war die Veranstaltung in einer Art geplant, wie man eS bisher in Köln noch nicht gesehen hatte; vor allem war ein k ü n st- lerischcS Programm erlesenster Art vorbereitet. Am Morgen des 11. Januar erschien aber eine Mitteilung in der Presse, daß daS Fest nicht abgehalten werden könne, weil die Beteiligung zu gering sein werde. Es waren nämlich in der Halbmillioncnstad: Köln ganze 88 Eintrittskarten im Borverkauf erworben worden. Köln steht zurzeit im Zeichen des Karnevals. Fast allabendlich sind die Säle der Stadt gefüllt mit Karnevalsnarren. Zwischen Neujahr und Aschermittwoch werden in Köln wohl hundertrauiend Flaschen Sekt getrunken. Aber für ernste Kunst und wirkliche geistige Erhebung hat daS zahlungsfähige Bürgertum Kölns keine Zeit uns kein Geld. Kein Wunder, daß die Metropole Westdeutschlands immer noch den spaßigen Trimborn in den Reichstag send et! Tie Breslaucr Polizei wird seit einiger Zeit von einem merkwürdigen Mißgeschick ver­folgt. Vor einigen Monaten verschwand plötzlich der Schutz- mann Ludwig und ward als Leiche wiedergefunden. Aus unbekannten Gründen" soll er sich das Leben genommen habei', wie die Behörde annimmt. Kurze Zeit darauf wurde Polizei- kommifsar John plötzlich im Zimmer seines Vorgesetzten, m'i dem er Streit und heftige Äuseinandersctzungen gehabt, von einer.! Schlaganfall" betroffen und starb. Nun ist am Montag ein neuer merkwürdiger Fall passiert: Der Schutzmann Karst ist im Bette seiner Geliebten tot aufgefunden worden. Zunächst nahm die Polizei einen Mord an. Aber die Verhaftctcn wurden bald wieder freigelassen, da sich folgendes bei der Untersuchung ergab: Der Schutzmann Karst war ein ganz gemeiner Kuppler gewesen und stand deshalb unter Anklage' natürlich, ohne vom Dienste dic,.- pensiert zu sein. So genau nimmt man eS in Breslau nicht. So­zialdemokraten fehlt Ivohl die sittliche Befähigung. Turnunterricki zu erteilen und in der Schuldeputation zu sitzen, aber ein dc> Kuppelei angeklagter Polizist entbehrt nicht der Fähigkeit und Würde, aufs Publikum losgclassrn zu werden. Dieser saubere Ehrenmann hatte nämlich seinemVerhältnis" Männer zugeführt, um sich vor den Alimenten tdas Mädchen wurde schwanger) drücken zu können. Am Montag sollte er seiner borge- wtztcn Behörde Zeugen und Beweise für seine Behauptung er- bringen, daß daS Mädchen noch mit mehreren anderen Männern Vcrkchr gehabt habe und er nicht der Vater des zu erwartenden Kindes sei. Da der Kuppler aber einsah, daß er trotzZeugen" undBeweisen" verurteilt werden würde, weil er ja selbst andere zu dem Mädchen geführt hatte, ging er allem aus dem Wege, indem er sich in der Wohnung eines anderenVerhältnisses" das Leben nahm. Interessant ist der Polizeibcricht darüber. Er, lautet: Schutzmann K. begab sich nackts zu nichtdiensilichen Zwecken in ein Wohnhaus, wo er am anderen Morgen tot aut- gcfundcn wurde. Ein Herzschlag hatw seinem Leben ein Ende gc- macht._ Zentrumsgetverkschaften. Bei der ReichStagSersatzwahl in Mülheim - Wipperfürth -Gummersbach betätigen sich neben den katholischen Pfarrern besonders die Angestellten der christlichen Ge- werkschasten als Agitatoren im Dienste der ZentrmnSpnrtei, obwohl diese Herren sonst nie nachdrücklich genug ihrepolitische Neutralität"- in Gegensatz zu densozialdemokratischen" Gewerkschaften stellen können. Immerhin war bisher neu, daß eine christliche Gewerkschaft geradeswegS eine ZeutrumSversammlung einberief. Und bemerkenswert ist. daß darin als Hauptredner der General- sekretär der christlichen Gewerkschaften Deutsch- l a n d S. Herr A. Stegerwald- Köln auftrat. Wie da? in Engelskirchen . Kreis Wipperfürth , erscheinende ZentrumSblait Bergische Wacht" auS Frielingsdorf berichtet, hat Herr Stegerwald dort in einer vom christlichen Steinarbeiterverbande ei» berufenen Versammlungüberzeugend" nachgewiesen, daß das Zentrum mit feiner volksfeindlichen Steuerpolitik bei der Reichs- finanzreform völlig im Recht war. Dann hielt ein anderer Ee- werkschastSbeamter. Breddemann, eine Rede gegen die Sozialdemo- kratie, und nach ihm empfahl der OrtSpfarrer die Wahl des ZeiitrumSkandidaten, deS OberlandeSgerickttSratS Marx. In seinen: Schlußwort trat nochmals Herr Stegerwald. wie das Blatt schreibt, warm für die Kandidatur Marx ein". Der bayerische Perkehrsminister zu den Schiffahrts- abgabcn. München , 10. Januar. Bollständig überraschend für daS Hau? kamen in der heutigen Kammersitzung die Ausführungen eines ZcntrumSabgeordnetcn über die Frage der SchiffahrtSabgaben. Niemand dachte daran, daß diese für das Reich und auch für Bayern außerordenllich bedeutsame Frage so nebenher mit ein paar Sätzen gelegentlich der Besprechung des Etats der Mainichiffahrt abgetan werden sollte. Noch überraschender aber war eS, daß der BerkehrSminisier so- fort mit einer fcrtigpräparierten Erklärung zur Hand war. Offenbar war sie bestellte Arbeit, weil zurzeit die ablebuende Haltung zweier großer Bundesstaaten zu den Schiffahrtsabgaben, die in der Ocffent- lichkeit nicht ohne Eindruck geblieben ist, eifrig diskutiert wird. Das fast leere Haus halte abends um'/z8 Uhr wenig Lust, die Frage noch eingehend zu behandeln, und so blieb auch der au- erkennenSwerte Protest des Demokraten Dr. Ouidde ohne besondere Wirkung. Einige abfällige Bemerkungen diese« Abgeordneten über daS rücksichtslose, wenig bundesfreundliche Vorgehen Preußens in dieser Frage gegen die kleineren Staaten veranlaßte den bayerischen Veriehrsminister zu einer überschwänglichen Lobrede auf Preußen. Daß Preußen im Jnteresie der Agrarier diese SchiffahrtSabgaben erheben will, ist danach ein Märchen. Daß Preußen durch sein Wirt- schastlicheS Uebergewicht einen Druck auf die übrigen Bundesstaate» ausübt, um sie seinen Wünschen gefügig zu machen, ist eine böö- willige Erfindung. Daß Preußen insbesondere auf Bayern einen Zwang auszuüben versucht habe, ist eine Fabel. Wahr ist nach dem bayerischen VerkehrSmüiister, daß Preußen ein großzügig gedachtes undnationaleS Programm aufgestellt habe und z» verwirklichen sucht. Die SchiffahrtSabgaben