Nr. 13.
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27. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Sonntag, den 16. Januar 1910.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Wahlrechtskämpfer!
Erscheint zum Massenaufgebot!
Wahlrechtsheerfchau!
Am heutigen Sonntag unternimmt das preußische Proletariat einen erneuten Borstoß gegen die Klassenschmach des Geldsackwahlrechts. Der 16. Januar soll den Volkssturm eröffnen, den die Sozialdemokratie gegen die Reaktion auf die Schanzen ruft.
Schon im voraus ist diese Demonstration für die Reaktion die Zielscheibe teils albernen Spottes, teils giftiger Denunziationen geworden. Aber unbeirrt geht die Arbeitertlaffe ans Wert, sicher, daß es ihr trok allen Widerstandes gelingen muß, dem Recht des Volkes eine breite Bresche zu
brechen!
Das Proletariat weiß ja, wie erkünftelt der ohn mächtige Hohn der Gegner ist. Es weiß, daß es ganz allein seinem ungestümen Drängen, seinen Wahlrechtskundgebungen zu danken ist, daß jetzt endlich eine Reform des elendesten aller Wahlsysteme bevorsteht!
Als die Sozialdemokratie vor wenigen Jahren ihre Aktion
begann, sah sie sich unter den bürgerlichen Parteien bergebens nach Unterſtügung um. Selbst Zentrum und Freisinn, die doch von sich behaupteten, daß auch sie das allgemeine, gleiche Wahlrecht erstrebten, hatten für die Volksaufrüttelung der Sozialdemokratie nur ein hämisches Achselzucken übrig. Durch ihr Ungestüm, ihre Bügellosigkeit, so prophezeiten diese
das Knebelungs- und Ausbeutungsinteresse der agrarischen und tapitalistischen Crème das oberste Gesetz war!
Gleichwohl! Die Wahlrechtsfrage wird bereits in den nächsten Monaten den Landtag beschäftigen. Und an dem erhalten der Rechtlosen selbst- das hat ja der Verlauf der bisherigen Wahlrechtskampagne bewiesen- wird es liegen, welches Maß politischer Rechte sich die nichtbesigende Klasse erobern wird!
Schwebe. Wenn die Volksmehrheit der Entrechteten ihren Noch hängt bei der Wahlrechtsvorlage manches in der entschlossenen Willen in die Wagschale wirft, kann manche Entscheidung anders ausfallen.
Darum gilt es, am 16. Januar mit einer eindrucksvollen Rundgebung einzusetzen! Das entrechtete Bolt darf von vornherein feinen Zweifel darüber lassen, daß es entschlossen ist, jekt, wo der Stampf in ein neues, für die nächste Zukunft entscheidendes Stadium eingetreten ist, diesen Kampf mit gesteigerter Satkraft und freudigstem Opfermut fortzusehen!
Auf zu den Massenversammlungen! Auf zur Wahlrechtsheerfchan!
eder
Parteien, stifte die Sozialdemokratie nur Schaden statt des der
Nukens. Das Proletariat möge es doch gefälligst der Klugen und feinen Diplomatie der bürgerlichen Wahlrechtsfreunde überlassen, den Entrechteten ihre politischen Rechte zu er ringen.
Die ,, Vernichtung"
Freien
Freien Jugendorganisation.
Der Polizeikampf gegen die Freie Jugendorganisation hat eine weitere Steigerung erfahren. Der Berliner Polizeipräsident hat, wie wir vorgestern bereits mitteilten, die Jugendorganisation für aufgelöst" erklärt.
Die Arbeiterklasse tannte die Weise und den Tert dieser bürgerlichen Berater, sie kannte auch die Erfolge der feinen Von einigen kleinen polizeilichen Aufmerksamkeiten abzurückhaltenden Tattit dieser Biedermänner! Sie schlug des- gesehen, hat die Freie Jugendorganisation fünf Jahre lang halb verdientermaßen die ebenso fläglichen wie heuchlerischen unbeanstandet unter den wachsamen Augen der Polizei wirken Schulmeistereien in den Wind und rief die Massen auf zum nichtungsfeldzug ein. Zwei öffentliche unpolitische Jugendkönnen. Erst im Herbst vorigen Jahres sezte der VerRampfe! Und die Massen kamen! Sie gingen an die versammlungen am 10. Oftober wurden wider alles Erwarten Wahlurne, sie erschienen in Masse in Versammlungen und auf überwacht. Auch eine darauf stattfindende Mitgliederverder Straße. fammlung durfte nicht ohne polizeilichen Schutz tagen. SelbstUnd was alle Diplomatie", alle Besonnenheit" des verständlich wurde gegen die unberechtigte Ueberwachung soFreisinns und Zentrums während mehr als 50 Jahren fort Beschwerde erhoben. Außerdem wurde gegen den Beamten, nicht erreicht hatte, das gelang binnen kurzem dem der, trop Aufforderung und Hinweis auf das Hausrecht, nicht fräftigen Ansturm der klassenbewußten Arbeiterschaft! Bereits den Saal verließ, Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erim Jahre 1908 sah sich die Thronrede genötigt, eine„ orga- stattet, die natürlich zurückgewiesen wurde. Durch Verfügung vom 20. Oktober erklärte dann der Polizeipräsident die nische Fortentwickelung" des Wahlrechts anzukünden, und Jugendorganisation für einen politischen Verein. Gegen die jekt, 1910, soll dem Landtage tatsächlich eine Wahlrechtsvor- Berfügung wurde sofort Beschwerde eingelegt und außerdem lage gemacht werden!
Der Wahlrechtssturm der Entrechteten ist also nicht bergebens gewesen! Der Erfolg hat bewiesen, daß das Proletariat die richtige Lattit eingeschlagen hat, um endlich die Masse des Boltes von der Schmach der Rechtlosigkeit zu erlösen!
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Freilich das allgemeine und gleiche Wahlrecht wird die Wahlrechtsvorlage nicht bringen. Vielmehr ist sicher, daß sie unter der Maske einer Konzession an den Mittelstand" die bisherige Rechtlosigkeit der breiten Volksschichten nach Möglichkeit aufrecht zu halten suchen wird! Denn allzu geschäftig waren inzwischen die einflußreichen Kreise, die von Gnaden des Geldsackwahlrechts und der agrarischen Wahlkreiseinteilung als Schmarozzer am Marke des Voltes saugen! Und nicht nur die Brot- und Fleischwucherer von den Konservativen und den Freikonservativen waren emsig am Werke, um eine wirkliche Wahlreform zu hintertreiben; sondern auch die Kohlenmagnaten und Schlotbarone haben längst begonnen, die Regierung zu bestürmen, trotz des Versprechens der Thronrede vom Jahre 1908 statt einer Wahl reform nur eine ebenso fleinliche wie perfide Wahlrechts flickerei vorzunehmen!
Und man weiß ja, welch unheilvollen Einfluß unsere pribilegierten lassen bisher noch stets auf die Regierung auszuüben vermochten! Man weiß, daß für die Regierung
stellten Vorstandsmitglieder gegen sich selber Strafantrag, da mit vor einem ordentlichen Gericht geprüft und festgestellt wird, ob die Jugendorganisation ein politischer Verein ist. Dieses Verfahren ist zu irgendwelchen Verhandlungen noch nicht gediehen. Auf die eingelegten Bescherden erteilte aber der Oberpräsident folgenden launigen Bescheid: Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg . O. P. 22611.
allein die Sabung, sondern das tatsächliche Verhalten des Vereins maßgebend. In der Tätigkeit des Vereins in seiner früheren und gegenwärtigen Gestalt ergibt sich unverkennbar als Haupts ziel, seine Mitglieder und andere Jugendliche im Sinne der sozialdemokratischen Anschauung mit agitatorischen Mitteln, besonders durch Schürung des Klassen hasses so zu beeinflussen, daß sie die Anhängerschaft der sozialdemokra tischen Partei vermehren. Für diese Tätigkeit des Vereins hat mir der Herr Polizeipräsident namentlich in Preßäußerungen und Vereinsflugblättern bis in die neueste Beit zahlreiche Belege vorgelegt. Daß mit der Ausbreitung und Stärtung einer die Umwälzung der staatlichen und gesellschaftlichen Zustände erstrebenden politischen Partei ein politischer Zived im Sinne des§ 3 des Reichsvereinsgesetzes verfolgt wird, bedarf keiner Erörterung und ist in dem Erkenntnis des Obers verwaltungsgerichts vom 13. November 1900( Br. Verwalt.- BI.", Bd. 23, S. 101) ausdrücklich anerkannt.
Nach seinen Feststellungen über die Ziele des Vereins mußte. der Herr Polizeipräsident annehmen, daß in dem von dem Verein auf den 10. Ottober einberufenen Versammlungen das Thema" Jugendschutz und Jugendfürsorge" von dem politischen Gesichtspunkt einer agitatorischen Gewinnung der Zuhörer für die sozialdemokratische Partei erörtert werden würde. Dieser Schluß lag um so näher, als auch das zur Einberufung dienende Flugblatt die Klassenverfeindung in der gekennzeichneten aufreizenden Weise in den Vordergrund treten ließ und neben den Klagen über Verblödung, Ausbeutung und Schinderei der Jugend die Behauptung aufstellte, daß täglich Tausende wehrloser Lehrlinge von ihren Meistern mißhandelt und oft in den Tod getrieben würden. Mit unverkennbarer politischer Absicht wurde in dem Flugblatt die Gleichgültigkeit der„ bürgerlichen Zeitungen" gegenüber diesen Verhältnissen zu dem Bestreben der Arbeiter. schaft nach Beseitigung des Büchtigungsrechts der Meister gestellt. Bei dem Vorliegen öffentlicher politischer Versammlungen im Sinne des§ 5 des Reichsvereinsgefezes ergibt sich das Recht der Anwesenheit von Beauftragten des Herrn Polizeipräsidenten aus§ 13 des Gesetzes. Auch kann ich nicht anerkennen, daß hierin eine Aenderung eintrat, als sich die öffentliche Versamm lung in den„ Arminhallen" durch Massenbeitritt der Erschienenen zur Freien Jugendorganisation als Vereinsversammlung konstituierte. Wenn jeder beliebige der auf öffentliche Ladung zus sammengeströmten Versammlungsteilnehmer ohne weiteres die Vereinsmitgliedschaft erwerben konnte, so kann nach den über den Begriff der Deffentlichkeit und der geschlossenen Gesellschaft ergangenen Gerichtsentscheidung- keine Rede davon sein, daß die so zustande gekommene Vereinsversammlung einen geschlossenen, individuell begrenzten Personenkreis im Gegensatz zur öffent lichen Versammlung gebildet hätte. Eine andere Auffassung würde es in das Belieben der Teilnehmer öffentlicher Versamm lungen stellen, die hierfür gegebenen gesehlichen Bestimmungen durch jedesmaligen Zusammentritt zu einem Verein unwirksam zu machen.
In Vertretung:( unleserliche Unterschrift). Wenn eine Behauptung dadurch zum Beweis würde, daß man sie wiederholt, dann könnte dem Oberpräsidenten allerdings niemand absprechen, daß er jetzt den Beweis für den politischen Charakter der Jugendorganisation geliefert hat. aber nicht eine Tatsache fann er dafür anführen. Zwar schreibt er von geheimnisvollen Flugblättern und Preßäußerungen, die ihm der Polizeipräsident vorgelegt habe, unterläßt es aber, aus diesen Beweisstücken" Stellen anzuführen, die seine Behauptung beweisen könnten. Mangel an Tatsachen bringt unsere Behörden, besonders die Verwaltungsbeamten, die das Recht zu Auslegungen und Feststellungen haben, nicht in Verlegenheit. Wo man TatDer für den Verein Freie Jugendorganisation Berlins und fachen nicht anführen kann, fängt man zu kombinieren an. Umgegend" erhobenen Beschwerde vom 28. Oktober d. J. gegen Dadurch gelangt der Oberpräsident schließlich zu einem Entdie Verfügung des dortigen Herrn Polizeipräsidenten vom scheid des Oberverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1900, also 20. Oktober d. J.- 3074. VII. D. 09- sowie der Beschwerde aus einer Zeit, in der das Reichsvereinsgesetz noch nicht bebom 16. desselben Monats wegen der polizeilichen Ueberwachung stand. Ebenso gut hätte er sich auf ein Urteil aus Babylonien der von diesem Verein am 10. Oktober veranstalteten öffentlichen vom Jahre 500 v. Chr. beziehen können, denn das neue ReichsVersammlung vermag ich nicht stattzugeben.
"
Der Verein Freie Jugendorganisation Berlins und Umgegend" wird von dem Herrn Polizeipräsidenten in der Verfügung bom 20. Oktober mit Recht als ein politischer Verein im Sinne des§ 3 des Reichsvereinsgefeßes angesehen, der die in diesem Gesez politischen Vereinen auferlegten Pflichten zu erfüllen hat.
Der
bereinsgefeß bestimmt in seinem§ 3: Jeder Verein, der eine Einwirkung auf politische Angelegen. heiten bezwed t( politischer Verein), muß einen Vorstand und eine Sagung haben." Es muß also der Zweck des Ver eins sein, auf eine Aenderung bestehender politischer Zustände Der Verein ist aus dem am 10. Oftober 1904 gebildeten die Kombination des Oberpräsidenten aus, denn daß die einzuwirken. Die einigermaßen klare Fassung schließt damit Verein der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter Berlins " her- Jugendorganisation diesen Zwed hat, wagt der Oberpräsident vorgegangen. Gleich diesem bezwedt er nach den Statuten, die selber nicht zu behaupten. wirtschaftlichen, rechtlichen und geistigen Interessen der Lehrlinge selber nicht zu behaupten. und jugendlichen Arbeiter zu wahren und zu fördern, und soll Oberverwaltungsgericht angestrengt, so daß die Polizei- und Gegen den Bescheid des Oberpräsidenten ist Klage beim feinen politischen Charakter tragen. Für die rechtliche Beurteilung des Vereinszwedes ist in Oberpräsidenten Gelegenheit erhalten, ihr Tatsachenmaterial deffen nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nicht zu enthüllen.