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SSon fi'cn Feststelluiigeil durch ein geordnetes Gerichts. Verfahren, die ja vielleicht etwas anders ausfallen könnten, als die Dekrete einzelner, scheint der Polizeipräsident nicht viel zu halten. Vielleicht hält ers für möglich, daß sein Ziveck, die Jugendorganisation zu vernichten, doch noch ver- citelt werden könnte. Denn sonst hätte er es doch mit der Auflösung nicht so eilig gehabt, sondern hätte die gerichtliche Entscheidung abgewartet. Die Auflösungsverfügung lautet: Der Polizeipräsident. Berlin , den 10. Januar 1010. Tageb.-Nr. 67. VII. D. 10. Nachdem durch Erlaß des Herrn Oberpräsidenten in Potsdam vom 22. Dezember 1909 O. P. 22611 die Beschwerde des Vereins.Jsrcie Jugendorganisation Berlins und Umgegend" gegen die Verfügung des unterzeichneten Polizeipräsidenten vom 20. Oktober 1909 J.-Nr. 3074 VII. D. 09 zurückgewiesen ist, erkläre ich hierdurch den Verein»Freie Jugendorganisation Berlins und Umgegend" für aufgelöst. Die Auflösung erfolgt auf Grund des Z 2, Absatz 1, des Reichsvereinsgcsetzes vom 19. April 1908. Der Verein ist ein politischer Verein im Sinne des§ 3 a. a. O. mit dem aus den Ktz 1. 3 und 4 des Vereinsstatuts sich ergebendem Ziele, eine Organisation von Jugendlichen unter 18 Jahren zu sein. Er verfolgt damit einen Zweck, der einem Strafgesetz zuwiderläuft. Nach 8 18 V des Reichsvereinsgesetzes macht sich strafbar, wer als Vorstand oder als Mitglied des Vorstandes eines Vereins entgegen den Vorschriften des§ 17 dieses Gesetzes Personen, die das 13. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in dem Vereine duldet. Nach 8 IL VI a. a. O. ist zu bestrafen, wer entgegen den Vorschriften des 8 1� des Gesetzes als Jugendlicher unter achtzehn Jahren in einer Versammlung eines politischen Vereins, sofern es sich nicht lediglich um Vereinsveranstaltungen zu geselligen " Zwecken handelt, anwesend ist. Gemäß 8 2, Absatz 2, a. a. O. kann diese Verfügung im Wege des Verwaltungsstreitversahrens angefochten werden. gez. Jagow. Auch ohne den Hinweis des Polizeipräsidenten wäre natürlich Beschwerde erhoben worden. Das Vereinsgesetz hat hier eine falsche Auslegung erfahren. Bei dem Begriff..dessen Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft", hat der Gesetzgeber an die Bestimmungen des Strafgesetzbuches ge­dacht, nicht aber an Uebertretungen des Vereinsgesetzes. Wegen solcher Uebertretungen kann natürlich Bestrafung erfolgen, aber nicht die Auflösung ausgesprochen werden. Außerdem zählt die Jugendorganisation aber auch Personen Uber 18 Jahren zu ihren Mitgliedern, denen durch die Auslösung, selbst wenn der Verein politischen Charakter hätte, ihr Ver- einsrecht verkürzt würde. Schon aus diesen formalen Gründen ist die Verfügung unhaltbar, daß sie auch sachlich unberechtigt ist, haben wir schon an dem angezogenen Bescheid des Oberpräsidenten nach- gewiesen. Die Jugendorganisation kann also der gerichtlichen Entscheidung mit Ruhe entgegensehen. Sie ist der festen Zu- verficht, daß es unmöglich ist,»vollte man nicht Willkür an- wenden. Beweise für die Behauptung der politischen Tätigkeit zu erbringen. Die Ziele und Aufgaben der Freien Jugend- orgaNisation, Pflege der Weiterbildung und Wahrnehmung des Jugendschutzes, lassen einen Verzicht auf politische Be- tätigung zu. Auch die ganz offenbar politische Tätigkeit anderer Jugendbünde, die zur Bekämpfung der Sozialdemo- kratie dienen, hat die Freie Jugendorganisation nicht zu ähn- lichen Gesetzesübertretungen verleitet und wird sie auch in Zukunft nicht dazu verleiten. *, Von juristischer Seite wird uns zu der Frage, ob die Auflösungsverfügung des Polizeipräsidenten sofort in Kraft tritt oder ob die Beschwerde eine aufschiebende Wirkung hat, geschrieben: Das Vereinsgeseh kennt allerdings keine Bestimmung, die der Klage oder Beschwerde eine aufschiebbare Wirkung zu- spricht. Aber nachZ 53deSLandeSverwaltungs. gesetzes ruht die Verfügung solange, bis über die Beschwerde oder Klage endgültig entschieden ist. Wir erfahren denn auch, daß die Jugend organr- sation ihre Tätigkeit auch bis zu dieser endgültigen Entscheidung fortsetzen wird. Mehr MMHrllt als Fortschritt. Aus dem Reichstage, 15. Januar.Mehr Rück- schritt als Fortschritt" war das Urteil, das übereinstimmend die Genossen Stadthagen und Heine über die zur Debatte stehenden Justizgesetze fällten. Dabei wiesen sie nach, daß die spärlichen Fortschritte nur dort angebahnt sind, wo es sich um Fragen unpolitischer Natur handelt, daß aber die bösartigsten Rückschritte in die Entwürfe hineingearbeitet sind überall da. wo sich eine stärkere Knebelung der Arbeiterschaft oder die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung erzielen läßt. Zunächst kam Genosse Stadthagen zum Wort beim GerichtLverfassungSgesetz und der Straf- Prozeßordnung. Er kennzeichnete die unheilvolle Macht- stellung der Staatsanwaltschaft in unserer Rechtspflege, die, weit davon entfernt, die objektivste Behörde der Welt*u sein. im Verwaltungsapparat wie ein schädlicher Fremdkörper wirke. Eine wirkliche Reform der Rechtspflege müsse die Funktionen der Staatsanwälte unabhängig gestellten Richtern übertragen. Uebrigens sei es um die Un- abhängigkeit der Richter überhaupt schlecht bestellt. Es müßten Einrichtungen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Richter getroffen werden. Vor allen Dingen müßten die Richter durch das Volk selbst gewählt und in allen Instanzen Laien zur Rechtsprechung herangezogen werden. Welche Früchte die gegenwärtige Klassenjustiz zeitigt, erläuterte Stadt- Hagen u. a. an dem Beispiele jenes Gendarmen, der für 40 Säbelhiebe und für das Abschlagen eines Armes 30 Mark Strafe" zudiktiert bekani. Nachdein Stadthagen noch fämt- liche Bestimmungen der Gesetzentwürfe einer eingehenden Kritik unterzogen hatte, rief er den Gegnern warnend zu, sie möchten sich hüten, die Klassenjustiz noch weiter zu über- spannen, die Früchte davon würde nur die Sozialdemokratie ernten. Der Staatssekretär L i S c o bemühte sich, und zwar dies- mal in freier Rede und deshalb verständlicher, die Argumente StadthagenS zu entkräften und den Entwurf zu verteidigen, den er nicht selbst verfaßt, sondern nur als Erbschaft über- nommen hat. Dann bewies der antisemitische Abg. Graes aus Weimar , daß Leute mit höchst näsigem Intellekt sowohl ein richterliches Amt wie ein Reichötagsmandat bekommen können. Schließlich wurden die beiden Gesetzentwürfe einer Kommisiion von 26 Mitgliedern überwiese»,. Sehr rasch wurde das HauS fertig mit dem Entwurf, der Aenberungen des Strafrechts vorschlägr, da er bereits in der vorigen Session bis zur Beschlußfassung durchberaicn war. Genosse Heine sprach sich für die Erleichterungen aus, die bei einigen Antragsvcrgehen vorgesehen sind, brandmarkte aber scharf die Versuche, die Strafen für Preßbeleidigungen zu verschärfen, da aller Erfahrung nach das nur zur Knebelung der oppositionellen, besonders der sozialdemokratischen Presse aus- genutzt werden würde. In gleicher Weise sei die Verschärfung des Erpressungsparagraphen zur Verfolgung der Gewerk- schaften bestimmt. Unter keinen Umständen dürften diese Be- stimmungen Gesetz werden. Noch kürzer war die Debatte über das Gesetz, betreffend die Haftpflicht des Reiches für die Schäden, die von Reichsbeamten in Ausübung ihres Dienstes angerichtet werden. Mit dem Prinzip des Gesetzes waren alle Parteien einverstanden. Meinungsverschiedenheiten entstanden nur darüber, ob in dem Gesetz auch eine einheitliche Regelung der Haftpflicht der Landesbeamten und K o m- munalbeamten aufgenommen werden solle. Für diese Forderung sprach sich namens der Sozialdemokratie auch Genosse Heine aus. Dieser Gesetzentivurf wurde dann einer besonderen Kommission überwiesen. Für Montag sind Interpellationen, darunter die wegen der Tabakarbeiter und wegen M a n s f e l d L auf die Tagesordnung gesetzt._ etafsbcratung im DreiMaticnparlamcnt. Im Abgeornetenhaus begann am Sonnabend, nachdem das Präsidium der vorigen Session wiedergewählt war, die General- debatte zum Etat. Die Mehrheitsparteien fühlten wieder einmal das Bedürfnis, den reaktionären Charakter Preußens auf allen Gebieten ins rechte Licht zu rücken. In der Tat bewies die Debatte, wie gemeingefährlich die konservativ-klerikale Koalition ist, wie sie den Herd der Reaktion bildet und von Preußen aus allmählich in ganz Deutschland der EntWickelung Halt zu gebieten sucht. Am rückschrütlichsten geberdete sich diesmal der Sprecher des Zentrums, Abgeordneter Herold, der endlich die Zeit für ge- kommen hielt, der Regierung die Quittung für die Mitarbeit seiner Partei am Zustandekommen der Reichsfinanzreform zu unter- breiten. Das Zentrum fordert nicht mehr und nicht weniger, als die Unterdrückung jeder geistigen Regung im Volke; es verlangt die völlige Auslieferung der Schule an die Kirche, und ist empört darüber, daß die Regierung es wagt, einige neue Kreisschulinspek- torenstellen zu beantragen. In seiner fanatischen Wut, in seiner Wahnidee, daß die Zeit eines neuen Kulturkampfes hereingebrochen sei, verstieg sich Abgeordneter Herold sogar zu niederträchtigen Beschimpfungen Ferrers. Ganz besonders richtet sich sein Aerger gegen die Nationalliberalen, denen er allerdings das schlimmste, toaS man dieser Partei antun kann die nationale Gesinnung abspricht, und deren Agitation gegen di« Reichsfinanzreform er mit der sozialdemokratischen Agitation auf eine Stufe stellt. Dieses indirekte Lob haben die Nationalliberalen nun freilich nicht ver- dient; von ihrer Agitation gegen die Finanzreform hat man im Volke nicht nur nichts gemerkt, sondern im Gegenteil, sie haben ihr Möglichstes getan, der Reichsfinanzreform die Wege zu ebnen. Insofern hat Herr Herold, dessen Rede im übrigen auf ein« Verherrlichung des Zentrums hinauslief, den armen National- liberalen schweres Unrecht angetan. Andere Tön« als der Zentrumsredner hatte vor ihm der Kon. servative v. Pappenheim angeschlagen. Klang durch die Worte deS Abgeordneten Herold fort und fort die flehentliche Bitte hin» durch, nur ja das Zentrum nicht falsch einzuschätzen, sondern seine Verdienste anzuerkennen und gebührend zu belohnen, so ließ Herr v. P a p p e n h e i m die Regierung deutlich fühlen, daß sie nach der Pfeife der Konservativen zu tanzen hat. Zwar sprach er dem neuen Ministerpräsidenten sein Vertrauen auS, aber in dieses Vertrauen mischte sich ein Rüffel gegen die Regierung, weil sie nicht genug getan habe, derVolksverhetzung" angesichts der Reichsfinanz- reform entgegenzutreten und die Massen über diese Reform auf- zuklären. Ueber die Wahlreform ging der Redner mit ein paar Worten hinweg. Seine Freunde sind, wie er erklärte, durch die Erfahrungen deS letzten Jahre? in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber einer wirklichen Wahlreform nur noch bestärkt worden. Was für Erfahrungen das sind, darüber schwieg er sich wohlweislich auS. Von seinen weiteren Ausführungen sind nur noch die über die Schiffahrtsabgaben bemerkenswert, an deren Er. Hebung die Konservativen unbedingt festzuhalten entschlossen sind. Im Gegensatz zu dem konservativen Wortführer erteilte der Pole Dr. vonJazdzewSki der Regierung für ihre Ausnahme- gesetze gegen einen Teil deS Volkes, insbesondere für ihr Eintreten für die Enteignungsvorlage und für das ReichSvereinSgesetz ein unumwundene« Mißtrauensvotum. Vorsichtiger drückte sich der Nationalliberale Dr. Friedberg auS, der noch nicht recht weiß, ob er dem neuen Ministerpräsidenten Vertrauen oder Mißtrauen entgegenbringen soll. Verderben möchte er eS mit ihm nicht gern, schon auS dem Grunde nicht, weil sonst die Gefahr einer weiteren Stärkung des konservativen Regiments besteht, und weil die Nationalliberalen doch auch gern aus der Regierungskrippe essen möchten. Es war ein erbauliches Schauspiel, den nationalliberalen Führer in der Rolle derOpposition" zu erblicken. Allzu ernst darf man sein Austreten natürlich nicht nehmen; man weiß ja. daß die Fraktion Drehscheibe auch anders kann. Mit wohlverdientem Lachen quittierten unsere Genossen seine Schlußphrasen, worin er sich gegen den Grotzblock an den kein Sozialdemokrat denkt--- erklärte und daS Versprechen abgab, seine Partei werde nach wie vor ihren Weg geradeaus gehen. Von Vertretern der Regierung griffen die Herren v. Rhein . baben, v. Moltke und d. Brcitenbach in die Debatte ein. Erstercr stimmte in den bekannten Hurratönen ein Loblied auf die ReichSfinanzrrform an. Herr v. Moltke verstieg sich zu der kühnen Behauptung, daß die Berufung in hohe StaatSämter nur unter dem Gesichtspunkte der Befähigung erfolge und Herr v. Breitenbach verteidigte die Absicht der Erhebung von Schiff» fahrtsabgaben. Am Montag wird die Debatte fortgesetzt. Auf der Rednerliste stehen: Freiherr v. Zedlitz(st.). Dr. Wiemer(stf. Bp.). Hirsch(Soz.). Kachnicke(fts. Vg.). Sie englischen Aahlen. London , 15. Januar. Heute ist Wahltag in London . Die Agitation ist mit ganz ungewöhnlicher Schärfe geführt worden. Die Hauptstraßen gleichen Bilderausstcllungen und in boshaften Karikaturen wird der Wahlkampf geführt. Auch der Sozialismus ist beliebtes Objekt des Bilderwitzes ge- worden. Die Liberalen haben eine Ausstellung veranstaltet, in der deutsche, französische und englische Waren ge- zeigt werden. Die angegebenen Preise sollen be- weisen. daß das Freihandelssystem für die Masse der Konsumenten den größten Vorteil bietet. Seit Beginn der Woche ist noch ein neues Propaaaudamittel ent- deckt worden. Allerlei Tiere, wie Hunde. Katzen. Esel usw. werdm benutzt, um Wahlreklame zu machen. Diese Tiere werden nckt dem Ztbzeichen der betreffenden Parteien durch die Straßen der Stadt London geführt. So konnte man gestern einen prachtvoll geschmückten Esel sehen, welcher eine Herzog- liche Krone auf dem Kopfe trug mit der Aufschrift:Stimmt für mich l" Dieser Wahlscherz gegen die Konservativen erzielte ganz hervorragende Lacherfolge. Die Kandidaten und ihre Anhänger setzten noch gestern abend mit größter Anstrengung die Wahlkampagne fort. An allen Straßenübergängen hatten Redner Aufstellung ge- nommen, große Lichtreklamen sind an dem Turme dcS Liberalen Klubs angebracht, auf denen zu lesen steht: Wählt für die Liberalen und das Volk gegen den Grundbesitz! I Besteuert den Grundbesitz und nicht die Lebensmittel! l In letzter Stunde sind noch zwei Wahlaufrufe erschienen, der eine von Chamber! ain und Balsour, der andere von Balfour allein unterzeichnet. Zum ersten Male in der englischen Wahlgeschichte sieht man die Regierung durch Vermittelung der Zeitungen einen energischen Kollektivaufruf an die Wählerschaft richten, damit sie zugunsten der Regierung stimme.Daily Chronicle" veröffentlicht heute morgen eine Botschaft von Sir Edward Grey. in der es heißt: Ich hoffe ausrichttg, daß das Land dem liberalen Kabinett seine Unterstützung angedeihen lassen wird, sowie auch der liberalen Partei, welche die Rechte des Volkes unterstützt. Die liberale Regierung hat sich ver- pflichtet, eine feste, dauerhafte und friedliche auswärtige Politik zu verfolgen sowie eine hinreichend starke Flotte zu besitzen, um unsere Interessen zu verteidigen. Ich glaube nicht, daß diese Frage zur Grundbasis der Wahlkampagne gemacht werden wird. Lord George sagt: Ich hoffe, daß die Wähler die von unseren Vorfahren eroberten Privilegien verteidigen und sich weigern werden, die Früchte unserer Institution und unseres Handels aufzugeben für die Trugbilder, welche ihnen die Schutzzöllner in Aussicht stellen. Kriegsminister H a l d a n e erklärt: Ich hoffe, daß kein einziger Wähler sich weigern wird. für die liberale Partei zu stimmen, auf Grund gewisser Erklärungen über die Landesverteidigung. Die jetzige Regierung hat neuere und dauerhaftere Grundlagen für die Landesverteidigung geschaffen, welche augenblicklich in besserem Zustande sich befindet, als während eines früheren Zeitraumes. Der Marineministcr Mac Kenna sagt: Tie Wähler können überzeugt sein, daß entsprechend der ein- stimmigen Ansicht des Admiralitätsrates alle notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um unsere Küsten. unser Kaiserreich und unseren Handel zu verteidigen. Churchill schließlich sagt: Alle Freunde des Fortschrittes haben die wichtigste Abstimmung ihres Lebens heute zu leisten, ich diu überzeugt, das alles zum besten ausfallen wird. Zu den ersten der neuen Abgeordneten gehört der Sprecher des Unterhauses, Lowther, der in Pcnrith zum Abgeord- neten proklamiert wurde. Er wird, obwohl Konscrvattver, auch im neuen Hause zum Vorsitzenden gewühlt werden. Er hatte keinen Gegenkandidaten. Ebenso haben die Universitäten Oxford / Cambridge und Dublin wieder je zwei unionistische Abgeordnete gewählt. Auch hier wäret» keine Gegenkandidaten aufgestellt worden. Außer zwölf Mandaten in London (im ganzen hat die Hauptstadt 59 Sitze), kommen auch 65 in der Provinz heute zur Besetzung. In fünfdreieckigen" Wahlen kämpfen dabei unsere Genossen gegen Liberale und Konservative gleichzeitig. In London werden die Liberalen unzweifelhaft eine Reibe von Sitzen einbüßen. Außer London wählen heute noch die großen Städte Birmingham , Manchester . Salford , Boston und Wolverhampton._ Parlaments-flgon)«. Paris , 13. Januar. (Eig. Ber.) In gedrückter Stimmung haben die Deputierten der bürgerlichen Mehrheit die zum letzten Male geöffneten Pforten der Kammer durchschritten. Das Be- wuhtsein einer in kläglicher Unfruchbarheit verbrachten Gesetz- gebungöperiode lastet auf ihnen, und keine Zuversicht, einiges von dem Versäumten in feurigem KehrauS nachzuholen, beseelt sie. Zorn und Mißtrauen treibt sie gegeneinander, und Furcht vor den Wählern eint sie wieder und schart sie in Trabantentrcue um die Regierung, auf deren Gunst sie diesmal noch weniger als sonst verzichten können. Hatte die Linke im Wahlkampf vor vier Jahren das glücklich vollbrachte Werk der Trennung von Kirche und Staat in die Wagschale werfen können, vermochte sie den proletarischen Wählern daS Blendwerk einer ohne guten Glauben an ihre Vcr- wirklichung beschlossenen Altersversicherung vorzuhalten, so weist daS Arbeitszeugnis der auseinandergehenden Kammer unter allen. dereinst so pompös angekündigtenReformen" eine einzige als vollendet auS: die Verstaatlichung der Westbahn, die sich hinterher als ein monströser Fischzug deS Kapitalismus dar- stellt. Die Einkommensteuer und die Reform der Kriegsgerichte liegen heimlich umgebracht in einem Kommissionszimmer des Senats, und nicht einmal das zum Schutz der in der Provinz in skandalöser Weise verletzten Wahlfreiheit wiederholt beschlossene Klosettgesetz wurde von den Senatoren erledigt. In der franzö- fischen Republik bringen Regierung und Volksvertreter gegen An- mahungen deS Oberhauses merkwürdig wenig Energie auf. Die gestrige Intervention deS Genossen ConstanS zugunsten der Wählfreiheit hat der Regierung nur einen Freibrief verschafft. der Verschleppung ohne Widerstand zuzusehen. Briand forderte diese Erlaubnis mit Berufung auf die Dring- lichkeit der im Senat seit Monaten beratenen Alter sversichc- rung. Wollte man in seiner Rede eine Bürgschaft für ihre Fertigstellung finden, so hieße dies allerding» den Optimismus zu weit treiben. Richtig ist. daß die Regierung und ein großer Teil der Bürgerlich-Radikalen Bedenken vor einer Wahlkampagne haben, worin diese Reform nicht auf der RuhmeStafel vollbrachter Taten für da» Volk prangen kann, und wenn der Senat das Gesetz in welcher Form immer beschließt, wird die Annahme in der Kammer zweifellos ohne Diskussion schleunigst folgen. Nur haben es die von der Meinung der Massen sehr wenig abhängigen Eena- toren mit der Sicherung von Altersrenten für Proletarier gar nicht so eilig. Wenn aber, wie jetzt bemerkbar ist, die Gegner der Zwang?- Versicherung in der Bourgeoisie alle Kräfte zusammennehmen, um die Reform aufzuhalten, können sie seltsamerweise auS einem Reservoir schöpfen. daS von sozialistischer und syndikalistischer Seite Zuflüsse erhält. ES ist immerhin merkwürdig, daß zur Stunde die sozialistische Fraktion über ihre Haltung bei der Abstimmung über das Gesetz nicht nur nicht in» Klare gekommen ist, sondern gerade jetzt erst in einen sehr heftigen Streit über Grundfragen der Re- form hineingerissen wird. Vor einigen Wochen hat die Aic b e i t e r- konföderation in einem ausfallend späten Protest eine Agi- tation gegen die Vorlage angekündigt. Ihr vornehmlichstcr Ein- wurf richtete sich gegen daS Kap i tal isati onS v e rf ah ren, das als»ungeheuerlichste Gaunerei" bezeichnet wurde. Genosse JauriS wendete sich in leidenschaftlichen Artikeln gegen diese Intervention in kritischer StW.dk. wobei seine Überschwang-