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Kr. II. 27.Iahrgaas. 1. KeilM des Jotinirto" Bttliiift lolUIntt Dienstits. 18. Idttttdr 1910. Reichstag. 18. Sitzung. Montag, den 17. Januar, nachmittags 1 Uhr. Am BundeSratstisch: Dr. D e l b r ü ck. Auf der Tagesordnung stehen die Interpellationen des Zentrums und der Nationalliberalen: ob der Reichslanzler bereit ist, über den Stand der Vorarbeiten zur Penstonsverficherung der Privatbeamte» Auskunft zu geben, respektive wann ein Gesetzentwurf hierüber zu erwarten ist. Auf die Anfrage des Vizepräsidenten Dr. Spahn erklärt sich Staatssekretär Dr. Delbrück bereit, die Interpellationen heute zu beantworten. Die Interpellation des Zentrums begründet Abg. Sittart sZ.): GrafPosadowsky erklärte die PensionSverficherung der Privatbeamten für wirtschaftlich notwendig und für sittlich berechtigt. Sein Nachfolger, Herr v. Bethmann-Hollweg  , stellte sich auf denselben Standpunkt und sprach die feste Hoffnung aus, daß die Schwierigkeiten dieser Versicherung überwunden werden würden. Wie der gegenwärtige Staatssekretär im Reichsamt des Innern, Dr. Delbrück, sich zu der Frage stellt, ist nicht bekannt, und hierüber Klarheit zu schaffen ist der Zweck unserer Interpellation. isehr beunruhigt sind die Privatbeamten darüber, daß die Regierung bei der Reichsversicherungsordnung nichts über ihre Versicherung gesagt hat. Vermehrt wird die Beunruhigung durch die Mitteilung, daß Herr Bassermann in Köln   gesagt habe, unter dem gegenwärtigen Staatssekretär werde die Versicherung der Privatbeamten nicht lammen.(Hört! hört l im Zentrum.) Wir wollen nicht drängen, aber wir wollen klar sehen und bitten den Herrn Staatssekretär um eine deutliche Antwort.(Bravo  ! im Zentrum.) Zur Begründung der Interpellation der NationaMberalen erhält das Wort Abg. Dr. Stresemann(natl.): Der jetzige Reichskanzler stellte am b. Februar 1909 ein Gesetz über die Pensionsversicherung der Privatbeamten in Aussicht, sobald die Verhandlungen mit den Be- teiligtcn beendet seien. Dies ist inzwischen geschehen. Trotzdem ist eine Vorlage nicht gekommen, sondern es ist eine offiziöse Mit' teilung durch die Presse gegangen, die eine» veränderten Stand' punkt der Regierung anzudeuten scheint. Diese Mitteilung beruft sich darauf, daß die Privatbeantten selbst die Versicherung nicht -vollen. Das ist ganz falsch; wohl noch nie sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer so einig gewesen über die Notwendigkeit einer sozialen Maßregel wie bei der Pensionsversicherung der Privatbeamtcn. Zu einer deränderten Stellungnahme der Regierung können weder verstcherungslechnische noch finanzielle Bedenken geführt haben. Auch die private Fürsorge hat sich seit Erscheinen der beiden Denkschriften der Regierung nicht so gewaltig entwickelt, daß ein veränderter Standpunkt der Re- gierung erklärbar wäre. Gewiß hat die private Fürsorge Großes geleistet, aber gerade die kleinen und mittleren Betriebe können da incht mitkommen und eS liegt nicht im Jntereffe unserer Eni- Wickelung, aus diesen kleinen und mittleren Betrieben die tüchttgsten Kräfte dein Großkapital zuzuführen. Wir wünschen, daß uns noch in dieser Session eine Vorlage zugeht auf der Grundlage, die durch die letzte Denkschrift der Regierung gegeben ist. Dann werden die Privatbeamten sich nicht von den Sirenentönen der Sozialdemokratie verlocken lassen.(Bravo l bei den Nationalliberalen.) Staatsminister Dr. Delbrück: Die technischen Schwierigkeiten der Aufarbeitung des Materials sind so groß, daß ich noch nicht in der Lage war, eine Borlage nach den Grundzügen der mehrfach erörterten Denkschrift vorzulegen. Ich erwog daher, die Frage im Rahmen der Reichsversicherungsordnung in minder vollendeter Form zu lösen; doch würde das niemand be- friedigen und daher unzweckmäßig sein. Aus diesen äußeren Gründen mußte ich die Gesetzesvorlage noch zurückstellen, was ich um so mehr bedauere, als alle Parteien die Versicherung der Privat- beamten, deren sittliche und wirtschaftliche Notwendigkeit auch ich anerkenne, dringend wünschen. Auf Antrag der Abgg. H e r t l i n g(Z.) und B a s s e r- mann(natl.) wird in die kleines Feuilleton. Leihgebühren und Präsenzbibliothek. Die geplanten Leih- gebühren der Bibliotheken stellen sich nicht nur als eine echt preußisch -ulturwidrige Mehrbelastung der Bildungsbcdürftigen dar. sondern scheinen durchaus dazu angetan, die Benutzung der königlichen Bibliothek im besonderen für einen großen Teil des Publikums unmöglich zu machen. Daß die tatsächlich einmal erzielten Ge- bühren hinter dem Ansatz(40 909 M. im Jahr) zurückbleiben werden, hält der Etat selbst für möglich; das Minus muß dann eben von dem Gesamtposten für Vermehrung und Unterhaltung der Bücher rund einer Viertel Million erbarmungslos ge- strichen werden. Das scheint unerheblich, ist es aber in der Tat nicht. Von dieser Viertelmillion wird die Hälfte für das Einbinden der Bücher verwandt, und daß die andere Hälfte für die nötigsten Neuanschaffungen nicht ausreicht, weiß jeder Benutzer. Frciexem- plare sämtlicher Neuerscheinungen haben nur die in Preußen firmierenden Verleger zu liefern. So kommt es, daß wichtige Werke mit dem Erscheinungsort München   oder Leipzig   nicht an- zutreffen sind. Von ausländischen Werken ganz zu schweigen. Nun scheint ja allerdings die Gebühr für die Nichtstudierendcn(Stu- denken sind auf alle Fälle verpflichtet, die Gebühren zu zahlen!) nicht verbindlich zu sein. Doch auch das ist nur Schein; denn die Möglichkeit, sich durch ausschließliches Arbeiten auf dem Lesesaal von der Gebührenzahlung frei zu halten, ist in Wahrheit sehr beschränkt. An und für sich ist ja der Zustand der Präsenzbiblio- t h e k. d. h. einer Bibliothek, die die Bücher nur zur Benutzung an Ort und Stelle ausgibt, kein so ungeheuerlicher. Man kann sich dafür auf die Londoner   Bibliothek des Britischen   Museums und auf die Pariser Nationalbibliothek berufen. Die Uebelstände, die das Ausleihen in die Wohnung mit sich bringt, sind nicht zu leugnen. Die ins Haus gegebenen Bücher werden, wie Harnack richtig be- merkt, erfahrungsgemäß Wind und Wetter und allen häuslichen Kalamitäten ausgesetzt, ja gehen trotz sorgfältigster Kontrolle ge- lcgentlich unwiederbringlich verloren. Die Zeiten sind ja wohl vorüber, da die Herren Professoren jahrelang Bibliotheksbücher im Hause behielten oder gar Bibliotheksbeamte auf besonders umfang- reichen Bänden bis zu ihrer Pensionierung im wahrsten Sinne des Wortes saßen. Aber die Machtstellung der Univcrsitätsprofessoren trat dennoch wieder unverhüllt zutage, als davon die Rede war, die königliche Bibliothek im neuen Hause in eine Präsenzbibliothek --mzuwandeln. und als dieser Plan unter dem stürmischen Protest der Professoren fiel. Statt njrer, die das intensivste Jntereffe an der Ausleihebibliothek bekundeten, werden nun die Studenten ge- zwungen, ein Leihgeld zu entrichten. Und für die anderen Be- nutzer, die die Leihgebühren nicht zahlen wollen oder können, ist der künftige>.Zustand alles andere als der einer Präsenzbibliothek. In Paris   und London   erhält man das auf dem Lesesaal bestellte Buch nach durchschnittlich 10 Minuten, in Berlin   frühestens, laut offi- ziellem Anschlag, nach 4 Stunden, d. h. nur,-venu man vor 9 bczw. l l Uhr vormittags bestellt hat; nach 3 Uhr überhaupt nicht mehr; doch erlebt man es auch, daß man erst am zweiten Tage nach der Bestellung das Werk vorfindet. Die Beamten trifft kein Vor­wurf; ihre Zahl ist. trotz elektrischer Aufzüge Ußd pneumatischer Besprechung der Interpellationen eingetreten. Abg. Dr. Dröschcr(I.): Wir bitten trotz der Erklärung des Staatssekretärs um eine möglichst beschleunigte Einbringung eines Gesetzentwurfes zur Versicherung der Privatbeamten. Wen» sich Bestrebungen zur Hinausschiebung der Sache geltend machen, so haben wir nichts mit ihnen gemein und lehnen es ab, fie irgendwie zu unterstützen.(Bravo  ! rechts.) Abg. Hormamt(frs. Vp.): Die technischen Schwierigkeiten find gewiß nicht leicht, aber wir beschäftigen uns doch schon 7 Jahre mit der Angelegenheit, und da sollte man meinen, daß man emen Ent- wurf aus Grund der letzten Denkschrift bald vorlegen könnte. Vor allem vermissen wir eine Antwort der Regierung, in welcher Richtung sie die Frage lösen werde. Für sehr notwendig halten wir die Herabsetzung der Altersgrenze von 70 auf 65 Jahre. Ueberstürzen wollen wir die Sache gewiß nicht, denn wir wollen statt eines Flickwerks eine gute brauchbare Vorlage, aber wir wünschen und hoffen doch, daß eine solche noch im Laufe dieser Session uns vor- gelegt wird. Abg. Heine(Soz.): Ich habe auS der Rede des Herrn Staatssekretärs eigentlich gar nichts gehört. Es schweben Verhandlungen. Aber man loeiß nicht, wo sie schweben, man weiß nicht, in welcher Richtung sie schweben und es scheint, die ganze Sache verschwebt in nichts.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Das ist traurig; denn es sind schon dicke Bände darüber gedruckt. Was über die Sache vom Standpunkt meiner Fraktion zu sagen war, habe ich bereits bei Gelegenheit der Interpellation Hehl am 14. März 1907 hier ausgeführt. Die Denkschrift hat nach meiner Meinung die Grundlage, auf der die Versicherung aufgebaut werden müßte, nicht verändert. Wir stehen nach wie vor aus dein Standpunkte, daß es gar nicht anders möglich ist. als die Privatbeamtenvcrsicherung anzugliedern an die Alters- und Invaliden- Versicherung.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das von der Denkschrift hervorgehobene Bedenken einer übermäßigen Be- lastung durch freiwillige Versicherung in höheren Beitrittsklassen spielt faktisch gar keine Rolle. Der Widerspruch in den Kreisen der Privat- beamten gegen die Angliederung an die Alters- und Invaliden' Versicherung beruht auch nicht etwa auf finanziellen Erwägungen, daß etwa die Reichskasse zu sehr belastet würde, sondern darauf, daß leider Gottes unsere Privatangestelltei» glauben, sie vergäben sich etwas, wenn sie in ein Lokal gehen, wo Arbeiter verkehren.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ebenso fürchten sie auch, es falle ihnen eine Perle auS der Krone, wenn sie mit den Arbeitern in eine staatliche Versicherung hineingehen. Das ist Torheit, auf die man keine Rücksicht nehmen sollte.(Sehr richtig! bei den Sozial- demokraten.) Hätte man sich schon vor sieben Jahren energisch daraus gerichtet, die Alters- und Jnvaliditätsversicherung in der Richtung der Privatangestelltenversicherung auszubauen, so hätten wir schon ein Resultat. So aber haben wir-nehrere Denkschriften erhallen, und heute haben Sie aus der Rede des Herrn Staatssekretärs gehört, wie weit wir sind, nämlich «ich nicht eine« Schritt weiter! (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) ES wird geltend gemacht, daß erst dte Reichsverficherungsordnung fertiggestellt werden soll. Das sehe ich nicht ein. Dann soll die Regierung lieber die Reichs- Versicherungsordnung, von der wir so wie so n-cht viel halten, in ihrem Portefeuille behalten und mit der positiven Leistung der Versicherungspflicht und des VersicherungsrccktS der Privat- angestellten herausrücken. Wie nachher die drei Versicherungsarten: Kranken-, Alters- und Unfallversicherung zueinander gestaltet werden, das ist eine ganz andere Frage, die mit den positiven Leistungen gar nichts zu tun hat. Das wichtigste ist. daß etwas Positives geschieht, und ich sehe nicht, daß auf dem Wege. den die zweite Denkschrift in Aussicht nimmt, etioas herauskommt. Ich würde mich freuen, wenn ich mich täusche. Die Frage der Abgrenzung zwischen Arbeiter und Beamten hat die Denkschrift viel zu leicht genommen; nian kann ja gar nicht genau definieren, wer Arbeiter und wer Beamter ist. Ferner sind in der Denkschrift Beiträge von einer Höhe in Aussicht genommen, die die Angestellten gar nicht Nachrichtenrohr« in dem neuen Gebäude, für den Dienst nicht auS- reichend. Bei der Direktion Klagen anzubri-rgen ist natürlich eben- sowenig verlockend wie aussichtsvoll. Der Lesesaal im Britischen  Museum hat 304 Sitzplätze, der der Pariser Nationalbibliothek mit seinen 334 erhält einen notwendigen Erweiterungsbau. Die jetzige Berliner   königliche Bibliothek  , die die nächsten drei Jahre noch mit den Räumen der neuen Universitätsbibliothek vorlieb nehmen muß, hat höchstens die Hälfte der Plätze, die schon jetzt oft bis auf den letzten besetzt sind. Wenn also erst infolge der Leihsteuer der Massenbesuch einsetzt, wird sich allerdings-vohl bei dem bereits herrschenden Schneckengeschäftögang die Generalverwallung trotz ihrer Finanzreform nach berühmten Mustern für bankerott erklären müssen. Theaterkritiker-Streik. Am Freitag wurde im Dagmartheater zu Kopenhagen   ein neues Stück aufgefiihrt, aber die Plätze der Presse waren leer, und sämtliche Zeitungen der dänischen Hauptstadt verschmähten es. ihren Lesern einen Bericht über die Vorstellung zu geben. Die Theaterkritiker waren im Einverständnis mit den Redaktionen in den Streik getreten, und nicht nur beim Dagmar- -beater. sondern auch bei den übrigen drei privaten Theatern: Folketenttct, Kasino und Det nye Teater. Die Ursache ist die, daß die Direktoren der Theater dem Redakteur einer bescheidenen Theaterzeitschrift einiger krittscher Bemerkungen wegen verboten hatten, ihre Borstellungen zu Photo- graphiercn, wie er eLfür seine illustrierte Zeitschrift zu tun gewohnt war. Die Theaterdirektoren und auch die Dramenverfasser, die mit dahinterstecken, sind aber offenbar rnehr� auf die TageSptesse als auf jene kleine Zeitschrift erbost. Sie meinen, daß der schwache Be- such, unter dem die Theater jetzt bei den schwierigen Erwerbs- Verhältnissen zu leiden haben, auf die ablehnende Haltung der Kritik gegenüber ihren neuen Stücken und Vorstellungen zurückzuführen sei. Die Kritiker und Redakttonen der Tagesblätter er- klärten sich aber mit dem Redakteur jener Zeitschrist solidarisch und erblick-cn in dem Vorgehen gegen ihn einen Angriff auf die Freiheit der Kritik. Der Direktor des Dagmartheaters, der auch als Schriftsteller bekannte Walter Christmas  . hat nun selbst eine Theater- zeitschrift herausgegeben, die allerdings des Lobes voll ist über sein Theater. (Die deutsche bürgerliche Presse, insbesondere auch die Berliner  . köniite sich ein Beispiel an der dänischen nehmen. Was vor allem die Verwaltung der königl. Bühnen der Presse zumutet, würde sich nirgendwo anders die Presse gefallen lassen als in Berlin  , wo der Wettlauf bei der Neuigkeitenschnorrerei und die Untertänigkeits- bed-irf-iisse der Presse keinen Respekt vor ihr aufkommen lassen.) Humor und Satire. Cook und sein Nordpol  . Nachdem der Senat der Universität Kopenhagen   den genialen Nordpolentdecker Cook zum Ehrenmitglied ernannt hatte, beschloß er, die Prüfung der Beweise und des Reiseberichts vorzunehmen. Wir sind ern, ächtigt-vorden, den Originalbericht des großen Forschers hier zum ersten Male wortgetreu zu veröffentlichen: Eines Tages sagte ich zu meiner Frau:«Warte nicht mit dem Essen aus mich, denn ich gehe ein bißchen an den Nordpol  ."So? Dann mußt Du nicht vergessen, Deinen Winterüberzicher mitzunehmen," antwortete sie. Ich zog also meinen Uebcrzieher an, setzte meinen ' zahlen können. Die meisten bekommen ja nicht mehr Gehalt als gutgelohnte Arbeiter. Auf Einzelheiten will ich nicht eingehen. Ich fteue mich, daß der gute Wille vorhanden ist, den Privatangestellten zu helfen. Ich habe selbst hervorgehoben,-velche Wichtigkeit diese soziale Schicht hat In ihr soll die arbeitende Klasse selbst gesichert werden. Mögen die Angestellten sich auchHerren" nennen und Titel geben, mögen auch einige den D o k t o r t i t e l haben, sie sind doch nur e i n Teil der arbeitenden Klasse! Immer mehr werden die Angestellten bezüglich ihrer Kinder anzuerkennen gezwungen, daß sie ausgesprochene Proletarier sind. Als Arbeiter nnd Angestellte sind sie darauf angelviesen, sich einen möglichst guten Platz zu erkämpfen, und weil das so ist, begreife ich auch, daß gewisse Kreise ein Jntereffe daran haben, daß diese Gesetzesvorlage nicht vorwärts kommt. Ich will Herrn Stresemann nur an den Namen B u e ck erinnern.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wemr Sie die Sache fördern wollen, nehmen wir das gern an. Freilich, wenn die Regierung uns nicht mehr zu sagen weiß, so sind meine Haffnungen, daß etwas bei der Sache herauskommt, gleich Null. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten!) Abg. Linz  (Np.): Es ist bedauerlich, daß diese Versicherung erst nach Erledigung der Reichsversicherungsordnung kommen soll; um so mehr aber muß der Reichstag auf baldige Vorlegung dieser Reichsversick-erungsordnung dringen. Hoffentlich beloirkt die Ein- mütigkeit aller Parteien in dieser Frage, daß die Verbündeten Rc- gierungen etwas Dampf hinter diese wichtige Angelegenheit setzen. (Beifall.) Abg. Brejski(Pole) wendet sich gegen die Forderung des sozial­demokratischen Redners, die Privatbeamtenversicherung im Rahmen der Reichsversicherung zu regeln. Abg. Dr. Burckhardt(Wirtsch. Vg.) spricht sich ebenfalls gegen die Einbeziehung in die Rcichsversicherungsordnung aus. Abg. Nacken(Z.): DaS Zögern der Negierung gegenüber dem einmütigen Verlangen des Reichstages ist geradezu unverständlich. (Sehr richtig!) Wir behalten uns vor, in Anträgen auf diese An­gelegenheit zurückzukommen. Gegenüber Herrn Heine bemerke ich, daß die Privakbeamken nicht aus Hoch- oder Uebermut, sondert! in wohlerwogenem Eigen- interesse eine besondere Versicherung verlangen. Damit schließt die Besprechung. Es folgt die Interpellation Albrecht u. Ge».<So�.) über die Unter- stützung der Tabakarbettcr. Die Jnterpellatton lautet: .Ist dem Reichskanzler bekannt, daß die Ausführung der Vor­schriften über die Unterstützungen an arbettslose Tabakarbeiter Härten und Mißstände für die Unterftützl-ngSberechtigten ergeben bat? Ist der Reichskanzler bereit, zur Beseitigung dieser Miß- stäube VcrwaltungSmaßregeln zu treffen und einen Gesetzentwurf einzubringen, durch den die im Tabaksteuergefetz ausgeworfene Unterstützungssumme von 4 Millionen Mark erhöht wird?" Staatssekretär Mermuth   erklärt sich zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit. Zur Begründung der Interpellation erhält das Wort Abg. Geyer(Soz.): Die Erörterungen, die hier vor Weihnachten anläßlich des Nachtragsetats über diese Frage stattgefunden haben, überheben uns nicht der Notwendigkeit, in einer besonderen Interpellation auf diese überaus wichtige Angelegenheit zurückzukommen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Die Folge« des TaVaksteuergesetzeS, die«vir vorausgesagt haben, sind eingetroffen, ja unsere Voraus« sagungen sind übertroffen-vorden. Zehntausende von Tabak- arbeitern find brotlos geworden, und eine llnzahl kleiner Unter- nehmer sind um ihre Existenz gebracht.(Sehr wahr l bei den Soz.) Fortgesetzt laufen bei uns Briese Neiner Tabakhändler ein, die sich bitter über ihren Ruin beklagen. Da schreibt mir ein kleiner Unternehmer aus Charlottenburg  , er fei 61 Jahre alt, habe vor zwei Jahren einen Unfall erlitten, wofür er eine Rente von 12,50 M. pro Monat erhalte und damals ein Hut auf und ging fort. Nördlich von Spitzbergen   zweigt der Weg ab. Ich ging die Straße rechts, da wo der Wegweiser steht. Bald hatte ich den Pol erreicht. Ich habe ihn photographiert und lege die Aufnahnte dem hohen Senat vor. Leider sieht man nichts darauf, denn der Pol dreht sich so rasend schnell, daß kein Momcntapparat nachkommen kann. Deshalb versuchte ich den Pol festzubinden. DaS andere Ende der Leine befestigte ich an dem Fuße eines Eisbären. Er konnte die heftige Rotation nicht aufhalten. Schon fürchtete ich, eS werde mir nie gelingen, der Welt zu beweisen, daß ich wirklich den Pol erreicht habe. Da kam mir ein rettender Ge- danke. Zufällig hatte ich eine kleine Säge bei mir. Ich sägte den Nordpol   ab. Es ging ganz leicht, denn er bestand aus reiner Schokolade. Ich wickelte ihn in Papier und nahm ihn mit nach Haufe. Dort legte ich ihn auf die Kommode. Unglücklicherweise ist mein Sohn ein großer Freund von Süßigkeiten. Er hat den Nordpol  aufgegessen. Infolgedessen lenkt dieser Knabe die Magnetnadel so stark ab, daß man ihn auf keinem Schiff als Paffagier aufnehmen kann. Sonst würde ich dieses Kind als wichtiges Beweisstück dem hohen Senat der Universität Kopenhagen   unterbreitet haben. _(»Simplicissimu»/) Notizen. Im Theater des Westens wurde L. Falls Operette.  Die geschiedene Frau" am Sonnabend zum 100. Male aufgeführt. Die populär gewordenen Schlager mit obligaten Tänzen mußten immer wiederholt werden und der Schluß war ein Blumenladen, der das ganze Theater mit seinem Duft er- füllte. LeoncavalloS neue OperMaja", die am Sonnabend in R o m zum ersten Male gespielt wurde, erregte all- gemeine Enttäuschung. Shackleton   verabschiedete sich am Som-tag von Berlin  durch einen Vortrag im Mozartsaal, der einen lebensgefährlichen Andrang herbeiführte. Sein Vortrag war trocken und wenig ein- dringend; er las ein deutsches Manuskript mit mancherlei Unfällen, die das Publikum lustig fand, ab und ließ im übrigen die Bilder für seine und seiner Begleiter erfolgreiche, durch Mut und Ausdauer bewundernswerte Taten reden. Ungemein interessant waren die ki-ie-natographischen Borführungen aus den Südpolargegenden. Be- sonders die einherstelzenden und konversierenden Pinguine, die wegen ihres menschenähnlichen Ganges   und Aussehens A. France zu einem satirischen Roman aus der Geschichte der Franzosen anregten, ge- fielen allgemein, sie glichen Nonnen und Mönchen in der Kutte auf ein Haar. KarkKraus, der Herausgeber der Wiener  Fackel", ver- anstaltet im Verein für K-- n st am Donnerstag, den 20., abends 8 Uhr, im Salon Eassirer, Viktoriastr. 35, eine Vorlesung. Das Programm enthält:Sprüche und Widersprüche" undDie chinesische Mauer". Karten mir auf schriftliche oder telephonische Bestellung (Wilm. 3524) in der Geschäftsstelle des Vereins für Kunst: Halensee  , Katharinenstr. 5. Eine a s s y r i o l o g i s ch e Professur. P-erpon Morgan hat der amerikanischen   Universität Dale 400000 Dollar geschenkt zur Errichtung einer assyriologischen Professur und einer Sammelstelle l für babylonische Literatur.