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ei wird sich wohl die Erhöhung des Fonds als notwendig er- weisen. Der Herr Staatssekretär ist der Meinung, dast durch die Aus- führungSbestimmungen eine erhebliche Besserung der Verhältnisse herbeigeführt worden sei. Ich will auf diese Frage nicht näher ein- gehen. Wenn ich eS täte, was ich mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit unterlasse, dann würde ich den Nachweis deS Gegenteils erbringen können. Ebenso wie die nachteiligen Wirkungen'des Gesetzes vom Jahre 187!) noch nicht im Jahre 1881 erledigt waren, sondern ein ganzes Jahrzehnt hindurch fortgedauert haben, so wird es auch jetzt lange Zeit brauchen, ehe die schweren Schäden wettgemacht sind, die das neue Steuergesetz verursachen muß.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Diskussion. Das Haus vertagt sich. Nächste Sitzung: Dienstag 1 Uhr.(Interpellation der Sozial- demokraleu über den Mansfelder Streit, Interpellation Ablaß (frs. Vp.) über die Ausführung des Vereinsgesetzes. Zweite Lesung des Etats beim Justizetats.) Schluß 6'/t Uhr. Hbgcordnetenbaud. S. Sitzung. Montag, den 17. Januar, vormittags 1 1 tl h r. Am Ministertisch: Frhr. v. Rheinbaben, Beseler, v. Trott zu Solz. v. Breitenbach, Sydow. Die erste Lesung des Etats wird fortgesetzt. Abg. Dr. Wiemer(frs. Vp.): Herr Herold hat seine Rede mit der Mahnung zu konfessionellem Frieden geschlossen. Aber dieser Herold des konfessionellen Friedens hat selbst Fanfarenklänge zum konfessionellen Streit entfacht.(Sehr gut! links, Gelächter im Zentrum.) Er behauptete wieder, das Zentrum sei keine kon- fessionelle Partei, aber er verlangt die Konfessionalisicrung der Schule, die Verstärkung des Einflusses der Äirche auf allen Ge- bieten. Es ging eine KampfeSstimmung durch seine Rede, wie wir sie hier seit Jahren nicht mehr vom Zentrum gehört haben.(Sehr richtig links.) Herr Herold hat offenbar die Rechnung für die Mit- Wirkung des Zentrums bei der Reichsfinanzreform jetzt präsentiert. (Lachen im Zentrum.) Warum verlangt Herr Herold nicht gleich, daß das Unterrichtsministerium überhaupt mit Geistlichen besetzt werden soll?(Sehr gut! links.) Eigentlich hätte ich es für selbst- verständlich gehalten, daß der neue Herr Kultusminister zunächst sich gegen die Ausführungen des Herrn Herold wendete!(Sehr richtig! links.) In seinem Etat geht es nicht vorwärts, sondern rückwärts. Die Einrichtung hauptamtlicher Kreisschulinspek- toren geht viel langsamer vor sich als im vorigen Jahre. Den Streit um die Reichsfinanzreform will ich hier nicht er- neuern, aber ich muß bestreiten, daß durch die Finanzreform der Besitz getroffen sei, der am besten die Steuern tragen könne. Wir mußten unsere Mitarbeit an der Fiuanzrcform versagen, nachdem unsere Vorbedingungen nicht erfüllt waren. Wir haben dann die Blockflöte niedergelegt und haben zur Oppositionstrompetc ge- griffen(Heiterkeit) und wir werden in dieser Stellung so lange verharren, als verkehrte Gesetze von einer reaktionären Mehrheit gemacht werden.(Sehr gut! links.) Im Anschluß an die Erhöhung der Beamtciwcsoldungen, auf die der Finanzminister hinwies, wird jetzt auch eine Neuregelung der Bezüge der im Staatsdienst be- schäftigten Arbeiter und Angestellten erfolgen müssen. Wir «werden einen dahingehenden Antrag einbringen. Auch eine Neu­regelung des Bcamtenrechts ist notwendig.(Sehr richtig! links.) Der Finanzminister sprach von der Notwendigkeit neuer Einnahme- quellen. Es ist der Gedanke laut geworden, daß für Preußen die im Reich gescheiterte Erbanfallstcuer in Anspruch genommen werden soll. Wir ivollcn deshalb von vornherein betonen, daß nach unserer Ansicht die Erbschaftssteuer dem Reich gehört(Sehr richtig! links), und wir sind überzeugt, daß dort bald ein Ausbau dieser Steuer durchgesetzt werden wird. Die Hauptaufgabe dieser Session ist vielleicht die Wahlrechts- rcsorm. Die bestimmt ablehnende Haltung der Konservativen in dieser Frage ist mir immer noch lieber als das Bestreben, einer wirklichen Reform vorzubeugen durch allerlei Künsteleien. So ist Freiherr v. Zedlitz für die Beibehaltung der öffentlichen Wahl auf dem Lande und die Einführung der geheimen Wahl in den großen Städten eingetreten. Das ist allerdings das Ei des Kolumbus (Heiterkeit), aber in der Praxis ganz undurchführbar. Wir setzen keine großen Hoffnungen auf die angekündigte Vorlage, um so weniger als in der Thronrede die Erwartung ausgesprochen ist, daß strenge Sachlichkeit und pflichtbewußte Staat-gesinnung wie bisher die Entschließungen der preußischen Landesvertretung leiten werde! Dieseswie bisher" ist unverkennbar eine Verbeugung vor der Politik der jetzigen Mehrheit. Dem neuen Mnistcrpräsidentcn werden wir gewiß seine Mitwirkung an dem Zustandekommen eines einheitlichen und freiheitlichen ReichsvereinsgesetzeS nicht vergessen.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Freiheitlich?!) Daß das Vereinsgcsetz unzweifelhaft einen Fortschritt bedeutet, haben auch sozialdemokratische Stimmen anerkannt. Worüber zu klagen ist, ist nur die mangelhaste Durchführung des Gesetzes(Sehr richtig! links.) Also wir haben seinerzeit Herrn v. Bethmann Hollweg unterstützt, wenn er aber jetzt eine Politik proklamiert, die mit der jetzigen Mehrheitwie bisher" gemacht werden soll, so kann er dabei auf unsere Unterstützung nicht rechnen. Im Gegenteil, die Liberalen schließen sich gerade jetzt zu einer einheit- l:«chcn Partei zusammen, um mit aller Kraft dahin zu wirken, daß es in Preußen nicht so bleibt wie bisher, sondern daß auch in Preußen dem Fortschritt und der Freiheit eine breite Gasse geöffnet wird.(Bravo ! links.) Abg. Frhr. v. Zedlitz(frkons.): Die Rede deS Herrn Herold babe ich so aufgefaßt, daß dos Zentrum seine Rechnung für die Mittvirkung an der Reichsfinanzreform jetzt präsentiert. Ich meine allerdings, der Sturz des Fürsten Bülow dürfte für das Zentrum mehr als Lohn gewesen sein.(Sehr richtig! links.) Viel eher könnten wir dem Zentrum jetzt die Rechnung präsentieren für die Unter- stützung, die man ihm geliehen hat zur Erreichung seiner politischen Machtziele im Reich.(Sehr richtig! rechts.) Ich hoffe, daß die Quittung beim Wahlrecht ausgestellt werden und daß das Zentrum dafür sorgen wird, daß kein Wahlrecht zustande kommt, dem die Konservativen nicht zustimmen können.(Sehr gut! rechts.) Wenn Herr Herold das Schreckgespenst des Kulturkampfes hervorgerufen hat, so wohl mehr, uni die unzufriedenen Zentrumswähler wieder zu gewinnen. Eine Herrschaft der katholischen Kirche auf die Schule wird in Preußen niemals verwirklicht iverden.(Bravok links.) Sonst wäre ja die Konsequenz, daß der Kultusminister ein Bischof ist!(Große Heiterkeit.) Was das Wahlrecht anlangt, so werde ich auf meinen Vorschlag gu dieser Frage, den Herr Wiemer kritisiert hat, hier nicht weiter eingehen. Herr Wiemer hat meinen Artikel offenbar gar nicht gelesen. Zur Sache selbst ist festzustellen, was eigentlich nach der Ankündigung der Wahlrechtsreform in der Thronrede von 1903 jetzt zu erwarten ist. Wenn man die erläuternde Rede deS da- maligen Ministerpräsidenten berücksichtigt, so würde ein Festhalten am Treiklasscnwahlsystcm auf Grund der Ergebnisse der Wahl- ftatistik völlig im Einklang mit jener Ankündigung stehen, und eben- sowenig stände ein Festhalten an der öffentlichen Abstimmung im Widerspruch mit der damaligen Erklärung des Fürsten Bülow. Wir werde» unS nicht beirren lassen durck große Worte, Straßen- drmoiiftrativnrn und ähnliche Dinge, a» wenigsten von einer Partei, die durch die Resolutionen, die gestern gefaßt worden sind, gezeigt hat, daß sie entscheidendes Gewicht legt auf die Urteils- unfähigen und Unreifen. Solche Leute lassen sich allerdings am ehesten für die Sozialdemokratie einfangen.(Sehr wahrl rechts.) Wir werden mit vollster Sächlichkeit und starkem Staatsbcloußtsein an die Prüfung der bevorstehenden Vorlage herangehen, eingedenk des Wortes: lieber der.Partei steht das Bgterlqnd!(Lebhaftes Bravo! rechtS.JU Finanzministcr v. Rheinbaben: So verlo«!end eS wäre, auf die bedeutsamen allgemeinen Ausführungen des Freiherrn v. Zedlitz einzugehen, so muß ich es mir doch nach meiner ressortmäßigen Stellung versagen.(Der Minister polemisiert des weiteren gegen einzelne Aeußerungen der Vorredner.) Was die Steuerveranla- gung anbetrifft, so sind wir den Fällen, die in der Presse über angebliche Steuerhinterziehungen veröffentlicht worden sind, nach- gegangen und es hat sich herausgestellt, daß die Angaben nicht zu- trafen. In den seltensten Fällen haben dann die betreffenden Blätter die Berichtigung aufgenommen.(Hörtl hört! rechts.) Abg. Hirsch(Soz.): Der scharfmacherische Ton der Rede des Abgeordneten v. Zedlitz war für uns nicht überraschend; wir würden uns mehr wundern, wenn er einmal eine Rode hielte, in der nicht zum Kampf gegen Sozialdemokratie und gegen Polen aufgerufen würde. W-ir sind jederzeit gerüstet, wir haben niemals an dos Märchen von der Unparteilichkeit der Regierung geglaubt, nicht daran glauben können, weil wir Tag für Tag sahen, wie parteiisch die Regierung vorgeht, wie sie ausgesprochene Partciregierung ist.(«Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir sind also jederzeit bereit, den Kampf aufzunehmen, wir haben uns bisher dabei sehr wohl gefühlt, und ich glaube, auch die Herren Polen haben nicht zu klagen. Der neue Herr Ministerpräsident, der heute wiederum durch Abwesenheit glänzt, ist von den bisherigen Etatrednern sehr verschieden behandelt worden. Der Redner der konservativen Partei hat ihm sein Vertrauen ausgesprochen, der Redner der Polen ihm ein ausdrückliches Mißtrauensvotum erteilt, und die Nationalliberalen haben ihre Stellung im Unklaren gelassen. Wir müssen uns dem Mißtrauensvotum der Herren Polen vollkommen anschließen.(Lachen rechts.) Herr v. Bethmann Holl- weg ist ja für uns kein neuer Mann. Wir haben ihn schon kennen gelernt bei der Enteignungsvorlage, beim Vereinsgesetz, und wir erinnern uns daran» wie er 1996 bei der kleinen Wahlrechtsvorlage als Minister des Inneren sich ausdrücklich gegen eine Reform er- klärt hat. die von den Prinzipien des Dreiklassenwahlshstems ab- weicht: wir denken auch daran, daß er vom Fürsten Bülow zur Durchführung der Bülowschen Blockpolitik ins Reichsamt des Innern berufen wurde und dann, nach dem Scheitern der Blockpolitik, nicht die Konsequenzen daraus zog, sondern mit dem neuen Block die Finanzreform verabschiedete. Zu einem Minister mit solcher Der- gangenheit können wir kein Vertrauen haben.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Nun weiß ich ja nicht, ob dem Herrn Minister- Präsidenten überhaupt daran liegt, sich das Vertrauen des größten Teils des preußischen Volkes zu erlverben. Nach den bisherigen preußischen Traditionen kann man ja daran zweifeln. Sollte ihm aber wirklich an diesem Vertrauen liegen, so braucht er nur eine Wahlreform einzubringen, die dem Volke das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht bringt. Ich zweifle freilich daran, daß er von solchem Ehrgeiz beseelt ist, und wäre er es auch, dürste er doch eine solche Vorlage nicht einbringen infolge der Abhängigkeit der Regierung von den Konservativen. Die Rede des Herrn v. Pappenheim war ein deutlicher Beweis, wie sich die Konservativen als Herren der Situation fühlen, wie sehr sie darauf bauen, daß die Minister nach ihrer Pfeife tanzen. Herr v. Pappenheim hat die Regierung ja öffentlich gerüffelt, weil sie nicht genug zur Aufklärung des Volkes über die Roichsfinanzreform getan habe. Es war ein erbauliches Schau- spiel, zu sehen, wie der Finanzminister, der sonst bei der Abwehr gegenüber kleineren Parteien den Mund nicht voll genug nehmen kann, gegenüber Herrn v. Pappenheim nur einige Wort fand, die einer Entschuldigung sehr ähnlich sahen. Der Vorwurf des Herrn v. Pappenheim richtete sich offenbar dagegen, daß die Re- gicrung nicht allen Kreisblätteru die Rede des Herrn v. Heydebrand beigelegt hat.(Heiterkeit und Sehr gut! links.) Uebrigens sollten Sie die Aufgabe, das Volk über dic Reichsfinanzreform aus- zuklären, gefälligst uns überlassen.(Lachen rechts.) Wir haben sie bisher erfüllt, und Sie können sicher sein, wir werden sie weiter so erfüllen, daß schließlich auch in die entferntesten Gegenden die Aufklärung dringt über die Tätigkeit der Konservativen und des Zentrums.(Bravo ! bei den Sozialdemokraten.) Es ist das Wort gefallen von der Verhetzung deS Volke». Der Vorwurf richtete sich nicht m:r gegen uns wir find ja ge- werbsmäßige Hetzer nach Ihrer Meinung(Heiterkeit), sondern diesmal gegen die Nationalliberalen, d:e unS sogar noch übertrumpft haben sollen. Sie sehen, wohin es führt, wenn die Nationalliberalen es ein- mal wagen, in einer Frage n i ch t mit den Konservativen und dem Zentrum zusammenzugehen! Sie sind aber nicht etwa mit uns zusammen gegangen, sondern sie waren bereit, eine ganz ähnliche Finanzreform ebenfalls zustande zu bringen. So unschuldig sind also die Nationalliberalen nicht, das Lob alsHetzer" haben sie wirklich nicht verdient.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Im übrigen wirkt dic Finanzrcform schon durch sich selbst verhetzend. Die einfachsten Arbeiter, Hand- werker und Angehörigen des Mittelstandes sehen ja tagtäglich bei jedem Stück Ware, das sie kaufen, wie gewaltig die Preise infolge dieser Reform gestiegen sind. Nicht nur aus der Aufforderung des Herrn v. Pappenheim an die Regierung, daS Volk aufzu- klären, sondern auch aus Ihren ganzen Preßäußerungen spricht deutlich die Furcht, daß Ihre eigenen Wähler Ihnen jetzt den Rücken kehren könnten, und wir sehen ja auch, daß sich selbst in den Reihen der Konservativen jetzt eine Fahnenflucht vollzieht. Bei den Ersatzwahlen hat das Volk deutlich sein Urteil gesprodhen, und die endgültige Zlbrechnung werden die Reichstagswahlen bringen.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) ES nützt Ihnen nichts, wenn jetzt wieder die Politik der Sammlung gepredigt wird, die darauf hinausgeht, daß alle bürgerlichen Parteien sich sammeln, um schließlich wieder neue Steuern aus dem Volke herauSzu- pressen. Diese Sammlungspolitik ist dank unserer Aufklärungs- arbeit hoffentlich ein- für allemal vorbei. Gewundert hcrbe ich mich, daß Herr Friedeberg sich plötzlich so energisch gegen den Gedanken eines Großblocks wandte. Das würde doch voraussetzen, daß von einer autoritativen Seite aus der Gedanke aufgetaucht wäre. Abex mir ist nicht erinnerlich, daß unter meinen Freunden irgend jemand das Bündnis der preußiscben Nationalliberalcn mit den Sozialdemokraten angeregt hätte. Wir denken gar nicht daran, einen Großblock zu gründen mit den Nationalliberalen, nie und nimmer! Die Herren würden ja doch sehr bald mit ihrem früheren Verhältnis wieder ansangen(Heiterkeit), und wo man solchen Ehebruch voraussieht, läßt man die Ehe lieber. Das schließt natürlich nicht auS, daß wir in gewissen Fragen mit den Nationalliberalen zusammengehen. Wir haben ja auch mit den Konservativen schon zusammen ge- stimmt. Ich erinnere an die Gesellschaftssteuer usw. Aber von einem Bündnis mit den Nationalliberalen kann keine Rede sein, denn wir wissen genau, die Herren würden ihren Weg geradeaus" so gehen, daß sie schließlich geradeaus inS Lager der Konservativen kommen. Wir fühlen uns allein stärker als mit solchen unsicheren Bundesgenossen.(Sehr richtig! bei den Sozial- dcmokraten.) Nun zum Etat. Auch wir sind der Ansicht, daß die Finanzlage höchst unerfreulich ist. Wenn für das Jahr 1910 noch ein Defizit von 92 Millionen Mark zu erwarten ist, jo sind das Zustände, die dringend der Ab- Hilfe bedürfen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auch daS voraussichtliche Ergebnis für 1919 beweist, daß diese Art zu regieren am Rande des Bankerotts angelangt ist.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)! Die Staatsschulden sind allmählich auf 9122 Millionen Mark augewachsen, deren Per- zinsung allein 39ö Millionen Mark vro Jahr erfordert. Es ist ja nicht zu bestreiten, daß der Etat für die Beamtcnbesoldung er- heblich gewachsen ist. aber vergessen.Sie nicht, daß die Gehalts- erhöhungen hauptsächlich notwendig waren infolge der verkehrten Wirtschaftspolitik des Reichs, an der Preußen die größte Schuld trägt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte die Regierung fragen, ob sie nicht endlich etwas tun will, uni auch den Gemeinden die Möglichkeit zu geben, ihre finanziellen Per- Hältnisse, darüber hinaus ihre allgemeinen Verhältnisse, zu bessern. Dazu gehört in erster Linie die Einführung des allge- meinen gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts und die Be- seitigung des Hausbesitzerprivilegiums.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Allerdings denkt die Regierung nicht daran, diese vernünftige Reform durchzuführen, einmal weil sie grundsätzlich gegen jede vernünftige Reform ist(Lachen rechts), und dann aus Furcht vor der Sozialdemokratie. Wie steht es mit dem Beamtengesetz? Was in der Oeffcntlichkeit davon laut geworden ist, berechtigt zu den schlimmsten Befürchtungen. Man scheint kein Beamten - recht schaffen, wohl aber ein Gesetz zur Knebelung der Bcwegungs- freihcit der Beamten machen zu wollen.(Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Unruhe rechts.) In dieser Befürchtung werde ich bestärkt durch einen Erlaß des Eisenbahnministers vom 7. Mai 1999, in dem es als unvereinbar mit den Pflichten deS Staats­amtes erklärt wird. Forderungen zur Verbesserung der Wirtschaft- lichen Lage durch Bildung von Vereinigungen durchzusetzen und Einfluß auf Regierung und Landtag gewinnen zu wollen!(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) Mit diesem Erlaß tritt der Minister die Rechte der Beamten geradezu mit Füßen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Unruhe rechts.) Herr v. Rheinbaben hat zu derselben Zeit einen Erlaß gegen die preußi- schen Zollaufseher veröffentlicht, in dem ein energisches Einschreiten gegen alle Beamten in Aussicht gestellt wird, die es bei der Ver» folgung ihrer Standesinteressen an der nötigen Mäßigung fehlen lassen. Die Erlasse beweisen, daß die Regierung die Beamten als Staatsbürger mindere» Rechts betrachtet, und ich hoffe, daß die Beamten sich eine solche Be- Handlung auf die Dauer nicht gefallen lassen.(Beifall bei den Sozialdemokraten. Unruhe rechts.) Die wirkliche Ursache der Finanznot Preußens ist die fortgesetzte Bevorzugung der Großgrundbesitzer. (Lärm rechts.) Ungezählte Millionen sind für sie ausgegeben worden, und wenn es im letzten Jahre weniger geworden ist, so liegt das daran, daß ihnen im Laufe der Jahre der Mund ge- stopft worden ist. Zu gegebener Zeit werden die Herren schon wieder zu schreien anfangen, und sie werden dann auch wieder neue Liebesgaben bekommen. Ganz ohne Liebesgaben ist es auch in diesem Jahre nicht abgegangen. So werden 99 999 M. gefordert für Versuche zur Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes. Die Darlehen werden völlig zinslos gegeben, die Zinsen müssen von den Steuerzahlern aufgebracht werden! Weiter haben wir viel zu viel Beamte in den hohen Stellen. Eine ganze Anzahl von Beamten könnte einfach gestrichen werden, ohne daß der preußische Staat auch nur den geringsten Schaden erleiden würde!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich denke da z. B. in erster Linie an die preußischenGesandten" in Dresden , Hamburg , Karlsruhe usw., die weiter nichts zu tun haben, als zu repräsentieren. Es ist auch die Frage, ob wie neben den 12 Oberpräsidenten noch Regierungspräsidenten gebrauchen. Aber nicht nur bei den Beamten wird ein ungeheurer Heber- flutz getrieben, sondern es ist bei den Staats gebäuden ein Luxus eingerissen, der angesichts der schlechten Finanzlage ein- fach unverantwortlich ist.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- traten.) Das Oberpräsidialgebäude in Koblenz kostet fast 2 Millionen Mark, ein'Regierungsgebäude in Düsseldorf 8,5 Millionen Mark.(Hört! Hort! bei den Sozialdemokraten.) Da kann doch wirklich gespart werden. Aus den direkten Steuern erwartet der Finanzminister nur ein Mehr von 6 Millionen Mark. Das läßt darauf schließen, daß Maßnahmen zur richtigeren Heranziehung der Einkommen nicht beabsichtigt sind. Es ist eine Tatsache, daß heute in Preußen das wirklich verdiente Einkommen ebensowenig richtig versteuert wird wie das wirklich vorhandene Vermögen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Ich lasse die Frage offen, ob die Schuld daran die Veranlagungskommissionen trifft. Es wäre wiinschenS- wert, wenn die von Herrn v. Zedlitz gewünschte Kommission die bekannten Mitteilungen de? Professors Delbrück eingehend nach- prüfen würde. Wenn es sich wirklich herausstellen sollte, daß K3 Milliarden zu wenig versteuert werden, so würde das ein Steuermrhr von 37 Millionen Mark' bedeuten.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Arbeiter werden auf Grund des ß 23 bis auf den letzten Pfennig be- steuert, und da ist es eine Ehrenpflicht der übrigen Schichten der Bevölkerung, ihr Einkommen gleichfalls bis auf den letzten Pfennig zu versteuern. Wenn hier der Hebel eingesetzt wird. dann brauchen wir keine Schiffahrtsabgaben, mit denen wir die übrigen Bundesstaaten nur vor den Kopf stoßen. Dann brauckien wir auch nicht die Einführung von Leihgebühren für die Benutzung der königlichen Bibliothek. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Wenn dieser Bildungszoll eingeführt ist, dann kann die Berliner königliche Bibliothek den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, die erste und einzige Landesbibliothek zu sein, die sich für die Benutzung von Büchern etwas bezahlen läßt. Der Finanzminister hat mit einem Ausdruck des Bedauerns darauf hingewiesen, daß. während 1899 die Betriebsverwaltungen noch 57 Proz. der Ausgaben deckten, 1999 nur noch 34 Proz. der Staatsbedürfnisse durch die Einnahmen aus den Betriebs- Verwaltungen gedeckt wurden. Nach unserer Meinung ist das ein sehr erfreulicher Zustand, den» wir stehen auf dem Staudpunkt. daß die Bedürfnisse des Staates in erster Linie durch direkte Steuern gedeckt werden sollen. Wir wollen keine Ueber- s ch u ß w i r t s ch a f t, die doch nur auf Kosten der Arbeiter er- folgt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wie recht ich damit habe, geht daraus hervor, daß in den Staatsbetrieben die Löhne geringer sind als in ähnlichen Privatbetrieben.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Dazu kommt, daß man sich alle Mühe gibt, die Arbeiter politisch zu entrechten.(Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Das Koalitionsrechl der Eiseubahnarbeiter wird mit Füßen getreten. Erst kürzlich hat ein Erlaß des Herrn v. Breitenbach bor dem Eintritt in den Deutschen Transportarbeiterverband gewarnt.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wie will der Minister den Beweis dafür erbringen, daß die Mitgliedschaft in einer rein gewerkschaftlichen Organisation unvereinbar ist mit der Beschäftigung in der StaatScisenbahnverwaltung? Es ist einfach ein Skandal, daß man es wagt, freien Arbeitern derartiges zu bieten.(Leb- Haftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Man geht sogar noch weiter und schreibt den Arbeitern vor. was sie lesen sollen! Eine solche Bevormundung findet man in keinem Lande der Welt. In einem wirklichen Kulturstaat würde ein Minister, der das wagt, auch nicht einen Augenblick mehr auf seinem Posten bleiben können. Aber unter der Herrschaft des Dreiklassenparlaments dürfen sich die Minister eben alles herausnehmen, sie dürfen noch so gesehwidrige Handlungen gegen die Arbeiter begehen, weil sie niemand dafür zur Verantwortung zieht. lEehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Mit der Einsetzung einer Nntersuchungskommissi»« für die Bcrhältnisse in den Bergwerken sind wir einverstanden. Nur sollte mau zu dieser Kommission auch Bergarbeiter heranziehen.(Sehr richtig! bei den Sozialdcmo» traten.) Gespart werden könnten weiter die zwei Millionen, die als