Einzelbild herunterladen
 

Fast 1M0 Personen waren in der Brauerei Patzewhofer der Turmstrahe versammelt. Genosse Dr. Alfred Bernstein hatte das Referat. Seinen mit grohem Beifall aufgenommenen treff- lichen Ausführungen hatte niemand mehr etwas hinzuzusetzen. Debattelos wurde die vorgeschlagene Resolution einstimmig an- genommen. Mit einem Hoch auf das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht gingen die Versammelten auseinander. Der riesige Saal in denN o r d w e st- P r a ch t s ü l e n" in der Wiclefstrahe erwies sich als viel zu llciu um die Erschienen alle zu fasse». Unaufhörlich strömten die Entrechteten in kleinen Trupps der Versainmlnng zu. Doch bereitwilligst wurde auch den Nachzüglern Einlaß gewährt, indem sich die Genossen, die jederzeit geru ihre Pflicht erfüllen, mit dem bei der rauhen Witterung nicht gerade angenehmen Aufenthalt außerhalb des Versammlungssaales begnügten. Mit sichtlicher Befriedigung überließen sie ihre Plätze den nach- kommenden, noch einzureihenden Wahlrechtskämpfern. In der Dis- kussion, die dem mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Bortrage des Genossen Herm. Müller folgte, wurde die Initiative, die die preußische Landeskonimission mit diesen Demonstrationsversammlungen im Wahlrechtskampfe ergriffen hat. als ein zu schwacher Angriff auf das bestehende Wahlunrecht bezeichnet. Unter dem Beifall der Vor- sammelten wurde auf die Straßendemonstrationen als wirksameres Protestmittel hingewiesen. In seinem Schlußwort bemerkte der Referent dazu, daß es weder dem preußischen Parteitag noch den führenden Genossen eingefallen sei, auf die Straßendemonstration als Mittel zur Bekämpfung des jetzigen Wahlrechts in Preußen zu verzichten. Die Sttaßendemonstrationen dürfen aber nicht zur all- wöchentlichen Erscheinung werden. Sie wirken erst am besten, wenn die Wahlrechtsbewegung von der Begeisterung deS Volkes durchglüht ihrem Höhepunkte nahe sei. Der proletarische Wahlrechtskampf in Preußen ist aber zurzeit im ersten Stadium. Aufgabe der Ver- sammelten ist es, alle diejenigen, die sich heute noch außerhalb der Versanrmlungen befinden. als Wahlrechtstämpfer zu ge- Winnen. Darauf nahm die Versammlung die Resolution einstimmig an. Unter Hochrufen auf daS freie Wahlrecht schloß die wohl mehr als 3000 Personen zählende imposante Versammlung. Die Polizei hielt sich in Moabit trotz deS starken Zustroms zu den Versammlungen im Hintergrunde und überließ die Absperrungen den Genossen selbst. Nur hin und wieder kam ein Schutzmann oder auch mal ein Polizeioffizier, die aber, nachdem sie sich davon über- zeugt haben, daß für sie nichts ist, wieder ihre Wege gingen. So verliefen denn auch diese imposanten Kundgebungen durchaus würdig und ohne störende Zwischenfälle. In den Berliner Vororten gestalteten sich die Demonstrationen teilweise zu Kundgebungen von selten eindrucksvoller Wucht. Der Wille zur Erringung des allge­meinen, gleichen und geheimen Wahlrecht? brachte hier wie in Berlin gewaltige Menschenmassen auf die Beine. Viele Versamm- lungen erwiesen sich als erfolgreiche Gelegenheit zur Werbung neuer Parteimitglieder undVorwärts'-Wonnenten. Um ein Bild von dem Gesamteindruck zu geben, lassen wir einzelne Berichte folgen: Rixdorf. Für unsere Nachbarstadt Rixdorf, dem proletarischen Südosten Groß-Berlins, waren nicht weniger als vier Versammlungen an- beraumt worden. Alle waren sie überfüllt. Zur festgesetzten Zeit wurde da? Straßenbild vollständig beherrscht durch die Scharen von Wahlrechtsdemonstranten, die den geräumigen-Sälen zustrebten. Bei Frisch in der Knesebeckstraße konnte buchstäblich kein Apfel zur Erde fallen, so dicht gedrängt war die Maffe, selbst nachdem Tische hinausgeschafft worden waren. Hier referierte Genosse Wetner Bei Gröpler in der Bergstraße , wo Rechtsanwalt Oskar Cohn das Referat hatte, standen die Versammelten bis weit in den Vorraum hinaus. Auch bei Hoppe, dem größten Rixdorfer Saal, war jeder Winkel besetzt. Die Polizei hatte abgesperrt. Landtagsabgeordneter Heimann sprach über da? Thema des TageS. Abgesperrt war auch der KarlSgarten, wo Redakteur Leid referierte. In allen Versammlungen trat die gleiche kampfesfrohe Stimmung zutage. Begeistert stimmte man dem zu, daß gegenüber allen Reförmchen und gesetzgeberischen Schöupflästerchen auf das nachdrücklichste die Forderung deS allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahl- rechts vertreten werden müffe. Die Zahl der Personen, die Einlaß zu den Lokalen fand, stellt sich auf zirka 6000. Eharlottcnburg. Der der Großstadt im Westen vorgelagerte Vorort, woselbst der Geldsack die Vorherrschaft hat, hat sich an der Demonstration durch eine Massenversammlung in dem in der Rosinenstraße belegenen Volkshause beteiligt. Der große Saal erwies sich als zu klein, und so wurde gleichzeitig im unteren Saale eine Versammlung abgehalten. Doch auch dieser war unzureichend. Hunderte von Besuchern mußten wieder umkehren oder draußen harren, weil ihnen die Polizei den Zutritt zu den bereits überfüllten BersammlungSsälen verwehrte. Die Genossen K l o t h und G e r l a ch hielten die Referate, die wiederholt den Beifall der Versammelten auslösten. Auch hier verlief die Demonstration durchaus würdevoll. Wilmersdorf . In der von 700 Personen besuchten Versammlung referierte Genosie G i r b t g. In der Diskussion verlaß der Vorsitzende deS ort- lichen ZweigvcreinS der Demokratischen Vereinigung, Herr Fabian, eine Erklärung deS Inhalts, daß die Demokratische Vereinigung an der Seite der Sozialdemokratie für das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für Männer und Frauen kämpfen werde. Die gleichen Ausführungen machte Frau Deutsch . * Stark besuchte Versammlungen werden noch gemeldet aus Lichtenberg . Svandau<000 Personen). Schöneberg (500 Personen), Ober-Schöneweide<900 Personen), Rummels- bürg, AdlerShof , Steglitz-Friedenau (700 Personen). FriedrichShagen (450 Personen), Baumschulenweg(400 Pu�rttn), Hoben-Schön Hausen. Treptow (500 Personen) Pankow (600 Personen), Werneuchen . Oranienburgs Franz.- Buchholz . Mariendorf . Johannisthal . Gr.- Lichterfelde . Wusterhausen(300 Personen), Waid- mannslust, Alt-Glienicke <S00 Personen), Tempelhof� Tegel<1500 Personen). Reinickendorf -Ost(800 Personen). Weiße n see, Britz (400 Personen). NowaweS(lvOO Per­sonen), Reinickendorf- West (600 Personen), Köpenick («000 Personen). AdlerShof («00 Personen). Stralau (öS0 Personen), Potsdam . Bornstedt mid Lankwitz . Polizeiaufgebot. Teilweise machte sich eine besonders großzügige Organisation der bewaffneten Macht zur Verhiadenmg deS Revolutionsausbruches bemerkbar. Auszeichnung nach dieser Richtung verdienen: Lichten« berg wo die Aufregung infolge der ergebnislosen Massen- Haussuchung zwecks Abwürgung bestehender und aufgelöster Jugend- orgauisationen wohl noch etwas zur Beweglichkeit der Polizei bei- trug-- Adlershof , Epaudau und PorSdam. Straßendemonstrationen. In einzeluen Orten formierten sich nach Versammlungsschluß die Teilnehmer zu einem Spaziergang, der sich zu einer besonder eindrucksvollen Kundgebung in NowaweS gestaliete. Vor dem Rat- Hause ließen die Teilnehmer das Wahlrecht hoch leben. Die Polizei unterließ eS. Zusammenstöße zu machen, und so endete die. Demonstration ohne Zwüchenfall. Die Proviuzen. Nicht niindor imposant und eindrucksvoll sind die schier unzähligen Versammlungen in den Provinzen gewesen. Aus allen Teilen Preußens gehen uns gleichlautende Meldungen zu, die von starkbesuchten, vielfach überfüllten Sälen, von froher Kanipfstimmung der Versammelten berichten. Aus der großen Fülle der Nachrichten können wir nur die wichtigsten geben. Brandenburg . Brandenburg hatte zwei überfüllte Versammlungen, die rund 2000 Besucher umfaßten. In F ü r st e n w a l d e waren 1600 Personen versammelt. Frankfurt a. O. musterte 100, K o t t b u s 1000, Rathenow 000, Landsberg 800, Luckenwalde 300, Guben 600, Velten 500, Sarau 500, S p r e m- berg 400 Versammlungsbesucher. In F o r st versammelten sich 1000 Personen, die zum Schluß vor das Rathaus z o g e n; zu Polizeiangriffen kam es nicht. Starkbesuchte Versammlungen werden außerdem gemeldet aus: K ü st r i n, S o m m e r f e l d i. L.,. A n g e r m ü n d e, Beelitz , Schwedt a. O., Neudamm. » In Ostpreußen demonstrierte die Hauptstadt Königsberg mit drei Versammlungen, davon eine unter freiem Himmel, die 6000 Demonstranten vereinigten. Die Polizei war durch ein starkes Aufgebot vertreten. In M e m e l, Tilsit und Gumbinnen tagten gut gefüllte Versammlungen. We st Preußen, Vorort Danzig, hatte eine von 1000 Personen besuchte Versammlung; ferner werden aus Grandenz(wo die Stadtbehörde die Hergabe eines öffent- lichen Platzes verweigerte), Thorn.Flatow und I a st r o w gutbesuchte Versammlungen gemeldet. In Posen wareii 500 Demonstranten versammelt; die Versammlung war die stärkste, die die Sozialdemokratie bisher dort zu verzeichnen hatte. In Brom berg zählte die Ver- sammlung 300 Teilnehmer. Jn?!iederschlcstdn haben 14 Versammlungen getagt. die trotz strömenden RegenS sehr stark besucht waren. Görlitz sah große Massen von Protestlern versammelt. Auch in Mittelschlesien haben stark besuchte Ver- sammlungen stattgefunden. In Breslau steuerte die Polizei der Wahlxechtsgefahr durch die schon telegraphisch gemeldete Verfügung, die den österreichischen Genossen Dr. Renner- Wien und I o ck l- Jägerndorf das Reden verbotim In- teresse der öffentlichen Sicherheit und Ord- nun g". Trotz dieses Verbots war Genosse I o ck l in Breslau angekommen und sprach unerkannt alsMann aus dem Volke" in drei Versammlungen je eine halbe Stunde. Be- sonders die Partien über die österreichischen Straßen- demonstrationen und über die Bereitschaft der Oesterreicher zum Masseiistreik fanden stürnsischen Beifall. Immer, wenn die Polizei sich auf die Strümpfe machte, um den unbekannten Redner festzustellen, entschwand Genosse Jockl den Augen der Gesetzeshüter, um ivemge Minuten später in einer anderen Versammlung seine Rede zu wiederholen. Das Bekanntwerden dieses Streiches erregte in der ganzen Stadt stürmisches Gelächter auf Kosten der Polizei. In Reichenbach i. Schl. waren 500 Personen ver- sammelt. Die Provinz Pommern hatte 21 Versammlungen. Groß-Stettin deren sechs. Trotz strömenden Regens war der Besuch und Verlauf überall glänzend. In Stettin war eine große Zahl Soldaten konsigniert und mit scharfen Patronen ausgerüstet. Die AuS- gehzeit des Militärs war beschränkt. Schleswig-Holstein hat besonders imponierende Kundgebungen zu verzeichnen. 6000 Protestler waren in Kiel in drei großen Versammlungen zusammengeströmt. Nicht minder glänzend Ware» die Versammlungen in den übrigen Städten. In Altona waren 4000 Personen, in Wandsbeck 1000 Personen versammelt. Ottensen hatte eine Riesenversammlung. Elmshorn eine von 1000 Demonstranten besuchte. Im Bezirk des ZeittralvereinS für den 8. und 10. schleswig-holsteinischen Wahlkreises (A l t o n.a- W a n d s b e ck- S t o r m a r n und Herzog- tum Lauen bürg) fanden 14 Versammlungen statt, die sich sämtlich eines außerordentlich starken Besuches erfreuten. Sie tagten 4n Schiffbeck, Sande, Oldesloe , Ahrendburg, Mölln , Lauenburg usw. In Nordschleswig fanden in Flensburg . Harris- leefeld, Apenrade , Sonderburgund Haders- leben stark besuchte Versammlungen statt. In F l o n S- bürg hatte sich die Polizei auf eine Demonslratton vor- bereitet und die S ch u tz l o u t e in den Hauptstraßen ver- st ä r k t. Sieben überfüllte Versammlungen wurden in Hannover abgehalten. An 12000 Teilnehmer hatten sich eingefunden. Die Polizei hatte stark gerüstet. Alle Stehpostcn waren eingezogen. Der Polizeipräsident erließ in den bürger- lichen Blättern eine Warnung vor Sttaßeiidcmonstrationen, da der preußisch� Parteitag beschlossen habe, diese Demon- sttationen nicht auszuschließen. Die Resolutton wurde überall einstimmig angenommen. In Harburg war die Versamm- lung von zirka 1000 Personen besucht. In der Provinz Sachsen weist Halle starkbcsuchte Versäum, lungen auf, die abgesperrt wurden. 5000 Teil- nehmer waren zusammengekommen. Die Polizei ist auf der Straße in unerhörter Weise gegen die Protcstler vor- gegangen und hat mehrere Verhaftungen vor» genommen. Im Agitationsbezirk Halle fanden 63 Ver- sammlungen statt, die alle sehr stark besucht waren. Die Versammlungen in Erfurt , Schleusingen und Ziegenrück waren alle sehr stark besucht, desgleichen die in Heidersbach. Ilversgehofen und Suhl . In Erfurt waren 1600 Personen versammelt. Magdeburg hat nicht minder glänzende Kundgebungen zu verzeichiien. In dem Regierungsbezirk Magdeburg fanden 26 Ver- sammlungen statt. Alle waren sehr stark besucht, auch von Frauen. Zahlreiche Neuaufnahmen für die Parteiorganisationen waren in fast allen Orten zu verzeichnen. In einigen Orten kam es zu S t r a ß e n d c m o n st r a t i o n e n, die ohne bo» sondere Zwischenfälle verliefen. Die Polizei wurde überall in Bereitschaft geholte,».' Wie bekannt geworden, haben die P o st- ämter der Orte, in denen Versammlungen stattfanden, Weisung erhalten, sichwährondderNachtinDtenst- bereitschaft zu halten. In Fermersleben zogen 600 Versammelte nach den, nahen Jndustrieort Wc st erHöfen und vereinigten sich unterwegs nnt den von dort kommenden Ver- sanimlungsbesuchern, sodaß eine eindrucksvolle Straßen- d�e m o n st r a t i o n zusammenkam. Die Versammlung in Schönebeck a. Elbe war von 1300 Personen besucht; ca. 600 von ihnen hatten sich zu einem gemeinsamen Spazier- gang vereinigt, der ohne Störung verlief. Nach der Ver- sammlung zogen die Teilnehmer in großen Trupps durch die Straßen der Stadt. In Halber- stadt kam eL zu einer Straßendemonstration, an der etwa 2000 Personen teilnahmen. Die Polizei, die sich von den Halberstädter Kürassieren Pferde geborgt hatte, ritt in die Menge der Demonstranten hinein; es wurde jedoch niemand verletzt. Im Wahlkreise Nordhausen fanden fünf Ver- sammlungen statt, die in N o r d h a u s e n selbst war von 500, die im nahegelegenen Arbeiterort Salza von 300 Teil- nehmern besucht. In Mühlhausen i. Thür, waren 1000 Personen ver- samnielt. Sie formierten sich spontan zu einem De- m o n st r a t i o n s z u g, der sich durch die Hauptstraßen der Stadt bewegte. Die Polizei verhielt sich ruhig. Der Vorort des ö st lichen Westfalens, Biele- selb, sah ebenfalls eine Straßendemonstration, die durch die H a u p t st r a ß e n der Stadt zog. 2500 Teil» nehmer zählten Versammlung und Zug. Mehrere Hunderte hatten zur Versammlung keiyen ßinlaß gefunden. In den Vororten Brakwede und S ch i l d e s ch e fanden ebenfalls stark besuchte Versammlungen statt. Ferner werden Versammlungen gemeldet aus Herford , Minden und Rehme. Das w e st l i ch e Westfalen hatte gewalttge Kund- gedungen. Im Wahlkreis Dortmund fanden siebzehn überfüllte Versa nimlungen statt; in Langen - d r e e r waren über 500 Teilnehmer erschienen. Imposant waren die Versammlungen im Bezirk Bochum . In der Stadt Bochum waren 1000 Protestier versammelt, in Gelsen- k i r ch e n zählte man ebensoviele. In Wattenscheid waren gleichfalls 1000 Teilnehmer versammelt, in Herne 1300, in Witten über 400, in Werne 300, 200 mußten wegen der Enge des Saales umkehren. Im niederrheinischen Bezirk hat am 10. Januar eine Kreisleiterkonferenz beschlossen, die Demonstrations- versammlnngen am 23. Januar stattfinden zu lassen. Der Beschluß wurde gefaßt mit Rücksicht darauf, daß für den 16. Januar mehrere- Wahlkreise unaufschiebbare Arbeiten vor- bereitet hatten und nicht zu erivarten war, daß bis zum 23. Januar über die WahlrcchtSfrage mehr als die magere Ankündigung in der Thronrede bekannt sein werde. Am O 5 e r r h e i n fanden imposante Kundgebungen statt. In Köln tagte die große Hauptversammlung im Volks- hause und war sehr stark besucht. Die Polizei hielt in zwei benachbarten Volksschulen große Trupps in Bereitschaft, blieb aber arbeitslos. Die Versammlungen in Ehrenfeld . Kalk, Vingst . Nippes , Deutz , Brühl , Mül- heim usw. waren massenhaft besucht. Stark besuchte Ver- sammlungen sind ferner in Bonn . Neuwied , Eus» kirchen, Eschweiler , Düren . Bad Kreuznach und Trier zu verzeichnen. In Hessen-Nassau geht Frankfurt a. M. mit acht gewaltig besuchten Versammlungen voran. Ursprünglich sollte eine einzige Riesenversammlung im Tivoligarten statt- finden, der an 10000 Personen faßt. Dem Polizeip.-äsi- deuten, der anfangs nichts Gefährliches in diesem Plane sah, sind nachträglich doch Bedenken gekommen jjder er ist von anderer Seite scharf gemacht worden. Sonnabend mittag wurde dem Einberufer folgende Verfügung eingehändigt: »Zu der am 16. d. M., vormittags 12 Uhr, im Tivoligarten unter freiem Himmel beabsichtigten sozialdemokratischen öffentlichen Versammlung ivird hiermit die Genehmigung vertagt, da nach dem Inhalt der öffentlichen Aufforderung zu dieser Versammlung aus der Abhaltung der letzten Gefahr für die öffentliche Sicher- heit zu befürchten ist." AlS Genosse Wittig daraufhin persönlich auf dem Polizeipräsidium vorsprach, wurde ihm ausdrücklich bemerkt. daß event. mit Gewalt die Abhaltung einer Versammlung im Tivoligarten verhindert werden würde. Als Grund für das Verbot wurde folgende Stelle des Plakats angegeben: »Wenn die Wahlrechtsfrage nicht nach dem Volkswillen gelöst wird, bleiben wir fernerhin in der Knechtschaft der Junker und Pfaffen, Diese Knechtschaft ibzuschütteln, erfordert die Auf- Wendung aller Kräste. Wahl' echtssreunde I Heraus aus den Wohnungen und demonstriert gegen die Verschleppung der Wahl- rechtSreform I" Diese Stelle im Plakat wurde als aufreizend be- zeichnet. als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, und dem verantwortlichen Genossen Wittig wurde angedroht, daß er ein gerichtliches Verfahren wegen dieses Plakates zu erwarten habe. Die Antwort der Arbeiterschaft war die Einberufung der acht Versammlungen. Ein ungeheueres SchutzmannSatifgebot mit-dcn Schuppenketten unterm Kinn fand keine Arbeit. Im Kreise Hanau fanden 25, im Kreise H ö ch st sechs stark besuchte Ver- sammlungen statt. Die Versammlung in Kassel zählte 2000 Teilnehmer. Die Polizei hielt daS Gewerkschaftshaus und die größeren Zu dem an, 9. d. M. vom Genossen Heine unter dem Titel Weniger Strafen" gebrachten Artikel veröffenttichen wir nachstehend drei Einsendungen und eine Entgegnung des Genossen Heine auf unsere Aussührungen. Zum rhems:Neuiger Strafen". Von Rechtsanwalt Dr. SiegfriedWeinberg. Die Stellung, die Genosse Heine zu der in den Entwürfen zur Strafprozeßordnung und zum Strafgesetzbuch enchaltencn un» gcheucrlichen Erweiterung der staatSamvaltschaftlichen und richter- lichen Willkür einnimmt, muß meines ErachtenS in der Sozialdemo. kralie ebenso einmütigen Protest finden, wie sein MahnrufWeiiigec Strafen!" allseitige Zu,t,mmung finden wird. Gewiß ist es ein unerträglicher Zustand, daß heutzutage allein die offizielle deutsche Kriminalstatistik ziemlich% Millionen Aburteilungen wegen Ver» brechen und Vcrachen nachweist, wozu noch die zahllosen Fälle dev Uebertretungen kommen. In mehr als einer Million Fällen wird der Deutsche mithin jährlich vom Etrnfrichter heimgesucht. Sicherlich sind die Mehrzahl der Strafen vom Stand- punkte eines jeden vernünftigen Menschen, gleichviel welcher poii, tischen Gesinnung, überflüssig. Der Grund liegt zunächst darin. daß wir so entsetzlich viel überflüssige Strafbestim. mungen haben. Sträfbestimmungen. deren Beseitigung auch der kapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht ein Deut schaden würde, Neun Zehntel aller Sttafdestimmungen könnten gestrichen werden,