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ständlich zu machen. Das war unsere Pflicht. Die für da-Z Thema gewählte Neöerschrift.Erweiterung der Willkür der Staatsanwaltschaft" entspricht durchaus der Sachlage. Daß diese Erweiterung vorliegt, bestreitet ja mich Genosse Heine nicht. Wie Kinn er da zu der Annahme gelangen, wir hätten eine tendenziöse Neberschrift in der von ihm uns angedichteten Absicht gewählt? Sachlich zutreffender wäre vielleicht eine längere Ueberschrift, etwa die gewesen:Weniger Strafe durch Erweiterung der Willkür des Staatsanwalts?" Soviel zu dem persönlichen Angriff des Genossen Heine. In der Sache nehmen wir von der jetzigen Betonung in den Ausführungen Heines gern Akt. daß die in dem Entwurf vorgeschlagene Auslieferung der Verfolgung von Uebertretungen der Arbeiterschutzgesetze der Willkür' der Staatsanwaltschaft nicht nur, wie er im ersten Artikel verneinte, bedenklich, sondern unannehmbar ist. Seine. Behauptung, das Legalitäts- Prinzip entspreche einem naiven Vergeltungsgedanken, ist irrig. Der Vergeltungsgedanke steht freilich nur in losem Zusammenhang mit der Entwickelung des materiellen Rechts, nach keiner Richtung hin mit der de-s formellen Rechts. Das Willkürprinzip ist nebenbei bemerkt weit älter als das Legalitätsprinzip. Aber nicht um die gewist in anderem Zusammenhang recht interessante Frage der Entwickelung des Strafrechts und des Strafprozestrechts und ihres Zusammenhanges handelt es sich bei der strittigen Frage: ob es geraten sei, der Willkür der Staatsanwaltschaft die Verfolgung einiger Delikte zu über- weise», weil davon auch Arbeiter Borteile hätten. Diese Frage ist unseres Erachtens mit einem unbedingten Nein zu be- antworten. Ihre Bejahung pastt auf den GrundsatzGleiches Recht für jedermann" wie die Faust auf das Auge. Eine Beseitigung überflüssiger Strafgesetze und eine verständige Anwendung der allgemeinen Strafausschließungsgründe durch unabhängige Organe der Strafrechtspflege zu denen unsere Staats- anwaltschaft wahrlich nicht gehört würden den Wunsch nach weniger Strafen leicht erfüllen können. Die Beschreitung dieses Weges hemmt aber eine Ausdehnung der Will- kür der Staatsanwaltschaft. Wenn das Gesetzim öffentlichen Interesse" eine Handlung mit Strafe bedroht, die Staatsanwalt- schaff aber ermächtigt wird, zu entscheiden, obein öffentliches Interesse" zur Anklageerhebung vorliegt, so setzt man den Staatsanwalt, also eine Polizeiinstanz, an Stelle des Gesetze gebers. Einer ungerechten Behandlung gleichartiger Fälle kann durch öffentliche Kritik entgegengearbeitet werden und wird es auch. Dieser Kritik entzieht man den Boden, wenn man die Frage der Verfolgung oder Nichtverfolgung der völlig unverantwortlichen geheimen Entscheidung der Staatsanwaltschaft anvertraut. Die Annahme des Genossen Heine in seinein ersten Artikel, das Legalitätsprinzip seikonservativ", ist irrig. Das Gegenteil ist der Fall. Nicht Zufall ist es, dast im Reichstag allein der Redner der konservativen Fraktion begeistert der vorgeschlagenen Einführung der Willkür an Stelle des Rechts zustimmte. Hu9 Induftne und Findel. Tantiemen und Reingewinne iu der Eisen- nnd Maschincnba«- industrie. Die Zusammenstellung von 49 Aktiengesellschaften dieser Industrien ergibt ebenfalls, dast fast durchweg 1029 Proz. des Reingewinns als Tantiemen, Gratifikationen usw. verschwinden. Da- bei kommen nicht bei allen Gesellschaffen die erwähnten Extra- gewinne in die Erscheinung, weil sie teilweise unter Geschäftsunkosten verbucht worden sind. Die Gründer und Hauptaktionäre, die sich die mit dem Bezüge der Extragewinne verbundenen Posten zu sichern wissen, ranischen einen guten Teil der Gewinne vorweg. Es zeigt sich an den gelieferten Beispielen, wie verkehrt es ist, lediglich nach den gezahlten Dividenden die Ausbeutung der Arbeiter und die Rentabilität der Unternehmen berechnen zu wollen. In die in der Tabelle aufgeführten Kapitalien sind außer dem eigentlichen Aktien- kapital auch die Hypothekaranleihen usw. mit eingerechnet. Kapitalien Gesellschaften: in Millionen 3,6 Tantiemen Reingewinn in Mark Akt.-Gesellsch. f. Feinmechanik Fabr. f. Nähmaschinen Stahlapp. vorm Mehlich...... Wanderer-Fahrradwerke... Emaillierwerke: Annweiler  ....... Radebeuler   Guß- usw... Sächsische Stanz- usw... Schwarzenberger Stanz- usw. Metallwarenfabriken: vorm. Dannhorn.... Württembergische.... Vereinigte, vorm. Haller.. Vereinigte Thüringer, Mehlis  . Bronzewarenfabr. Spinn u. Söhne Thüringische Nadel- und Stahl- Warenfabrik...... Schraubenspundfabrik Kromer. Schrauben- und Mutternfabrik Riehm u. Söhne.... Georg Bierling u. Co. A.-G.. Ver. Eskhebachsche Werke A.-G.. Thome A.-G........ Viktoriawerke A.-G...... C. Blumwe u. Sohn A.-G... Heddernheimer Klwserfabrik und Süddeutsche Kabelwerke.. Schornsteinaufsatzfabrik John. A. Seiffert u. Co. A.-G.... Schulz-Knaudt, Blechwalzwerk A.-G......... Stahlwerk Oeling A.-G.... Dillmannsche Eisenbau A.-G.. Westfälische Drahtindustrie.. Westfälische Drahtwerke.... Breslauer A.-G. Eisenbahnbau. Düsseldorfer   Waggonbau A.-G.. Dresdener   Gasmotoren, vorm. Hille Gasmotorenfabrik Deutz... Flcnsburger Schiffsbau A.-G.. Wittener   Stahlröhrenwerke.. Archimcdes", Stahl- und Eisen- , industrie....... 3,2 Maschinenfabriken: I. Banniarg...... 1,1 Baum........ Schwartzkopff...... Dürkopp....... Breuer........ Karlshülte, Eisenwerk.... Chemnitzer   Werkzeugfabrik Zimmermann..... Kottbuser Maschinenbananstalt. Braunschweiger Dampfkesselfabrik Düsseldorfer Maschinenbau A.-G. Ellert A.-G......... Eschweiler Eisenwalzwerk... Flöther, Maschinenbau A.-G. 1.1 2.6 1.7 1.0 1.4 1.0 1.2 6.2 2.2 1.0 1.1 1,8 1.3 1.2 9,8 6.8 1.2 1.7 1.1 19.0 1.3 1.8 5.9 3.4 1.7 19,9 3.2 19,6 1.8 2.4 24,4 6.3 2.8 4,9 12,9 3.9 2.9 2.0 5.4 1.5 1,8' 1.5 5.1 7.2 3,0 Gaggenau  , Eisenwerke.... 4,0 oder über IvProzent deS ReigewinneS, für alle mög- lichen Arten von Tantiemen ausgegeben. Um wieviel sich die Ziffer bei absolut sicherer Zusammcnstelluüg noch steigern würde, läßt sich auch nicht annähernd ermessen. Die schweizerische Uhrenindustrie hatte im verflossenen Jahre einen erheblich größeren Absatz als im Jahre 1998. So wurden von den eidgenössischen Kontrollämtern für Gold- und Silberwaren im Jahre 1999 623 728(1993: 668 6791 goldene und 2 301499 (2 123 875) silbenre, total 2 939137(2 689 554) Uhrgehäuse ab gestempelt. Ferner wurden 122 962(83 479) goldene und silberne Schmucksachen gestempelt und 19134(16 511) Proben von Gold- und Silberbarren ausgeführt.__ Hus der frauenbewcgung* Der Feind, der heimlich sich hereingeschlichen. Unter dem TitelF r e i s i n n s s i t t e n" berichteten wir am Sonnabend über einen Vorgang im VereinWaldeck", der noch etwas näher beleuchtet zu werden verdient. Am Freitag zierte die Litfaß- sänken ein rotes Plakat, das eine Versammlung des fort- schrittlichen VereinsWaldeck" zu Berlin   ankündigte, in der Reichstagsabgeordneter Dr. Ablaß über dieEinigung der Linksliberale n" reden sollte. Zu dem bekannten im Entwurf vorliegenden Einigungs- Programm hatten kürzlich der Deutsche   Verband für Frauenstimm- recht, sowie der Bayerische   Verein für Frauenstimmrecht, sowie die Ortsgruppe München   für Frauenstimmrecht in einer Resolution Stellung genommen. Darin hieß es: Ein Liberalismus, der programmatisch nur Wohlwollen für die Frauen in Aussicht stellt, ohne sich in klarer entschiedener Weise für die gerechten Forderungen der Frauen auszusprechen, wird sich noch viel weniger um Taten für die uneingeschränkte staatsbürgerliche und politische Gleichberechtigung der deutschen Frauen einsetzen und hat seinen Namen nicht verdient. Die Versammlung hegt die bestimmte Erwartung, daß die Parteitage der Freisinnigen Bereinigung, der Freisinnigen Volks- Partei und der Süddeutschen Volkspartei den Entwurf des Eini- gungsprogramms so ändern, daß in bestimmter unzweideutiger Weise die vollkommene Gleichberechtigung der Frauen in Staat und Kommune gefordert wird." Zu dieser Resolution der Frauen hatte sich Herr Dr. Ablaß in demBoten aus dem Riesengebirge" folgendermaßen geäußert: Da haben wir's also! Die mit Sehnsucht angestrebte große Partei des entschiedenen Liberalismus mit ihrem starken Zuge nach links erhält alsbald, noch ehe sie konstituiert ist, von den Frauen, die der bürgerlichen Linken so manches zu verdanken haben, attestiert, daß sie den Namen des Liberalismus gar nicht verdiene.(Sehr richtig I D. Red.) Das ist nicht gerade höflich, aber verständlich, wenn man erwägt, daß die Zeiten längst vor- über sind, in denen man mit Frauen über die Fragen der guten Sitte nicht stritt, sondern sich darin von ihnen nur belehren ließ. Seitdem ein Teil der politischen Frauen mit den Be- strebungen der englischen Mannweiber, der Suffragettes, sym- vathifiert, muß ständig in Entrüstung gearbeitet werden. In der Sache selbst bin ich der Ansicht, daß es auch meiner Ueber- zeugung besser entsprochen hätte, wenn das Einigungsprogramm entschiedenere Forderungen für die staatsbürgerliche und poli- tische Gleichberechtigung der Frauen hätte aufstellen können. Ob es möglich sein wird, nach dieser Richtung hin mehr, als§ 8 des Entwurfs verspricht, zu erringen, bleibt abzuwarten, soll aber jedenfalls angestrebt werden. Nur das eine übersieht die Re- solution, daß das'Programm ein sogenanntes Mindestprogramm ist. Eine kleine Gruppe von Politikern kann sich den Luxus eines möglichst radikalen Programms eher gestatten, als eine große Partei(Hört! hörtl Die Red.), die nach Zusammenfassung aller Kräfte auf liberaler Basis hinarbeitet. Gerade hierin liegt der große schöpferische Gedanke der neuen Parteibildung. Auf den Boden des Einigungsprogramms kann sich auch derjenige stellen, der weitergehendem demokratischen Forderungen durch zähe Ar- beit allmählich die Wege ebnen will. Auch die deutsche Frauen- bewegung würde vielleicht gut daran tun, im Rahmen der neuen Parteibildung für ihre Ansicht zu werben, statt sich ihr sofort feindselig gegenüberzustellen." So wand sich Dr. Ablaß imBoten für das Riesengebirge", so schulmeisterte er die deutsche Frauenstimmrechtsbewegung. Nun hatte der Zufall am Tage derWaldeck  "versammlung Fräulein Martha Zietz aus Hamburg  , Vorstandsmitglied des Deutschen   Ver- bandes für Frauenstimmrecht und zugleich Vor stau dsmit- glied der Freisinnigen Vereinigung nach Berlin  geführt. Sie las an den Säulen den Vortrag des Dr. Ablaß und begab sich mit einer Bekannt»» in dieWaldeck"Versammlung, um den Herrn Dr. Ablaß in ihrer doppelten Vorstandseigenschaft die Antwort ans seine Aeußcrungen zum§ 8 des Entwurfs zu geben. Schon vor Eröffnung der Versammlung sandte sie dem Vor- sitzenden ihre Karte und meldete sich damit zur Diskussion. Aber. Prosit Mahlzeit! Der Vorsitzende der von drei Damen und 39 49 Herren besuchten Versammlung erhob sich und verkündete: Werte Anwesende! Wie Sie wissen, befinden Sie sich in einer Mit- g l i e d e r Versammlung. Wir haben in Erfahrung gebracht, daß sich nicht nur NichtMitglieder, sondern sogar Gegner hier befinden. Daß sich hier ein Feind heimlich hereingeschlichen, und ich ersuche diese, sofort den Saal zu verlassen! Fräulein Zietz, Vorstandsmitglied der Freisinnigen Vereinigung, mitsamt ihrer Begleiterin während der Einigungsperiode vom VereinWaldeck" vor die Tür gesetzt!I Braucht es noch mehr der Worte? Die dritte anwesende Frau, eine Naumannianerin, sprang empört auf und rief:Ich bin aller- dings keine Gegnerin Ihrer Bestrebunigen, sondern stehe ihnen freundschaftlich gegenüber; aber nach diesem Benehmen danke ich doch auch und gehe!" Ja, man braucht die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen nicht um ihre Erfahrungen zu beneiden. Wie lange sie sich wohl noch vom Freisinn herauswerfen lassen? Haben sie noch immer nicht Fußtritte genug bekommen? Sozialdemokratische Frauen ließen sich so etwas nicht gefallen, das wissen wir! Frauen in Gefängnissen. Die Hausmutter des Frauengefängnisses in Geneva(Illinois  ), Mrs. Amigh, veröffentlicht inHamptons' Magazine" einige inter  - essante Einzelheiten über ihre Pflegebefohlenen. Frauen bilden nur ösh Proz. von der Gesamtzahl der in amerikanischen   Gefäng- nissen internierten Sträflinge, aber jene sind schwieriger zu be- handeln, als die männlichen Gefangenen. Nach jahrelangen Studien und Beobachtungen ist Mrs. Amigh dazu gelangt, die straffälligen Frauen in drei Klgssen zu teilen: in Verwahrloste, erblich Belastete und eigentliche Verbrecherinnen. Verwahrloste sind nach ihr die, die ohne Elternhaus aufwuchsen, deren Erziehung dem Zufall oder einer Wohltätigkeitsanstalt über- lassen war. Die erblich Belasteten kommen körperlich und geistig anormal zur Welt. Die Zahl derselben unter den Frauen ist viel größer. als man glauben sollte. Mrs. Amighs Beobachtungen haben sie überzeugt, daß das Kind eines trunksüchtigen Vaters oder einer trunksüchtigen Mutter fast immer geistig oder moralisch oder körper- lich entartet ist oder alles zugleich. Die dritte Klasse, die Verbrecherinnen, umfaßt diejenigen, welche durch Verführung, Not, besondere Verhältnisse oder durch Unwisseu- heit den Weg verlieren. Von den 899 Frauen in Geneva kamen so 99 Proz. aus zerrütteten häuslichen VerhältnisscnMder sie hatten niemals ein Zuhause gekannt. Mehr als 199 Gefängnisse und Besserungsanstalten in den Ver- einigten Staaten sind ausschließlich für Frauen bestimmt. Wenn 19 999 Frauen jährlich dem Strafgesetz verfielen, und wie in Geneva 99 Proz. derselben aus zerrütteten häuslichen Verhält- nissen kamen, so ist der mathematische und unwiderlegliche Beweis für den Wert der häuslichen Erziehung erbracht. 182,4 Also in 49 Gesellschaften mit 132,4 Millionen Mark Kapital wurden von dem 19 239 482 M. betragenden Reingewinn 2 979 396 M.,____ Verantwortlicher Redakteur Richard Barth  . Berlin  . Für den Inseratenteil verantw.: ZH.Sl»Sr,Berlin  . Druck u.verlag:BorwSrt»Lüchdruckerei u. verlagsanstalt Paul Singer h» Co.. Berltu SViü Unter den in Geneba inhaftierten Frauen waren mehrere Ein- brecherinnen und zwei Pferdebiebinnen. Eine der Einbrecherinncn war ein früheres Hausmädchen. Sie hatte ihre Stellung verloren, ohne daß man ihr' ihren Lohn voll ausbezahlte. Sie brach eines Nachts in das Haus ihrer Herrschaft ein und nahm soviel Wert- gegenstände, als zur Deckung ihrer Forderung nötig waren. Zwei andere boten mehr typische Fälle. Sie hatten sich von zwei verkommenen jungen Männern betören lassen, die sie zum Stehlen anhielten und dann im Stiche ließen, als Gefahr im Verzuge war. Bei den meisten ihrer Pflegebefohlenen fand Mrs. Amigh eine sittliche Erneuerung(Regeneration) vollkommen möglich. Sie hat ein eigenes System, das Interesse für Musik, für alles, was schön und gut ist, in ihnen zu erwecken und führt hiermit im Bunde   den Kampf gegen ihre bösen Neigungen. Von ihren besten Zöglingen sind viele später in der Welt draußen zu Erfolg und Ehre gelangt. Eine ist jetzt die bestbezahlte Stenographin von Chicago  . Sie war wegen Diebstahls verurteilt worden. Bevor sie nach Geneva kam, hatte sie niemals irgend welchen guten Einfluß kennen gelernt. In Geneba erhalten die Mädchen eine allgemeine Erziehung, sowie Unterricht in Schneiderei und Hausarbeit; sie werden aber auch für Musik oder irgend eine andere Kunst, für die sie Befähi- gung zeigen, ausgebildet. Vor allem aber genießen sie in Geneva die Wohltat, daß sie auf ihr Ehrenwort entlassen werden können. Auch das ist ein Lichtstrahl, der eine neue, hellere Zeit in den Gc- fängnissen ankündigt. Wo gibt es wohl bei uns in Deutschland   ein Gefängnis, das den Strafvollzug auch nur annähernd so human handhabte, wie dieses amerikanische? Wo werden bei uns solche Erfolge erzielt? Nirgends. In unseren Gefängnissen herrscht derselbe mittelalterlich-finstere Geist der Rache wie in den sattsam bekannten Fürsorge- anstalten. Von den im Vorkampf stehenden Genossinnen haben mehrere Gelegenheit gehabt, die Zustände in deutschen Frauen- gefängnissen kennen zu lernen. Daß sie eine Schmach unseres Jahr- Hunderts sind, wird jede bestätigen. Unsere verstorbene Genossin Wabnitz hatte wiederholt so schreck- liche Eindrücke im Gefängnis erfahren, wenn sie im Kampfe für ihre politische Ueberzeugung mit den Paragraphen des Strafgesetz- buches kollidierte, daß sie schließlich einer erneuten Inhaftierung den Freitod vorzog._ Leseabende. Charlotteuburg: Mittivoch. den 19. Januar, 8� Uhr, Vortrag. Gen. Dr. Sußmann:Das menschliche Auge". Gerichts-Zeitung. Ein mitleidiger Geschworener. Einen überraschenden Abschluß fand am vergangenen Sonn- abend die Schwurgerichtsverhandlung vor dem Landgericht l. Vor den Geschworenen hatte sich eine Frau L. wegen Fälschung einer öffentlichen Urkunde zu verantworten. Die Straftat bestand darin, daß die Angeklagte ein Sparkassenbuch auf einen höheren Einlage- betrag gefälscht hatte, um das Buch dann zu verpfänden. Es handelte sich insgesamt um ein Objekt von 59 M. Die Verhandlung endete mit einer Verurteilung der Angeklagten nur wegen Betruges zu 3 Wochen Gefängnis. Vor Verkünduug des Urteils erhob sich ein nicht ausgeloster Geschworener, der Buchdruckereibesitzer S., zog seine Brieftasche und deponierte 59 M. auf dem Tisch des Hauses, um damit den von der Angeklagten angerichteten Schaden zu decken. Als die Geschworenen dann nach der Sitzung das Kriminalgerichts- gebäude verließen, wurden ihnen von den Zeugen jener Szene, die sich auf der Straße aufgestellt hatten, lebhafte Ovationen dargebracht. Schutz vor Schutzleute». Binnen wenigen Wochen wurde am Sonnabend zum vierten Male gegen Polizeibeamte aus Wittenberge   vor der Rcu-Ruppincr Strafkammer wegen Mißhandlung und Körpcrvcrlevung. im Amte verhandelt. Vor zirka zwei Monaten wurde der Schutzmann Dirhen wegen Körperverletzung im Amte er hatte mit dem Säbel geschlagen zu 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 19. v. M. mutzte der Chef der Wittcnberger Sicherheitsbeamtcn. der Polizeikommissar Wilke, auf der Anklagebank Platz nehmen. um sich wegen Körperverletzung und Mißhandlung in vier Fällen zu verantworten. Der Staatsanwalt wollte die Vergehen mit 4 Monaten geahndet wissen. Das Gericht erkannte aber nur auf 299 M. Geldstrafe oder 49 Tage Gefängnis. Am letzten Mittwoch hatte sich der frühere Wittenberger   Polizeiwachtmeister Seiffert (jetzt in Steglitz   bei Berlin  ) vor derselben Strafkammer zu ver- antworten. Ihm wurde Mißhandlung in drei Fällen und Cr- Pressung eines Geständnisses vorgelvorfen. Der Angeklagte wurde zu 59 M. Geldstrafe oder 19 Tage Gefängnis verurteilt, während der Staatsanwalt 1 Jahr Zuchthaus und 99 M. Geldstrafe bei so- fortiger Verhaftung beantragt hatte. Am Sonnabend stand der Wittenberger   Schutzmann Adolf Korth vor den Schranken des Ge- richts. Auch er hat sich schwer vergangen, indem er in der Nacht vom 12. bis 13. Dezember v. I. einen Reisenden und einen Bahn- meister körperlich schwer mißhandelte. Der Staatsanwalt hatte wegen fünf Fälle der Körperverletzung nur eine Gesamtstrafe' von 6 Monaten beantragt. Das Gericht ging jedoch hierüber hinaus und erkannte auf 9 Monate Gefängnis und Aberkennung der Fähigkeik, ein öffentliches Amt zu bekleiden auf die Dauer von 2 Jahren. Hiermit ist der Reigen aber noch nicht beendet, denn es schweben noch Verfahren gegen den bereits einmal abgeurteilten Kommissar Wilke und den jetzigen Wachtmeister Jänicke. Die Ver- Handlung gegen diese dürfte schon demnächst stattfinden. Bolenschikanierung. Eine Polizeiverordnung für den Regierungsbezirk Posen   vom 17. April 1891 verbietet das Ausstellen von Zeichen in anderen als den Landesfarben. Dagegen sollte Herr v. Chrzanowski ver- stoßen haben, indem er am Fronleichnamstag auf seinem Balkon in Posen eine Draperie in weißer und roter Farbe(die polnischen Farben) anbrachte. Das Landgericht erachtete diese Draperie für ein Zeichen im Sinne der Verordnung und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe. Das Kammergericht als Revisionsinstanz hieß das Urteil gut und führte aus: Diese für den Regierungsbezirk Posen, also für einen Bezirk mit großen nationalen Gegensätzen. erlassene Polizeiverordnung sei gültig. Denn es könne in solchen Bezirken zu Störungen der öffentlichen Ordnung kommen, wenn die nationalen Gegensätze besonders betont würden. Auch sei die Draperie mit Recht als ein Zeichen im Sinne der Verordnung gewürdigt worden. Das Urteil reiht sich dem jüngst angezogenen würdig an. das einen Müller bestrafte, weil seine Mühle weißrote Farben aufwies. Nächstens wird noch ein Mägdelein zur Bestrafung gc- zogen werden, weil sie milchweiße Haut und rote Backen und Lippen unverhüllt gezeigt hat. Die Germanisierungspolitik treibt recht nette Blüten.__ Goldene Jugend. Vor der Strafkammer in Köln   stand der Kaufmann Josef Biergans, ein Sohn einer der angesehensten und reichsten katholischen Familien der Stadt. Er hatte einen Chauffeur um 3599 M., einen anderen Kaufmann um 14 909 M. betrogen und einen aus 14 599 M. lautenden Wechsel auf den Namen seines Vaters gefälscht. Mit einem erschwindelten Automobil flüchtete er nach Italien  . Als ihn jemand fragte, ob jenes Wechselakzept auch richtig sei, erwiderte B.:Als Reserveoffizier weiß ich doch, was eine falsche Wechselunterschrift bedeutet." Tatsächlich war er nur Gefreiter bei den Ulanen gewesen, wo er einjährig diente. Er hatte auch Visitenkarten auf den Namen eines Freiherr» v. Rottenfels. Er verbrauchte jährlich 49 999 M. Die Schulden bezahlte, bis es zum Bruch kam, der Vater B.. ein Kölner   Grotzlaufmann. Sach- verständige erklärten, daß der junge Verschwender zwar minder- wertig. aber strafrechtlich verantwortlich sei. Er wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt.