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W den Sozialdemokraten.) Die gesamte Bureaukratie wurde gegen die Mansfelder Arbeiter in langer Front mobil gemacht, und der Flügelmann war der Reichskanzler. Der Kriegsminister hatte hier nyr ein Amt und keine Meinung, �er einzig Verantwortliche ist der Reichskanzler.(Zuruf: Der hat auch keine Meinung l Heiterkeit.) Wenn er wenigstens die Lehre daraus ziehen wollte, daß in künftigen Fällen, etwa 1910 und 1911 im Ruhrrevier das Militär nicht zugezogen wird, so wäre schon etwas gewonnen.(Zuruf rechts: Wenn es nicht notwendig ist!) Die Polizei ist in der schäbigsten Weise mit Herabsetzung der Polizei- stunde vorgegangen; die Polizeistunde lourde sogar auf 8 Uhr fest- gesetztl Ganz widerrechtlich ging die Polizei auch gegenüber Per- s a m m l u n g e n vor. Ueberall mußte erst die Genehmigung eingeholt werden! Fn einem Orte erklärte der Beamte, die Per- sammlung, die auf 4 Uhr angesetzt war, dürfe nur bis 5 Uhr dauern.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Natürlich kehrten sich die Arbeiter daran nicht, und die Behörde war blamiert. Der kommandierende Major hat wiederholt, ohne jede gesetzliche Handhabe, Versammlungen und die Verbreitung von Flugblättern verboten. Einzelne Hauptleute zeigten einen sozialpolitisch geradezu bornierten Standpunkt.(Lachen rechts.) Ein Leutnant be- wies sich als miles gloriosus(großmäuliger Eisenfresser), indem er auf der Straße Reden gegen Bebel und Sachse, gegen die Sozial- dcmokratie und die Gewerkschaften hielt!(Heiterkeit.) Das ist doch nicht Aufgabe eines Militärs. Ich bin überzeugt: einer ganzen Anzahl von Offizieren hat die ganze Geschichte zum Halse heraus- gehangen, und sie haben gedacht wie der General   v. Kretschman (Aha! rechts) ein schneidiger General, der den höchsten Kriegs- Herrn seinerzeit im Manöver geschlagen hat und der anläßlich des großen Bergarbeiterstreiks seinerzeit schrieb:Ich finde solche Aktion eines Soldaten unwürdig; eine Tracht Prügel wäre den Protzen, die die armen Leute zum Besten ihres Geldsacks in die Grube schicken, ganz gesund."(Hört! hört! bei den Sozialdemo- traten.) Nach dem Streik ist dann die Klassenjujliz auf den Plan getreten. Staatsanwaltschaft und Richter haben das Ihrige getan. Eine Reihe von Geldstrafen und Gefängnisstrafen bis zu 5 Monaten sind verhängt worden. Auf die vielen Rechts- kuriosa will ich bei der vorgerückten Zeit nicht eingehen. Zahlreich sind die Fälle, wo eine Wiedereinstellung der Strei- kenden nicht erfolgte. Noch zu Weihnachten waren 390 Jugendliche nicht wieder eingestellt. Für die betroffenen Familien bedeutet das Hunger und Elend. Hierbei hat die Behörde Hand in Hand mit der Direktion gewirkt. Eine conckitic» sine qua non(unerläß» liche Bedingung) für die Wiedereinstellung war nicht nur für die Direktion, sondern auch für den Landrat des Kreises(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten): daß die Mitgliedskarte des Bochumer Vereins vernichtet lourde! Der Landrat ging selbst zu den Berg- arbeitern und ließ sich von ihnen mit Handschlag versichern, daß sie dem Verein den Rücken kehren wollten. In einer Ansprache sagte er zu den Bergarbeitern:Ihr habt den Fahneneid geleistet und dem Kaiser Treue geschworen, und jetzt wollt Ihr helfen, den Kaiser abzusetzen? Versprecht mir, aus dem Verband auszutreten und nicht mehr sozialdemokratischen Bestrebungen anzuhängen!" So stellt sich hier ein Repräsentant der offiziellen Behörde direkt in den Dienst des Unternehmertums. Wie das mit§ 1S3 der Gewerbeordnung zu vereinbaren ist, überlasse ich Ihrem Urteil. Jedenfalls liegt der Gedanke nahe, den Wortlaut des Paragraphen zu ändern, um solchen Mißbrauch uninöglich zu niachen. Aber auch ohne solche Aenderung könnte man sehr wohl wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt und wegen Nötigung vorgehen.(Lebhaftes Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Herr Arendt sagte, schon seit langer Zeit hätten die Sozial- dcmokraten sich bemüht, im Mansfelder Bezirk festen Fuß zu faffen, und er hat auf die Vorgänge im Juni 1898 hingewiesen. Das war sehr unvorsichtig von ihm; denn damals haichclte es sich um eine terroristische Tat des reichstreuen Vereins. 390 Reichstreue fielen über 30 Sozialdemokraten her und knüppelten sie nieder, bis sie blutüberströmt liegen blieben! Das war Terror, aber was Sie anführen, sind nur faule Reden.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Zuruf rechts. Einer der Herren ruft: Und solche Leute wollen sich noch beschweren! sMit der Faust auf den Tisch schlagend): Ich erkläre das für eine Roheit!(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Unruhe rechts.) Vizepräsident Dr. Spahn: Den Zwischenruf habe ich nicht ge- hört; da Sie aber die Aeußerung eines Abgeordneten als Roheit bezeichnen, ruf« ich Sie zur Ordnung.(Bravo   rechts.) Abg. Kunert(fortfahrend): Durch das taktlose Vorgehen des katholischen und evangelischen Klerus ist es auch zu zahlreichen Austritten aus der Landeskirche gekommen. Das wird besonders den christlichen Sinn des Abg. Dr. Arendt schmerzlich berühren. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Was ist denn erreicht, fragt der Herr Fleischer. Nun, der reichstreue Verein hat ein Drittel seiner Mitglieder verloren, der sogenannte B o ch u in e r Verein dagegen hat sehr gut abgeschnitten. Er hat im Oktober um 7300 Mitglieder zugenommen und im No- vcmber um ebensoviel, also um 1ö000 nur aus dem Mansfelder Revier, während er sonst nur aus ganz Deutschland   um 4000 zu- nahm! Auch für die politische Bewegung ist etwas erreicht. Bei der Kommunalwahl bekamen wir eine Stimmenzahl wie nie zuvor, und auch die Hallesche Reichs- tagswahl stand zu einem erheblichen Teil unter dem Zeichen der Mansfelder Ereignisse. Die politische Organisation der Sozial- demokratie ist um 100 Proz. gewachsen, obwohl wir keine Agita- tion dazu triebe». Ferner haben wir 1000 Frauen aufnehmen können, und das vielgeschmähte..Volksblatt" hat eine Zunahme um 7000 Abonnenten erfahren! Unablässig waren unsere Gegner be- die gewerkschaftliche Bewegung niederzuhalten und auszurotten. die gewerksachftliche Bewegung niederzuhalten und auszurotten. Das ist ihnen nicht gelungen. Im Gegenteil, unsere Bewegung steht heute im Mansfelder Gebiet ungebrochen da und stärker als zuvor. Daher können wir nur wiederholen: es leben unsere Freunde, die Feinde!(Bravo  ! bei den Sozialdemokraten.) Damit schließt die Diskussion. Es folgen persönliche Bemerkungen. Abg. Albrccht(Soz.): Herr Arendt sagte, ich sei in Eisleben  von den Bergarbeitern unsanft empfangen worden. DaS ist un- richtig. Bei dem Vorfall, Ivo in Eisleben   die rcichstceucn Knappen mit den geistigen Waffen der Knüppel gegen meine Parteigenossen vorgingen, war ich nicht zugegen. Abg. Sachse(Soz.): Der Kriegsminister sagte, ich hätte von vielen Beschwerden gesprochen, die nicht beantwortet worden seien. Es sei eine nicht beantwortet worden, weil sie unter- schrieben war:Der Streikleiter Sachse". Bon viel Beschwerden sprach ich nicht. Und die Unterschrift lautete:..Die Streik- l c i t u ii g" und dann als Person, an die die Antwort zu gehen hatte, Sachse. Jedenfalls war das keine Ursache, nicht zu antworten.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Weiter behauptete der Kriegsminister, ich hätte von vielen Verhaftungen von Frauen gesprochen. Ich habe nur von der Verhaftung eines Dienstmädchens in Eisleben   und einer Frau in Hettstedt  gesprochen. Ich behalte mir vor, an meine Zeugen darüber zu telegraphieren. Jedenfalls ist das Dienstmädchen tatsächlich ver- haftet worden, entgegen der Behauptung des Kriegsministers. Herr Fleischer behauptet, die katholischen Arbeiter seien in un- erhörtester Weise unterdrückt worden, und zwar auch mit auf meine Veranlassung. Ich kann nur konstatieren, daß das absolut unwahr ist. Im Gegenteil, ich habe stets die Leute crmahnt, sich nicht fortreißen zu lassen. Abg. Dr. Fleischer(Z.): Herrn Sachse gegenüber stelle ich fest, daß katholische Geistliche und Arbeiter in Mansfeld   solidarisch sind. iGelächtcr bei den Sozialdemokraten.) Wenn er also die katholischen Geistlichen angreift, greift er auch die Arbeiter an. Weiter habe ich wohl gesagt, daß Herr Sachse die Arbeiter zur Ruhe und Besonnenheit gemahnt hat, daß aber andere Kollegen SericKts- Leitung» Prämien für Arbeiterbetrüger. Der von uns so oft niedriger gehängte Grundsatz einiger Gerichte, Unterschlagungen gegen Krankenkassen so niedrig zu bestrafen, daß die Strafe iveit niedriger ist als der durch die strafbare Handlung erreichte Vermögensvorteil, macht Schule. Diese Theorie der Prämiierung für Begannerung von Arbeitern wird jetzt auch da angewendet, wo es sich um Unterschlagung von Arbeiter! autionen handelt. Der Administrator Paul von Jntozenka ans Lauenburg in Pommern nahm als Wirtschastsbeamter des Rittergutes Kl. Dubberow von dem Oberschweizer Franz Mytz 300 M. Kaution in Empfang. Dies Geld brachte er jedoch nicht dem Vertrag und seinem Auftrag entsprechend auf die Sparkasse, sondern verwendete es in eigenem Nutzen. Das Schöffengericht erkannte auf sechs W o ch e nGefän g n i s. Die St r a f das Gegenteil getan haben. Die Behauptung deS Herrn Hue, ich hätte in einem Artikel desArbeiter" für ein Ausnahmegesetz gegen die Arbeiter plädiert, weise ich zurück. In meiner Rede habe ich den gegenteiligen Standpunkt eingenommen. Abg. Giesberts(Z.): Herr Brejski hat gefragt, ob ich mit den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Fleischer einverstanden sei. Ich erkläre, daß ich von den SolidaritätSinteressen der Mans- felder Arbeiter und ihrem daraus fließenden Recht, die Arbeit niederzulege», eine andere Meinung habe, als Herr D. Fleischer. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch in bezug auf die Heranziehung des Militärs siehe ich auf einem anderen Stand- Punkt alS Herr Dr. Fleischer.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten.) Mein Standpunkt deckt sich mit dem des Abgeordneten Behrens, das ist der Standpunkt der christlichen Gewerkschaften überhaupt.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Hue(Soz.): Herr Dr. Fleischer hat in der Tat in dem ihm nicht fernstehenden..Arbeiter" einen Artikel erscheinen lassen, der sich direkt an die Regierung wendet um Hilfe gegen die Sozial- dcmokraten und die christlichen Gewerkschaften und ein Aus- nahmegesctz gegen sie forderte.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- kraten. Zuruf: Feiner Arbeiterführer!) Abg. Dr. Fleischer(Z.): Diese Ausführungen widersprechen den Tatsachen. Abg. Hue(Soz.): Ich bleibe dabei und kann es beweisen! Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sitzung: Mittwoch, 1 Uhr. Handelsvertrag mit Bolivien  . Interpellation Ablaß  (frs. Vp.) über die Handhabung des Bereinsgesebes. Schluß 8 Uhr._ Diamantenfunde und Ifölitärlasten. Die Debatte in der Budgetkonmiission wird immer noch von der Dianiantengewinnnng beherrscht. Am Dienstag' führte Staatssekretär Dernberg gleich bei Beginn der Sitzung aus: Die Diamantenfunde brächten der Kolonie keine moralischen und wirtichaslichen Vorteile. So angenehm die Funde für den Fiskus seien, so nachteilig seien sie für die Kolonien, wenn die Wirkungen nicht abgeschwächt würden. Die Kolonisten verlassen'ihre Farmen, um durch Diamantenfunde schnell reich zu werden! Welchen Umfang die Diamantcngewinnung annehmen wird, das läßt sich nicht voraussehen. Auch wenn sie noch so groß werde, so hätten wir doch den Markt nicht in der Hand und seien zudem nicht sicher, ob nicht heute oder morgen etwa in der Wüste Sahara   noch reichlichere Diamantensunde gemacht würden. Es müsse daher der Gewinn aus den Diamanten- funden, soweit der Fiskus dabei beteiligt ist, den Kolonien wieder zugute kommen, indem man dort zur Erschließung des Landes Eisenbahnen baue. Das war des Pudels Kern! Herr Dernburg   malte ein tief- trauriges Bild moralischer und wirtschaftlicher Verkommenheit, die sich als Folge der Diamantenfunde einstellen würde, an die Wand, um seine Eisenbahnprojekte durchzudrücken. Aber alle demorali- sierenden Folgen der Diamantenfunde treten nicht ein, wenn die Leute Eisenbahnen haben! Die Farmer verlassen dann nicht ihre Farmen, und der Trieb, durch Diamanten funde schnell und sehr reich zu werden, wird durch die Bahn gleichfalls erstickt.... Das Eisenbahnprojekt nun ist folgendes: Ankauf der 07tKilometer langen Strecke derOtavibahn zu einem Preise von üö Millionen Mark von der Otavi-Minen und Eisen- bahngesellschaft in Berlin  (Unter den Linden  ) und Verpachtung der Bahn an die genannte Gesellschaft auf 19 Jahre fest zu 5 Proz. durchschnittlich vom Kaufpreis und von den für den Ausbau zu machenden Aufwendungen. Nach Verlauf von 19 Jahren soll die Gesellschaft das Recht haben, noch viermal uni je fünf Jahre den Vertrag zu verlängern. Das Kolonialamt ist demnach aus 39, die Gesellschaft aber nur aus 19 Jahre gebunden. Von 19 Jahren ab soll die Verzinsung zuerst 6 und im letzten Jahrzehnt(iVi Proz. betragen. Die Bahn ist erst seit 3 Jahren in Betrieb und hat zum Teil ungeheuer hohe Tarife; sie ist hauptsächlich zur Ausbeutung der Kupferminen, die derselben Gesellschaft gehören, gebaut wor- den. Daß die Erbauer und Besitzer der Bahn diese nach drei- jährigem Betrieb schon wider losschlagen, läßt den Verdacht nicht unterdrücken, daß die Herren mit einem baldigen Abbau der Kupferminen rechnen. Fällt aber der Kupfertransport, der heute 79 Proz. der Gesamtfrachtbeförderung ausmacht, hinweg, so ist an eine Rentabilität der Bahn nicht mehr zu denken. Ferner soll die Bahnstrecke Karibib-Windhuk umgebaut werden. Die Kosten sind auf 11 Millionen veranschlagt und im Nachtragsetat ist eine erste Rate von 3'ch Millionen angefordert. Ein drittes Projekt verlangt den Bau einer Eisenbahn von Norden nach Süden, die von Windhuk   ausgehen und in das Söll Kilometer entfernte Keetmannshop münden würde. Die Kosten hierfür sind auf 49 Millionen veranschlagt. Der Gesamtbedarf für die Durch- führung der Eiscnbahnprojekte inSüdwest" stellt sich demnach auf 73 Millionen Mark, die bis zum Jahre 1915 in Einzelraten gefordert werden sollen. Bis dahin hofft man, daß das Schutzgebiet aus den Diamant- einnahmen 34 Millionen selber aufbringt; der Rest soll auf An- leihe genommen werden. Ter Bau der Nordsüdbahn erfolgt zweifellos aus militari- schen Gründen; die wirtschaftliche Nottvendigkeit ist sehr schwach begründet. In der dem Reichstag hierüber zugestellten Denkschrift heißt es:Solange diese Nordsüdstrccke nicht besteht. wird nach Ansicht des Kommandos auch bei der heutigen Truppen- zahl eine Gewähr für die dauernde Erhaltung der Ordnung und Sicherheit im Schutzgebiet nicht übernommen werden können." Und an anderer Stelle heißt es:Je mehr Farmen besiedelt, je mehr Geld in die Unternehmungen gesteckt, nm so unabweisbarer ist die militärische Notwendigkeit, örtliche Unruhen, wie sie auf Jahre hinaus noch widerkehren können, überall sofort im Keime zu er- ticken; die Schutztruppe muß deshalb in der Lage sein, an jedem bedrohten Punkt sofort in genügender Stärke aufzutreten." Also: der Bau der Nordsüdbahn erfolgt in erster Linie aus ilitärischen Gründen; ein Teil der Erträgnisse aus den Diamantfunden wird zur Niederhaltung der Eingeborenen der- wendet. Wenn aber die Eingeborenen im höchsten Grade erbittert und wir vor Aufständen keineswegs sicher sind, so haben wir uns das selber zuzuschreiben. Die deutsche Regierung behandelt sie ja danach! Eine Verordnung des Kolonialamts verbietet nämlich aus- drücklich, daß ihnen Schürfsteine ausgestellt werden. Sie dürfen nur im Dienste der Weißen als Sklaven in den Diamantenfeldern beschäftigt werden!__ ! a m m e r wandelte diese Strafe jedoch in 25) M. G e l d- strafe um. Also 270 M. Profit! Solches Verfahren muß zur Unter- schlagung von Arbeitergeldern geradezu anreizen. Man ver- gleiche mit dieser milden Praxis die horrenden, auf Monate und Jahre lautende Urteile gegen Arbeiter, die kleinere Be- träge in der Not entwendeten. Schildkraut wegen Vertragsbruchs zur Zahlung von 15 099 M. verurteilt. Der Schauspieler Schildkraut hatte mit dem Theaterdirektor V. Berge r im Jahre 1995 einen Vertrag abgeschlossen, nach dem er sich bis zum 3t. Mai 1999 für das Deutsche Schauspielhaus   in Hamburg   verpflichtete. Für den Fall des Vertragsbruchs war eine Strafe von 15 999 M. ausbedungen worden. Trotzdem ging Schild- kraut im Sommer 1995 einen Engagementsvertrag mit dem Deutschen Theater in Berlin   ein. Er verlangte deshalb von dem Theaterdireklor v. Berger Entlassung aus dem Bertrage und machte geltend, daß ihm das Hamburger Klima nachteilig sei. Eine ärzt- liche Untersuchung ergab nichts zu seinen Gunsten. Der Vorprozeß» den Schildkraut gegen den Theaterdirektor v. Berger geführt hatte, verlief zu seinen Ungunsten. Seine Klage auf Entlassung aus dem Vertrage ist endgültig abgewiesen worden. Nunmehr hatte der seinerzeit beklagte Theaterdirektor Klag« gegen Schildkraut auf Zahlung der Vertragsstrafe von 15 999 M. erhoben. Mit dieser Klage drang der Kläger   in allen drei Instanzen durch. Landgericht und Oberlandesgericht Hamburg   erkannten auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung. Das Oberlandesgericht führt aus, daß unzweifelhaft ein Vertragsbruch vorliege. Der Beklagte habe gar nicht der Meinung sein können, daß ihn der Kläger   aus dem Vertrag entlassen werde. Was die Strafe an- lange, so sei sie nicht zu hoch. Es sei bei solchen Verträgen üblich, das Jahresgehalt als Höhe der Vertragsstrafe festzusetzen. So habe der Beklagte mit dem Theaterdirektor Reinhardt von dem Deutschen Tlljeater zu Berlin   sogar eine Vertragsstrafe von 16 999 M. verein- bart, trotzdem er dort für die ersten Jahre nur 19 999 M. und für die weiteren 12 999 M. Jahresgage erhalte. Diese Strafe sei aber deshalb nicht zu hoch, weil der Theaterdirektor Interesse daran habe, schauspielerische Kräfte sich auf Jahre hinaus zu sichern, um sie für sich heranzubilden und mit ihnen Kunstwerke ersten Ranges in künstlerischer Vollkommenheit zur Aufführung zu bringen. Das sei aber nicht möglich, wenn die Künstler mit ihren Engagements nach Belieben wechseln. Das Reichsgericht hat jetzt das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg   durch Zurückweisung der Revision des Beklagten   bestätigt._ Der Standesbeamte In Nöten. Wegen Vergehens gegen ß 69 des Personenstandsgesetzes ist am 5. Oktober vorigen Jahres vom Landgericht Hildesheim   der Stadt- syndikus F. in Goölar zu 4 M. Geldstrafe verurteilt worden. Die Zeugen bei Ziviltrauungensollen" nicht minderjährig sein. Als der Angeklagte eben eine Ehe zusammenfügte, stellte es sich heraus, daß der eine Zeuge noch nicht ganz 29 Jahre alt war. Um nicht den betreffenden Personen die ganze Hochzeitsfeier unmöglich zu machen, übersah der Angeklagte diesen Mangel und machte das Protokoll fertig. Die Revision des Angeklagten wurde vom Reichsanivaltc für begründet erklärt, da es sich hier nur um eine Soll-Vorschrift handle. Der Bestand der Ehe werde durch einen derartigen Mangel nicht beeinträchtigt. Die Entscheidung de? Reichsgerichts wurde am Montag auf den 7. Februar vertagt.. Der Standesbeamte hat sich unseres Erachtens allenfalls diS« ziplinarisch. aber nicht strafrechtlich verantwortlich gemacht )Ziis der frauenbewegung* Leseabende. Oranienburg  . Donnerstag 8 Uhr im Lokal von U. DirfzschS, Mühlenstraße 31, Vortrag: Gen. Baader-Berlin  . Versammlungen Veranstaltungen. Berein für Frauen und Mädchen der ArbeiterNafle. Heule Mikl, woch, den 19. Januar. 8% Uhr, in Feuersteins Festsäleit, Alte Jakobstr. 75. Vortrag mit Demonstrationen:Wie reformieren wir unsere Frauenklcidung?" Referent: Dr. Ernst Pollack. Gäste willkommen. Das dritte und letzte Konzert findet am 6. Februar im Choralion-Saal, Bellevuestr. 4, statt. Am 29. Februar feiert der Verein sein 11. Stiftungsfest. Es wird ein heiterer Abend veranstaltet, für welchen es gelungen ist, die bekannten besten Kräfte des ersten UeberbrettlS von Wol- zogen. Bozena BradSky, James Rotstein. Robert Koppel zu ge- Winnen. Die Festrede hält Genosse Max Grunwald  . Vermischtes. Zwei Familienväter ertrunken. Aus Trier   wird gemeldet: In Echternacherbrück   schlug beim Entfernen der Pfähle einer Notbrücke über die Sauer ein Nachen um. Die fünf Insassen stürzten ins Wasser. Drei konnten gerettet werden, während die beiden letzten, zwei Familienväter, ertranken._ Ein Pulvertnrm in die Lust geflogen. Wie aus Weimar   gemeldet wird, ist im nahen Hetschburg gestern vormittag der Pulverturm der Firma Seuthe in die Luft ge- flogen. Man befürchtet, daß der Explosion drei Menschenleben zum Opfer gefallen sind. Eine spätere Meldung aus Weimar   besagt: DaS ExplosionS- unglück in Hetschburg   wurde durch eine Arbeiterin verschuldet, die bei der Füllung von Signalkapseln nicht vorsichtig genug zu Werke gegangen war. Es bestätigt sich, daß drei Menschenleben zu be- klagen sind._ In ihrem Schlafzimmer vergiftet aufgefunden wurden, wie eine Meldung aus Uslar   besagt, gestern abend ein dorttger Bäckermeister Grube und dessen Ehefrau. Anscheinend handelt es sich uny Lysol- Vergiftung. Es ist noch nicht festgestellt, ob die Frau mit ihrem Einverständnis vergiftet worden ist. Die Göttinger Staatsanwalt- schast hat eine Untersuchung eingeleitet und die Wohnung vorläufig versiegelt.__ Wetterprognose für Mittwoch, den IS. Januar 1910. Zeitweise heiter, jedoch sehr unbeständig mit öfteren Niederschläge» und ziemlich slarken westlichen Winden; Temperatur wenig verändert. Berliner   Wcttcrbureau. WaüerstandS-viachrichten der LandeZauitalt s'lr Gewässerkunde, mitgeteilt vom Berliner   Wetterbureau. Wasserstand M e n» e l. Tilsit V r c g e l, Jnsterbura Weichsel. Tborn Oder  , Ratibor  , Kroiscn , Frankiurs Warthe, Schrimm  , Landsberg  Netze, Dordamm Elbe, Leitmeritz  . Dresden  , Barby  Magdeburg  ')+ bedeutet Du-bS. Fall,«) Uniervegel,') Eitstand. Berantwortlicher. Redakteur Richard Barth  , Berlin  . Für den Inseratenteil verantw.: Th. Glocke, Berlin  . Druck u.BcrIag:VoclvärtsBuchdruckerci u. BerlagSanstalt Paul Singer& To., Berlin   SW-,