6cwcrhrcbaftl!cbce. Die Gelben auf dem Reichsbettel. Der nationale Arbeiterverein von Kiel hat an den Reichstag eine Petition gerichtet, in der er um Zuwendung von Unterstützung für seinen Arbeitsnachweis bittet. Wenn das der wirkliche Zweck der Petition wäre, könnte die Sache noch angehen. Doch lassen wir den Wortlaut der Petition mit all seinen Schönheiten für sich sprechen: „Um dem überflutenden Terrorismus der Sozialdemo- kratie zu steuern, wolle der Reichstag beschliehen, daß dem „Nationalen Arbeiterverein Kiel und Umgegend von 1898" Geldmittel als Unterstützung zur Unterhaltung seines Arbeits- nachweise» zur Verfügung gestellt werden. Zur Begründung vorstehender Petition sei in erster Linie bemerkt, daß die Führer der Sozialdemokratie überall bestrebt sind, die„nationalen Arbeiter" arbeitslos zu machen, durch Finten die Herrschaft über die bürgerlichen Arbeitsnachweise zu gewinnen, um so ihre roten Genossen in Stellung zu bringen, während die Andersdenkenden brotlos auf der Strahe liegen, wie eS zum Beispiel bei der„Torpedl�Werkstatt Friedrichsort" der Fall ist. So hat auch der Berbandsbeamte des„roten" Holzarbeiter- Verbandes, Becker in Stuttgart , bei den Verhandlungen wegen des paritätischen Arbeitsnachweises zwischen dem Holz- arbeiterverband und dem der Arbeitgeber der Holzgeschäfte ge- äußert:„Ja, das ist für uns(die Roten) sehr schön, denn da haben wir das Heft auch in der Hand und kostet uns nur die Hälfte". Dieser Ausspruch ist keine in der Aufregung ge- sprochcne Phrase, sondern ein unversichtig verratener, wohl überlegter Plan, um die Gewalt in ihre Hände zu bringen. Der Reichstagsabgeordnete Legien sagte schon in einer öffentlichen Verbandsversammluna im Jahre 1899:„Stellen Sie sich nicht hinter die Werftdirektoren, sondern gehen Sie mit uns, der modernen Arbeiterbewegung, wir werden alles aufbieten, um die Arbeiter der kaiserlichen Werften in unsere Organisation zu bringen und dann der Werftdirektion unsere Forderungen diktieren." Zur weiteren Begründung verweisen wir auf unsere Ein- gäbe vom 25. Januar 1909. In der Voraussetzung, daß vorstehende Petition bei dem Hohen Reichstage Beachtung findet, schlicht der unterzeichnete Verein mit der Bitte, der Reichsrcgierung zu diesem Zwecke Geldmittel zur Verfügung anzuweisen." Chr. B e r g e r und H. M a r t i n s e n heißt die Com- pagnon-Firma, die dieses geistige Produkt mit ihrer Unter- schrift zierte. Die Namen müssen der Mitwelt erhalten bleiben, um später einmal zeigen zu können, was für geniale Kerle doch den freien Gewerkschaften und der Sozialdemo- kratie den Garaus machen wollten. Diese Petition berechtigt zu der Preisfrage: Gehört dem famosen Deutsch der geist- reichen Begründung oder der Kindlichkeit des Unterfangens. mit solcher„Petition" sich an den Reichstag zu wenden, die Prämie? Jeder, der darüber entscheiden müßte, würde in die größte Verlegenheit kommen.„Selig sind, die geistig arm sind." Das könnte die Petitionskommission des Reichstages vielleicht auch den Petenten als Antwort sagen, wenn sie aus der Flut von Petitionen diese sicher einzige Perle heraus- angelt._ Berlin und Unigegend. Der Polizeileutnant als Vergleichsbeamter im Streik. Am Montagmorgen traten die sämtlichen Galanteriearbeiterinnen der Firma Karl R a s ch i g, Rahmenfabrik— 2S an der Zahl— in den Ausstand, weil ihnen erhebliche Reduzierungen der Akkord« löhne zugemutet worden sind. Am Dienstag schlosien sich ihnen die 11 bei der Firma beschäftigten Buchbinder an. weil sie die ihnen angebotenen Arbeiten der Ausständigen nicht machen wollten. Natürlich war auch bei diesem wirtschaftlichen Kamps zwischen Arbeiterschaft und Unternehmer unsere Hermandad pünktlich auf dem Posten. Dem uniformierten Streikposten war sogar noch ein solcher Schutzengel in Zivilkleidung beigesellt. Der Leutnant des dort zu- ständigen 26. Polizeireviers, Herr Altrogge, wandte diesem Kampfe seine Aufmerksamkeit ebenfalls zu. Angelegentlichst erkundigte er sich sowohl beim Unternehmer wie bei den Arbeitern nach der Ursache des Streiks. Auch den Organisationsvorsitzenden Klar vom Buchbinderverband lieh er aus dem Streiklokal zu sich rufen. Er sagte den Beteiligten, dah ein Streik in seinem Revier eine auch für ihn unangenehme Erscheinung sei und meinte, dah sich schließlich doch eine Einigung erzielen lasten könnte. Da weder der Unternehmer noch die Ausständigen noch die Organisation weiteren Vergleichs- Verhandlungen abgeneigt waren, lud sie der Herr Polizeileutnant zu nachmittag 4 Uhr nach seinem Amtslokal am Michaelkirchplatz zu weiteren Verhandluitgen ein. Dort ist es auch dann unter seiner Mitwirkung zu einer Einigung zwischen den Firmeninhabern und den Vertretern der Ausständigen gekommen, indem die Reduktionen zum Teil zurückgenommen, zum Teil gemildert worden sind. Am Mittwochmorgen nahm eine Versammlung der Streikenden zu dem Ergebnis der Verhandlungen Stellung. Die OrganisationS- Vertreter wurden mit nochmaligen Verhandlungen beauftragt, weil das Ergebnis der letzten Verhandlungen noch nicht dem Wunsche der Streikenden entsprach. Schliehlich wurde bei den abermaligen ver- Handlungen mit den Firmeninhabern ein Ergebnis erzielt, dem auch die Ausständigen zustimmen konnten, sodah am heutigen Donnerstagmorgen die Arbeit wieder aufgenommen werden soll. Wenn auch die Per- schlechterungen zum guten Teil abgewehrt werden konnten, so muhten doch einige derselben deshalb mit in Kauf genommen werden, weil sich einige Hausgewerbetreibende den Unternehmern zu RauSreiher- diensten angeboten haben und infolge des für die Arbeiter noch sehr ungünstigen Geschäftsganges eS den streikenden Arbeiterinnen wohl kaum möglich gewesen wäre, den Betrieb von Arbeitswilligen frei zu halten. Dem Herrn Polizeileutnant Altrogge wurden natür- lich feine Bemühungen um die Beilegung des Streiks von den Arbeitern weniger übel genommen, als die Art, wie er gelegentlich der politischen Kundgebungen der Arbeiter aufgetreten ist. Achtung, Metallarbeiter! Der Streik bei den Vereinigten Jsolatoren-Werken in Pankow ist beendet. Die Sperre ist hiermit aufgehoben. Deutscher Metallarbeiterverband. Ortsverwaltung Berlin . Achtung, Schleifer! Die Vertrauensmännerkonferenz der Schleifer findet heute nicht statt. Die Vertrauensmänner er- halten für die nächste Konferenz besondere Einladungen. Deutscher Metallarbeiterverband. Ortsverwaltung Berlin . Die Pläne der Scharfmacher im Steindruckgewerbe beschäftigten am Dienstag eine öffentliche Versammlung der Litho- graphen, Steindrucker und verwandten Berufsgenossen, die den großen Saal des Gewerkschastshauses füllte. Der außerordentlich zahlreiche Besuch wie der ganze Verlauf der Versammlung waren ein Beweis dafür, dah die Arbeiterschaft des Berufes sich nicht ver- sklaven lassen will und die schlimmen Pläne des Schutzverbandes der Arbeitgeber doch schliehlich zum Scheitern bringen wird. Der Bevollmächtigte Haß schilderte als Referent ausführlich, was die Scharfmacher im Steindruckgewerbe vorhaben und zum Teil schon ins Werk gesetzt haben. Sie handeln dabei offenbar in holdem Ein- vernehmen mit den Scharfuiachern, die im Baugewerbe, in der Holz-' Berantw. Redakt.: Richers Barth, Berlin . Inseratenteil verantw.: industrie und anderen Berufen auf Jahre hinaus jeden Fortschritt der Arbeiterschaft unmöglich zu machen trachten. Sie wollen dazu die vielleicht nur kurze Spanne Zeit ausnutzen, die uns allem An- schein nach noch von einer aufsteigenden Konjunktur trennt. Es war zunächst das winzige Stückchen verbesserten Arbeiterschutzes, das die Gewerbeordnungsnovclle gebracht hat, was die Herren ver- aniahte, mit ihren Plänen herauszurücken. Der Vorstand des Schutzverbandes für das Steindruckgewerbe hatte die Vertreter des Verbandes der Lithographen und Steindrucker zu einer Verhand- lung über die Durchführung jener Novelle eingeladen, oder wohl vielmehr nur, um ihnen einfach mitzuteilen, daß die infolge des ge- setzlichen Achtsturrdensonnabendö der Arbeiterinnen ausfallende Ar- bcitsstunde an den übrigen Wochentagen nachgeholt oder vorgeholt werden sollte. Als die Vertreter der Arbeitnehmer sich damit nicht ohne weiteres einverstanden erklären konnten, sagte der Schutzver- bandsvorsitzende und Oberscharfmacher, der„freisinnige" Landtags- abgeordnete Dr. Gerschel:..Dann werde ich auf dem Wege der Arbeitsordnung diese Sache diktieren. Wir wollten unsere Normal- arbeitsordnung eigentlich erst zum 1. April 1910 einführen, aber wegen der Gewerbeordnungsnovelle werden wir das schon jetzt machen." Von dieser Despotcnwillkür war der seinem Partei- Programm nach demokratische Politiker durch die besten Vernunsts- und Rechtsgründe nicht abzubringen. Er soll ursprünglich die Ab- ficht gehabt haben, die Normalarbeitsordnung für alle Mitglieder des Schutzverbandes obligatorisch zu machen, ist aber damit im Schutzverband nicht durchgedrungen. Die kleinen Prinzipale dachten offenbar, wenn die großen Herren von den kapitalkräftigen Aktien- gesellschaften auf so nichtiger unverantwortlicher Grundlage einen Kampf heraufbeschwören wollten, so sollte vielleicht nicht nur die Arbeiterschaft niedergeschlagen werden, sondern es könnte auch ihnen, den wenig kapitalkräftigen Steindruckcreien, an den Kragen gehen. So ist es denn den Prinzipalen freigestellt, die Arbeits- ordnung einzuführen oder nicht. Sie ist bis jetzt in Berlin bei vier Firmen: Hagelberg, Schlesinger, Bernhardt u. C o. und Heymann u. Schmidt ausgehängt. Die Arbeitsordnung ist. wie der Redner betont, ein Raub an den Rechten der Arbeiter, ein offenbarer Verstoß gegen die 1906 zwischen dem Schutzverband und dem Verband der Lithographen und Steindrucker getroffenen Vereinbarungen, die ausdrücklich be- stimmen, dah die bestehenden Arbeitsbedingungen nicht einseitig verändert oder verschlechtert werden dürfen, und dah, falls Diffe- renzen entstehen, die Regelung durch gemeinsame Verhandlungen der Zentralverbände zu geschehen hat. Es ist, solange eine Orgaui- sation im Steindruckgewevbe besteht, nur einmal vorgekommen, dah man bei einer Firma der Arbeiterschaft in dieser Weise eine Ar- beitSordnung aufzwingen wollte. Das war im Jahre 1888 und da wurde dieser Versuch sofort mit Arbeitsniederlegung beantwortet. Die Arbeitsordnung des Schutzverbandes ist für die Arbeiterschaft des Berufes unannehmbar. Sie enthält unter anderem wohl eine Bestimmung über lltägige Kündigungsfrist, aber dies ist, soweit das Recht des Arbeitnehmers in Frage kommt, nichts als Hohn, denn andererseits wird bestimmt, dah der Arbeiter sofort entlassen werden kann: wenn er ohne Erlaubnis einmal einen halben Tag aussetzt oder von der Arbeit ausbleibt, wenn er unwahre Angaben über die Höhe des in seiner früheren Arbeitsstelle bezogenen Lohnes macht, wenn er den..Gehorsam" verweigert, oder andere dazu auf- fordert, wenn das Hilfspersonal einmal nicht arbeitet, wenn er nicht alle vom Geschäft angeordnete Uebcrzeitnrbeit leistet usw. Gegen Kontraktbruch der Arbeitnehmer wollen sich die Prinzipale durch Einbehaltung einer Kaution sichern. Das Mitnehmen von Mustern, von einzelnen Abdrücken, soll in den meisten Fällen als „Entwendung" angesehen werden, und eben mindestens mit sofor- tiger Entlassung bestraft werden. Wenn die Arbeitsordnung ein- geführt wird, kann kein Lithograph oder Steindrucker sagen, dah er auf Kündigungsfrist rechnen kann, nur er selbst ist verpflichtet und noch dazu durch Kaution gezwungen, die Kündigungsfrist zu beachten. Dr. Gerschel hat gesagt, die Arbeitsordnung wäre nur für aufsässige und renitente Arbeiter da, und da die Litho- graphen und Steindrucker ja anständige Leute seien, käme sie für sie gar nicht in Frage. Bald darauf erklärte er aber, er habe neulich einen Vertrauensmann, der mehr im Betriebe zu sagen gehabt haben wolle als er selbst, sofort entlassen wollen, sei aber dabei an die'Kündigungsfrist gebunden gewesen. Dem solle durch die' Ar- beitsördnung abgeholfen werden. Man sieht also klar, wozu das Ding dienen soll. Die Arbeitnehmervertreter haben den Herren vom Schutzverband klar genug gesagt, daß die Arbeits- oder viel- mehr Gefängnisordnung eine Kriegserklärung bedeutet, dah damit gewissermaßen die Brandfackel in das Gewerbe geschleudert wird. Aber die Scharfmacher, die sonst so angelegen davon reden, daß der Arbeitsftieden erhalten werden soll, wollen nun offenbar den Krieg. Seitens der Arbeiter ist der Versuch gemacht, die Arbeits- ordnung auf gerichtlichem Wege oder durch die Aufsichtsbehörde zu beseitigen, da sie ja offenbar auch einen Verstotz gegen die guten Sitten darstellt. Dies Verfahren ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Der Redner forderte zum Schlich die Versammelten auf. mit aller Kraft dafür zu sorgen, daß die Organisation im Berufe immer noch mehr gestärkt werde,»m, wenn die Zeit dazu gekommen ist, den Scharfmachern ihre Gefängnisordnung vor die Füße zu werfen. In einer lebhaften Diskussion zeigte es sich, wie aufteizend die Arbeitsordnung auf die Arbeiter gewirkt hat. Man nannte das Vorgehen der Unternehmer eine unverschämte Frechheit, und beson- ders ging man natürlich mit dem Oberscharfmacher und freisinnigen Volksparteiler Gerschel scharf ins Gericht. Ein Redner meinte unter anderem, man mühte eigentlich, weil er die Lithographen und Steindrucker so schön aufgerüttelt hat, den Dr. Gerschel als Scharfmacher für ihren Verband anstellen mit 25 M. die Woche, denn diesen Lohn hat der Herr als ausreichend für einen gelernten Lithographen bezeichnet. Die Versammlung nahm schliehlich einstimmig folgende Reso- lution an: „Die im großen Saal des Gewerkschaftshauses versammelten Lithographen und Steindrucker erklären sich mit den Ausfüh- rungen des Referenten einverstanden und erheben Protest gegen die Absicht des Schutzverbandes, durch eine Arbeitsordnung die wirtschaftlichen Verhältnisse der Arbeiterschaft des Steindruck- gewerbeS zu verschlechtern, was durch die Vereinbarungen von 1906 ausdrücklich ausgeschlossen sein sollte. Die Versammlung sieht daher diese Arbeitsordnung als einen Bruch jener Vereinbarungen an, da nach diesen entstehende Diffe» renzen oder die Festsetzung neuer Arbeitsverhältnisse durch die beiderseitigen Zentralvorstände geregelt werden sollten. Ebenso energisch protestiert die Versammlung gegen die Ab- ficht einzelner Unternehmer des Schutzverbandes, die am Sonn- abend infolge der neuen GcwerbeordnungSnovelle verloren ge- gangene halbe Stunde durch Vor- oder Nacharbeit einzuholen. Die Versammelten beauftragen die Verwaltungen und den Hauptvorstano, Mittel und Wege zu suchen, um diese einseitig getroffenen Mahnahmen des Schutzverbandes energisch abzu- wehren. Sie erklären sich bereit, mit aller Kraft für die weitere Stär- kung der Organisation zu wirken, um auf den Ruf der Organi- sation mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Pläne der Unternehmer abzuwehren."_ Achtung, Musikschallplattenpresser! Wie schon unter dem 12. Januar berichtet, sind bei der Firma Dr. G r ü n b a u m, Rixdorf, Schinkestrahe, Differenzen ausgebrochen, welche zur Ar- beitscinstellung führten. Mit genannter Firma steht der Fabrik- arbeiterverband seit 1908 im Tarifverhältnis, und wurde im August 1909 schon der Wunsch von der Firmenleitung geäußert. den vertraglich festgelegten Akkordpreis von 5 Pf. pro Platte auf 4 Pf. zu ermähigen, was jedoch mit dem Hinweis, dah der Ver- trag bis 1. November 1909 gelte, von uns abgelehnt wurde. Im November 1909 kam es dann zum eintägigen Streik, bevor der alte Tarif auf ein weiteres Jahr von der Firma anerkannt wurde. Bei der nun eintretenden Hochkonjunktur engagierte die Firma unter anderen zwei Leute, welche sich bei der organisierten Ar- beiterschaft unmöglich gemacht hatten. Der eine dadurch, dah er als ehemaliger Meister der Firma Kaliope(Leipzig ) die dort N». Glocke, Berlin . Druck n. Verlaa�VörMrtS Büchdr.u.V-rwockavttälö' Beschäftigten durch seine Machinationen in den Streik trieb, unL der andere dadurch, dah er sich als Streikbrecher bei der Firma Beka-Rekord, Berlin , betätigte. Auf Borstelligwerden der Presser entlieh die Firma die beiden. Nun wurde in den Monaten November und Dezember unter äuherster Anspannung aller Kräfte gearbeitet, um den sich namentlich kurz vor Weihnachten riesig anhäufenden Aufträgen gerecht zu werden. Ueberstunden bis 11 Uhr nachts waren an der Tagesordnung, wußten doch alle, dah nach dem Fest eine stille Zeit eintrat. Es wurden denn auch in den ersten Tagen des Januar 22 Presser entlassen, darunter solche, welche jahrelang bei der Firma gearbeitet, und auch zwei Mitglieder des Arbeiterausschusses. War diese Matz- nähme schon eine rigorose, so lieh sich doch schwerlich etwas da- gegen unternehmen. Nun kommt aber auf einmal die Firma her und engagiert die beiden oben Bezeichneten aufs neue, und zwar soll der eine im Besitz eines Kontraktes sein, wonach er die Platten für 4 Pf. pro Stück fertigstellen muh. Auch trat man an die Walzer des Mischraumes heran mit der Aufforderung, sie sollen aus dem Verbände gehen, dann würde ihnen das Pressen gelehrt. Erst also die Entlassung von 22 gut eingearbeiteten Leuten, die in der Zeit des guten Geschäfts- ganges der Firma herausgeholfen haben, ja denen man sogar 100 M. Gratifikation, welche nach Weihnachten ausgezahlt werden sollte, bis jetzt aber noch nicht zur Auszahlung kam, versprochen» und dann das Einstellen von Streikbrechern und ähnlichen Leuten. Die Organisationsleitung griff ein und machte den Vorschlag, dah man den Konflikt dem Gewerbegericht unterbreiten solle mit der Maßgabe, dah während dieser Zeit die beanstandeten Arbeits- kräfte aussetzen sollten. Darauf ging die Firma nicht ein uno legten nunmehr die gesamten Prcffer, denen sich am Dienstag die Schleifer des Betriebes anschlössen, die Arbeit nieder. Die Firma wird nun versuchen, ihre Arbeit in den anderen Schall- Plattenfabriken unterzubringen, und ersuchen wir alle Presser, die leicht kenntliche Arbeit der Firma Dr. Grünbaum zurück- zuweisen. Fabrikarbeiterverband, Verwaltung Berlin . DeutTebes Reich. Die Polizei auf Streikposten. In Luckenwalde , wo die Holzarbeiter seit vielen Wochen in einem von beiden Seiten mit großer Erbitterung geführten Kampfe stehen, hat die Polizeiverwaltung der Streikleitung die folgende Verfügung zugestellt: „Es wird Ihnen folgendes zur Mitteilung an die streikenden Tischler bekannt gegeben: 1. Es sind gestern erneut schwere Ueberfälle auf offener Strahe erfolgt und ist deshalb Gendarmerie zu Hilfe ge- zogen. 2. Streikposten werden nur in Stärke von 1 oder 2 Mann geduldet. Agitieren sie irgendwie, geben sie zum Beispiel Signale oder nähern sich den Arbeitswilligen, so müssen sie fortgewiesen und im Wiederholungsfalle abgeführt werden. Auf dem Bahnhofe wird den eintreffenden Arbeitswilligen seitens der Polizei mitgeteilt, daß hier gestreikt lvird. Eine Mitteilung seitens der Streikposten ist also überflüssig und wird nicht geduldet werden. 3. Es wird bestimmt erwartet, daß die streikenden Tischler dementsprechend verfahren und nicht durch Unbesonnenheit sich schweren Strafen aussetzen und die Einigungsverhandlungen gefährden. Die Polizeiverwaltung." Die Streikenden waren zunächst froh, dah ihnen auf diese Weise eine Arbeit abgenommen werden sollte. In der Praxis ge- staltete sich die Sache aber so: Bei jedem Einlaufen eines Eisen- bahnzuges fragte der Beamte die aussteigenden Passagiere laut und vernehmlich:„Sind arbeitswillige Tischler dabei?"„Hier wird gestreikt!"„Brauchen Sie Schutz!" Das schien den Aus- stündigen nicht genug der Aufklärung und sie haben das Streik- postenstehen auf dem Bahnhof lieber selbst wieder übernommen. Sonst ist zum Ausstande noch zu bemerken, dah die vom Bürgermeister von Luckenwalde eingeleiteten Einigungsverhand- lungen bisher zu keinem Ergebnis führten. Zuzug muh nach wie vor ferngehalten werden._ Auch die Christen rüsten»/ Der Vorstand des Gewerkvereins der christlichen Bergarbeiter beschloh. in den nächsten vierzehn Tagen eine Urabstimmung vor- nehmen zu lassen über die Erhöhung der Mitgliederbeiträge. Falls die Urabstimmung in bejahendem Sinne ausfällt, soll der erhöhte Beitrag sofort eingezogen werden. Eine Tarifbewegung der Glaser bereitet sich im Saargebiet vor. Der im August 1907 zwischen den Arbeitgebern der Glaserei- betriebe und der Zahlstelle Saarbrücken des Glaserverbandes ab- geschlossene Tarifvertrag wurde von den Unternehmern gekündigt. um angeblich einen Arbeitsvertrag für alle baugewerblichen Gruppen für das ganze Saargebiet und das Fürstentum Birkenfeld ab- zuschliehen. Am 20. Januar findet die erste Verhandlung statt. Buslanck. Eine internationale Revue für die Gastwirtsangrstellten gibt der Zenttalvorstand des GastwirtsgehilfcnverbandeS heraus. Von dieser „Revue Internationale", die in drei Sprachen erscheint und 14tSgig herausgegeben wird, verspricht sich der Verband eine besondere Förde- rung der internationalen Beziehungen der Gastwirtsgehilfen. Letzte IVachnchten und Dcpcfchcn. Das vernichtete türkische Parlamentsgebäude. Konstantinopel , 19. Januar. (W. T. B.) Die erste Annahme, dah der Parlamentsbrand infolge einer Explosion in der Heizungs- anlage ausgebrochen sei, wird nicht allgemein geteilt. Der Präsi- dent der Kammer und die Minister halten dies für ausgeschlossen und meinen, dah jedenfalls infolge Verschuldens der Par- lamentSange st eilten das Feuer solche Dimensionen an- nehmen konnte. Augenzeugen behaupten, dah daS Feuer gleich- zeitig an mehreren Stellen zum Ausbruch gekommen sei. Eine Untersuchung wurde eingeleitet. Der Präsident der Kammer hat die Deputierten für Sonnabend zu einer Sitzung behufs Vorlegung des Regierungsprogramms einberufen. In welchem Lokal die Sitzung abgehalten werden wird, ist noch unbekannt, wahrscheinlich in dem dem P a r- lament gegenüberliegenden Teputiertenklub. Den heutigen Nachmittag verwandten die Minister dazu, ein passendes Gebäude zu suchen. Für den Senat wurde ein kaiserlicher KioSk am Goldenen Horn ausgewählt. Die Kammer dürfte im alten Postgebäude oder, was wahrscheinlicher ist. im Museum in Stambul tagen._ Der Gendarm als Mörder. Budapest , 19. Januar. (B. H. ) In K a r c a g überraschte der Gendarmerieführer Janas Szekely seine Geliebte mit einem Rivalen. Er ergriff sein Gewehr und tötete die Ungetreue. Der Nebenbuhler entkam._ Vom Schlachtfeld der Arbeit. London , 19. Januar. (W. T. B.) In dem Kohlenbergwerk Hattonrigg bei Bellshill(Lanarkshire) wurden durch Absturz einer Förderschale acht Bergarbeiter getötet. In den Flammen limgekommen. Philadelphia , 19. Januar. (W. T. B.) Heute vormittag brach in einer hiesigen Kleiderfabrik Feuer aus. Mehrere Arbeiterinnen sprangen aus den Fenstern, wobei drei Mädchen tödlich vrrnn- glückten, während zwölf ins Krankenhaus gebracht werden muhten. Wie es heißt, sind viele Arbriterinncn in den Flammen umgc- kommen. Ueul Singer Sc Co., Berlin SW. Hierzu 3 Beilegen u.vntefthaktuniisbl.
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