liebe bedienen und dadurch den Emdmck erwecken, als siebe der heilige, von Christus dem Herrn gelehrte, mit seinem Blute be-> siegelte, unter die Hut des Heiligen Geistes gestellte Glaube, der heilige Glaube, für den unsere Märtyrer in den Tod gegangen sind, der Glaube, der die Völker des Erdkreises, auch unser Vaterland, bekehrt und zivilisiert hat, auf gleicher Stufe mit den modernen sogenannten„Weltanschauungen", etwa gar der des Monismus oder Atheismus." Schärfer ist bisher kaum das neueste heilige Dogma des Zentrums, daß es eine zwar christliche, aber nicht konfessionelle Partei sei, als politischer Humbug gekennzeichnet worden. Die von der„Köln . Volksztg." geforderte Jtiterkoufessionalität des Zentrums zeugt, wie Kardinal Fischer als Interpret der katholischen Kirche erklärt, nicht nur von religiöser Gleich- gültigkeit. sondern bereits von tatsächlichem Unglauben, von einer Verleugnung der heiligen katholischen Kirche. Tie „sogenannte(dieses„sogenannt" ist vorzüglich) ch r i st, l i ch e Weltanschauung" sei Unsinn; für die Katholiken gebe es nur eine katholische Weltanschauung, die der Kirche. Selbstverständlich werden die Zentruinsorgane vom Schlage der„Köln . Volksztg." mit jesuitischen Gründen zu erweisen suchen, das} die Sätze des Fastenhirtenbriefes anders zu ver- stehen seien, als wie sie lauten; aber glauben werden solchen Interpretationskünsteleien höchstens die ganz besonders„Ein- fältigen im Geiste", die niemals alle werden. Der Wahlkampf in Mülhcim-Wipperfürth-Gummersbach ist jetzt in vollem Gange. Die beteiligten Parteien: Sozialdemo- kratie, Liberale und Zentrum arbeiten mit Aufgebot ihrer ge- samten Kraft. An den Sonntagen finden Dutzende von Versamm- lungen statt, wozu reichlich Redner aus den benachbarten Wahl» kreisen zur Verfügung stehen. Die Aussichten für unsere Partei sind gut. Es herrscht kein Zweifel, dag wir den Liberalen über- flügeln und mit dem Zentrum in die Stichwahl kommen. Seit ILO? sind unsere Organisationen auch in bisher uns verschlosiene Gegenden vorgedrungen; die Gelegenheit für Versammlungen hat sich vermehrt und bei der Flugblattverbreitung stehen uns die So- linger Genossen hilfreich zur Seite. Nur im schwarzen Kreise Wipperfürth , wo das Zentrum unsere Ilugblattverbreiter mit Steinwürfen, mit Knüppeln und Hofhunden empfängt, sind wir, was Versammlungen anbelangt, völlig mundtot gemacht. Am Sonntag gelang es unserem Kandidaten, in einer von liberaler Seite in der Stadt Wipperfürth veranstalteten Versammlung, die vorwiegend von Zentrumsleuten besucht war, zu Wort zu kommen. Nach seiner Rede, die sich mit den Sünden des Zentrums beschäs- tigte, erhob sich ein alter würdiger Herr, dankte nicht nur dem liberalen, sondern auch dem foziÄdemokratischen Redner für ihre Ausführungen und bat beide, recht bald wiederzukommen. Das „Wipperfürther Volksblatt"(ultramontan) speit Gift und Galle, daß der erste Beigeordnete der Stadt— das war der alte Herr sich dazu verstanden hatte, auch die Sozialdemokraten als Menschen zu betrachten, die gehört zu werden verdienen. Das Zentrum stattet seine Versammlungen stets mit drei oder vier Rednern aus, darunter stets ein christlicher Gewerkschafts oder Arbeitersekcetär, dem die Aufgabe zufällt, die Sozialdemo- kratie nach M--Gladbacher Anweisung zu behandeln und das zu sagen, dessen sich die anderen Redner schämen. Sozialdemokraten tverden in Zcntrumsversammlungen nicht zuWort gelassen; es kommt sogar vor, daß der Versammlungsleiter gleich zu Beginn etwa anwesende Sozialdemokraten auffordert, den Saal zu ver- lassen— alles im Namen von Wahrheit, Freiheit und Recht! Der ultramontane Kandidat, der Katholikentagsredner, Landtagsabge- ordneter und Oberlandesgerichtsrat Marx-Düsseldorf , bringt in seine Agitation einen anmutigen Zug durch die in Zentrumskreisen beliebte„Bähnchespolitik". Man weiß, daß in ländlichen Bezirken die Bedeutung des Abgeordneten danach bemessen wird, mit welchem Eifer er für das„Bähnchen", das denjjOrt dem Verkehr anschließen soll, eintritt. Herr Marx macht sVh diesen Umstand zunutze, indem er seinen Einfluß als Landtagsabgeord- neter in Aussicht stellt, um seinen ländlichen Wählern zu dem er- sehnten„Bähnchen" zu verhelfen. Die Liberalen sind boller Hoffnung, in die Stichwahl zu kommen und dann mit Hilfe der Sozialdemokraten den Wahlkreis zu«robern. Sie glauben, mit ihrem Kandidaten, dem Rechtsanwalt Falk-Köln, einen besonders guten Griff getan zu haben; sie mußten aber bald die Erfahrung machen, daß die Kandidatur im Kreise Gummersbach , der liberalen Domäne, auf Widerstand stieß. Den einen ist Falk als ehemaliger Jungliberaler zu„radikal", den anderen als Jude zu wenig„christlich" und„vaterländisch". Die Folge davon ist eine gewisse Zurückhaltung in den Kreisen der scharfmacherischen Industriellen und die Aufstellung eines Sonder, kandidaten von landbündlcrischer und christlichsozialer Seite. Gegen das Zentrum gehen die Liberalen scharf ins Zeug, der Sozialdemokratie gegenüber verhalten sie sich— aus Rücksicht auf die von ihnen erwartete Stichwahl— zurückhaltend, was die Jen trumSpresse veranlaßt, von einer„sozialistisch-liberalen Verbrüde rung" zu fabeln. Davon ist selbstverständlich auf keiner Seite die Rede und unsere Genossen lassen in ihrer Agitation keinen Zweifel, was von den Liberalen, die sich jetzt Wunders wie volksfreundlich zu drapieren lieben, zu halten ist. Alles in allem: unsere Leute sind auf dem Posten, voll Arbeitslust und Begeisterung. Und da kann uns der Erfolg nicht fehlen. Der Kaiser und die Journaliste ». Vielfach ist in bürgerlichen Kreisen aufgefallen, daß Wilhelm II. nicht beim letzten Ordensfest auch einigen gutgesinnten Journalisten der vaterländischen Presse einen roten Adlerorden vierter Güte ver- liehen hat. Die Korrespondenz„Pol. Rdsch." weiß den Grund zu nennen. Sie schreibt: „Bei dem letzten Ordensfeste mag es aufgefallen fein, daß unter den Tausenden verliehener Ehrenzeichen kein» zu finden war, daS für einen Vertreter der Publizistik bestimmt wurde. Die» entspricht durchaus der Meinung, die der Kaiser augenblicklich von der deutschen Presse hat. Es hieße die Wahrheit auf den Kopf stellen, wollte man behaupte», daß der Monarch auf die Männer der Feder, auf die Publizistik über- Haupt gut zu sprechen ist. Im Gegenteil. ES ivird nicht ab- geleugnet werden, daß sich unter den zur Dekoriernng Vor- geschlagene!, auch einige Personen befanden, die im Mittelpunkt der Publizistik stehen. Der Kaiser nahm aber mit einer kurzen schristlicheu Randbemerkung von jeder Dekoration Abstand." Dieser Entschluß des Kaisers, von jeder„Dekoration" irgend welcher Journalisten Abstand zu nehmen, mag die Hoffnungen manches strebsamen Zeitungsmannes zerstört haben; aber wir finde» nach den schlechten Erfahrungen, die der Kaiser nicht nur mit so manchen in Patriotismus machenden deutschen Blättern, sondern auch mit englischen Journalen gemacht hat, daß er von dem indiskreten »Federvieh" nichts wissen will. Landbündler und Nationalliberale. Wie wir in gestriger Nmunier bereits berichteten, hat die Wahl- Prüfungskommission des Reichstages die Wahl des nationnalliberalen Abgeordneten Kleye(Wolfenbüttel -Helmstedt ) für ungültig erklärt. Die Leitung des Bundes der Landwirte, die zurzeit in Hannover führt, benutzt diese Gelegenheit, um den Wahlkreis für die Agrarier zu rellan'ieren. Der Kreis Wolfenbüttel -Helmstedt , meint die„D. TageS- ztg.", fei ein ländlicher Kreis, in dem der Bund der Landwirte von Jahr zu Jahr mehr Einfluß gewonnen habe. Bei der SieichstagSwahl im Jahre 1903 hatte der Bund einen eigenen Kandidaten aufgestellt. Damals erhielt der Bundeskandtdat 5049 gegenüber 5810 national- liberalen, 4l4t welfischen und 8049 sozialdemokratischen Stimmen- Es hätten also nur wenige Stimmen gefehlt, um den Bundes- kandidaten in die Stichwahl zu bringen. „Bei einer Reichstagswahl", so erklärt daS Bündlerblatt,„wird man deshalb sehr vorsichtig in der Auswahl sein müssen. Der Bund der Landwirte wird ein kräftiges Wörtlein mitzureden habe n."_ Dem Abgeordnetenhause ist ein Gesetzentwurf betreffend Abände- rung der Gebührenordnung für Notare, der Gebühren der Rechtsanwälte und der Gerichtsvollzieher zu- gegangen. Ferner mehrere Gesetzentwürfe, die die Erweite- rung verschiedener Stadtkreise betreffen, und zwar der Stadt- kreise Kiel , Flensburg und Harburg . Der Landkreis Frankfurt a. M. soll mit dem 1. April dieses Jahres auf- gelöst und die Rechte und Pflichten des Kreiskommunalverbandcs auf den Stadtkreis Frankfurt a. M. übergehen. Aus dem badischen Landtage. In der Sonnabend vormittag stattgefundenen Sitzung wurde die B i e r st e u e r mit allen gegen 19 sozialdemokratische Stimmen angenommen. Ebenso fand die sozialdemokratische Resolution auf Unterstützung der Brauereiarbeiter, welche infolge eventuellen Rückgaiiges des Bierkonsums arbeitslos werden, Annahme. Die Regierung warnte vor Annahme des Antrages, da auch der württern- bergische Landtag eine Entschädigung nicht beschlossen habe. In der gleichen Sitzung legte die Regierung einen wichsigen Gesetzentwurf über die Abänderung der badischen Gemeinde- und Städteordnung vor. Darin werden die Rechte der Stadtverordneten - und Gemeindekollegien wesentlich er» wettert. Das wahlfähige Alter wird auf 25 Jahre(bisher 26 Jahre) festgesetzt. Ebenso können die Bürgermeister schon mit dem 25. Lebens jähre gewählt werden. Weiter hat bei den Wahlen zum Gemeinde- rate in den Gemeinden bis zu 2000 Einwohnern die Verhältniswahl einzutreten. Dasselbe gilt ebenso für die Wahl der Stadträte in den Städten der Städteordnung. Die wichtigste Aenderung ist die. daß künftig für die Stadt verordneten - und Gemeindewahlen die Sechstelung, statt der bis- herigen Neuntelung und Zwölstelung eintritt. Der Entwurf steht ferner eine Erweiterung der Initiative des Bürgermeisters und schließlich die obligatorische Einführung der Wertzuwachssteuer vor. Gleichfalls sollen die Beamten stärker als bisher zur Besteuerung herangezogen werden, und endlich ist die Beschlußfassung beim Bürgerausschuß und beim Stadtrat wesentlich vereinsacht worden. Politisches Potpourri. München , 21. Januar. Ein solches bringt die sich endlos htm schleppende Spezialdiskussion des M i n i st e r i u m S des Acußern: Lehrlingsausbildung. Hansabuud, Gewerbegerickte. Bewerbeförderung. Subiiiissionswesen, Handelsinspekloren, Lehrlingsheime, Gewerbeaufsicht, französischer Zolltarif, gesetzliche Regelung der Stellen verniitielung. Arbeitgebernachweise, Sonntagsruhe im Handelsgewerbe ui'w. Ministerpräsident von Podewils , der wegen seiner an- erkennenden Worte für die Soziatdemolratie soviel Angegriffene, geht auf die meisten Reden ausführlich ein, überall Prüfung und Entgegenkoninten zusagend. Die sozialdemolratischen Redner, Dorn, Schmitt und Dr. S ü ß h e i m. behandeln zumeist das ausgedehnte Gebiet der Sozialpolitik. Die Zustände in der Papier - und Brau- induslrie, den Steinhauereien und Steinbrüchen, der Mützen- und tandschuhindustrie werden einer scharfen Kritik unterzogen. Die ahl der Revisionen der Gewcrbeinspetlion ist immer»och un- genügend, trotzdem sie gegen das Vorjahr zugenommen hat. Das Revisionsversonal ist zu gering an Zabl, sodaß von zirka 21000 handwerksmäßigen Betrieben nur 4000 kontrolliert werden konnten. Die Zabl der U n f ä l l e im ganzen ist erfreulicherweise zurückgegangen, die Zahl der schweren Unfälle bei den jugendlichen Arbeitern aber sehr hoch. Die gewerblichen Krankheilen. Bleiweiß- und Milzbraudvcrgiftungen treten immer noch sehr häufig auf, so daß der bayerische Gewerbearzt noch ein reiches Feld der Tätigkeit findet. Einen ziemlich breiten Raum in der Erörterung nimmt die Stellung des. H a n s a b u n d e S" im öffeiitlichen Leben ein. In Bayer« sind vielfach die Handelskammern, die staatliche Unterstützungen erhalten, alS Korporationen dem„Bunde der Hansen" beigetreten. Zentrums- und BauernbundSredner konstatieren, daß der Hansabuud eine politische Organisation sei, dessen Hauptaufgabe in der Bekämpfung des Bundes der Landwirte bestehe. Ebenso entschieden wurde der politische Charakter von liberaler Seile geleugnet. Der Bund treibe keine Parteipolitik, sondern verfolge lediglich wirtschaftliche Ziele. Bon allen Seiten des Hauses wird verlangt, daß das wichtige Gebiet des gewerblichen UnterrichtswesenS von dem Kultusministerium losgelöst und der Ministerialabteilung fiir Industrie, Handel und Gewerbe angegliedert wird. Ein christliches Gelverkschaftsblatt gegen die preustische Wahlreform. DaS Blatt des christlichen Holzarbeiterverbandes will in unserem Essener Parteiorgan den Satz entdeckt haben, daß das, was der einen Klasse nütze, notwendigerweise der anderen schade. Im all- gemeinen wird sich gegen die Nichtigkeit dieses SayeS nichts ein- wenden lassen und auch daS christliche Gewerlschoftsblatt wendet nichts gegen den Satz ein. Aber eö leistet sich eine Schlußfolgerung, die von geradezu erstaunlicher Begriffsverwirrung zeugt. Das Blatt schreibt nämlich in Ankmipfting an vorstehende» Satz: „Mit anderen Worten: die Sozialdemokratie würde gar nicht daran denken, sich selbst, im Falle sie die Macht dazu hätte, durch die Beseitigung eines Wahlrechtes, das ihr nützlich sei, zu schaden WaS mau nun aber selbst nicht tut, soll man auch von keinem anderen verlangen. Es zeigt sich so auch hier. daß die Sozialdemokratie in völlig un- berechtigterweise nach einer Aenderung de« preußischen Wahlrechts verlangt. Die herrschenden Gewalten miiyten ja ein DummheitSpatent haben, wenn sie in eine Aenderung des Wahlrechts einwilligten aus dem Grunde, iveil es die Sozialdemokratie so haben will/ So widersinnig die Schlußfolgerung ist, die das christliche Gewerkschaftsblatt erlaubt, so berechtigt ist die Schlußfolgerung, daß derartige Darlegungen die Wirkung und den Zweck haben, die bürger- lichen Parteien scharf zu machen gegen die Erfüllung der sozial- demokratischen Forderung, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht in Preußen einzuführen. Dozenten auf Kündigung. Eine einschneidende Neiierimg für die Privatdozenten der Medizin an der Berliner Universität ist. wie ein hiesiges Mittagsblatt wissen loill, im Werke. Der medizinischen Fakultät liegt ein»euer Antrag über die Regelung der Habilitation vor. Die Privatdozentnr 'oll fortan auf fünfjährige Kündigung verliehen werden. Wenn der Dozent eS versäumt, binnen dieser Frist für eine Berufung nach außerhalb zu sorgen, so soll die Fakultät be- und Braunschweig einen heftigen Kampf gegen die Nosionalliberalen 1 rechsigt sein, ihm ohne weiteres die venia legendi zu entziehen. Sittlichkeitsverbrecher im Rock des KömgS. Vor dem Oberkriegsgericht in Saarbrücken als Nevisionsiirstanz fand dieser Tage eine Verhandlung gegen mehrere Unteroffiziere des TO. Infanterie-Regiments statt, die unter der Anklage von Vergehen gegen die Sittlichkeit standen. Die Affäre hatte schon Anfang Oktober v. I. das Kriegsgericht beschäftigt, das die Angeklagten Bizefeldwebel Harnack, die Sergeanten Hummel mtd Leim, den Unteroffizier Backhoff und den Vizefeldwebel Wolter wegen Bor - nähme unzüchtiger Handlungen an Mädchen unter 14 Jahren zu 6, bezw. 7, 6, 2 und 8 Monaten Gefängnis verurteilte. Außerdem wurde gegen Wolter, der verheiratet ist, auf Degradation erkannt. Strafinildernd kam m Betracht, daß die Mädchen bereits sittlich verwahrlost waren. Gegen dieses Urleil hatten Harnack und Hummel sowie der Gerichtsherr Revision eingelegt, die, wie die Verhandlung vor dem Kriegsgericht. hinter geschlossenen Türe» geführt wurde. Räch Anhörung von 2b Zeugen und 4 Sachveiständigen hob daS Oberkriegsgericht daS gegen Harnack ergangene Urteil auf und verurteilte ihn zu einem Jahr sechs Monaten Gefängnis, Degradation, Versetzung in die 2. Klasse deS Soldatenstandes und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer eines Jahres. Die Revision des Sergeanten Hummel sowie die deS Gerichts- Herrn wurde verworfen._ „Gehorsamberweigcruug" im Lazarett! Ein bemerkenswerter Prozeß spielte sich dieser Tage vor dem Kriegsgericht in Dresden ab. Wegen angeblicher Ge- horsamsverweigerung, Ungehorsams und Achtungsverletzung war der Schütze Hennig vom Schützenregiment Nr. 103 angeklagt. Am 22. Oktober v. I. wurde der Angeklagte wegen eitriger Mandel- entzündung ins Lazarett eingeliefert. Als eines Tages ein Sani- tätsunteroffizier ins Krankenzimmer trat, wurde dem Kranken, dem Bettruhe verordnet worden war, befohlen, die Arme lang auf das Bett auszustrecken!! Es ist dies die sogenannte Ehrenbezeugung der bettlägerigen Kranken, wenn ein Vor- gesetzter eintritt. Weil Hcnnig glaubte, den Befehl nicht befolgen zu müssen, ließ er die Arme in gebeugter Stellung. Einige Tage darauf hielt der Sanitätsunteroffizier das Messer deS Angeklagten nicht für blank genug. Hennig wurde um das Bett gejagt und zum Messerputzen befohlen. DaS Putzen soll er in lässiger Weise getan haben. Täglich mußte nun tzennig sein Bett selbst machen. Eines Tages kam der Unteroffizier inS Zimmer und wollte kontrollieren, ob das Bett gemacht sei. Obgleich der Kranke erklärte, daß er das Bett eben gemacht habe, mußte er rauS und der Unteroffizier untersuchte das Bett!! Er fand dabei etwas an der Matratze nicht in Ordnung. Der Kranke mußte auf Befehl eine Reparatur an der Matratze vornehmen. Nach- dem Hennig die ihm aufgetragene Arbeit verrichtet und sein Bett wieder in Ordnung gebracht hatte, legte er sich hinein. Bald er- schien wieder der Unteroffizier und der Kranke mußte aber- mals aufstehen, worauf der Vorgesetzte daS Bett aber- malS revidierte. Dann erhielt der Kranke den Befehl, das Bett wieder zu machen. Er tat dies nicht, weil er daS Verhalten des Unteroffiziers als Schikane auffaßte, äußerte vielmehr:„Ich warte, bis der Stabsarzt kommt!" Weiter soll der Angeklagte einige Ehrenerweisungen unterlassen haben. Ein weiterer Ungehorsam wird darin erblickt, daß der Kranke bei der Unter» suchung-- nicht stramm stand!! Der Angeklagte erklärte vor Gericht, daß er schikaniert worden sei; vom Sanitätspersonal sei er„Du" genannt und patzig behau- delt worden. Eines Tages sei der Stabsarzt in das Kranken- zimmer gekommen und habe ihn„unverschämter Patron" und „Flegel" genannt. Das< Bericht verurteilte den Angeklagten mit Rücksicht auf die „Frechheit" und„Disziplinlosigkeit" zu der höchstzulässigen Strafe von— 4 Wochen strengen Arrest! Die„Notwehr" des Z�eldwebels. In der Nacht zum 4. Oktober 1909 kam eS in Rendsburg zwischen Zivilpersonen und dem Feldwebel Grahl von der 4. Kompagnie des 85. Jnfanterie-RegimentS zu einem Zusammenstoß, der in unterschiedlicher Belenchtnng dargestellt wird. G. hatte mit einem Sergeanten in einer Wirlschast gezecht, und in Begleitung beider Unterosfiziere befanden sich Mädchen. In bezng auf diese Mädchen soll der eine Zivilist von„Spinnen" gesprochen haben. G. behauptet, er sei von den Zivilisten zu Boden gestoßen worden, woraus er in Notwehr seinen Säbel gezogen, damit um sich geschlagen und aus Versehen die Frau des einen Zivilisten an der Schulter getroffen habe. Diese Darstellung wurde aber vor dem Kriegsgericht der 13. Division durch das Zeugnis der Zivilisten so stark erschüttert, daß der Feldwebel wegen fahrlässiger Körperverletzung unter Mißbrauch der Waffe zu einer Woche Gefängnis verurteilt wurde. Gegen dieses Urteil wurde von beiden Seiten Berufting eln- gelegt, vom GcrichtSherrn, weil nur fahrlässige Körperverletzimg angenommen worden ist, und von dem Angeklagten, weil er in Not- wehr gehandelt haben will. Das OberkriegSgencht des 1. Armeekorps sAltona ) konzedierte dem tapferen Feldwebel auch das Notwehrrecht und sprach ihn fr ei. — franhreicb. Gegen die Strolche in der Armee. Paris , 22. Januar. Der KriegSminister wird die Novelle zum Rckrutierungsgeietz, die die Säuberung der Armee des Mutterlandes von„Apachen" bezweckt, dem heutigen Minister- rate unterbreiten. ES heißt, der neue Gesetzentwurf bcltimme unter anderem, daß ein wegen Zuhälterei bestrafter Rekrut, selbst wenn ihm das Gericht den bedingten Strafaufschub zugebilligt bat, auf jeden Fall bei den afrikanischen Disziplinar- bataillonen eingestellt werde. Ebenso sollen alle Rekruten, die wiederholt vom Znchtpolizeigericht verurteilt worden sind, den afrikanischen Straftruppen zugeteilt werden. ki-ulttancl. Der Prozeß Karpow. Petersburg, 22. Januar. Der Prozeß wegen der Ermordung deS Chefs der politischen Geheimpolizei, des Obersten Karpow. hat heute begonnen. Die Verhandlung findet unter Ausschluß der Oefsentlichkeit in der Peter-PaulS-Festung statt. Gegen den Mörder Pelrow«Woskressenski ist Anklage erhoben wegen Zugehörigkeit zu einer verbrecherischen Gesellschaft mit dem Zweck des Umsturzes der bestehenden Ordnung»ud der Errichtung einer demokratischen Republik sowie wegen Ermordung des Obersten Karpow. Petrow stellt nicht in Abrede, daß er Karpow mit Vor- bedacht ermordet habe. AuS den bei ihm gefundenen Briefen geht hervor, daß er seinerzeit auch ein Attentat auf den AmtS« Vorgänger SkarpowS, General Gerasfimow, geplant bat. Wie eine Depesche meldet, hat daS Kriegsgericht heute abend Woskressenski. der schuldig befunden wurde, den Chef der politischen Polizei, Obersten Karpow. ermordet zu haben, zum Tode durch den Strang verurteilt. Japan . Eröffnung deS Reichstags. Tokio , 22. Januar. Heute vormittag ist der Reichstag wieder zusammengetreten. Ministerpräsident Marquis Kathira legte dar. daß die Beziehnngen Japans zu den mit ihm durch Ver- trage verkuüpften Mächten harmonische seien und daß sich da» Bündnis mit Großbritannien noch fester gesialter habe. Alle zwischen Japan und China schwebende» Fragen seien Wechsel- seitig geregelt. Die Regierung habe daS Prinzip der offenen Tür in der Mandschurei immer geachtet. Ein neues Zolltarifgesetz, daS eine Herabsetzung der Baum- wollzölle enthalte, werde dem Reichstage vorgelegt werde».
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