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Reinickendorf -Ost. Zlm Dienstag, den 25. Januar, abends 8 Uhr, findet bei Falk, Haufotterstr. 43, die Generalversammlung des Be- zirkswahlvereins statt. Tagesordnung: Bericht der Funktionäre. Wahl von zwei Revisoren. Anstellung einesVorlvärtS"-Spediteurs. Bericht der Gemeindeverlreter. Die Bezirksleitung. In Birkrnwrrder N.-B. hat das Lokal«Paradiesgarten" den Besitzer gewechselt(jetziger Inhaber S e n k b u s ch); dasselbe ist nach wie vor frei. Die Lokalkominission. berliner J�achnchten. Das Jugendheim. Der vor kurzem gegründete VereinJugendheim", der sich die Schaffung von Jugendheimen für die heranivachseude atbeitetide Jugend zur Aufgabe gestellt hat, begegnet in den Reihtz» der Arbeiterschaft lebhaften Sympathien. Eine große Zahl von Parteifreunden hat seinen Beitritt erklärt und ist damit willens, auch sein Teil zur Förderung der proletarischen Jugendbewegung beizutragen. Diese Tatsache hat Veranlassung gegeben, das Ziel des Vereins möglichst bald zur Wirklichkeit zu machen. Der erste Schritt ist bereits geschehen. Am kommenden Dienstag wird der Verein daö erste Jugendheim eröffnen. Es befindet sich hoch oben im Norden, dort, wo ausschließlich Proletarier wohnen: Brunnen st raße Ilo, vorn I(Usedom - und Voltastraße). Die Eröffnung erfolgt am Dienstag, den 25. Januar, nachiniitags 6 Uhr. Der Verein ersucht die Eltern, ihre aus der Schule entlassenen Söhne oder Töchter auf dieses Jugendheim aufmerksam zu machen und zum Besuch zu veranlassen._ Der Landrat gegen die Laubenkolonisten. Die feudalen Herren vom Unionklub in H�ppegarten sind gerne unter sich. Die kleinen Ansiedelungen in unmittelbarer Nähe der Nennbahn sind ihnen seit langem ein Dorn im A»ge; es ist doch zumeist Bürger- und Arbeiterpublikum, auf jeden Fall alsominderwertiges Volk", das sich hier in Land- .häuöchen und Lauben nach den Strapazen des Arbeitstages vergnügt und die Kreise der blaublütigen Rennstallbesitzer stört. Auf dieses Mißbehagen ist wohl eine überaus merk- würdige Verfügung des bekannten Sportsmannes und Land- rats Graf v. Rödern zurückzuführen, die jetzt Plötzlich von jedem neuen Kolonisten einen Ansiedelungsbeitrag von 20 Pf. pro Quadratmeter fordert, was in der Praxis vielfach einer Summe von 150250 M. gleichkäme. Die Anordnung, für die weder ein Präzedenzfall noch eine Handhabe im Gesetz existiert, verdankt ihren Ursprung der Findigkeit eines noch sehr jungen Assessors, der mit einem Male eineMuster- ordnung" entdeckt haben will, wonach jene Suntmen als Kirchen- und Schulbeiträge" für die Gemeinde einzuziehen sind, und zwar nicht etwa erst nach der eventuellen Bebauung. sondern sogleich bei der Erwerbung des betreffenden Grund- stück-?. Es ist ganz klar, wohin diese famose Verfügimg, gegen die natürlich sofort der Rekurs ergriffen worden ist, eigentlich zielt. Minder kapitalsträftigen Elenienten soll auf diese Weise die Ansiedelung in jenen Geländcn, die den Prunkvillen des Rennkapitals vorbehalten bleiben sollen, einfach unmöglich Semacht werden. Der Erlaß hat bereits zur Folge gehabt, ein Kolonist in Mahlsdorf von der übereifrigen Behörde zum Abbruch seiner Laube gezwungen wurde. Der Fall l?hrt aufs neue, wie wenig auch der schönste Bebauungs- plan für Groß-Berlin nützen>vürde, so lange in das be- stehende politische Koterienivesen nicht Bresche gelegt ist. Am heitersten mutet wohl an der ganzen Sache der Umstand an, daß im Zentralverband deutscher Arbeiter- und Schrebergärten die Kaiserin das Ehrcnprotektorat und die Frau Staats- minister Freiin von Rh ei nbaben den Vorsitz innehat I... Der Berliner Lehrerverein beschäftigte sich am letzten Freitag mit der beabsichtigten Reform der preußischen Schul- Verwaltung. Die Leitsätze, die dem Vortrage und der Be- sprechung zugrunde lagen, haben folgenden Wortlaut: 1. Die Klagen über die Rückständigkeit der preußischen Schul- Verwaltung haben ihre Ursache zum guten Teil in der einseitig straffen Zentralisation der Dienstgeschäfte und in der streng burcaukratischcn Regicrungswcise der Unterrichtsbehörden aller In- stanzen. Unter diesen Mängeln der Verwaltung hat das gesamte BildungSwcsen zu leiden, in besonderem Maße aber die Volks- schule, weil den Behörden auf diesem Gebiete infolge des Mangels an gesetzlichen Bestimmungen weitgehende Befugnisse zustehen. 2. Die Schulverwaltung wird ihren Aufgaben nur dann gerecht werden können, wenn sie in eine organische Verbindung mit den petschiedeuen Bildungsveranstaltungcn und den an ihrer Eni- Wicklung interessierten Kreisen gebracht wird. Eine Reform der Schulverwaltung auf Grundlage einer wahren und wirksamen Dezentralisation und unter gleichzeitiger Heranziehung der frei- Willigen Kräfte der Selbstverwaltung ist daher dringend zu wünschen. 3. Das Präsidial- und Präfektursystem, das die Königl. Staats- regierung in. die Schulverwaltung einzuführen beabsichtigt, wider- spricht der Grundidee einer volkstümlichen, gerechten und freien Schulverfassnng und würde die weitere Entwicklung der Volksschule «rnftlich gefährden. 4. Der Berliner Lehrerverein stellt für die Reform der preußi- schen Schulverwaltung folgende Forderungen auf: D>e Schulverwaltung wird aus der Verbindung mit der allgemeinen Landesverwaltung gelöst und wird in allen In- stanzen selbständigen Behörden überwiesen., b) Das gesamte höhere und niedere Schulwesen einschließ- sich des Fach- und Fortbtldungsschulwesens wird nach chnheit- lichen- Grundsätzen verwaltet und untersteht in der mittleren und oberen Instanz denselben Behörden. c) In allen staatlkchcn Schulbehörden ist dem fachmännischen Element ein maßgebender Einfluß zu gewähren. d) In jeder Instanz tritt neben die staatliche Schulbchörde ein aus freier Wahl der Jntereffentengruppen hervorgegangener Beirat mit selbständigen Kollegialrechten. e) Größeren leistungsfähigen Landgemeinden und selbständi- gen Stadtkreisen ist die Schulverwaltung nach den allgemeinen Grundsätzen der Selbstverwaltung zu übertragen. {) Die untere Instanz ist innerhalb des Kreises KreiS- schulamt. Kreisschulvertretung zu organisieren. Der Kreise schulbehörde werden alle auf die Grenzen ihres Gebietes be- schränkten Angelegenheiten überlassen, für dereni Zuwchsung an eine höhere Behörde nicht besondere Gründe vorliegen. g) Die Schulverwaltung jenseits des Kreises ist in der Provinzialinstanz Provinzialschulamt, Provinzialschulver- tretung zu organisieren. h) Die Zentralbehörde ist ein besonderes Unterrichtsmini- steriumz ihm tritt die LandeSschulvertretung beratend an die Seite. 5. Der Berliner Lehrerverein�erklärt, daß�auch die bestorgani- flerte Verwaltung nur dann der Schule zum Segen gereicht, wenn sich ihre Organe jedes Eingriffs in die unveräußerlichen Rechte der persönlichen Freiheit enthalten und freie Bahn schaffen für die Entfaltung der Lehrerpersönlichkeit."' Schwesternschaft und Wartepersonal. Für die Pflegeschwestern des Virchow-Kranken- Hauses haben aus Anlaß der Gänsebraten-Affäre sich in der bürgerlichen Presse zahlreiche Fürsprecher gefunden. Kranken- Wärter, die z. B. in derMorgenpost " und imLokalanzeiger" die Ausführungen all dieser eifrigen Verteidiger gelesen haben, ver- sichern uns, daß sie soviel verzeihende Nachsicht gegenüber einer streng verbotenen Ungehörigkeit bisher nicht für möglich ge- halten hätten. Mancher fragt, ob mit gleichem Maß ge- messen worden wäre, wenn Wartepersonal das getan hätte, was den Schwestern zur Last gelegt worden ist. In der Tat ist nicht zu bezweifeln, daß von denselben Blättern, die jetzt so warm sich der Schwestern annahmen, dem Wartepersonal kaltherzig vorgehalten worden wäre, wie verwerflich ein solcher Vertrauensbruch ist. Die bürgerliche Presse hat sogar diese von Schwestern begangene Ungehörigkeit zum Anlaß genommen, den Spieß umzudrehen, und gegen Wartepersonal zu richten. Entrüstet teilte sie mit, daß die Anzeige geegn die Schwestern von einem Wärter ausgegangen sei und zwar von einem, der selber sich eines derartigen Vergehens schuldig gemacht habe. Ein Wärter, dem von einer Schwester die Entwendung eines Restes Butter verwiesen und Meldung angedroht worden sei, habe daraufhin die Schwestern wegen Entwendung von Gänsebraten angezeigt, obwohl es sich eigentlich nur um Gänseknochen gehandelt habe. Von unterrichteter Seite wird uns gesagt, die Sache liege denn doch etwas anders. Aufrecht erhalten wird die Be- hauptung, daß nicht lediglich Gänseknochen abgeknabbert, sondern Gänsefleisch gegessen worden sei. Nicht aus Rache habe jener Wär- ter das der Krankenhausleitung mitgeteilt. Er habe sich beim Inspektor Krause darüber beschwert, daß eine Schwester ihn zu Unrecht der Entwendung von Butter beschuldige und trotz seiner Aufforderung das nicht zurücknehmen wolle. Bei dieser Gelegen- heit sei auch zur Sprache gekommen, daß gerade von Schwestern eine Ungehörigkeit wie die ihm vorgeworfene begangen worden sei. Auf Veranlassung des Inspektors habe der Wärter den Fall nunmehr dem Verwaltungsdirektor Ohlmüller vortragen müssen. Ohlmüller habe daraufhin eine Untersuchung eingeleitet, in der dann von Stationsmädchen, die über das Etzbedürfnis der Schwestern vernommen wurden, noch mehrausgepackt" worden sei. Mit Verwunderung hat das Wartepersonal auch gelesen, was bürgerliche Blätter über die Lage der Schwestern zu mel- den wußten. Da wurde erzählt, den Schwestern werde zuviel zu- gemutet, zu schwere Arbeit, und man gewähre ihnen zu wenig dafür, im besonderen zu schmale Kost. Gewiß, daran ist manches Wahre. Aber wenn das für die Schwesternschaft gilt, so gilt es noch mehr für das W a r t e p e rso na l. das ja noch schwerer zu arbeiten hat und bekanntlich mit noch ge- ringerer Kost vorlieb nehmen mutz. Den Unterschied in der Be- köstigung kann man daran messen, daß im Virchow-KrankenhauS z. B. im Etatsjahr 1907/08 für den Tisch der Schwestern pro Kopf und Tag 1,94 M., für den Tisch des Wartepersonals pro Kopf und Tag nur 1,36 M. aufgewendet wurden. Verblüffung ist in den Kreisen des Wartepersonals hervorgerufen worden durch die An- gäbe derMorgenpost", daß Schwestern des Virchow-Kranken- Hauses geradezu zu wenig zu essen bekommen und daß dieS bei der Beurteilung der an sich sträflichen Handlung der entlassenen Schwestern denn doch berücksichtigt werden müsse. Das Blatt fragt: Weshalb haben die Schwestern das getan, wodurch wurden sie dazu verleitet?" und läßt mehr als deutlich durchblicken, daß sie aus Hungereiner solchen geringen Versuchung nicht zu widerstehen vermögen". Ob in gleichem Fall auch dem Warte- personal der Hunger geglaubt würde? Als vor Jahren die Krankenhausverwaltung der Stadt sich entschloß, die Verwendung von Schwestern immer weiter aus- zudehnen, ließ sie sich wesentlich von dem Gedanken leiten, daß so das männliche Personal vermindert werden könne, das stets zuNörgeleien" /oder gar zur U n b o t m ä ß i g k e i t" bereit sei. Na, wir finden, daß die Schwesternschaft ihren Vor- gesetzten auch nicht zu knapp zu schaffen macht. Die Erwartung, daß sieminder begehrlich" und dabei um sogefügiger" sein werde, hat sich nicht erfüllt. Wir wollen hier ausdrücklich hervorheben, daß wir die letzten sind, die den Schwestern das verübeln wollten. Nur wünschten wir, daß man eS auch dem Wartepersonal nicht ver- übelte, wenn es soanspruchsvoll" ist. ausreichende Beköstigung und angemessene Behandlung zu verlangen. Die oben behandelte Angelegenheit beschäftigte gestern auch die städtische Krankenhausdcputation. Der Magistrat gibt folgende Darstellung:Gelegentlich der Untersuchung gegen einen der Un- redlichkeit verdächtigten Wärter hatte dieser am 12. Januar zur Kenntnis der Direktion gebracht, daß am 30. Dezember Gänse- braten, der als Zulage für Kranke ausgegeben werden sollte, im Sckuvesternzimmer von drei Pflegerinnen lzwei Probeschwestern und einer Schülerin) verzehrt worden ist. Die inzwischen so tragisch geendete Schwester Herta Rosenkranz, die an jenem Tage die ausgegangen Oberschwester vertrat, war später hinzugekommen und hatte dann noch von der Sauce genascht. Daß sie von dem Gänsebraten, der für die Patienten bestimmt war, gegessen haben, geben die drei Pflegerinnen zu, nur die Meng« des Verzehrt'.n wird von ihnen nachträglich immer geringer angegeben. Nun war es verschiedentlich vorgekommen, daß Eßwaren, die für die Kranken bestimmt waren, von den Schwestern verbraucht warben sind. Da hatte eine Schwester einmal eine für einen Schwerkranken be- stimmte Taube gegessen. Zu wiederholten Malen war von den Schwcsteril auf der Station Kuchen gebacken worden, deren Zu- taten sie selbst gekauft haben wollen, während gleichzeitig die für die Kranken gelieferte Butter nicht ausreichte. Alle diese Vor- kommnisse haben den Verwaltungsdirektor der Anstalt bestimmt, im vorliegenden Falle die drei pflichtvergessenen Pflegerinnen nach Rücksprache mit �dcr ihm darin beistimmenden Oberin sofort entlassen. Der Schwester Herta dagegen hat er nach Rücksprache mit öcn beiden ärztlichen Direktoren in Gegenwart der Oberin nochs am 12. Januar einen Verweis erteilt; das ist in keineswegs schroffer Form erfolgt, von einer Versetzung auf eine andere Sta- tion hat der Verwaltungsdirektor auf die Bitte der Schwester Ab- stand genommen und die Unterredung mit den Worten geschlossen: Arbeiten Sic weiter so brav wie vorher, dann werden wir wieder gute Freunde sein." Der Verweis hat die Schwester Herta dem -äußeren Anscheine nach nicht tief getroffen. Sie hat am Donners- tag und Freitag vormittag ihren Dienst versehen, ist am Freitag nachmittag und abend ausgegangen sie gab an, daß sie ins Theater gehe und auch ihr Schwager, mit dem sie über den Vorfall gesprochen hat, hat in einem Brief an den Verwaltungs- direktor seiner Ueberzeugung dahin Ausdruck gegeben, daß das Ver- halten des Direktors zu dem tragisihen Ausgange auch nicht in d'r geringsten Weise Anlag gegeben habe. Er schreibt weiter:Meiner Ucbcrzeugung nach hatte sich Schwester Herta über den Verweis, den sie von Ihnen, Herr Geheimrat, empfangen hatte, vollkommen getröstet." Es müßten erst am Donnerstag oder Freitag Klatsche- rcien, abfällige Aeutzerungcn und so weiter gegen die Schwester gefallen sein. Außerdem hat die Sektion ergeben, daß gerade damals ein physiologischer Vorgang eintrat, der aus das Gemüt der Frauen erfahrungsgemäß erregend wirkt. Schwester Herta wurde am Sonnabend früh schwer röchelnd in ihrem Bett ausgefunden. Der bald hinzugerufene Arzt konnte den Tod nicht wehr verhindern. Sie hatte sich, wie die Untersuchung ergab, mit Morphium ver- giftet. Von den drei entlassenen Pflegerinnen lag der Deputation ein von einer Anzahl Schwestern unterstützter Antrag um Wieder» einstellung vor und ferner ein Gesuch der Oberin, über ihr Ver» halten in dieser Angelegenheit eine Untersuchung einzuleiten. In der eingehenden Erörterung innerhalb der Deputation war man darüber einig, daß von den drei entlassenen Pflegerinnen und auch von der mit ihrer Aufsicht betrauten Schwester Herta unzweifelhaft gegen die Ordnung stark gefehlt worden ist und daß gerade mit Rücksicht auf die Größe des Betriebes und die vorangegangenen Vorkommnisse dafür gesorgt werden müßte, daß Ordnung herrsche. Der Verweis an Schwester Herta war notwendig; er könne nicht der Anlaß zu dem tragischen Ausgang des Falles gewesen sein. Man könne und müsse den Vorgang herzlich bedauern, müsse aber doch anerkennen, daß die Direktion hierin durchaus korrekt verfahren sei. Die drei entlassenen Schwestern könnten auch keinesfalls etwa im Rudolf Virchow -Krankenhause wieder angestellt werden. Ob aber die mildernden Umstände, die sie jetzt anführen, etwa recht» fertigen, sie in einem anderen Krankenhaus wieder anzustellen, soll eine Untersuchung des ganzen Vorfalles ergeben, mit der eine Kommission von 5 Mitgliedern der Deputation betraut worden ist. Die Kommission wird bereits am Montag zusammentreten. Die bei dieser Gelegenheit über die Behandlung der Schwestern in der Qeffentlichkeit verbreiteten Darstellungen wurden als durchaus unrichtig zurückgewiesen. Es ist absolut unwahr, daß eine zu spät zu Tisch erscheinende Schwester kein Essen bekommt. Es sei immer reichlich schmackhaftes Essen vorhanden. Wenn eine Schwester nicht zu Tisch kommen kann, wird ihr das Essen von dem von ihr zu beauftragenden Stationsmädchen auf die Station gebracht. Ab» solut unwahr ist auch, daß das Essen kalt sei." Wie unsere obigen Ausführungen zeigen, decken sich unsere eigenen Ermittelungen teilweise mit denen des Magistrats, nur mit dem Unterschied, daß wir noch besser informiert sind, wie die Verwaltung und die Angelegenheit anders beurteilen. Durch eine ausgedehnte Lichtstörung wurde am Sonnabend» abend ein Teil des Zentrums Berlins in tiefes Dunkel gehüllt. Durch die Elektrizitätsfirma Emil Große, Neue Schönhauser Sratze 12 wird ein großer Teil der Fabriken und Geschäftsbetriebe in der Neuen Schönhauser, Münz-, Noch-, Dircksen- und Rosen- thaler Straße mit elektrischer Kraft und Licht versorgt. Die ganze Krafterzeugungsanlage wird mittels Gasmotoren betrieben. Gestern abend gegen 6 Uhr entstand plötzlich an dem größten der Motore ein Defekt infolge Bruchs des Luftzuführungsventils. Sämtliche Geschäfte, die an das Wer! angeschlossen sind, konnten deshalb nicht mit elektrischer Kraft resp. Licht versorgt werden und waren plötzlich in tiefes Dunkel gehüllt. Mehrere Kinemato» graphentheater mutzten geschlossen werden. In den offenen Ge- schäftsräumen, die in Anbetracht des besonders regen Sonnabend- Verkehrs ganz empfindlich unter der Störung zu leiden hatten, half man sich mit Petroleumlampen, Lichtern usw. aus. Um den Defekt zu beseitigen, mutz ein neues Ventil in den Motor ein- gebaut werden, eine schwierige Arbeit, die sich im Laufe des gestrigen Abends nicht mehr bewältigen ließ. Die Störung kann daher erst am heutigen Sonntag behoben werden. Die Sklaven der Großen Berliner Straßenbahn. Wie das gelbe Vereinswesen geradezu tolle Blüten treibt, zeigt folgendes Schreiben: Sehr geehrter Herr! Aus der ZeitungDie Straßenbahn ", offizielles Organ deS Vereins der Angestellten der Großen Berliner Straßenbahn, werden Sie ersehen haben, daß uns das allleinige Recht übertragen wurde, mit den Angestellten der Straßenbahn Lebensversicherungs - sowie Sterbekassenversiche- rungsanträge derFriedrich-Wilhelm" entgegenzunehmen. Wir bedürfen zu diesem Zwecke der Vermittelung geeigneter Persön- lichkeiten bezw. Vertrauensleuten, die solche Aufträge für uns ausnehmen. Ihre werte Adresse verdanken wir dem Herrn Redakteur Martin Sochaczewski. der uns auf Sie als die in jeder Weise geeignete Persönlichkeit hinwies. Wir dürfen eS mit Freuden begrüßen, wenn Sie unsere Vertretung übernehmen würden und bitten wir Sie um Ihren werten Besuch in unserem Bureau behufs näherer Besprechung, auch außerhalb der ange» gebenen Sprechzeit. Für letzteren Fall bitten wir um recht- zeitige vorherige schriftliche oder telephonische Anmeldung. Wir bemerken noch, daß wir außer den Vergünstigungen, die wir durch unser Inserat den einzelnen Mitgliedern zuge- billigt, für Sie eine angemessene Provision angesetzt haben, die Ihre Bemühungen zu einer auch pekuniär lukrativen ge- stalten soll. Wir dürfen Sie wohl frdl. bitten, uns mit beiliegender Frei- karte gefl. Bescheid zukommen zu lassen und zeichnen Hochachtungsvoll Wer hat dieser Firma nun das Recht übertragen, nur allein mit dem Personal der Großen Versicherungen abzuschließen? Sind die Angestellten mit Haut und Haaren verkauft? Wer hat dem Herrn Sochaczewski das Recht erteilt, Adressen der Vertrauens- niänner einem Geschäftsunternehmen mitzuteilen, die er nur als Redakteur der gelben Vereinszeitung erlangt haben kann. Ob die Direktion von diesem unerlaubten Treiben Kenntnis hat? In Konkurs geraten ist wieder eine kleine Bank, dieBerliner Bank, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht", die erst seit zwei Jahren bestand und in der Friedrichstraße 171 5 Zimmer für 5000 M. Jahresmiete innehatte. Ein Bankier Knoll leitete sie. Am 1. Oktober v. I. konnte die Bank, die nur vier Personen beschäftigte, die Miete nicht mehr bezahlen. Ihre Räume wurden geschlossen. Wiederholt kamen seitdem noch Kunden, anscheinend kleine Beamte und Handwerker, um ihre Ersparnisse zurückzuholen, mutzten aber mit leeren Händen wieder umkehren. Jetzt ist über das Vermögen der Bank das Konkursverfahren er- öffnet worden. Die Passiva werden vorläufig auf 6070 000 M. geschätzt. Aktiva sind so gut wie gar nicht vorhanden. Todessturz auS dem vierten Stockwerk. Die Verzweiflungstat eines Lebensmüden rief gestern in der neunte» Abendstunde in der Dragonerstratze Anflehen hervor. Aus dem vierten Stockwerk des Hauses Dragonerstraße 49 stürzte sich ein Mann auf die Straße hinab; mit zerschmetterten Gliedern blieb er auf dem Bürgcrsteig liegen. Der Schädel war dem Unglückliche» fast vollständig zer» malmt worden, so daß der Tod sofort eintrat. In dem Lebens» müden wurde der 39 Jahre alte Fabrikarbeiter Karl Scholtz, Thomasstraße 8 wobnhaft, ennittelt. Die Leiche wurde nach dem Schauhaiise übergeführt. Angeblich soll Sch. wegen Not und Arbeitslosigkeit die Tat verübt baben. Nur noch einige Pfennig« fand man in den Taschen der Leiche auf. Unter zahlreicher Beteiligung wurde Genosse Wilhelm Eber» Hardt gestern zur letzten Ruhe geleitet. Die Beerdigung erfolgte von der Leichenhalle des Rixdorfer Gcmeindefriedhofs am Marien- dorfer Weg auS. In der Halle hielt Genosse Z u b e i l eine von Herzen kommende Gedächtnisrede. Er schilderte das Leben und Wirken des Verstorbenen für die Partei und seine Tätigkeit im Teltower Kreise und gab eine Charakteristik des verstorbenen Genossen als Mensch, dem er, Znbeil, in langen Jahren ganz be- sonders nahe gestanden. An der Gruft legten zahlreiche Delegierte einzelner Ortsvereine der Tcltower Organisation, sowie viele engere Freunde prachtvolle Kränze nieder. Nach Absingen der Trauerweise:Wenn sich zwei Herzen scheiden" schloß der einfache, schlichte Trauerakt. Im Sturm in den See gestürzt und ertrunken. Von einem beklagenswerten Geschick ist der Schiffseigner Woike auS Kalkberge - Rüdersdorf betroffen worden. W. hatte in den letzten Tagen mit seinem Fahrzeug auf dem Stienitzsee vor Anker gelegen. Gestern versuchte er infolge des herrschenden Sturmes den Anker sicherer zu befestigen; hierbei wurde er durch die Gewalt des Sturmes über Bord gerissen und in den See geschleudert. Der Vorfall wärfleider