Nr. 25. 27. Jahrgang.
2. Beilage des Vorwärts" Berliner Volksblatt.
Sonntag, 30. Jonnor 1910.
Gerichts- Zeitung.
Die Strafprozeßordnungs- Tovelle
darstellten. Das hat mich zu der Ansicht geführt: Kein Richter sollte über wenige Jahre eines Borfalls hinaus einem Zeugen einen Eid abnehmen. Die Gefahr des Falscheides ist groß.
auf die antifozialistischen Arbeitervereine in den sechziger Jahren In der vorliegenden Veröffentlichung ist namentlich in bezug des vorigen Jahrhunderts ein Material enthalten, das bisher nur teilweise befannt war. Nachdem Ende Oktober letzten Jahres in Frankfurt a. M. 2. Sonnemann gestorben ist, lebt außer mir feiner mehr, der die Geschichte jener Beit so fennt und miterlebte wie ich, und dem auch das Material zur Verfügung stand. Ich hoffte, mit heit, die mich fast zwei Jahre lang zu jeder anstrengenden Geistesder Arbeit weiter zu kommen, als ich gekommen bin. Aber Krank arbeit unfähig machte, ließ es nicht zu. Behalte ich die nötige Gefundheit, so soll dem ersten in nicht zu langer Zeit ein zweiter und vielleicht ein dritter Teil folgen. Schöneberg - Berlin , Neujahr 1910.
Soziales.
Bertretung vor dem Gewerbegericht.
Um die Richtigkeit meiner Angaben und auch der Auffassungen, Die Küchengeheimnisse des Restaurants Zander in der Bülowstraße wie ich sie zu einer bestimmten Zeit hatte, festzustellen, habe ich nach beschäftigten gestern nochmals die 3. Straffammer des Landgerichts Am Freitagabend hielt der Berliner Anwaltsverein eine fehr Möglichkeit Briefe, Notizen, Artikel usw. benutzt. Aber es gab Abschnitte in meinem Leben, in denen es gefähr Berlin II. Das Schöffengericht hatte die Angeklagte Maria Zander, stark besuchte außerordentliche Versammlung ab. Auf der Tages- lich war, Briefe aufzubewahren, wollte ich nicht zum Denunzianten die Reiterin der Restaurantlüche, am 16. Oktober wegen fortgesetzter ordnung stand die dem Reichstag jeht vorliegende Novelle über an anderen oder an mir selbst werden. Das war ganz besonders Nahrungsmittelverfälschung zu 1000 M. Geldstrafe verurteilt. Die Aenderungen des Gerichtsverfassungsgefehes und der Strafprozeß die Beit unter der Herrschaft des Sozialistengefeßes, während gegen die Angeklagte vorgebrachten Beschuldigungen, die im wesent ordnung. Sechs Referenten sprachen zu diesem Thema: Brofeffor welder ich jede Stunde Gefahr lief, einer Haus- und törperlichen lichen darauf hinausgingen, daß in verschiedenen Kesseln, in welchen Dr. v. Lilienthal- Heidelberg , Profeffor Dr. v. Liszt , Landtags- Durchsuchung unterworfen zu werden, sei es, um Material für Speifen gefocht werden, auch schmutzige Wäsche gewaschen wurde abgeordneter Justizrat Dr. Rewoldt, Nechtsanwalt Sonnenfeld, einen Prozeß gegen mich oder gegen andere zu gewinnen. Ich stand und auf Tellern dec Speisegäfte zurückgebliebene Reste wieder Justizrat Leonhard Friedmann und Rechtsanwalt Dr. Heinemann. lange Zeit bei Polizei und Staatsanwälten in dem Rufe, ein ge- anderen Gästen vorgesetzt worden seien, rührten von früheren Aus sämtlichen Referaten klang eine lebhafte Unzufriedenheit fährlicher Mensch zu sein, dem man nicht über den Weg trauen Dienstmädchen her, die sich von der Angeklagten schlecht behandelt mit der Regierungsvorlage heraus. Unter lebhaftestem Beifall be- dürfe. Bielleicht nicht mit Unrecht. Aus denselben Gründen ver- fühlten. Die Strafanzeige ist unmittelbar nach dem Erscheinen bot sich aber auch die Führung eines Tagesbuches. tonten die Redner, lieber möge die Reform des Strafverfahrens auf fünf oder sieben Jahre verschoben werben, ehe die vorgelegte wirt Biekow in Heiligensee erstattet worden. Ein entlassenes Dienst des Zeitungsartikels über die Gerichtsverhandlung gegen den GastNovelle Gesegeskraft erhält. Nach vielen Richtungen hin enthalte mädchen war durch diesen Bericht angeregt worden, die Untersie eine ganz erhebliche Verschlechterung gegenüber dem bestehenden schriften verschiedener ehemaliger Dienstmädchen zu der gemeinRechtszustand. Die schon jest mangelhaften Garantien der Verfamen Strafanzeige zu sammeln. Gegen das schöffengerichtliche teidigung seien vielfach beseitigt. Lieber feine Berufung, als eine Urteil hatte die Angeklagte zunächst die Berufung eingelegt, sie Verschlechterung der ersten und auch der zweiten Instanz. Die Beaber wieder zurückgezegen, dagegen hat der Staatsanwalt wegen rufung auch der Staatsanwaltschaft zu erteilen, bedeute eine er der zu geringen Höhe der Strafe Berufung eingelegt. In der hebliche Verschlechterung des Schutzes der Verteidigung. Unbedingt gestrigen Verhandlung stand der Angeklagten Justizrat Dr. Sello müßten Laien auch in der Berufungsinstanz mitwirken. Unter als Verteidiger zur Seite. Zur Aufklärung des Sachverhalts war feinen Umständen dürfe in der Berufungsinstanz das verfemte eine große Anzahl von Zeugen und Zeuginnen vorgeladen worden. Dreimännerkollegium wieder auftauchen. Eine Beschränkung der Die Angeklagte bestritt mit aller Entschiedenheit, die ihr vorgeZuständigkeit der Schwurgerichte sei abzulehnen. Gegen das allworfenen unappetitlichen Maßnahmen getroffen oder irgendwelche gemeine Interesse spreche der Vorschlag, den Amtsrichter ohne ZuUnsauberkeit gelitten zu haben. Ihr wesentlich von Geheimräten ziehung von Schöffen bei Uebertretungen und leichten Vergehen besuchtes Restaurant werde streng reell betrieben und wenn Un entscheiden zu lassen. Die Deffentlichkeit dürfe nur eingeschränkt fauberkeiten vorgekommen sein sollten, so würde es sich um tadelnswerden, wenn der Angeklagte dem Antrag auf Ausschluß der Die vom Kaufmannsgericht geübte bedauerliche Praxis, die verte Eigenmächtigkeiten der Dienstmädchen handeln. Der StaatsOeffentlichkeit zustimmt. Die Disziplinargewalt des Gerichts müsse insbesondere in der vierten und fünften Kammer fast fonstant ge- anwalt glaubte auf Grund der Aussagen der fünf Belastungsworden ist, Angestellte von Berufsverbänden als Barteivertreter gegenüber der Staatsanwaltschaft die gleiche sein, wie gegenüber nicht zuzulassen, gab in der letzten Sihung der Kammer 7 des deuginnen es auch diesmal für festgestellt erachten zu können, daß den als Verteidiger tätigen Rechtsanwälten. Die Rechtsprechung Gewerbegerichts Anlaß zu längeren Erörterungen. in der Küche der Angeklagten standalöse unsaubere Zustände des Reichsgerichts habe dazu geführt, daß die" Sell"-Borschriften Es klagte der bei der beklagten Firma Täuber Nachf. beherrschten. Er beantragte außer den 1000 M. Geldstrafe noch zwei der Strafprozeßordnung völlig wertlos feien. An ihrer Stelle schäftigt gewesene Futtermeister Beise, der jedoch nicht selbst im Monate Gefängnis. Justizrat Dr. Sello bedauerte, infolge des müßten durchweg Muß"-Borschriften treten. Die Kollusionshaft Termin erscheinen konnte und sich durch einen Herrn Grabert, der Zurückziehens der Berufung nicht auf Freisprechung plädieren müsse ganz beseitigt werden. Zum mindesten dürfe sie aber Mitglied des deutsch - nationalen Handlungsgehilfenverbandes ist, zu können und beantragte eine erhebliche Herabsetzung der Strafe. immer nur dann zugelassen werden, wenn der Verdächtige versucht bertreten ließ. Die Klage war beim Kaufmannsgericht anhängig Das Gericht hob das erste Urteil auf. In der zweiten Instanz hat, die Zwecke der Untersuchung zu vereiteln. Dem wegen eines gemacht und ist erst von diesem an das Gewerbegericht abgegeben habe eine ganze Reihe von Zeugen denn doch bekundet, daß der Bergehens oder Verbrechens Verhafteten sollte auf seinen Antrag worden. Im Termin vor dem Kaufmannsgericht war der Ver- Betrieb in dem Lokal nach ihrer Ansicht tabellos gewesen sei. Desein Verteidiger gestellt werden. Ueber einen Widerspruch gegen treter des Klägers nicht als solcher zugelassen worden, weil er nach halb erscheine die erkannte Strafe viel zu hoch. Der Gerichtshof einen Saftbefehl müsse in kontradiktorischer Verhandlung unter Ansicht des Kaufmannsrichters das Berhandeln vor Gericht ge- habe lettere auf 100 m. Geldstrafe herabgesetzt und auch die schäftsmäßig" betreibe! Jm Termin von dem Gewerbegericht er Erhebung aller zugänglichen Beweise entschieden werden. Der lärte G., daß er das Verhandeln vor dem Gewerbegericht ebenso- Publikation des Urteils in Wegfall gebracht. Angeklagte müsse über die ihm zustehenden Rechtsmittel belehrt wenig wie die Angestellten des Verbandes geschäftsmäßig betreibe. Die Erörterung des Falles Dr. Zidel im Berliner Bühnenklub" werden. Die Möglichkeit der Verhängung einer Untersuchungshaft Er erhalte weber feine Bemühungen bezahlt, noch seine Auf- hat einen Beleidigungsprozeß zur Folge gehabt, der gestern unter wegen Fluchtverdachts, ohne daß Tatsachen, die diesen Fluchtver- wendungen erfeßt. Die Gepflogenheit des Kaufmannsgerichts habe dacht rechtfertigen, vorliegen, müsse beseitigt werden. Entgegen- dahin geführt, daß anstatt der Angestellten des Verbandes jezt zutreten sei einer Durchbrechung des Legalitätsprinzips, abgesehen Mitglieder des Bereins mit der Vertretung von Klagesachen be von den Fällen, in denen den Verletzten ein Privatflagerecht zu- auftragt werden. Da ihm seine Stellung hin und wieder ein Absteht. Die Rechte der Verteidigung imBorverfahren müßten erheb- tretungen übernommen. fommen vom Geschäft erlaubt, hat er bereits wiederholt folche Veclich erweitert werden. Absolut unannehmbar sei der Versuch, die Beweiserhebung und Revision zuungunsten des Angeschuldigten noch mehr einzuschränken, insbesondere von der Benutzung der zur Stelle gebrachten Beweismittel abzusehen. Gegen Urteile des Schwurgerichts müsse nach Maßgabe ausländischer Gesetzgebung Revision wegen fehlerhafter Nechtsbelehrung der Geschworenen zulässig sein. Ueberflüssige Berufungen ließen sich dadurch verringern, daß man in den Fällen, in denen nur die rechtliche Würdigung eines Urteils angefochten werden soll, das Rechtsmittel der Revision sofort zulaffe. Wenn wegen einer Uebertretung Freispruch erfolge, folle lediglich Revision zulässig sein. Ausgeschloffen müffe auch die Möglichkeit einer Berufung zuungunsten des Berdächtigten werden, zum mindesten in den Fällen, in denen es sich nur um das Strafmaß handle. Die geforderten Erschwerungen des Wiederaufnahmeverfahrens feien abzulehnen. Das sogenannte beschleunigte, summarische Verfahren dürfte höchstens mit 8ustimmung des Berdächtigten zugelassen werden. Das etwa sind die Grundsäge, die nach den Vorträgen der Referenten Niederschlag in einer an den Reichstag gerichteten Petition des Anwaltsvereins Aufnahme gefunden haben. Wiederhelt wurde betont, daß das in der Petition Geforderte das Mindeste fei, um eine Verschlechterung des bestehenden Strafverfahrens zu hindern. Der Vorsitzende glaubte auch ohne Abstimmung über 19 vom Rechtsanwalt Dr. Heinemann vorgelegte Thefen fonstatieren zu können, daß die Grundgedanken, die die Referenten ausge sprochen und die die Kommission des Anwaltsvereins in der Eingabe an den Reichstag figiert hatte, die Zustimmung der Berfammlung gefunden hätten, und ferner daß eine Reform, die diesen Mindestforderungen nicht Rechnung trage, von dem Anwaltsverein als eine beffernde Reform nicht angesehen werden fönne.
Aus der Partei.
Das Gewerbegericht erachtete mit Recht, daß weber eine gewohnheitsmäßige, noch eine geschäftsmäßige Vertretung vorliege und ließ den Vertreter des Klägers als Bevollmächtigten zu. In der Sache selbst tam es zu einem Bergleich.
Vom Achtuhr- Ladenfchluß.
Versiz des Amtsrichters Fenwarth vor der 149. Abteilung des Schöffengerichts Berlin- Mitte zur Verhandlung gelangte. Als Kläger traten die Mitglieder des Rechtsschußbureaus der Deutschen Reicher und Gustav Nidelt standen. Beklagter war der Direktor Bühnengenossenschaft auf, an deren Spitze die Schauspieler Emanuel Rechtsanwalt Dr. Schlesinger, der Beklagte wurde vom Rechtsdes Luisen Theaters , Ludwig Nosenfeld. Die Kläger wurden vom anwalt Dr. Friedlänber vertreten. Gegen den Kläger Ridelt war von dem Beklagten Rosenfeld Widerklage erhoben worden.
"
Der dieser Beleidigungsflage zugrunde liegende Vorfall spielte sich am 23. November vorigen Jahres in den Räumen des Berliner Bühnenklubs ab. Gegenstand der allgemeinen Erörterung war der Die§§ 139e und f der Gewerbeordnung sollte der Kaufmann Fall Bide!", mit dem sich auch ein Beitungsartitel am Abend vorBitschel übertreten haben, indem er den in Friedenau geltenden her beschäftigt hatte. In diesem Artikel, der gewiffe Angriffe gegen Achtuhr- Ladenschluß nicht beachtet habe. Es wurde folgendes fest- das Rechtsschutzbureau enthielt, wurde der Name einer Schaugestellt: Am 29. Mära 1909 bemerkte ein Polizeisergeant, daß ein spielerin&. in tompromittierender Weise preisgegeben. Zwischen junges Mädchen erst 10 Minuten nach 8 Uhr den Laden des Ans einzelnen Mitgliedern des Bühnentlubs tam es hauptsächlich wegen geklagten verließ. Das Mädchen hatte Einkäufe gemacht, und dieses Artikels zu erregten Auseinandersetzungen. Besonders war zwar schon vor 8 Uhr. Auf ihren Wunsch hatte der Staufmann dies bei dem Kläger Ridelt und dem Beklagten Rosenfeld der Fall. aber die Ware aufgehoben, bis sie noch einen Gang erledigt hatte. Rosenfeld vertrat die Ansicht, daß das Rechtsschutzbureau in dem Auf dem Rückwege holte fie sich den Korb mit den gekauften Fall Bide! nicht richtig gehandelt habe. Ridelt widersprach dieser Waren ab. Inzwischen war es nach 8 Uhr geworden. Das Ansicht und versuchte, dem Beklagten eine rein fachliche Darstellung Zandgericht sprach den Angeklagten frei und führte aus: Die des Verhaltens des Rechtsschutzbureaus zu geben. Wie Ridelt be§§ 189e und f der Gewerbeordnung schrieben allerdings für den hauptet, soll Nosenfeld ihm jedoch erregten Tones zugerufen haben: achtuhr- und Neunuhr- Ladenschluß vor, daß die offenen Verkaufsstellen außerhalb der zulässigen Zeit für den geschäftlichen Wer tehr geschloffen sein müßten, daß jedoch die beim Badenschluß schon Mädchen erst nach Eintritt des Ladenschlusses wieder in den Baden Anwesenden noch bedient werden dürften". Wenn nun auch das zurückgekehrt sei, so könne darin doch keine Uebertretung des Ge fees gesehen werden. Um die offene Verkaufsstelle für den geschäftlichen Verkehr zu schließen, genüge es, daß dem Publikum gegenüber flargestellt sei, daß von einer bestimmten Stunde ab fein geschäftlicher Verkehr mehr stattfinden solle. Das sei genügend geschehen. Außer dem jungen Mädchen, das nur schon getaufte Ware abholte, fei nach 8 Uhr niemand mehr in den Laden gekommen. Deshalb müsse Freisprechung erfolgen.
Die Staatsanwaltschaft legte gegen dieses Urteil Revision ein. Das Kammergericht gab vor kurzem der Revision statt und verwies die Sache zu nochmaliger Verhandlung an das Landgericht zurück. Im Gegensatz zum Landgericht stellte sich das Rammergericht auf den Standpunkt, daß das Abholen von bereits vorher gekauften Waren noch unter den Begriff des geschäftlichen Verkehrs im Sinne der angezogenen Paragraphen der Gewerbeordnung gehöre. Das Am 1. Februar erscheint im Berlage von J. H. W. Die Landgericht müsse nunmehr über die Bestrafung des Angeklagten Nachf. zu Stuttgart : befinden.
Bebels Memoiren.
Bebel, Aus meinem Leben. 1. Teil. Preis gebunden 2 Mart.
Wir geben an anderer Stelle einen Abschnitt aus dem Buche. Hier sei das Vorwort wiedergegeben, das Genosse Bebel seinem Wert mitgegeben hat:
Der Wunsch vieler meiner Parteigenossen, ich möchte meine Erinnerungen schreiben, trifft mit meinem eigenen Wunsche zu sammen. Ist man wie ich durch die Gunft der Verhältnisse in eine einflußreiche Stellung gelangt, dann hat auch die Allgemeinheit ein Recht, die Umstände fennen zu lernen, die dazu führten. Aber auch die Minege falscher Anklagen und schiefer Urteile, mit denen ich so oft überidhüttet wurde, lassen es mir gerechtfertigt erscheinen, der Oeffentlichkeit zu zeigen, was daran Wahres ist.
Dazu sind Offenheit und Wahrheit die ersten Erfordernisse, andernfalls hat es feinen Bwed, über sein Leben Veröffentlichungen zu machen. Der Leser meiner Aufzeichnungen, einerlei auf welcher Seite er steht oder zu welcher Partei er sich zählt, wird mir nicht den Vorwurf machen fönnen, ich hätte vertuscht oder schön gefärbt. Ich habe die Wahrheit gesagt auch dort, wo mancher denten wird, ich hätte besser getan, sie zu berschweigen. Diese Ansicht teile ich nicht. Es gibt keinen fehlerlofen Menschen, und manchmal ist es das Bekenntnis eines Fehlers, das den Menschen am lebhaftesten intereffiert und zur richtigen Beurteilung am besten befähigt.
Wollte ich nach Möglichkeit die Wahrheit schreiben, s tonnte ich mich nicht auf mein Gedächtnis verlassen. Nach einer Reihe von Jahren läßt einen das Gedächtnis im Stich, felbst Borgänge, die fich einem tief einprägten, erlangen im Laufe der Jahre unter allerlei Suggestionen eine ganz andere Gestalt. Ich habe diese Erfahrung häufig nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen gemacht. Ich habe nicht selten im besten Glauben Vorgänge früherer Jahre im Kreise von Bekannten und Freunden erzählt, die sich nachher, zum Beispiel durch aufgefundene Briefe, die unmittelbar unter dem Eindruck der Vorgänge geschrieben wurden, ganz anders
"
Aus Induftrie und Handel.
Lofe- Vertriebs- Gesellschaft.
Die Veröffentlichung des Briefes an die L.-W.-G. in Nr. 22 des Vorwärts" scheint an verschiedenen Stellen unangenehm auf. gestoßen zu sein. Zwei Zuſchriften sind uns zugegangen, die sich gegen unsere Schlußfolgerungen wenden. Herr Leo Jofeph z. B. schreibt:
Die Bildung eines Syndifats der General debitenre follte übrigens nicht die Aufgabe verfolgen, den Lotteriespielern höhere Preise aufzunötigen, sondern fonte gerade das Gegenteil bezweden.
www
Durch Einigkeit der Generalbebiteure das heißt durch eine Syndikatsbildung wäre eine Unterbietung bei der Emissionierung ganzer Lotterien vermieden worden, wodurch die Uebernehmer in die Lage versetzt worden wären, ben Händlern bessere Bedingungen bewilligen zu fönnen, so daß diese dem Publikum die Lose zum Originalpreise ohne Aufgeld bertaufen fönnten.
-
-
Die in der Lofe- Vertriebs- Gesellschaft die nicht Mitglied des Verbandes ist gemachten Borwürfe find bereits vor längerer Zeit vom Vorstand eingehend geprüft worden und haben deren Hinfälligkeit ergeben.
Daß der Verband der Ansicht ist, er habe die Hinfälligkeit der Borwürfe nachgewiesen, glauben wir, aber ob seine Ansicht richtig ift, steht doch auf einem anderen Blatte. Wir begreifen es auch, daß Herr Baul Steinberg ebenso wie Herr Joseph erklärt, die Gründung des Synditats folle den Zwed haben, den Losehändlern bessere Bedingungen zu gewähren. Solche Begründung hört man bei jeber Cynditatsgründung und nachher merken die Konsumenten, daß fie geschoren werden. Wir fönnen unseren guten Rat, bie Bahlung der indirekten Steuer zu verweigern, nur wiederholen.
" Das ist Berleumdung Ihrerseits; das Rechtsschutbureau tämpft mit schmutzigen, vergifteten Waffen!" Ridelt äußerte darauf, wie behauptet wird und er auch selbst zugibt:„ Nachdem ich Ihnen Ihrer Behauptung bleiben, so erkläre ich Ihnen, daß Sie ein den Sachverhalt jekt zweimal erklärt habe und Sie troßdem bei elender Verleumder sind." Diese Szene, der mehrere Zeugen beiwohnten, bildete den Gegenstand der jebigen Privatflage und Widerklage. Vor Gericht versuchte der Vorsitzende, die Angelegenheit durch einen Vergleich aus der Welt zu schaffen und machte dahingehende Vorschläge. Emanuel Reicher gab für das Rechtsschubbureau folgende Erklärung ab: Das der Deutschen Bühnengenossenschaft angegliederte Rechtsschutzbureau, welches große und heilige Intereffen des gesamten deutschen Schauspielerstandes zu schüßen hat, wird seit einer Reihe von Jahren von gewisser Seite in scharfer und durchaus ungerechtfertigter Weise angegriffen. Jede gerechtfertigte Kritik wird stets angenommen werden. Hier handelt es fich aber um eine sehr scharfe ungerechtfertigte und beleidigende Kritik von seiten des Direktors Rosenfeld. Wenn das Rechtsschutzbureau diesen Angriff unerwidert läßt, so würden wir weiter von rechts und links angegriffen und beleidigt werden. Wir können nur dann die Privatflage zurüdziehen, wenn Herr Rosenfeld feine Aeußerung für völlig ungerechtfertigt erklärt und sie mit dem Aus. druck des Bedauerns zurücknimmt!" Der Beklagte Rosenfeld erflärte hierzu, daß die Kläger mit diesem Verlangen jede Stritit ab. schneiden und unmöglich machen wollen. Die Vergleichsverhandlungen zerschlugen sich schließlich. Der Beklagte Rosenfeld erklärte, daß er das Rechtsschutzbureau felbft mit seiner Aeußerung, nicht babe treffen wollen, er fei tatsächlich völlig mißverstanden worden. Gefagt habe er nur, daß das Verhalten des Rechtsschußbureaus in der Zidel- Affäre in der Zukunft der Denunziation Tor und Tür öffnen werde. Ridelt habe ihm dann das Wort„ Verleumder" ins Gesicht geschleudert. Die von der flägerischen Partei geladenen Beugen Sternberg und Dr. Boleh bekundeten, daß in jener Nede schlacht, in der es hie Bidel"" hie Rechtsschußbureau" hieß, der Beklagte Rosenfeld in erregtem Tone dem Privatfläger Ridelt 311gerufen habe: Das ist Verleumdung Ihrerseits, das Rechtsschutzbureau fämpft mit schmutzigen und vergifteten Waffen." Erst darauf habe Ridelt dem Beklagten das Wort„ Verleumder" zu gerufen. Eine etwas abweichende Darstellung des Sachverhalts gab der Zeuge Herz, der bekundete, daß die Aeußerung des Direktors Rosenfeld den Sinn gehabt habe, daß der Denunziation Tor und Tür geöffnet werde. Das Gericht billigte beiden Parteien den Schuß des§ 193 zu, hielt aber aus der Form eine Beleidigung für erkennbar. Das Urteil gegen Rosenfeld lautete auf 40 M. Geldstrafe. Auf die Widerklage wurde auch der Stläger Ridelt zu 40 M. Geldstrafe verurteilt.
PV
-
Peter Ganters Revision.
Das Reichsgericht verwarf, wie uns ein Telegramm meldet, die Revision des Verlegers Peter Ganter, Herausgeber der Doppel. ten Moral" und Versender der Blauen Briefe. Am 27. Juli v. J. war er vom Landgericht J München wegen Urkundenfälschung, verfuchten Betruges und Vergehen gegen das Postgesetz zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Auch die Revision des mitangeklagten Kaufmanns Karl Samburg, der wegen Beihilfe verurteilt worden ist, verfiel dem Schicksal der Verwerfung.