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die für ihre Ueberzeugung eintraten und ihrer Partei durch Wahlhilfe den Sieg zu sichern suchten, hat man früher im bürgerlichen Lager nicht wenig gespottet und gehöhnt� Und noch heute denkt inan dort über Wahlhelferinnen der Sozial- demokratie so, wie jener Mann, der am 16. November, dem Tage der Stichwahlen in den UrWahlbezirken, in Moabit vor dem Hause Wiclefstr. 31 einer sozialdemokratischen Schleppecin in den Weg trat und ihr zurief, sie sollesich lieber die Bollen in ihren Strümpfen stopfen". Uebcr den Streit, der an diese Mahnung des Freisinnsmannes sich knüpfte und in Tätlichkeiten ausartete, haben wir damals be- richtet. Die Schlepperin, eine Frau Sattler, hatte in dem Handgemenge mit ihrem Gegner, den, Kohlenhändler Nadler, einen Schlag gegen die Stirn erhalten und eine blutende Wunde auf dem Nasenrücken erlitten. Die Affäre hat jetzt ein gerichtliches Nachspiel gehabt, mit dem sich gestern das Amtsgericht Berlin -Mittr(Abtei- lung 136) zu beschäftigen hatte. Die Nolle des Angeklagten war aber nicht dem Kohlenhändler Nadler zugefallen, sondern der Frau Sattler; und neben ihr mußte der Eisendreher Botta, der ihr damals zu Hilfe geeilt war, auf der Anklage- bank Platz nehmen. Für Herrn Nadler hatte sich die be- kannte Taktik bewährt, als erster nach der Polizei zu schreien und schleunigst Anzeige zu erstatten. Es war ihm sogar ge- glückt, die Staatsanwaltschaft für das blaue Auge zu inter- essieren, das er aus dem Streit heimgebracht hatte.-Die Staatsanwaltschaft erhob für ihn Anklage, und so sparte Nadler die Mühe und Kosten einer Privatklage und durfte selber als Zeuge auftreten. Die Anklage behauptet, Nadler sei von Frau Sattler beleidigt und mißhandelt worden, und auch Botta habe ihn nachher noch beleidigt. Frau Sattler soll, als Nadler aus seinem im Hause Wiclefstr. 31 gelegenes Laden heraustrat, auf ihn weisend gesagt haben, der Hund da habe auch noch nicht gewählt. Später habe sie an ihn jenes bekannte Ersuchen gerichtet, das einst Götz von Ber- lichingen in seiner urteutschen Derbheit dem Gesandten des Kaisers als Antwort mit auf den Weg gab. Und schließlich habe sie dem Herrn Nadler einen Fausthieb ins Gesicht appli­ziert. Botta habe herbeieilend auf Nadler geschimpft:Sie sind ja ein ganz gefährlicher Halunke!" Die Angeklagten stellten den Vorgang anders dar. Frau Sattler erklärte. N. habe, als sie mit einem von ihr herbeigeholten Wähler an N.'s Laden vorüberging, zu dem Wähler gesagt:Was will denn die?" und zu ihr:Gehen Sie lieber nach Hause und stopfen Sie sich die Bollen in Ihren Strümpfen!" Da habe sie an ihn das oben angedeutete Ersuchen gerichtet, er aber habe ihr die Röcke hochzuheben versucht, so daß sie ihn ab- wehren mußte, und er habe ihr dann einen Hieb gegen die Stirn, gegeben und ihr die Nase zerschlage». Der Angeklagte Botta erklärte, er habe beim Anblick der blutenden Frau S. ausgerufen, wer sich an einer Frau vergreife, sei ein ganz gefährlicher Halunke. In der Beweisaufnahme wurde die Anklage unterstützt durch die Zeugenaussage des Kohlen- Händlers Nadler. Im übrigen gab N. zu, gesagt zu haben: Gehen Sie lieber nach Hause und stopfen Sie sich Ihre Strümpfe." Er bestritt auch nicht, Frau S. geschlagen zu haben, doch habe er sie, versicherte er. nur abgewehrt. Andere Zeugen bekundeten, Nadler sei es gewesen, der mit Beleidi- gungcn und auch mit Tätlichkeiten begann. Er habe aus seinem Laden tretend den von Frau S. herangeholten Wähler zu überreden gesucht, nicht mitzugehen, habe ihr die beleidi- gende Aeußerung über dieBollen in den Strümpfen" ins Gesicht geschleudert und habe im weiteren Verlauf des Streites tatsächlich ihr die Röcke hochzuheben versucht, so daß sie ihn abwehrte und es zu einem Handgemenge kam, in dem er sie verwundete. Ter Staatsanwalt schien das blaue Auge höher zu be- werten als die zerschlagene Nase: er beantragte gegen die Angeklagte Sattler 3t) M. Geldstrafe, gegen den Angeklagten Botta 16 M. Geldstrafe. Dagegen forderte der Verteidiger Rechtsanwalt Klee für Frau Sattler die Freisprechung. Die zwischen ihr und Nadler ausgetauschten Beleidigungen seien gegeneinander aufzuheben und die Körperverletzung sei er- folgt in Abwehr eines Angreifers, der ihr sehr viel schlimmer mitgespielt habe. Botta, der sich selber verteidigte, blieb dabei, nur gesagt zu haben, daß ein Mann, der sich so an einer Frau vergreife, ein Halunke sei. Das Urteil lautete für die Angeklagte Sattler 15 M. Geldstrafe, für den Angeklagten Botta 16 M. Geldstrafe, außerdem Urteilspublikation durch Aushang an Gerichts- stelle. Als der Vorsitzende den Kohlenhändler Nadler fragte: Aber Sie verzichten wohl darauf?" antwortete der mit einem eifrigen Nein! Das Urteil widerspricht dem gesunden Nechtsempfinden. Nicht die beleidigte und geschlagene Frau und der Mann, der ihr beisprang, durften auf die Anklagebank kommen, sondern der als Zeuge fungierende Nadler. Zum mindesten hätte wegen des unflätigen Versuchs des Rockaufhebens Er- widerung auf der Stelle angenommen und deshalb Frei- sprechung erfolgen müssen. Dadurch, daß der Staatsanwalt zugunsten des Röckehebersim öffentlichen Interesse" An- klage erhob, wurde die Erhebung einer Widerklage unmöglich gemacht._ Deutsche Sparbank für Lebensversicherung. Mit einem Vergleich in der Berufungsinstanz endete die Privat- bekeidigungsklage, welche Oberleutnant der Landwehr B r a n d t und Buchhalter Henrion gegen den Genossen Davidsohn als früheren verantwortlichen Redakteur desVorwärts" und den teilungSkorrespondenten I g e r- Leipziger anhängig gemacht hatten. in von dem Letztgenannten verfaßter Bericht über eine Verhandlung vor dem Kaufmannsgericht bildete den Gegenstand der Anklage. Der Bericht, der am S. März 1008 im..Vorwärts" erschien, ent- hielt im wesentlichen folgende tatsächliche Angaben: Ein von dem Kläger Brandt geleitetes Geschäft, welches sichDeutsche Sparbank für Lebensversicherung" nannte, suchte durch Inserat einen Filialleiter. Ein junger Mann meldete sich zur Uebcrnahme des Postens und stellte die von ihm verlangte Kaution in Höhe von 3000 M. wofür er als angeb- liche Sicherheit drei auf den Namen deS Klägers Brandt lautende Anteilscheine der Gesellschaft erhielt. Der junge Mann richtete in Breslau eine Filiale ein, aber eine Tätigkeit im Interesse der Ge- sellschaft konnte er nicht entfalten, weil die Direktion nichts von sich hören ließ. Da? ihm versprochene Gehalt hat der junge Mann nickt bekommen, weshalb er sich seinerzeit an daZ KausmannSgericht wandte. Der Kläger Brandt will durch diese Angaben deS Berichts insofern beleidigt sein, als sie ihn als einen an einer Kaution»- schwindelet beteiligten Menschen erscheinen ließe». Der Kläger Henrion fühlt sich dadurch beleidigt, daß ,n dem Bericht gesagt wurde» er sei vor dem Kaufmannsgericht als flüchtig bezeichnet worden. In der am 2. Dezember v. I. bor dem Schöffengericht verhandelten Beleidigungsklage wurde in bezug auf Henrion aller- Vings festgestellt, daß er nicht flüchtig, sondern nur unauffindbar für da» KaufmaimSgericht war. während ein anderer Angestellter der Sparbank, der die Schuld an den, unlauteren Verhalten gegenüber dem als Filialleiter engagierten jmigen Manne tragen soll, ins Ausland geflohen ist. Es wurde andererseits ober festgestellt, daß die übrigen Angaben des Berichts den Verhandlungen vor dem Kauf- maniiSgericht und den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Des­halb hat denn auch das Schöffengericht die Angeklagten frei- gesprochen und den Kläger» die Kosten auferlegt. Die von den Klägern eingelegte Berufung sollte am DienS- tag zur Verhandlung kommen. Infolge der Bemühungen des Straf- kauimervorsitzende», Landgerichtsdirektors Neuenfeld, kam jedoch ein Vergleich zustande. Dem Wunsche des Klägers Brandt, es möge ihm erklärt werden, daß die Angeklagten ihn nicht beleidigen wollte, konnte entsprochen werden, denn wie David- sobn erklärte, war eS natürlich nicht unsere Absicht, den Kläger persönlich zu beleidigen, sondern cS kam uns allein darauf an. ein unreelles Manöver der Sparbauk zu kennzeichnen. Da der Vor- sitzende andeutete. eS könne möglichenfalls wegen der Behauptung, Henrion sei flüchtig, eine Verurteilung erfolgen, so konnte auch in bezng auf diesen Kläger erklärt werden, dag diese Angabe fich als irrig herausgestellt habe. Es wurde ein Vergleich in folgender Form geschlossen: t. Die Angeklagten erklären, daß sie durch den zum Gegenstand der Privatklage gemachten Artikel nur die Verhältnisse der darin behandelten Sparbauk kritisieren, nicht aber die Privatkläger per­sönlich beleidigen wollten und daß die Angabe, der Privatkläger Henrion sei flüchtig geweie», nicht zutreffend sei. 2. Von deit Kosten des Verfahrens trägt jede Partei ihre außergerichtlichen und die Privat- klüger die gerichtlichen. 3. Die Privatkläger nehmen die Klage zurück. Unterschlagungen rineS ArmenkommissionSvorsteher?. Unter der schweren Anklage derUnterichlagungimAmte und der Untreue stand gestern der städtische Lehrer Gustav Lintzel vor dem Schwurgericht des Landgericht? I. Der An- geklagte, der inzwischen von seinen« Amte suspendiert worden ist, war Vorsteher der 472. Armenkommission und wird beschuldigt, in mehreren Fällen Extra-Unterstützungen an Arme fingiert, in die Listen eingetragen und das Geld in die eigene Tasche ge st eckt zu haben. Im Falle der Uli- treue wird er beschuldigt, daß er eine sehr alte Frau um ihre Ersparnisse, die diese in einen» langen Leben gemacht hat, gebracht habe. Die alte Frau soll fich an den Auge- klagten als eine veitrauenswürdige Person gewendet und ihn unter Ueberreichung ihrer gesamte» Ersparnisse in Höhe von 1000 Mark um seine Vermittelung gebeten haben, damit sie Aufnahme in einein städtischen Stift fände. Die Plätze in den städtischen Stiftungen sind sehr schioer zu erlangen, da die Fahl der vorhandenen Stellen in gar keinem Verhältnis zu der Zahl der Bewerbungen steht. Lützel soll die 1000 M. in Empfang genommen und das Geld nicht zu dem Zwecke verwendet, sondern es auch für sich verwendet haben. indent er die beiden Pfandbriefe zu je SOO M. bei einer Bank lombardierte. Der Angeklagte be st ritt in beiden Fällen seine Schuld. Er behauptete, daß er die Extraunterstütziinge» tat- fächlich geleistet habe und daß er die 1000 M. von der alte» Frau mit der Maßgabe empfangen habe, darüber nach Belieben zu verfügen unter dem Vorbehalte, daß die alte Frau nach Bedarf Geld von ihm abheben könne. Er habe sich daher als Darlehnsnehmer betrachtet und der Frau im Laufe der Zeit auch 130 M. zurückgezahlt. Der als Zeuge und Sachverständiger vernoinmene Stadtrat Dr. Mllnsterberg gab einen Uebcrblick über den Mechanismus des Berliner ArineiuvesenS und den gefchäftsordnungSinäßigen Weg, der bei Gewährung von Extraiinterftützungen und außerordentlichen Unterstützungen zu beschreiten ist, und erklärt die Art und Weise, wie der Angeklagte die in Frage stehenden außerordentlichen Unter- stiitzungen geivährt haben will, für außerordentlich»ingewöhnlich iind nicht glaubhast. Stadtrat Münsterbergs Aussagen»varen sehr belastend für den Angeklagten. Er bekundete u. a., daß der Angeklagte»vieder- holt von ih>n und von einigen Stadtverordneten ausgefordert worden sei, so schnell wie möglich z» den» Stadtrat zu kom»nen und die vorgekonnneiien Unregelmäßigkeiten aufzuklären und au? der Welt zu Ichaffen. Diese Versuche, ihm goldene Brücken zu bauen, sind erfolglos geblieben, da der Angeklagte weder bei dem Stadtrat er- schien, noch auf die in verbindlichster Form an ihn ergangenen Aus- forderuugen irgendivie reagierte. Bei dem Fall der Untreue ist der Stein durch eine Armen- Pflegerin ins Rollen gebracht»vorden, die bei dem Stadtrat Dr. Münsterberg erschien und ihm»nitteilie, daß alle Anzeichen dafür spräche»», daß die alte Frau um ihre gesamten Ersparnisse in Höhe von 1000 M. durch den Armenkom,nissionsvorsteher gebracht werden sollte. Die Zeugen, die von dem Angeklagten eine außerordentliche Unterstützung erhalten haben sollten, bestritten, eine solche empfangen zu haben. Die alte Frau Müller, die die Vermine- luiia des Angeklagten zur Erlangung einer Stelle in einem städtischen Stift nachgesucht hatte, bekundete, daß sie die 1000 M. keineswegs als Darlehn hingegeben habe, sondern zu den» Zwecke, in einem Stift Aufnahme zu finden. Das Geld habe ihre gesamten Erspar- nisse dargestellt. Der Angeklagte habe auch versprochen, sich für sie zu verwenden, sie habe aber nicht? von ihin gehört. Als die Sache sehr verschleppt wurde, habe sie Angst bekoinmen und dem Angeklagten gesagt, wenn er nichts für sie tun wolle, würde sie sich selbst an andere Stellen wenden. Der Angeklagte habe ihr dann einmal einen Brief einer Frau vorgezeigt, die ihm geschrieben habe, daß sie aus sein Ersuchen eine Unterbringung der Frau Müller iu einem Stift erwirken wolle. Die kleinen Beträge, die ihr der Angeklagte aus- gezahlt, haben die Zinsen ihres Geldes dargestellt. Der Magistrats- sekretär S ck w a r tz e ist eines TageS auf Anordnung des Stadt- rateS Dr. M ü n st e r b e r g mit der alten Frau Müller zu dem An- geklagten gegangen und hat ihn aufgefordert, die 1000 M. sofort zurückzugeben, da sich Frau Müller an den Stadtrat gewendet und dieser sich bereit erklärt habe, selbst für diese sich zu verivendcn. Der Angeklagte habe bei dieser Gelegenheit der Frau Müller erklärt, daß, wenn sie ihn so dränge, er auf weitere Tätigkeit in ihrem Interesse verzichten müffe. Die Geldangelegenheit würde er in den nächsten Tagen regeln. Sie ist aber nicht geregelt worden. Der als Zeuge vernommene Stadtverordnete Riemer bekundete, daß er aus vcr- schiedenen Vorkommnissen die Ueberzeugung gewonnen habe, daß der Angeklagte unmöglich ganz zurechnungsfähig sein köune. Als dem Stadtrat Münsterbcrg Anzeige erstattet worden »var. daß der Angeklagte angebliche Exiraunterstützungsgelder im Betrage von zirka 42 M. für sich verwendet haben solle, hat sich der Zeuge, dem die Familie des Angeklagten leid tat, bereit erklärt. diesen Betrag für den Angellagten zu zahlen. Stadrat Münster « berg habe sich aber auf den Standpunkt gestellt, daß, da ihm aintlich Anzeige von den Unregelmäßigkeiten gemacht worden sei, von einer Strafanzeige nicht abgesehen werden köime. Die Geschworenen sprachen den Aiigeklagten der Amts- Unterschlagung unter Zubilligung mildernder Umstände und der einfachen Unterschlagung nicht aber der Untreue schuldig. Der Staats- anwalt beantragte eine Gesamtstrafe von zwei Jahren Gefängnis und fünf Jahren Ehrverlust und die Ber» Haftung des Angeklagten. Das Gericht verurteilte den An- geklagten diesem Antrage entsprechend. Das Gericht erwog strasverschärsend, daß der Angeklagte das seitens der Stadt Berlin in ihn gesetzte Vertrauen aus das schnödeste getäiffcht habe. In dein Falle der Unterschlagung der 1000 M. habe der Angeklagte eine ge- meine und ehrlose Gesinnung bekundet, indem er sich nicht gescheut habe, einer armen alten Frau ihr letztes Bißchen zu nehmen. Er habe bisher auch gar nichts getan, um diese Tat irgendwie zu sühnen und zu alledem noch hartnäckig geleugnet. Der Angesagte wurde sofort in Haft genommen._ Der Bibelgott" vor dem Kammergericht. Das LandgerichtBochum als Berufungsinstanz hatte die Angeklagten K o n i e c z n y und Bauawttz wegen Ueber» tretung deS Z öS Abs. M Ziffer 12 der Gewerbeordnung und der KZ 23 und 20 deS HausierstenergesetzeS von 1876 zu Geldstrafen verurteilt. Inder Begründung deS Urteils wurde ausgeführt: Der Airgeklagte Konieczny, wohnhaft zu Herne , sei Vorsitzender, der Angeklagte Bannwitz, wohnhaft in B o ck h o l t. Mitglied einer Freidenkervereinigung, der Frei­religiösen Gemeinde. In Harpen , also außerhalb des Wohn- sitzes der beiden Angeklagten, habe K. am 11. Juli 1009 eine öffent­liche Freidenkerversammlung abgehalten, in der Bannwitz zwei freireligiöse Schriften gegen ein geringes Entgelt verkaufte. Die eine hat den Titel:Gibt es einen Gott die andere den:Die Sünden des Bibelgottes". Nach ihrem Inhalt leugne die erste die Existenz und die Exiftenzmöglichkeit Gottes. Die andere führe au«, daß ein Gott, von dem selbst in der Bibel gesagt werde, daß er so viel UebleS getan habe, nicht vorhanden sein könne, daß der Bibel- gott, der Cbriftengott, nichts weiter seien als häßliche Wahngebilde. DerßS6 Abs. III Ziffer 12 der Gewerbeordnung schließe nun aus vom Feilbieten und Handel im Umherziehen uilter anderem Druckschriften und andere Schriften, insofern sie in religiöser Beziehung Aergernis zu erregen geeignet sind. Das wesentlichste Merkmal und der Hauptinhalt jeder Religion sei nun der Goltesbegriff. Ohne ihn sei eine Religion nicht denkbar. Gerade die Titel der beiden Druckschriften täten dar. daß der Inhalt eben diesen religiösen Gottesbegriff kritisch behandeln solle,»vaS er auch tatsächlich tue, und z»var meist gotlesfeindlich. Die Angeklagten wollten den Begriff religiös lediglich im kirchlichen Sinne deuten. Das gehe nicht an. In Theorie und Praxis werde der Begriffreligiös" des K 56 der Gewerbeordnung ganz engbegrenzt, aus jeden konfessionell begrenzten Teil der Bevölkerung bezogen. Daiür spreche auch die Absicht des Gesetzes, die die sei, jeden Menschen in seinen An- schaumigen des GlaubenSleben? zu schützen. Einen lediglich pbilo» sophischen Inhalt hätten die beiden Schriften nicht. Die Angeklagten sagten, sie sollten aufklären. Also wendeten sie sich an das freie Urteil. Dieses beunrubigten sie ober, weil sie den Gottesglauben leugneten. Sie seien schon deshalb geeignet, in religiöser Beziehung Aergernis zu erregen: und sie seien dazu vorzugsweise geeignet bei evangelischen und katholischen Christen, deren Be« kenntnis sie angriffen. Das reiche aber auS, um sie vom Vertrieb im Umherziehen gemäß K 56 Ziffer 12 der Ge- werbeordnung allsgeichlossen erscheinen zu lassen. Darin, daß der in Bockbolt wohnbafte B. die Schriften in der Harpener Versammlung zum Verkauf aufgelegt und angeboten habe, liege ein Feilbieten, möge er auch persönlich einen Erwerbözweck nicht verfolgt haben, und i»isoweit auch ein Gewerbebetrieb, der der Besteuerung nach§ 20 deS Hausiersteuergesetzes unterliege. Der Angeklagte K. habe als Leiter der Versaininluirg und als Gesinnungsgenosse B.S das Verteilen der Schriften geduldet und sei mindestens als der stillschweigende Auftraggeber des B. anzusehen. Einen Gewerbeschein habe weder der eine noch der andere besessen. Die Angeklagten legten Revision ein. Rechtsanwalt Wolsgang Heine als ihr Vertreter rügte zunächst in eingehenden RechtZanssührunge» Verkennung des Begristsreligiöse Beziehung" im Sinne des 8 56 der Gewerbeordnung, wobei er unter andern» hervorhob, daß die viele Millionen Menschen um- fassende Religion des Buddhismus keinen Gott kenne. Ferner rügte er, daß der Begriff des Feilbietens im Sinne der angezogenen Gesetze verkannt i'ei, unter anderm schon deswegen, weil die von beiden Gesetzen vorausgesetzte Geioerbsinäb»gkeit hier, wo auS dem Erlös die Unkosten der Versammlung gedeckt werden sollten, durchaus zu Unrecht angenommen werde. Das Kammergericht hob am Montag das Urckeil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück: Die Frage, ob die Schriften an sich in religiöser Beziehung Aergernis zu erregen geeignet wären, sei nicht abstrakt theoretisch aufzufaffen. Zur Annahme einer solchen Eigiiung genüge die Feststellung der Vorinstanz, daß die Schriften so, wie sie vertrieben seien, AergennS zu erregen ge­eignet waren. Das sei erklärlich, wenn man bedenke, daß durch solche Schriften der emzige Trost genommen werden solle, der in» Leben noch vorhanden sei. ES genüge, daß die Schriftc»» be» evangelischen oder katholischen Christen Aergernis erregen könnten. Das Urteil lasse sich aber in anderer Beziehung nicht halten. WaS den B. betreffe, sei nichts für die Gelvervsmäßigkeit seines Handeln? erbracht. Und hinsichtlich K.'s fehle eine Festitellling, daß auf seine Rechnui»g und in seinen» Auftrage gehandelt worden sei.(§ 23 des HausiersteuergesetzeS.) Und was g 56 der Gewerbeordnung betrifft, hat»- St. damals überhaupt nicht verurteilt werden können, sondern höchstens als Anstifter. Eine solche Feststellung fehle auch. Prämien für Unterschlagung von Arbeitergrosche». Der Bauunternehmer Wilh. Wolters von Neumühl in Rheinland hatte den Arbeitern zwar die Beiträge zur Kranken- lasse und Invalidenversicherung vom März bis Juni v. I. ab- gezogen, aber nicht an die zuständige Stelle abgeführt. Ter Krankenkasse hatte er 196 M. vorenthalten. Jetzt wurde er vom Schöffengericht zu Ruhrort zu 5 0 M. G e l d st r a f e verurteilt. Solche weit unter dem unterschlagenen Betrag zurückbleibende», Strafen müsse», als Anreizung zu ferneren Unterschlagungen wirken. Verbot, eine Apotheke Hofapothek« zu nennen.. Der Apotheker Holländer in Wiesbaden bezeichnete seine Apotheke, wie sein Vorgänger im Besitz des Geschäfts und der Konzesston, als Hofapotheke. Der Polizeipräsident untersagte»hm dies. Der frühere Besitzer Lade sei Hoflieferant und sei"deshalb berechtigt gewesen, die Apotheke Hofapotheke zu nennen. Die Be- rcchtigung sei mit dem Tode des Mannes erloschen. Das Obcrvrrwaltungsgericht entschied dieser Tage zu seinen Ungunsten. Es führte ans: Nicht jedermann, der ein« Apotheke besitzt, habe das Recht, sie Hofapotheke zu nennen. Die Bezeichnung sei nicht gleich einer Bezeichnung, wie: Löwenapotheke oder einer ähnlichen. Sondern sie bedeute eine ganz bestimmte Beziehung einer Stelle, die das Recht habe durch Beziehungen zu sich gewisse Bezeichnungen zu verleihen. So könne die Bezeichnung Hofapotheke nur verliehen werden, lvenn eine Beziehung zum Hofe damit aus- gedrückt werden solle. Auch in dieser Beziehung habe die Polizei die so festgestellte öffentliche Ordnung zu wahren. Das Recht der Regenten oder regierenden Häuser, die einem Privatmann oder nichtregierenden Fürsten nicht gleichzustellen seien, dieses Recht sei ein Teil der öffentlichen Ordnung. Bei Verstoßen dagegen habe die Polizei nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, dagegen ein- zuschreiten. Das gehe auS§ 10, Teil 2, Titel 17 des Allgemeinen preußischen Landrecht hervor, der als ein Grundsatz des preußi- scheu Staatsrechts in ganz Preußen gelte. Wie stehe eS nun hier. jS sei an sich denkbar, daß für ein bestimmtes Grundstück ein Privilegium erteilt werde, wonach für die Zeit, wo in den» Hause eine Apotheke betrieben werde, das Recht gelten solle, sie Sof. apotheke zu nennen. Dafür sei aber hier nichts heigeb'acht. Eine an dem Grundstück haftende Rcalbercchtigung sei also nicht dap, getan. Wenn dem Vorbesitzcr Lade im Jahre 1846 gestattet worden ei, die Apotheke so zu nenneu, so sei das Recht der Person verliehen worden. Es liege darin, daß es ihr nur zustehen solle, so lange sie diese Apotheke habe. ES sei klar, daß dicS Recht mit der Beziehung der Person zu der Apotheke auch fortfalle. Daraus folge, daß nicht jeder Nachfolger in der Apotheke das Recht habe, die Apotheke so zu nennen. Ob der Volksmund Jahrzehnte, ja Jahr- hunderte eine Apotheke mit einem besonderen Namen bezeichne, ob er die Apotheke deS Klägers immer so genannt habe und sie noch so nenne, sei demgegenüber gleichgültig. Durch Observanz könne ein solches Privilegium nicht erworben werden und auch nicht durch Verjährung. Tie Bezeichnung im Handelsregister habe auch keinen Einfluß. Der öffentlichen Ordnung gegenüber gebe sie dem Betreffenden kein Recht. Aus alledem gehe hervor, daß der jetzige Inhaber der Apotheke kein Recht habe, sie Hofapotheke zu nennen. Die polizeiliche Verst'igung sei gerechtfertigt.