Vahll'echklismpf. Die preußische Wahlkreiseinteilung. Wi « notwendig eine Neueinteilung der preußischen LandiagZ- Wahlkreise ist, lehrt eine Aufstellung der„Freisinnigen Zeitung", in der berechnet wird, wie viele Abgeordnete die«in- zelnen preußischen Provinzen nach ihrer Bevölkerungsziffer eigentlich wählen müßten und wie viele sie tatsächlich wählen können, da noch immer die WahlkreiSeinteilung auf der Volkszählung des JahreS 1SSS beruht. Legt man die Ergebnisie der Volks Zählung vom 1. Dezember 1005 zugrunde, so ergibt jich— auf rund 84 000 Einwohner ein Abgeordneter gerechnet— folgende Ver- teilung der Mandate auf die einzelnen Landesgebiete Preußens: 1. Ostpreußen ... L4 Abg�. bisher LZ Abg�, somit— 8 Abg. 2. Westprenßen... 19„„ 22„„— 3„ 3. Pommern .... 20„ 20„„~ 6, 4. Posen..... 21„„ 29„„— 5„ 6. Schlesien .... 59„„ 66„„— 7„ 6. Brandenburg .. 42„„ 38„„ 4- 4„ 7. Berlin ..... 21„„ 13„„-f 12, 8. Sachse».... 85,„ 38„«— 3„ 9. Schleswig- Holstein 18„„ 19„„— 1„ 10. Hannover .... 33„„ 36„„— 3, 11. Westfalen .... 43„ 31..-s> 9„ 12. Hessen-Nassau .. 23„„ 26„„— 1„ 13. Rheinland .... 76„„63„„+ 13„ 14. Hohenzollern...l„ 2„« 1„ Noch größer erscheinen die Unterschiede, wenn man die Steuer- keisiungen der verschiedenen preußischen Landesteile in den Kreis der wahlstatistischen Betrachtungen zieht. Das erscheint aber sehr an- gebracht. Denn will man— wie eS die Junker predigen— den relativen Wert der einzelnen Provinzen für die Wahlkreiseinteilung maßgebend fein lasten, so muß man sich vor allem an die steucr- lichen Leistungen halten. DaS entspricht ja auch den Prinzipien des Dreiklassenwahlsystems selbst in der Fastung der neuen RegierungS - Vorlage, die doch nur einige plntokratische Auswüchse beseitigt und Alter. Bildung und amtliche Tätigkeit nur sekundär zu der Ab- teilungSbildung heranzieht. Sn der Steuerkraft gemessen, müßten demnach entfallen auf 1. Ostpreußen ... 10 Abg., bisher 32 Abg., somit— 22 Abg. 2. Westprenßen... 8„ 22„— 11„ 8. Pommern .... 12„„ 26„„— 11„ 4. Posen..... 10„„ 29„„— 19„ 5. Schlesien .... 40„„ 66„„— 26„ 6. Brandenburg .. 58„„38„„+20, 7. Berlin ..... 03„ 12„+ 51„ 8. Sachsen.... 35„„ 38— 3„ 9. Schleswig-Holstein 16„„ 10„„ 3„ 10. Hannover .... 27„„ 36„„ 9„ 11. Westfalen.... 35.„ 31„„+ 1„ 12. Hessen - Rassau.. 41„ 26„„+15„ 13. Rheinland .... 87„„ 63„„+ 24„ 14. Hohenzollern ... 1„„ 2„ 2„ Deutlicher läßt sich kaum zeige», in welchem enormen Maße das Junkertum durch die über 50 Jahre alte Wahlkreis- e i n t e i l ug g begünstigt wird. Zwei nationalliberale Stimmen. Der nationalliberale Berein in Charlotte»bürg hat folgende Resolution beschlossen: „Die Borlage ist für den gemäßigten Liberalismus ohne nachträgliche Einfügung der geheimen Wahl un- annehmbar. Mit der geheimen Wahl würde für die Re- gierung auch jedes Interesse an der durch nichts gerechtfertigten politischen Bevorzugung des Beamtentums wegfallen, die eine schwere Kränkung und Schädigung des selbständigen, erwerbs- tätigen Mittelstande» darstellt." Da« ist eine Stimme aus dem nationalliveralen Lager. Eine andere gewichtigere aber wird in der„Köln . Ztg." laut. In einer anscheinend offiziösen Kotiz macht das nationalliberale Organ folgendermaßen fllreinAbfindenmit der öffentlichen Wahl Stimmung: „Wir glauben nicht, daß die von der Vorlage geplante Art des AufrückenS in höhere Klassen, wenn der Entwurf über- Haupt Gesetz werden sollte, sich in der Weise vollziehen wird, wie der Entwurf eS will. Nach dieser Richtung handelt eö sich lediglich um Regierungsvorschläge. die selbstverständlich der Aenderung und Umarbeitung durch den Landtag unterworfen find. Wir glauben nicht, daß die Regierung sich überhaupt anf solche Einzelpunkte se st zulegen beabsichtigt. Eine Festlegung der Regierung ist nur erfolgt für das Drei- klassen Wahlrecht, und ebenso ist vorauszusehen, daß die Re- gierung die öffentliche Wahl unbedingt festhalten wird. Was die anderen Punkte anbelangt, so ist vorauszusehen, daß, wenn sich überhaupt eine Mehrheit für die Verabschiedung deS Gesetzes bildet, die Regierung über Aenderungen und Verbesteningen gern mit sich reden loste» ivird." Das„wahlrechtsfreundliche" Zentrum. Aus Essen wird gemeldet: Die„Essener Vollszeitung', das Z entrumS organ Eisens, lehnte die Aufnahme eines Inserats für eine auf Donnerstagabend von den Essener Demokraten ein- berufen- W ah Ire ch t s Versammlung ab, an der sich auch die Sozialdemokratie beteiligt. DaS tut ein Blatt, bei dem sonst Geld nicht stinkt, ein Blatt, in besten Buchhandlung man den„Kaviar» Kalender" und ähnliche schöne Erzeugnisse kaufen konnte und das auch gelegentlich Streik- brecherinserato nicht verschmähte. ver ksllreiprsilckent gegen MMärung der lugend. Heute soll ilt Lichtenberg , Pfarrsir. 74, bekanntlich eine Versammlung stattfinden, in der Genosse Tarnow einen Unterrichtskursus für Geschichte für die Jugend beginnen soll. Vorgestern erhielt der Referent folgende Verfügung des Polizeipräsidenten: „Wie ich in Erfahrung gebracht habe, beabsichtigen Sie am 11. Februar 1910 in Lichtenberg „für die Jugend" einen vntrrrichtskursus für Geschichte zu beginne». Ich fordere Sie auf» mir vor Beginn des Unterrichts den gemäß 8 15 der Ministcralinstruktion vom 31. Dezember 1839 zur Ausführung der Kabinettsorder vom 10. Juni 1831 erforderlichen Erlaubnis- schein zum Unterrichten jugendlicher Personen vorzulegen, widrigenfalls ich den Unterricht verbieten würde." Der Hinweis des Polizeipräsidenten auf die vom Kultus- minister Holle ausgegrabenen Verordnungen von 1834 und 1839 ist durchaus verfehlt. Sein Hinweis auf ein eventuelles Verbot der Versammlung ist unberechtigt. Die Verordnun- gen beziehen sich, wie auch das Oberverwaltungsgericht an- erkannt hat, lediglich anf die schulpflichtige Jugend. Nicht für diese, sondern für die aus der Schule entlassene Jugend ist der Geschichtskursus angesetzt. Die Versamm- lung findet heute statt. Ein Recht, sie zu verbieten, geben die Gesetze dem Polizeipräsidenten keineswegs, poUttfcbc(leberliedt. Berlin , den 19. Februar 1919. Fortsetzung der Militardebatte. AuS dem Reichstag . 19. Februar. Die zivcite Serie Militärfragen, die erst durch die Budgetkommission gesiebt werden, kam heute im Reichstag zur Verhandlung. Wie es bei der Spezialberatung in den zweiten Lesungen zu gc- schehcn pflegt, verzettelte sich die Debatte. Zwischen dem Kriegsnlinister und dem freisinnigen Abgeordneten Müller. Meiningen kam es abermals zu einer Auseinandersetzung über die Bevorzugung des Adels im Offizier- k o r p s, da der Kriegsminister den erstaunlichen Ausspruch getan hatte: Erst durch die Kritik im Reichstag sei die Ver- waltung dazu gekommen, der Sache nachzuforschen, denn früher hätte kein Mensch in der Armee von einer Bevor- zugung des Adels etwas gemerkt. Herr Müller-Meiningen konnte sich demgegenüber auf das Eingeständnis des früheren Kriegsministers v. Einem sowie auf die Statistik berufen, aus der sich ergibt, daß bei der Infanterie unter den Leut- nants nur 29 Proz. Adlige sind, daß sich dieser Prozentsatz in den h ö h e r e n Chargen aber stetig steigert bis zu 95 Proz. in den höchsten Kommandoposten. Der K r i e g s m i n i st e r bestritt deshalb doch rundweg jede absichtliche Bevorzugung des Adels. Genosse Z u b e i l brachte die Lage der Zivilmusiker zur Sprache, denen durch die M i l i t ä r m u s i k e r eine u n- lautere Konkurrenz bereitet wird. Trotz mehr- jähriger Klagen und einer im vorigen Jahre gefaßten Neso- lution des Reichstages ist diese Konkurrenz nicht abgestellt. Die neueste Verfügung des Ministeriums beläßt es im wesent- lichen bei den alten Zuständen. Zubeils Beschwerde wurde unterstützt von dem Freisinnigen K o p s ch und von dem Nationalliberalen G ö r ck e. Dieser konnte es sich dabei indes nicht verkneifen, nach dem Vorbilde seines Kollegen Krause im Abgeordnetenhause, sich über die„Länge" von Zubeils Ausführungen aufzuhalten.— Ter Oberst Wendel vom Kriegsministerium behaupteie, daß die Militärmusiker- Konzerte eingeschränkt seien, insbesondere seien die Konzerte in den Berliner Nachtcafss verboten. Z u b e i l er- widerte, der Herr Oberst befinde sich im Irrtum: wenn er mit ihm eine Rundreise durch die Berliner Nachtcafss an- treten wolle, so werde er ihm zeigen, daß dort tatsächlich doch noch von Militärkapellen.konzertiert werde. Der Oberst schien aber die Rolle eines musiklauschenden Harun-al-Raschid nicht mit seiner preußischen Offizierswürde für verträglich zu halten. Herr Erzberyer fühlte sich gedrungen, die Rolle des freiwilligen Negierungskommissars zu spielen, woraus sich ein Duell mit Herrn K o p s ch vom Freisinn enr- spann. Beide Herren warfen sich gegenseitig vor, daß sie je nach der Stellung ihrer Partei innerhalb eines Regierungs- blocks gegen oder für die Regierung in der nämlichen Frage auftreten. Beide hatten recht. Morgen geht die Debatte weiter. ArbeitSkammergesetz und Hausarbeitsgcsetz. In der Donnerötag-Sitzung des Bundesrats wurde dem Entwurf eines ArbeitSkamniergesetzes und dem Entwurf eines Hausarbeitsgesetzes die Zustimmung erteilt. Verkehr mit Kraftfahrzeugen. Vom Bundesrat sind jetzt die AuSführungSbestimmungen ztt dem Gesetz über den Verkehr mit Kraftfohrzeugen vom 3. Mai v. I. er- lasten. Am wichtigsten sind die Bestimmungen über die Führung der Automobile. Die Erteilung der Erlaubnis zum Führen eines solchen Fahrzeuges wird abhängig gemocht von dem Zeugnis eines beamteten ArzteS darüber, daß der Antragsteller keine körperlichen Mängel hat. besonders hinsichtlich deS Seh- und HörvermögenZ, die seine Fähigkeit zur sicheren Führung be einträchtigen. Die Ortspolizeibehörde hat ferner zu prüfen, ob etwa Tatsachen vorliege»— wie schwere EigentumSvcrgehen, Neigung zum Trunk oder zu Ausschreitungen, besonders zu RoheitS vergehen— die ihn als ungeeignet zum Führe» eines Kraftfabr- zeugeS erscheinen lasten. Beim Polizeipräsidium in Berlin wird hierzu für daS ganze Reich eine Sammelstelle für Nach- richten über Führer von Kraftfahrzeugen eingerichtet. Die Prüfung für den Nachweis der Befähigung zum Führen von Fahrzeugen ist«ine theoretische über Material und Kenntnis der geltenden Vorschriften und eine praltische, bei der ewe Probe fahrt auf freier Strecke und eine mindesten? einstündige Dauerfahrt vorgeschrieben ist. lieber das M i t s ü h r e n von Anhängewagen find ebew falls genaue Vorschriften erlaste», bei deren Erfüllung auch die Be- »utzung mehrerer Anhängewogen auf Grund polizeilicher Erlaubnis zugelassen ist. Kraftfahrzeuge, welche den Anforderungen der BundeSratSverordnung nicht genügen, können jederzeit vom Bc- fahren öffentlicher Wege ausgeschlossen werden: ebenso kann Führen: die erteilte Fahrerlaubnis wieder entzogen werden, wenn festgestellt ist, daß die hierfür geltenden Loraussetzungen nicht mehr vor- Händen find._ Landrätliche Vielseitigkeit. In der bürgerlichen Presse wird eine Statistik aufgemacht über die Rebenämter, die von den preußischen Landräten bekleidet werden. In solchen Nebenämtern sind die Landräte wie folgt tätig: „4 als kommissarische Polizeidirektoren, 1 als Schiffahrts- direktor, 3 als Hafenpolizeidirektoren bezw. als Vorsitzender und als Vtitglied eines HafenamtS, 4 als Strandhauptnicknner, 4 als Vorsitzender der Einkommensteuer-Veranlagungskommissionen und GewerbeauSschüste in Stadtkreisen, 4 als Verwalter von Domänenämtern, 3 als Koministare bei israelitischen Borsteher» ärntern, 1 als Stellvertreter des Generaldirektors einer Land- feuerfozietät, 225 als Kreisfeuersozietätsdircktoren, 24 im Vorstande von Meliorations - und Deichgenossenschaften, 1 als Admini- strator einer Musterbleiche, 9 als Kurator bezw. Verwalter von Stiftungen und Wohltätigkeitsanstalten, 8 als Dcichhauptinäimer. 1 als Kastenkurator deS Domstrukturfonds zu Verden , 1 als Kurator einer StiftSkaste. 1 als Direktor einer Sparkasse, 1 als Kommistar einer Landesirrenanstalt, 1 für Revisionsgeschäfte bei dem Salzwerke Stetten." Nicht nur. daß damit der Einfluß der Landräte erweitert wird, tragen ihnen diese Nebenämter teilweise auch noch hohe Bezüge ein. Weiter ergibt sich aus dieser Statistik, daß die Landräte keineswegs genügend Arbeit haben in dem Amt, für das sie aus den Taschen der Steuerzahler bezahlt werden. Der Entwurf elucs Stellenvermittelungsgesetzes ist soeben dem Reichstage zugegangen. Der Entwurf macht den Geschäftsbetrieb der Slellenvermittler konzessionspflichtig. Die Konzession ist zu versagen, wenn der Nachsuchende unzuverlässig er- scheint, und wenn ein Bedürfnis zur privaten Stellenvermittelung nicht vorliegt. Ein Bedürfnis wird als nicht vorliegend angenommen, wenn kommunale oder sonstige öffentliche Arbeitsvermittelungen im ausreichenden Maße vorhanden find. Die LandeZzeniralbehörde ist berechtigt, die Taxen für die private Stellenvemiitteluiig festzusetzen._ Graf Tattenbach. In Madrid ist heute der deutsche. Botschafter Gras v. Tattenbach an einer Lungenentzündung gestorben, die er sich durch Erkältung auf einem von der englischen Botschaft gegebenen Fest zugezogen hatte. Graf Tattenbach gehörte dem diplomatischen Dienst dcö Reiches seit dreißig Jahren an. Im Jahre 1816 in LandShut in Niederbayern geboren, trat er 1872 ans dem bayerischen Staatsdienst in den der eliaß-lothringischen Landesverwaltung über, bei der er acht Jahre tätig war. Im Auswärtigen Amt übernommen. bekleidete er zuerst Posten bei den Gesandtschaften in Peking und Belgrad , war dann drei Jahre lang Botschaftsrat in Madrid und von 1890 bis 1896 Gesandter in Marokko . Nachdem er ein Jahr lang Deutschland in Bern und Peking vertreten hatte, kehrte er 1905 als Gesandter in außerordentlicher Mission nach Tanzer zurück und nahm als deutscher Delegierter an der Konferenz von Algeciras teil. Darauf zum deutschen Gesandten in Lissabon ernannt, ver- tauschte er diesen Posten im vorigen Jahre nach dem Rücktritt des Herrn v. Radowitz mit dem des deutschen Botschafters in Madrid . Ein Fiasko der Mansfelder Strcikjustiz. Am Mittwoch erschienen vor dem Schwurgericht zu Halle vier Mansfelder Streiksünder, die des LandfriedenSbrucheS angeklagt waren. Sie sollten ursprünglich wegen geringer Vergehen zum Teil vom Schösieugericht, zum anderen Teil von der Strafkammer abgeurteilt werden, die Richter dieser Instanzen hatten sich aber für unzuständig erklärt, da sie in den Handlungen, die den Angeklagten vorgeworfen wurden, das schwere Delikt des Landfriedensbruchs zu erkennen glaubten. Die Verhandlung vor dem Schwurgericht ergab indes das Hinfällige dieser Ansicht. Vor den Geschworenen wagte selbst der StaaiS- anwalt die Anklage auf Landfriedensbruch nicht aufrecht zu erhalten. Schließlich wurde ein Angeklagter wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung und Nötigung zu fünf, ein anderer zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Der dritte wurde gänzlich freigesprochen. Hervorgehoben werden muß, daß von den Arbeitswilligen, an denen die gemeinschaftliche Körperverletzung begangen sein soll, der eine einen Schlag, der andere drei Schläge erhalten hat. die, wie die Verhandlung ergab, nichi sehr geschmerzt, geschweige denn der Gc- sundheit geschadet haben. DaS Urteil gegen die ersten beiden An- geklagten ist deinnach sehr hart.— Sie sind freilich Streiksünder, die Arbeitswillige genöttgt haben sollen! Ein unbequemes Gesetz. Der BreSlauer Magistrat hat an den Landtag eine Petition gerichtet, in der um Aufhebung des§ 1 des Gesetzes vom 11. März 1850 ersucht wird. Diese unbequem gewordene Bestimmung stammt ans der Zeit der schlimmsten Reaktion und macht die Gemeinden für öffentliche Zusammenrottung in der Weis« haftbar, daß sie den ent- standenen Schaden zu ersetze» haben. Diese einstige Wohltat für die Reaktion ist heute zur Plage geworden. Auf Grund dieser Gesetzes- bestimmung ist nämlich die Stadt Breslau verurteilt worden, dem Arbeiter Bicwald, dem ein Schutzmann die Hand abgehackt hat, eine Rente zu bezahlen. Damit die Schutzleute noch rücksichtsloser ein- hauen können, wird jetzt die Beseitigung dieses Gesetzes verlangt. Bescheidenheit ist keine Zier. Der Turnausschuß der reaktionären Deutschen Tnrnerschast hat eine Eingabe an das Kriegsministerium gemacht, in der gebeten wird, die Wehrordnung dahin abzuändern, daß tüchtigen Turnern die Genehmigung zum Militärdienst als Einjährig-Freiwillige erteilt wird. Natürlich soll dieses Privileg nicht etwa auch Arbeiter- Turnern, sondern nur den Mitgliedern der Deutschen Tnrnerschast eingeräumt werden, die die Bürgschaft für die gute Gestnnung der Bewerber übernehmen will._ Zwei Militärgerichtsurteile. DaS Oberkriegsgericht in Posen verhandelte dieser Tage gegen den Unteroffizier G a h l von, 5. Fußartillerieregiment als BernfungS- instanz. Gahl hatte Mißhandlungen in 25 Fällen verübt. DaS Kriegsgericht hatte ihn dafür zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Der Anklagevertreter beantragte jetzt das gleiche Strafmaß sowie Degradation. Der Verteidiger wandte sich gegen die Degradation, da diese eine Ehrenstrafe sei und der Angeklagte sich keiner ehr- losen Handlung schuldig gemacht habe. Das Gericht trat den, bei und verringerte die Strafe auf— sechs Wochen Mittelarrest. Vor dem Kriegsgericht in Breslau hatte sich der Musketier Ludwig Grupe vom 51. Infanterieregiment wegen Fahnenflucht und Diebstahls zu verantworten. Der Angeklagte ist einer von denen, dem das Soldatcnleben nicht gefällt; er war wiederholt desertiert und hatte im Interesse seines Fortkommens sich widerrechilich verschiedene Sachen angeeignet. Er erhielt drei Jahre und sechs Monate Zuchthaus. Ein schneidiger Fähnrich als Provokateur. In der letzten Sitzung des ObcrkriegSgerichts des 9. Armeekorps(Altona ) gelangte ein Fall zur Verhandlung, der bezeichnend ist für die in der Kaserne herrschende Auffassuna von der Unter- ortmung des Untergebenen unter den Willen deS Vorgesetzten. Der schon 18 Lenze zählende, aber äußerst schneidig auftretende Fähnrich EggerS von der 8. Kompagnie deS Regiments„Bremen " fragte eines Abends als diensttuender Unterofstzier die Stuben ab, und als der als Stubenältester fungierende Musketier Roller meldete; „Alles zur Stelle!" erblickte der Fähnrich hierin eine falsche Mel- dung, obwohl sich später herausstellte, daß die Antwort der Jnftruk- tion entsprach. Nun spielte sich zwischen dem noch selbst der Er- zichung bedürftigen Fähnrich und dein bedeutend älteren„Unter- gebenen", der schon drei gedient hat und als uns aber bester Führung c (der zurückgekehrt war)s„Wo ist' der Kerl, der Roller? Werde Sie melden, wissen doch, warum?" Roller:„Neinl" Fähn» rich:„Halten Sie die Schnauze! Oder wollen Sie wieder ins Gefängnis, wo Sie schon waren?" Roller:„Ich verbitte mir das. Ich bin noch nicht im Gefängnis gewesen." Fähnrich: „Halten Sie die Scknauze, sonst ziehe ich mein Seitengewehr und Sie kriegen was rüber." Beide kamen vors Kriegsgericht, das den Fähnrich wegcn unvorschriftsmäßiger Behandlung zu acht Tagen gelinden und den Musketier zu drei Wochen Mittelarrest wegen fortgesetzter Achtungsverletzung und Ungehorsam vor versammelter Mannschaft verurteilte. Gegen dieses Urteil hatten beide Angeklagte Berufung eingelegt. Bemerkenswert ist die Aussage dc3 Haupt- manns, der hervorhebt, daß der Fähnrich die beiagte Instruktion nicht gekannt habe. Obwohl Roller als unsicherer Heercspflichtstser eingezogen worden sei und in der Fremdenlegion gedient habe. sei er ein sehr guter Soldat, weshalb er ihtt zum Stubenältesten über 24 Mann ernannt habe. Durch die Beinerkung des Fähnrichs, deffenForsche am unrichtigen Platz war, Roller sei schon im Gefängnis gewesen, sei dieser schwer getränkt und gereizt worden. Der zunge Fähnrich faselte etwas von der Aufrecht- erhaltuna der Autorität und Disziplin, denn es sei bei der Aus- einandersetzung von anderer Seite gelacht worden. Das Oberkriegsgericht hob daZ Urteil nur insofern auf.«I» die Vorinstanz in dem„Nein" eine Achtungövcrlctzung erblickt hatte. bestätigte aber im übrigen beide Strafmatze, obgleich es in der Beurteilung des Verhaltens des Fähnrichs sich völlig der Auffassung des Hauptmanns anschloß. Der provozierende Fähnrich kommt also dreimal so billig davon als der schwergereizte Untergebene, der alle Jnvektiven seitens des jugendlichen Vorgesetzten hätte hinab-
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