®fc arbeiten sich keine Schwiele« i« die Hände. Das sind die Landarbeiter und Kleinbauern und die sollen ent- rechtet werden. Die Junker haben in Preußen deshalb eine so ungeheure Macht, weil hier im Hause nicht weniger als 113 Groß- Grundbesitzer sitzen. Die Klaffeneintetlung ist das ungeheuerlichst« Unrecht, das überhaupt ausgedacht werden kmm. Die Denkweise der Junker hat bereits 1848 ein pommerscher Junker einmal recht drastisch ausgesprochen. Er sagte:.Ich bin konservativ, das heißt Anhänger des Prinzips der Erhaltung, weil geschrieben steht: wer da hat, dem wird gegebe» und als echter Preuße verstehe ich den Spruch suum cuique nicht bloß in dem Sinne: Erhalte, was du hast, sondern: waö du Kriegen Kannst. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Aber nicht nur die Junker, sondern auch die Vertreter des Industriekapitals verteidigen das Dreiklassenwahlrecht. Der nationalliberale Abg. Schmieding hat sich direkt dafür ausgesprochen. Er hat dann allerdings das Dreiklassenwahlsystem in bestimmter Weise mit dem Pluralwahlsystem verknüpft. Er scheint auch der Vater des Gedankens der Privilegierung der Unteroffiziere zu sein. Durch solche Ausführungen, wie sie Herr Schmieding in der „Nationalzeitung" dazu gemacht hat, predigt er selbst in auf- reizendster Form und mit vrrlevendster Schärfe den Klassenkampf. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Nun wird in der Vorlage und von Herrn Schmieding behauptet, daß die Klassengegensätze gewissermaßen in der Natur begründet seien. Dos ist za eine wunderbare Auffassung der Ge- schichte, dag die Maffenaudbentung ewig und daß ewig auch mit der MassenanSbeutung Massenentrrchtung verbunden sein müsse. Das soll von der Ratur begründet und von Gott gewollt sein! Da muß ich denn doch sagen, daß eine ärgere Blasphemie gar nicht ausgesprochen werden kann. Das ist geradezu Gotteslästerung. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.) Sie tun sich ja so viel zugute auf Ihr Christentum. Aber eine ärgere Gotteslästerung kann nicht ausgesprochen werden als die, daß durch die von der Allmacht begründete Ordnung der Dinge ewig der Zustand der Knechtung der Massen aufrecht erhalten werden müsse.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wir sind keine solchen Gottes- lästerer, wir meinen, daß die Klassenscheidung, Klassenvorrechte und Unterdrückungen Folgen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung find. Wir wollen das Wohl der Gesamtheit fördern, und deshalb treten wir ein für die Beseitigung aller Privilegien DaS Dreiklassenwahlrecht ist aufgebaut auf Besitzunterschiede. In Preußen gibt es 104 000 Zensiten mit einem Einkommen von mehr als 9000 M. Diese 104 000 Zensiten haben zusammen ein Einkommen von 3130 Millionen Mark. DaS macht pro Kopf ein Einkommen von 30 000 M. 1S03 gab es nur 80 000 solcher Zensiten, die nur 22S8 Millionen Mark Einkommen hatten, was pro Kopf 28 000 M. ausmacht. Diese Zahlen sind sehr interessant, sie be- weifen, daß die Reichen immer reicher werden. Sie sind Wirt schaftlich übermächtig und bedürfen des Schutzes durch daS Drei klassenwahlrccht nicht. Wohl aber bedürfen des Schutze« die Massen, denn auS ihrem Schweiß ziehen die Reichen da« Gold. (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Auch die Zahl der Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von mehr als 900 M. hat sich stark vermehrt. Aber diese Tatsache beweist gar nichts. Die Lebensmittelpreise sind in einem Maß« gestiegen, daß heute ein Einkommen von 1200 M. nicht mehr ist als vor mehreren Jahren ein Einkommen von 900 M. Dazu kommt, daß die Zahl der Steuer� Pflichtigen mit einem Einkommen von mehr als 900 M. deshalb so gewachsen ist, weil für die Arbeitgeber die Steuerdenunziations Pflicht für ihre Arbeiter eingeführt ist. Wir haben ja kürzlich sehr lnteressante Auseinandersetzungen über Steuerhinte r- ziehung gehabt. Professor Hans Delbrück behauptet, daß von den Besitzenden ungeheuere Summen hinterzogen werden. Die liberale Presse wirft das den Agrariern vor, die konservative Presse dem mobilen Kapital. Ich glaube, beide haben recht.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Sehr interessant sind auch die Zahlen der E r gä i> z u n gSst e u e r. Wir haben in Preußen 1% Mib lionen Zensiten, die ein Vermögen von 91 Milliarden versteuern. Davon haben 144 000. also knapp 10 Proz., ein Einkommen von OS Milliarden, 300 000, also 20 Proz., besitzen 67 Milliarden. Die Masse des Mittelstandes besitzt nur 24 Milliarden von insgesamt 91 Milliarden. Namentlich das Vermögen der Reichen, der Millionäre, ist gewachsen. Das sind geradezu aufreizende Zahle», und deshalb müssen sie hier im Dreiklassenhaus erwähnt werden. Seit l89S hat sich das Vermögen der Millionäre von 13,6 auf 22,6 Milliarden erhöht. Jeder einzelne Millionär hat seit 1893 sein Vermögen durchschnittlich um eine Million vermehrt. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) DaS Geld vermehrt sich nicht von selbst, sondern die neuen Werte werden geschaffen. Aber nicht von der Arbeit der Millionäre, sondern vom Volke, und die Milliarden sind daher«uö den Taschen des arbeitenden Volkes herausgeholt worden.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- kraten.) Ein Wahlrecht, das den Besitz begünstigt, v e r» schärft und befördert die uugeKeuerUcKN* Volksauspliinderung. Run wird immer gesagt, den Arbeitern gehe eS nicht schlecht, daS bewiesen die Sparkasseneinlagen. Nach der neuesten Statistik bezifferten sich diese Einlagen 1908 auf 9373 Millionen Mark. Das ist schon relativ sehr wenig gegenüber den 91 Mil- liarden, die der Besitz sein eigen nennt. Und diese Summe ent- fällt auf mehr als lO Millionen Sparkassenbücher. Auf die Bücher mit einer Einlage bis zu 600 M.— das sind die Bücher de? kleinen Mittelstandes, entfallen nur etwa 1300 Millionen Mark von insgesamt 9373 Millionen Mark, und selbst wenn man die Mehr- cinlagen bis zu 1300 M. hinzurechnet, entfällt auf alle diese Ein- lagen bis zu 1300 M. nur ein Betrag von etwas über 3000 Millionen Mark.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch in anderer Beziehung sind die Zahlen der Sparkassenstatistik sehr intercssant. Sie beweisen nämlich, daß in der Zeit der Krise gerade daS Prole- tariat am allerfchwersten gelitten hat. Denn im Jahre 1908 sind in den preußischen Sparkassen nur 162 Millionen Mark neue Ein- lagen gemacht worden, während allein die Neueinlagen der Bücher im Betrage von mehr als 3000 M. n�hr als 230 Millionen betrugen. Daraus ergibt sich mit aller jtlarhtit, daß gerade von den kl ei- neren Sparkasseneinlegern höhere Summen abgehoben als neu eingelegt worden sind! So wird gerade durch die Sparkassen- statistik, auf die sich auch der Finanzminister v. Rheinbaben berufe» hat, das Märchen von der Wohlhabenheit des Proletariats und des kleinen Mittelstandes g r ü n d l i ch st w i d e r l e g t.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Beibehalten werden soll auch die WahlkreiZeinteiliing. Etwas Ungeheuerlicheres als diese Wahlkreiseintetlung ist gar nicht denkbar. Es ist deshalb um so erstaunlicher, daß der Vertreter des Zentrums sich ausdrücklich für Beibehaltung der skandalösen Älablhreie- einteilung erklärt hat, die eine Entrechtung der große» Masse deS Volkes bedeutet, das in den G r o ß stä dien und Industriezentren wohnt. Der Herr Abgeordnete Herold sollte sich erinnern, daß sich bereits im vorigen Jahre 5 Zentrumsabgeordnete schämten, mit der Mehrheit deS Zentrums gegen die Neueinteilung der Aihlkrcise zu stimmen. Wir werden dafür sorgen, daß die Stellung deS Zentrums zu der Neueinteilung der Wahlkreise in I n d u st r ic- a r b e i t e r k r e i s e n allgemein bekannt wird. Wlr werden dafür sorgen, daß das Zentrum gezwungen wird, den Lebensintcressen der Jndustriearbeiterschaft Rechnung zu tragen! Die Äraumcnte, die Herr Herold vor- trschiv, wgren recht schnurriger Art, So erklärte et, dgß Ostpreußen deshalb größere Berücksichtigung verdiene, als Berlin mit seiner großen Einwohnerschaft, weil Ostpreußen ein größeres Areal besitze. Danach müßte also das Wahlrecht an der Bodenfläche hasten, statt den Wählern selbst erteilt zu werden.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Und wenn Herr Herold von der h i st o r i- scheu EntWickelung spricht, die berücksichtigt werden müsse so sind wir ganz semer Meinung, nur verlangen wir, daß nicht nur die historische EntWickelung der Vergangenheit berücksichtigt wird, sondern die lebendige EntWickelung der Gegenwart. die die großen Städte und die gewaltige Jndustriearbeiterschaft ge schaffen hat. Die Ungeheuerlichkeiten der preußischen Wahlkreis einteilung sind geradezu haarsträubend. In S ch r i m m Schroda-Wreschen oder Preaßisch-Holland-Moh rungen entfällt auf 8790 Wähler ein Abgeordneter während in SchSneberg-Rixdirf zehnmal soviel Wähler, genau 87 099, ebenfalls nur einen Abgeordneten wählen dürfen! In Schrimm-Sckiroda-Wrefchcn hat jeder Wähler der l. Klasse 139mal so viel Wahlrecht, als ein Berliner Wähler 3. Klasse. Nach einer Berechnung, die ich angestellt habe, ergibt sich, daß hinter jedem freikonservativen Abgeordneten 13 000 Urwähler stehen hinter jedem konservativen 13 090, hinter jedem Zentrums. abgeordneten 19 000, hinter jedem nationalliberalen 20 000, hinter jedem freisinnigen 23 000 und hinter jedem der sieben sozialdemokratischen Abgeordneten, die damals ge wählt, standen 49 000 Urwähler. Die Konservativen haben also Irdigliiki durch die Einteilung der Wahlkreise doppelt so viel Wahlrecht als die Freisinnigen und dreimal so viel als die Sozialdemokraten. Das ist natürlich ein Zustand, von dem Sie (nach rechts) wünschen, daß er möglichst lange konserviert wird Trotz dieses Wunsches fasse ich mein Urteil über dies Wahl. system und diese Wahlkreiseintetlung dahin zusammen, daß es etwas Düinrnerco und Clnverfrorenem überhaupt nicht geben kann.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozial- demokraten.) Da muß man schon auf dem Standpunkt des Pommer- schcn JunkerS Thadden-Triglaff stehen, der 1848 bei einer Wahl. rechtSdcbatte gesagt Hot: Er könne ein Grundprinzip nicht aner- kennen, nachdem etwa auf 10 000 Pfund Mens chenfleisch inklusive Menschenknochcn ein Wahlmann kommt, und viel- leicht 49 900 Zentner Menschenfleisch einen Abgeordneten stellen. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Dieses unerhört zynische Wort ist außerordentlich charakteristisch für den Standpunkt der Anhänger dieser WahlkreiSeinteilung. Für die Anhänger deS Drei. klassenwahlrechtS und der WahlkreiSeinteilung ist das Volk also nicht eine Summe von Menschen, nicht eine Summe von Persönlichkeiten mit differenziertem Seelen und Geistesleben, sondern em Quantum Menschenfleisch. und nicht nach der Größe dieses Quantums Menschen fleisch soll daS Wahlrecht verteilt werden, sondern etwa nach dem Quantum von Schweine- und Ochsenfleisch, da? in den agrarischen Bezirken vorhanden ist.(Lachen rechts.) Das ist das logische Ergebnis: es gehört eine geradezu kannibalische Verachtung deS menschlichen Seelenlebens und des menschlichen Gehirns zu einem solchen Standpunkt. Allerdings das Gehirn spielt ja keine große Rolle bei den Konservativen (Lachen rechts), eS genießt bei JHm" keine große Achtung. Die Lacher mögen im Feuilleton der„Deutschen Tageszeitung" folgende junkerliche Selbstcharakteristik nachlesen, die dort vor einigen Tagen stand:„Kunst und Wissenschaft— natürlich, sie sind schon von Wert; aber wir haben davon reichlich, beinah zu viel." Das ist Ihre(nach rechts) Wertschätzung von Kunst und Wissenschaft. Nichts rechtfertigt also die Ungleichheit der Wahlkreise. Den Landbewohnern soll das gleiche Recht nicht verkümmert werden, Wir Sozialdemokraten sind wahrhaftig nicht bauernfeindlich, wohl aber die Herren Konservativen, die die Masse der Kleinbauern, der Kätner, der Kossäten in die dritte Klasse hineinbringen wollen, während sie selbst als Großgrundbesitzer in der ersten wählen. Aber da? Land dar an und für sich nicht mehr Wablrecht beanspruchen als die Stadt, Die Bauernsöhne, die in die Jndustriebezlrke abwandern müssen, werden in dem Augenblick entrechtet, wo sie Industriearbeiter werden. Da» ist doch absurd. Ich erwart- vom Zentrum daß c« feinen Widerstand gegen die Neueinkrilnng der Wahlkreise anfzeben wird. Um io schlimmer iür daS gentriim, wenn es hier versa gtl Die Kommission muß von Grund auf neue Arbeit machen. Wenn dadurch der Regierung die Borlage unannehm« bar werden sollte— ach. daS schadet nichts, dann fällt eben die Vorlage, und dann korgen wir dafür— hoffentlich nicht nur wir Sozialdemokraten, sondern auch die Freisinnigen und das Zentrum— durch Erregung eines Bolls st urmeö(Gelächter recht»)— Ihr Lachen zeigt nur, wie Sie die Mffen verachten— daß die Regierung genötigt wird, recht bald eine ganz andere Wahl rechtsvorlage einzubrigen. Wa» sie an Berbesiernngen bietet, ist gänzlich unzulänglich. Die Moximierung kommt für die Massen der Wähler ja gar nicht in Betracht; sie ist bei Lichte besehen nur eine Konzession an die Besitzenden Bisher hatten wir ja den wunderbaren Zustand, daß auch Minister»nd Gebeimräte gelegentlich in der dritten Klasse wählten. Es ist vorgekommen, daß ein Bordell- b e s i tz e r in der e r st e n und der Generalsuperintendent in der zweiten oder dritten Klasse wählten.(Hört I hört I links.) Da» sind die Folgen dieses Wahlrechts. Der Geheimrat und der Generalsnperlntendent sollen ja nun aus der dritten Klasse heranSgehobe» werden, aber die großen Massen der Wähler bleiben rechtlos! Die Maximierung bedeutet sicher eine Verschlechterung des Wahlrechts für die Freisinnigen und Nationaltiberale n zugunsten de» Zentrums und der Konservativen. Aber davon, daß eine Partei einen Borteil oder einen Nachteil vom Wahlrecht hat, darf man doch seine Stellungnahme zum Wablrecht überhaupt nicht abhängig machen. Der Freisinn sollte mit allem Nachdruck für das völlig gleiche Wahlrecht eintreten und eS wäre gut gewesen, wenn er das läng st mit einem viel höherem Nachdruck getan hätte.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten) Es wäre sehr sonderbar, wenn der Freisinn und die National- liberalen sich auch gegen die Beibehaltung der Drittelung nach Ur- Wahlbezirk«» wenden wollte. Die Forderung der Drittelung nach Wahlkreisen und Gemeinden kann nur derjenige er- heben, der da» Prinzip der Berleihnng de» Wahlrecht? nach der Größe de» Geldsacks anerkennt. Der Freisinn darf gegen die Drittelung nach Urwahlbezirken nicht kämpfen, weil sie wenigstens relativ DaS Proletariat begünstigt. In Berlin haben wir»ur deshalb sechs Mandate erobern können, weil wir auch 22 000 Wähler in der zweiten Klasse hatten. Eine Drittelung nach Wahlkreisen oder über die ganze Genieinde wäre eine unerhörte Verschlechternng. (Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Eine weitere Aenderung deS Wahlrechts ist die Verleihung des Privilegs an die Bildung. Auch diese Aenderungcn müßten vom Zentrum und der ganzen Linken abgelehnt werden. denn sie beseitigen»ich« Vorrechts sondern schaffen neue Vorrechte. Durch solche Flickreformen wird daS skandalöse Unrecht deS DreiklaffenivahlrechtS nicht beseitigt, sondern gestützt und verewigt. Treten die Natiouailibernlen und die Frei- sinnigen trotzdem für die Schaffung neuer Privilegien ein, so werden wir das mit aller Schürfe draußen im Lande brandmarken.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Bevorrechtung der Bildung ist nur ein Privilegium des Besitzes. Nur der kam,«ine höhere Schule besuchen, der in der Wahl selner Eltern vorsichtig gewesen ist. Wenn in Berlin 10 Proz. der Plätze für Kinder aus armen Verhältnissen freigehalten werden, so beweist das gar nichts. Die höheren Schule» bleiben Klassenschulen.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Dazu kommt: die wirklich höhere Bildung deckt sich nicht mit der Bildung, die auf unseren höheren Schulen erworben ist. Gerade die politische Bildung ist in den Kreisen der sogenannten Gebildeten in viel geringerem Maße anzutreffen, als bei der Arbeiterklasse. DaS haben auch ein» sichtige Liberale anerkannt. Das Tollste»nd GroteSkeste an der Borlage ist das Untkroffizierprivilcgium. Es wäre wirtlich iammer» schade gewesen, wenn die Verfasser der Vorlage sich diesen skurrile» Ein- fall verkniffen hätten. Der Rekrutendriller gilt unserer Regierung mehr alS der fleißige Mann der ehrlichen Arbeit.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Das Uiiterosfiziersprivlleg wird ja wahr» scheinlich fallen. Aber dieser Vorschlag zeigt auch dem Vernageltsten, wie die Regierung über das Volt denkt. Die Regierung will sich offenbar eine Prätorianergarde schaffen, eine SchutTtruppe für Junker und Großkapital, weil sie mit Recht annimmt, daß in Preußen kein vernünftiger Mensch mehr für sie eintreten wird.(Unruhe rechts.) Diese Prätorianer sollen zur Wahlurne kommandiert werden und rmter der Füchtel der öffentlichen Wahl abstimmen.(Sehr richtig I bei den Sozial- demokraten.) Wie wäre es, wenn man auch ein W a h l p r i v i l e g für die Streikbrecher einführen wollte, oder, wie wäre es, wenn man den ehemaligen Unteroffizier in die erste Klasse avancieren ließe, der wegen Soldatenmißhandlungen bestraft ist.(Sehr gut I bei den Sozialdeinolraten. Lärm rechts.) Die öffeniliche Abstimmung mit ihrem Terrorismus, mit ihrer schwach- vollen Gefiniiiingsknechtung soll nach wie vor zu reaktionären Wahlen verhelfen. Wir habe» in Preuße» 800 000 abhängige Beamte und Staatsarbeiter und die werden durch die Fuchtel der öffentliche» Abstimmung verhindert, so zu stimmen, wie sie wollen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Nun hat eS sich die„Voss. Ztg." nicht verkneifen können, vom Terror der Sozialdemokratie zu spreche». Auch der Ministerpräsident sprach vom Terror der Arbeiter. Ja, kann man es denn dem Arbeiter verdenken, wenn er als Käufer seine Groschen nicht zu dem Mann trägt, der bei der öffentlichen Abstimmung gegen die Interessen der Konsumenten gestimmt hat? (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Der Arbeiter müßte ja geradezu ein siebenfach gehörnter Esel sein, wenn er so etwas machen wollte. Das wird er auch in Zukunft nicht tun. Wir möchten den Terror beseitigen, wir möchten auch nicht, daß die Geschäftsleute ab» hängtg find; aber so lange diese« öffentliche Wahl- recht besteht, werden Sie eS den Arbeitern nicht verdenken können, wenn sie s o handeln wie eS ja gerade da« öffentliche Wabl- recht will.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Der Ministerpräsident hat auch gar keine Nriache, sich über die Sozial» demokraten und deren Terror zu entrüsten. Diese Abhängigkeit der Geschäftsleute von der Arbeiterschaft ist doch offenbar auch eine „von Gott gewollte Abhängigkeit", für die er eine Lanze gebrochen hat. Der von der Sozialdemokratie seinerzeit ge» übte Terror lvar eine gebotene und in ihren Motiven durchaus hochmoralische Abwehraktion. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Sie hat auch gewirkt, ste hat mehr gewirkt als die platonischen Forderungen, die johrzehnte- lang der Freisinn erhoben hat. Denn daß jetzt die Nationalliberalen für die geheime Abstimmung eintreten und auch einige Frei» konservative, da? ist dem Vorgehen, dem Notwehrakt der sozial- demokratischen Arbeiter zu danken. Der Abgeordnete Zedlitz will auf dem Lande die öffentliche Abstimmung bestehen lassen, aber für die Städte die geheime Abstimmung einführen. Also die Junker sollen TermiSmuS übe» können, aber den Arbeiter» sollen auch in dieser Beziehung die Hände geknebelt werden. Und wie TerrorismuS geübt wird von der rechten Seite, das beweisen zwei Fälle, die ich nur kurz erwähnen will. Als im Jahre 1903 bei den Landtagswahlen die Stadt GoSlar in ihrer Mehrheit national» liberal gestimmt hatte, da wurde vom Bund der Landwirte der Boykott über die Geschäftsleute der Stadt Goslar verhängt. Und als im vorigen Jahre in Northeim ein nationalliberaler Wahlverein gegründet worden war, da verhängten die Bündler wiederum den Boykott über alle Ge» s ch ä f t s l e u t e und abhängige Existenzen, welche diesem national- liberalen Verein beigetreten Ivaren.(Hört! hörtl links.) So üben Sic Terror! Und dann wagen Sie eS. über sozialdemokratischen Terror sich zu entrüsten? Beseitigen Sie die öffentliche Abstimniung, dann beseitigen Sie den Terror. Solange das nicht geschieht, wird die Arbeiterklasse sich einfach zur Wehr setzen. Die Regierung bringt dann noch 'olgendeS kuriose Argument für die öffentliche Abstimmung: In der ersten Klasse, wo doch»ur wenige Personen wählen, würde daS Wahlgeheimnis doch nicht gesichert werden. Die reichen Leute, die Millionäre, die höchsten Beamten, welche Nachteile hätten denn die davon zu befürchten, wenn man wirklich erführe, wie sie gestimmt haben? Es sei denn, daß etliche von ihnen ozialdemokratisch gestimmt hätte»! Aber dann werden doch nicht wir Terror üben, dann wird die Regierung Terror üben t Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Noch«in Argument, da? eigentlich parlamentarisch nicht qualifizterbar ist. In der Begründung beißt es: gegen böswillige Verletzungen de? Wahlgeheimnisses und ;egen terroristische Beeinflussungen der Wahl schützt auch die geheime Wahl erfahrung?genräß nicht". Da» wagt dieselbe Re- greruug zu schreiben, die sich mit Händen und Füßen natürlich nach den Wünschen und Befehlen der Junker— dagegen sträubt, daß endlich zur Sicherung de« Wahlgehelmnisies allgemein Wahlurnen eingeführt werde». Gerade die Junker, die Herren auf dem Lande sind e? ja, welche Biergläser, Zigarrenkisten, Suppenterrinen und ähnliche Gegenstände benutzen. ES werden die Wahlkuverts der Reihe nach hineingelegt und der Reihe nach geöffnet. Da Buch geführt ist, wie abgestimmt ivorden ist, kann man daraus ganz genau entnehinen, wie auf dem Lande abgestimmt wird. So wird auf dem Lande erfahrungsgemäß von den Herren von der Rechten der ungenierteste TerronSmns ausgeübt, und die Regierung, die das ganz genau weiß und dies System iiitzt und fordert, wagt es, einen solchen Satz in die Begründung hinein zu nehmen. Die Vorlage ist von A bis g in allen Details geradezu eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes, eine einzige Provokation des Volkes. Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Wir raten nicht nur den Parteien, sondern auch der Re» i e r u n g und auch der Krone, die Vorlage gründlich um- . u g e st a l t e n. Politische und soziale Klassenherrschaft dauert nicht ewig. Das beweist die Geschichte der Herren von der Rechten. Wieviel haben die Junker nicht aufgeben müssen! Sie haben das Recht aufgeben müssen, als Raubritter die Kauflente zu überfallen.(Heiterkeit rechts.) Sie machen eS jetzt ja viel besser durch die Zölle. Sie haben sich bor F ü r st c n m a ch t beugen luttssen. Der berühmte Historiker Gustav Freytag illustnerre die Junker damals folgendermaße»:„Sie waren Lumpe, bei aller aufsucht ohne festen Mut, sie wurden allgemein für eine Landplage gehalten und mit Schmeißfliegen verglichen, aber sie ivaren bei alledem hochmütige, urchauS aristokratisch gesinnte Geselle n." (Heiterkeit.) Und weiter sagt Gustav Frehtag:«ES war die eit, wo die adelige Mutter ihre Tochter selbst mit reuden in die Arme eines liederlichen Fürsten führte und wo der ofmann die Gattin dem Fürsten gegen Bezahlung » b e r l i e ß(Heiterkeit.) Die Junker haben auch die Leibeigen- schaft aufgeben müssen, einen Znstand, den selbst Graf zu Dohna dahin kennzeichnet, daß„aus den Fenstern des herrschaftlichen Schlosses Jubel und Becherklang ertönte und unter den Fenstern der Stock des Fronvogts schwirrte". «o werden die Junker auch weitere Privilegien preisgeben milssen. Das Volk läßt sich solche Knechtung auf die Dauer nicht gefallen.(Sehr richtig I bei de» Sozialdemokraien.) Es wird feme Mündig» erllärung vom Parlament, von der Regierung und von der Krone verlangen. Andere Regierungen sind ja auch so klug gewesen, zum Beispiel Oesterreich . Kaiser Franz Joseph erklärte, daß die Regierung nicht nur verpflichtet sei, auf die großen Zeitströmungen Sachten, sie sei auch den Völkern verantwortlich; durch die ahlresorm werde dem Gebote der Gerechtigkeit entsprochen.
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