Nr. 37. 27. Iahrgavg.s. Krilase to Jarmirts" Kkllmr KIKsM5oMög. lZ. ltblüüt tSIS.Z�eicKstag.34. Sitzung. Sonnabend, den 12. Februar,vormittags 11 Uhr.Lm BunteZratstisch: v. He er in gen.Eingegangen ist der Entwurf eines HauSarbeits»g e s e tz e s und der eines ArbeitSlammergesetzeS.Diezweite Beratung des Militäretatswird fortgesetzt bei den Kapiteln„Artillerie, und Waffenwesen".sowie„Technische Institute".Abg. Dr. Witt(Z-l: Die Arbeiter in den technischen Be-trieben dürfen nicht schlechter gestellt sein als die städtischen Ar»beiter und die Arbeiter in den Privatbetrieben. Die SpandaucrArbeiter behaupten, dasz die Handwerker der dritten Lohnklasseschlechter gestellt sind als die ungelernten Arbeiter der StadtSpandau, und ähnliche Klagen kommen aus Strasburg, Metz undanderen Städten. Ein weiterer Wunsch der Arbeiter geht dahin,den Stücklohn zu beseitigen und überall den Zeitlohn einzuführen.Ungenügend sind auch die Löhne der zweiten Lohnklasse; SS M.bis 98 M. monatlich genügen nicht zur Ernährung einer Familie.Vielfach ist auch die Arbeitszeit nicht genügend geregelt; die Ar-beiter wünschen, daß eine Ssillndige Arbeitszeit überall, wo sie nochnicht besteht, eingeführt wird. Auch die Arbeiterinnen werden ganzniedrig entlohnt; ausserdem werden ihnen die Gratifikationen nichtbezahlt; eine Arbeiterin in Metz, die schon 3S Jahre beschäftigtwar, bekam keine Gratifikation, weil sie, wie man ihr sagte,nicht ununterbrochen beschästigt war; sie war nämlichwegen ArbcitSmangels hin und wider einen Tag entlassen worden,und deshalb wurde ihr die Gratifikation entzogen. lHörtl hörtim Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) In Arbeiterfragensollte die Heeresvcrlvaltung nicht nur die Arbeiterausschüsse hören,zu denen die Arbeiter bei dem Wahlverfahren doch kein Vertrauenbaben, sondern auch die Vertreter der Arbeiterorganisationen.(Bravo! im Zentrum.)Abg. Böhle(Soz.):Würde die Militärverwaltung den Arbeiterorganisationenmehr entgegenkommen, so brauchten wir uns hier nicht jedes Jahrmit diesen Fragen zu beschäftigen. Der Reichstag sollte Lohnskalenfür die staatlichen Arbeiter festsetzen und sie auch der Gewerbe-ordnung unterstellen. Während die Lohnverhältniss« der st ä d t i»s ch e n Arbeiter fast überall geregelt sind, sind die staatlichen, be«sonders die Militärarbeiter, auf die Gnade der Borgesetzten an»gewiesen. Die Arbeiterausschüsse haben gar keine Bedeutung; inStrassburg sind sogar Personen, die der Militärverwaltung nichtgenehm waren, einfach nicht genehmigt!(Hört! hört! bei denSozialdemokraten.) Dadurch wird den Arbeitern ihre drückendeLage so recht zum Bewußtsein gebracht.Die Löhnebetrugen im Jahre 1998 bis M Proz. der Arbeiter nur bis 10S9Mark, nur bei 49 Proz. wurden 19S9 M. überschritten; von denArbeiterinnen erzielten 69,8 Proz. nur 789 M. und 9,2 Proz.kamen nur bis 819 M.Aus den Mitteilungen der Militärverwaltung geht auch her-vor, dah Arbeiter wegen zu hohen Alters entlassen und nur zuhalbem Lohn beschästigt werden! Auf den Tisch des Hauses habeich eine Arbeitsordnung niedergelegt, aus der Sie sich davon über»zeugen können, dah kein Arbeiter aus diesem Monstrum klug werdenkann. Die Militärverwaltung sollte für klare einfache Arbeits-ordnungen sorgen.(Sehr richtigt bei den Sozialdemokraten.)Sparen könnte die Militärverwaltung sehr wohl; in Straß-bürg kommen auf 19 Arbeiter b— S Beamte, auf 6 Arbeiter einVorarbeiter.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Wennirgendein Stück von einigen Arbeitern geholt werden soll, so setztsich ein Beamter an die Spitze der Arbeiter und marschiert mitifmen an Ort und Stelle und nachher ebenso wieder zurück.(Heiterkeit.) Wie unrichtig das Kricgsministerium oft über Arbeiter-Verhältnisse unterrichtet ist, zeigt ein Erlaß, der die Errichtungvon Bctriebskrankenkassen forderte, in denen die Arbeiter schlechtergestellt waren, und der dann bald wieder zurückgenommen wurde.Die schlechten Verhältnisse im Proviantamt in Strassburg habeich im vorigen Jahre hier zur Sprache gebracht; aber eine Besse-, rung ist nicht eingetreten. Ebenso brachte ich im vorigen Jahrdas Verschwinden eines Wagens mit Heu in Hagenau zur Sprache.Eine Untersuchung hat inzwischen stattgefunden. Ich frage denKriegsminister, was diese ergeben hat.Ein besonderes Kapitel bilden dieMaßregelungen.Arbeiter sind entlassen, angeblich weil sie für den Metall.arbciterverband agitierten, in Wirklichkeit bestand ihr Verbrechennur darin, daß sie dem Metallarbeiterverband angehörten.Aber auch sogenannte reichstrcue Arbeiter werden gemassregclt.In Strassburg besteht seit Jahren ein Militärarbeitcrverband.dessen Vorsitzender, der Arbeiter Stein, wurde entlassen, weil erUnfrieden zwischen Vorgesetzten und Arbeitern gestiftet hätte. InWirklichkeit ist er für die Interessen seiner Arbeitskollegen ein-getreten, und die Verwaltung hat in mehreren Fällen aner-kennen müssen, daß das mit Recht geschehen war, und hat dasUnrecht, das den betreffenden Arbeitern geschehen ist, rückgängiggemacht. Seine Entlassung muß wohl zurückgeführt werden aufeine allgemeine Verfügung der Straßburger Feldzeugmeisterei,worin ausgeführt wird, daß gegen Arbeiter, die sich der Jnteressen ihrer Arbeitskollegen annehmen, also vor allem gegen Ar»beiter, die sich den Organisationen anschließen, vorgegangenwerden soll. Ich frage den Kriegsministcr, ob er diese Verfügungbilligt und ob er sie genehmigt hat. Wenn übrigens dieMilitärverwaltung gegen die reichstreuen Arbeiter in dieser Weisevorgeht, können wir von unserem Standpunkte aus nur zufriedensein.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Dann werdendie reichstreuen Vereine bald aufgelöst werden, und die Arbeiterwerden wissen, wo sie hingehören.(Bravo! bei den Sozialdemokraten.)Oberst Wandel:Der Lohn in militärischen Betrieben kann sich nicht nach demder Stadt oder dem besonders hochzahlender Privatbetriebe richten,sondern nur noch dem allgemeinen Durchschnitt.(Sehr richtig!rechts.) Die Handelskammer in Bonn, in Hannover sowie ver-schiedene Fabrikanten aus dem Sieyerland haben sich beklagt, wirnähmen ihnen durch zu hohe Löhne die guten Arbeiter weg.(Lachenbei den Sozialdemokraten.) Von den Arbeitern verdient niemandbei Stücklohn unter 4 M.(Hört! hört! rechts.) Von den Zeitlohn-arbeitern niemand unter 3 M.(Hört! hört! rechts. Rufe b. d. Soz.:Also ganze 3 M.! Hört! hört!)Der Abg. Will meinte, die dritte Lohnklasse sei besondersschleckst gestellt. In Spandau verdienen die Arbeiter dieser Klassebei Stücklohn täglich 5,38 M., an den übrigen Orten 5,27 M., undauch die Arbeitszeit beträgt auf dem Papier 9 Stunden, in Wirk-lichkeit Slh bis 8% Stunden. Im Zeitlohn ist der Verdienst etwasgeringer, und mit der Abschaffung des Stücklohnes würden dieArbeiter— etwa 69 Proz. arbeiten im Stücklohn— kaum zufrieden sein. Dr. Will führte an, ich hätte im vorigen Jahregesagt, daß wir dankbar sein würden, wenn sich auch die Organi»sationen an uns wendeten. Ich habe nicht von Organisationengesprochen, sondern von Vereinen der Arbeiter.(Lachen bei denSozialdemokraten und Zuruf: Sind die Organisationen nichtVereine?) Ich meinte Vereine von Arbeitern in den Betrieben.Herr Böhle beklagt, daß die Lohnverhältnisse ungeregelt seien;daS ist nicht richtig; Jeder Arbeiter hat eine Lohnordnung inHänden. Dass die Wünsche der Arbeiter uns von den Arbeiter»ausschüsscn vorgetragen werden, wünschen auch wir, und berech-t i g t e n Wünschen wird stets Rechnung getragen.Nun zu dem Arbeiter Stein. Herr Böhle hat hier im Winter1999 Beschuldigungen gegen den Feldwebel König vorgebracht, dieer nur durch Indiskretion erfahren haben konnte. In der kriegs-gerichtlichen Untersuchung ergab sich die Haltlosigkeit aller Anschuldi-gungen bis auf ein« einzige geringe Ungehörigkeit; der Feldwebelhatte nämlich einer Arbeiterin mehr zugewendet als einer anderen.Es ergab sich aber weiter, daß der Urheber dieser Anschuldigungennur der Arbeiter Stein sein konnte. Im vorigen Jahre nahmder Arbeiter Stein Urlaub, und er wurde während der Urlaubs-zeit in der Kantine in Saarlouis getroffen, wohin der FeldwebelKönig versetzt worden war, und dort suckste er die Arbeiter eben-falls gegen den Feldwebel Könsij aufzuhetzen. Nachdem er imSommer 1999 in den Arbeiterausichuß gewählt war, erhob er Be-schwerden gegen einen Zeugmeister bei der Lohnauszahlung, dieebenfalls ganz unwahr waren. Die übrigen Arbeiter erklärten,dah sie von ihm drangsaliert würden und Furcht vor ihm hätten.Gleims feuitteton.Eine schwedische WahlrechtShynme. Die traditionelle Interesselosigkeit unierer Vertretung von Kunst und Dichtung hat ja in derneuen preußischen Wahlrechtsvorlage die gebührende Missachlung ge-funden, insofern als dort Künstlern und Dichtern durchaus nichtdasselbe Maß von politischer Reife zugebilligt wird, als etwaden Militärauwärtern. All diese Erscheinungen find ja nur typischeSpiegelungen der allgemeinen Kullurzuftände. Und wie in Englandoder Frankreich der Künstler im öffentlichen Leben Partei ergreist,so naturgemäß auch in den freieren skandinavischen Ländern. Dasallgemeine Reichslagswahlrecht, das in Schweden Regierung undVolk gegen den hartnäckigen Widerstand der plutokrotischen ErstenKammer zu erringen suchen und über kurz oder lang auch erringenwerden, ist dort ein selbstverständliches Postulat auch jedesIntellektuellen. So hat der Dichter Werner v. Heiden st am eineWahlrechtShymne verfaßt, die seit Jahren bei jeder WablrechtS-kundgebung in Presse und Versammlung ihre aufrüttelnde Wirkunghat. Doppel» merkwürdig für unS ist drefe politische Aeußerungbei einem Manne, der vorwiegend historisch-nationalen Idealennachhängt, bei einen, Poeten, der in der Abkehr gegen dieschwedische WirklichkeitSkunst der 80er Jahre die jetzt herrschende, so-genannte.Richtung der 99er Jahre", einen neuromantischcn Idealismustn Dichtung und Kritik herausgeführt Hot und also nach Meinungunserer ästhetischen Weisen gar keine Veranlassung hätte, sich für«ine so banale Volksangelegenbeit, wie das allgemeine Wahlrecht.zu begeistern. DaS Heideustamsche/Zriginal, dessen kraftvoller Wohl-klang bei der hier folgenden sinng/.reuen Uebersetzung mehrfach ver-loren geht, ist.Mitbürgergesang" betitelt.Ist unter daS Vaterland denn nicht?Wir erbten eS olle wie einer,mit gleichem Rech» und mit gleicher Pflicht,ob arm oder reich, frag« keiner.Und darum wollen wir stimmen frei,wie die Ahnen in Wehr und Waffen,will uns auch kläglich« Kramereiauf die Wage gleich Gcldsäcken schaffen.Wir stritten gemeinsam für Heim und Herd,da mit Mordbrand unS Feinde bedrohten.sticht»'loß oie Herren griffen zum Schwert,als flammend die Kampfzeichen lohten.nicht Herren bloß wahrten das Heldentum,nein ebenso tapfer die Knechte.»Es ist Scham und Schande für Schwedens Ruhm,daß der Geldsack regiert unsre Rechte.ES ist Schande, im Winkel zu hocken dafürund andern zu weih» unsre Taten,anstatt zu kehren vor eigener Türund uns nicht selbst zu verraten.Wir wollen vom Herzen nicht trennen das Haupt;dem Volke die Einheit und Klarheit,wir wollen sie haben, die uns geraubt,«nd was wir wollen, wird Wahrheit.(Hört! hört! rechts.) Ich glaube also, seine Entlastung war gerecht-fertigt.(Beifall rechts.) Eine Verfügung der Feldzeugmeisterei,nach der beabsichtigt sein soll, Arbeiterorganisationen aufzulösen,ist mir nicht bekannt.Abg. Panli-Potsdam(kons.): Auch ich bin der Meinung, daßman die Arbcitervcrtretungen hören und ihre Wünsche nach Mög-lichkeit berücksichtigen sollte. ES ist aber für die Arbeiter schwierigedie„zuständige Instanz"herauszufinden. Ms ich einmal Wünsche eines Arbeitervereinsvortrug, da wurde auch ich an die„zuständige Instanz" gewiesen,bekam aber nicht heraus, welche Instanz das sei.(Heiterkeit.)Die Lohnordnung ist so unverständlich und verwickelt, daß niemanddaraus klug wird.(Redner legt ein Exemplar einer solckienLohnordnung auf den Tisch des HauseL nieder. Abgeordnete allerParteien studieren kopfschüttelnd das grüne Heft.) Die Löhne inden Spandauer Militärwerkstätten stehen weit unter den Löhnender Firma Ludwig Löwe.(HörtI hörtl) Gelernt« Arbeiter be-ziehen pro Tag 69 Pf. weniger als die Spandauer Straßenkehrer!(Hört! hört! b. d. Soz.— Bon den Parteigenossen deS Rednerssind kaum 2— 3 Abgeordnete anwesend, von denen einer zuzuhörenscheint.) 69 Pf. weniger, das ist doch keine Kleinigkeit für eineneinfachen Mann, namentlich wenn er Frau»nd Kinder hat.(Sehrwahr! b. d. Soz. Herr v. Normann scheint nun auch nichtmehr zuzuhören.) Die Wohnungsverhältnisse der Spandauer Werk-stättcnarbeiter sind auch sehr schlecht.(Herr v. Normann ver-lässl den Saal; dafür erscheint Abg. GanS Edler zu Putlitzim Saale.) Redner trägt die Wünsche verschiedener Kategoriender Wcrtstätienarbeiter vor.»Abg. Gans Edler zu Putlitzunterhält sich mit dem Abg. Frhrn. v. Gamp.) Dcn Werkzeug-machern hat man Lohnerhöhungen, die man ihnen mit Müh undRot bewilligt hatte, wieder weggenommen. DaS muß böfeSBlut machen.(Sehr wahr! b. d. Soz.— Abg. v. Nor mannkehrt in den Saal zurück und formiert mit Edler zu Putlitz usw.eine plaudernde Gruppe.— Abg. Dietrich steckt den Kopf zur Türhinein, um ihn schleunigst wieder zurückzuziehen.) Auf das strengsteverbietet man den Büchsenmachern, ihren kärglichen Lohn durchBrivatarbeit etwas aufzubessern. Bei Stabsärzten und Militär-ärzten ist man nicht so ängstlich.(Sehr wahr! b. d. Soz.) DieHeeresverwaltung sollte für Besserung der Verhältnisse sorgen.(Bravo! auf der Rechten, die inzwischen auf ein Dutzend Abgeordneteangewachsen ist.)Abg. Dr. Gircke(natl.): Die Betriebsleiter der militä-rifchen Betrieb- bitten um Gewährung eines s i e aus»zeichnenden Titels! Bezüglich der von Herrn Böhle vor»gebrachten Entlassungen freue ich mich, daß die Militärverwaltungdie Dinge ganz ander? dargestellt hat.(Sehr richtig 1 bei denNationalliberalen.) Als vorhin bei der Nennung des Lohnsatzes von3 Ml Hörtl hört! gerufen wurde, rief Herr Fischer: WürdenS i e dafür arbeiten? Ich frage Herrn Fischer, ob er arbeiten würdezu dem Satze, den er im„Vorwärts betriebe den Buchdruckernzahlt? Bei den bekannten Zuständen im„Vorwärts" hatte HerrFischer am tvenigsten Veranlassung zu dem Zwischenruf.(Abg.Schövflin sSoz.): ReichSverba»dslügen!> Nein, das sagte HerrRexhäuser, und daS sagte der ArbeiterauSschuss der Blichdrucker im„Vorwärts".(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Was wurde ihnenbezahlt?) Jedenfalls zu wenig, denn die Leute haben sich be»schwert.(Zuruf bei den Sozialdemokraten: Ausdrücklich hat inder Erklärung des ArbciterauSfchusseS gestanden, dah mehr bezahltwird als in bürgerlichen Betrieben!) ES kommt nur'daraufan, daß die Arbeiter Beschwerde geführt haben. Auch in den sozial-demokratffchen Konsumvereinen sind die sozialdemokratischenForderungen nicht erfüllt. Die Herren haben also keine Ursache znsolchen Zwischenrufen.(Ironisches Sehr richtig! bei den Sozial.Demokraten.)Abg. Mommsen(frs. Vg.): Herr Görcke sagte, die ArbeiterdeS„Vorwärts" haben sich doch beschwert, also sind ihre Löhne znniedrig. Nach dieser Logik sind die Löhne in den militärischen Be»trieben überall zu niedrig, denn hier beschweren sich die Ar-beiter beständige»nd wir sollten wirklich diesen Verhältnissennähertreten, denn tatsächlich haben in diesen Betrieben seit 1992bezw. seit 1994 Lohnaufbesserungen nicht stattgefunden.Die von Herrn Böhle hier niedergelegte Arbeitsordnung istin der Tat so kompliziert, dah wirklich die Militärverwaltung eineklare und einfache neue Arbeitsordnung schaffen sollte.,Abg. Sommer(frs. Vp.): In der„Familie", die nach denAusführungen de» KriegSministerS alle Offiziere bilden, gibt c»Theater.Deutsches Theater: CristinaS Heimreise.Komödie von Hugo von H o f m a n n s t h a l. Der Beifall, deranfangs stark war, hatte zum Schlüsse mit energischem Zischen zukämpfen. Und auch die Applaudiererrden werden ein Gefühl derEnttäuschung, ja einer gewissen Düpiertheit am Ende schwerlichhaben unterdrücken können. Dem feinsinnigen Sprach» undStimmungSkünstler scheint jene Einheit schafsende Konzentra-tionskraft, die zur Scböpfung grösserer dramatischer Gebilde er-heischt ist, nicht erreichbar. So schloß er sich in seinen früherenVersuchen, in„Elektro" und im„Geretteten Venedig" aufs engstegegebenen Vorbildern an. Freier bewegte er sich in seinem„Oedi-pus". Und in„CristinaS Heimreise", wo er eine selbsterfundene Fabel zugrunde legt, ahmt er die unentwickelteTechnik des älteren englischen 5?omödienstils nach. So vielerleiäußerlich vorgeht, so langsam rückt doch die EntWickelung von derStelle, so dunkel bleibt es in den ersten Aufzügen, worauf derDichter eigentlich hinaus will. Und dann, als er nun endlich anden Angelpunkt gelangt, der einer psychologifch-Iustspielmässigen Be»Handlung wert gewesen wäre, zieht er sich mit ein paar altbackenentrivialen Winkelzügen aus der Affäre.Im ersten Teil sieht eS so aus, als solle die Bekehrung einesliederlich-liebenSwürdigen Tunichtgut durch ein Abenteuer, das ausdem Rahmen der ihm sonst geläufigen herausfällt, den Inhalt derKomödie bilden. Dieser entzündliche Jüngling Florindo, der Ab-gott der Venezianer Edelfräulein und Dirnen, prellt. auS denArmen eines leichten Dämchens kommend, seinen ebenfalls auf Ab»wegen wandelnden Freund, den braven Schiffskapitän Tomaso, be»eistert sich dann aber am nächsten Morgen am Anblicke der ländlich«nen Cristina, die mit dem priesterlichen Oheim zum Bauern-rfe heim will. Seine Blicke fesseln das Mädchen mit magischerGewalt. Sie hat kein Hehl, wie sehr er ihr gefällt, und daß sieihm in ihrer Einfalt eine Heirat ansinnt, entzückt ihn vollends. DerKomödiant berauscht sich an dem eigenen Spiel. Jeder Augenblickder Trennung wäre unausdenkbares Elend; er springt ihr in dieBarke nach.Die Szenen im Gasthof, wie der Bezauberte der Königin seine?Herzens ein glänzendes Festmahl bereitet, wie sie triumphierendglücklich sich ihm als künftigen Gatten hingibt, sind die gelungenstendeS Stücks. Der Abenteurer gewinnt hier individueller bestimmteZüge, und in der Sprache spürt man den Pulsschlag Hofmannsthal-scher Poesie. M o i s s i spielte diese scheinbare Umwandlung deSegoistischen Genutzmenschcn so virtuos, daß man an ihre Realitätund Dauer hätte glauben können. Indes der Dichter spinnt denFaden nicht weiter. Florindo scheidet; er empfiehlt die Braut demwackeren Kapitän zur Obhut und vergißt sie in der Gesellschafteiner jungen Adeligen. Sie aber nimmt den angejahrten, zuver-lässigen Seebären, der im stillen lange für sie glühte, zum Manne.Der seelische Prozeß, der eine solche Wendung hätte Herbeiführenkönnen: daS allmähliche Wiedererwachen CristinaS auS phanta-stischer Bezauberung zur angeborenen bäuerlich prosaischen Ver-nünftigkeit und simplen Weltlust— dieses so reiche Ausbeute ver-.heißende Thema wurde nur tn alleroberflächlichster Weise berührt.Billige Surrogate mußten dafür herhalten. Auch die Versuche, durchdie Figur eines nur halbgezähmten Malahen etwas Posscnkomik zurBelebung des Schlusses herbeizuschaffen, schlugen fehl. Ueberhauptwirkte dieser Wilde, den Herr S ch i l d k r a u t grell groteskcharakterisierte, mit seinen ewigen Wiederholungen derselben kleinenScherze peinlich humorlos; es befremdete, wie HoffnannSthals er»lefencr Geschmack zu solchen Lückenbüßern hatte greifen können-Inszenierung und Aufführung waren vortrefflich. Ebenbürtig standneben M o i s f i S bestrickendem Florindo Else HeimS naturwüchsigeinfache Cristina. In den Nebenrollen hatte außer SchtldkcautViktor Arnold, als grober Gastwirt, einen Heiterkeitserfolg.«it..Trianou-Theater:»Theodore n. Cie.", Schwank vonD. A r m o n t und N. N a n c e y. In der Berliner Theaterlotteriewerden diese Saison lauter Nieten gezogen; nur da» Trianon-Theater hat Glück, ihm ist ei» Treffer zugefallen. Der neueSchwank, dessen angeblich franzöfische Autoren hier ganz unbekanntsind, ist ausgelassen lustig und unterhaltsam bis zum Schluß.Freilich das Genre und die Voraussetzungen muß man zu-gestehen, aber dann wickelt sich alles folgerichtig ab. Zuden Voraussetzungen gehören außer den üblichen Un-wahrscheinlichkeilen allerdings auch starke Anleihen bei guteingeführten älteren Firmen. Der Reiz deS Stücke»besieht nicht zum wenigsten darin, dah die Autoren sich selberdramatisiert haben. All« die Verwickelungen besorgen Theodoreu. Cie., um sie nachher für gutes Geld und mit lustigen Effektenwieder aufzulösen. Theodore ist der Neffe eine« Senators, der aufeine standesgemäße Weise daS nötige Kleingeld verdienen muß. Erlebt von den Tricks, die er mit seinem Gehilfen, dem Verkleidungs-küiistler Clodomir, ausführt. Frau Chcnerol gerät in Verdacht,mit Malvoisier in Beziehungen zu stehen. Ihr Liebhaberverliert nzmlich in ihre« Gatten Haufe ihre Photographien.Durch die Schuld Theodore». Aber Theodore weiß Hilfe. Er redetdem eifersüchtigen Chenerol vor, die Photographie stamme von einerChansonette Gavi PriittempS, die seiner Frau merkwürdig ähnlichsei. Der ganze zweite Akt dient dazu, Chenerol davon zu über-zeugen, daß die Chansonette existiert und wirklich seiner Frau ähnlichist. Der an Ucberraschungen und Zwischenfällen überaus reiche Aktspielt in der Wohnung dcS Senator«, die für dt« der Chansonetteausgegeben wird— und die Chansonette wird von— Frau Chenerolselber gespielt. Mit Hilfe deS beliebten HaustelephonS wird Chenerolmit feiner Frau in Verbindung gebracht und zum Schluß von ihr(die sich inzwischen umkostüiniert hat) überrascht. Chenerol hat sichin die Cbanfoiielte verliebt und das Spiel muß weiter gehen. Er willsie im Barietö, wo sie angeblich engagiert ist. singen hören und sospielt da« Bersteckspiel im dritte» Akt weiter, wo Chenerol seine eigeneFrau als Chansonette auftreten sieht und schließlich mit ihr soupiereneht, nachdem er seinen Nebenbuhler beseitigt und ihre Mutter(esj't Clodomir in neuer Verkleidung) mit 3999 Frank gewonnen hat.Die Firma Theodore u. Cie., die alles inszeniert und aufs bestebesorgt, macht ein Bombengeschäft dabei, denn Gatt« und Liebhaberwerden um die Wette gerupft. Und wen» diese Stücke länger als2'/, Stunden dauern dürften, könnte» es noch mehr Akte. Theodoreu. Cie. machen alle»....