Srtnppe, die sie unter dem Arme trug, wurde jenseits des Zuges auf die Straße geschleudert, und die zahlreichen Zuschauer fanden, nachdem der Zaustkampf vorüber, Gelegenheit, ihre vom Standpunkt einer höheren Kultur aus gewiß bedauernswerlhe Theilnahme für die Dame zu zeigen: sie sammelten— Alt und Jung— die auseinandergcschleuderten Sachen und brachten sie der Besitzerin zurück. Diese war vor Schreck und Empörunc halb ohnmächtig. Sie wurde von einem Herrn in die Konditore von Peschke gebracht, wo man ihr die freundlichste Hilfe zutheil werden ließ und wo sich ihre furchtbare Erregung in einem heftigen Weinkrampf zum Ausdruck brachte. Der Schutz- mann, der pflichtschuldigst nach der Affäre am Platz war. stellte den Vorgang fest, nachdem er seineu reichstreuen Gesinnungen in Ausdrücken zum Durchbruch verholfen hatte, die ich mir nur gemerkt habe, weil sie für den erziehlichen Einfluß der drei Dienstjahre ein glänzendes Zeug niß ablegen.„Ihnen hätte noch ganz was anderes gehört!" sagd er. Natürlich war der Schutz mann der öffentlichen Ord nung so gut im Recht, wie der brave Kanonier, der für seine ausgezeichnete Ruhmesthat, ein Weib bezwungen zu haben, gewiß alles Lob verdient. Zu bedauern bleibt desto mehr die thörichte Einfichtslosigkeit des unverständigen Publikums, das seine Partei� nähme deutlich durch die der Lehrerin geleistete Hilfe ausdrückte.— Man ersieht daraus— und die Fälle, die solche Erkenntniß fördern, häufen sich— man ersieht, wie dringend nöthig es ist, die Dekadenz durch Aus besserung des Militärbudgets in unserem lieben Vaterlande aus zuhalten. Wenn erst alles in Uniformen steckt, wird niemand mehr auf den Einfall kommen, gegen die genialen und zivilisatorischen Institutionen des Militärs mit Wort oder That Einwand zu erheben. Mittenwalde im Belagerungszustand in Friedend zelten. Am Sonntag, den 26. Mai. Nachmittags 3 Uhr, sollte in Mittenwalde eine Volksversammlung mit der Tagesordnung: „Die bevorstehenden Reichstagswahlen" stattfinden. Alle Vor bereitungen waren von feilen des Genoffen Bauchwitz aus Berlin , zur Zeit in Miltenwalde, getroffen. Am 22. Mai schloß derselbe einen Kontrakt mit dem Saalbesitzer Bendix ab und zahlte 3 M. Miethe, und wurde der Referent Genoffe Z u b e i l davon de uachrichtigt. Doch die Sozialdemokraten Miltenwalde's denken und der wohlbeleibte Bürgermeister Mittenwalde's lenkt. Als die Genoffen Zubeil und Tomalski per Wagen in Mitten- walde eintrafen, fiel sofort das kriegerische Aussehen des kleinen Landstädtchens auf. Neun Gendarmen, welche der Bürgermeister am Sonnabend Abend telephonisch zu seinem und der Spießbürger Schutz erberen hatte, sowie fämmt liche Polizisten und Nachtwächter in Gala-Uniform und bis an die Zähne bewaffnet, hatten vor dem Versammlungslokal, an der Spitze der joviale Bürgermeister, Posto gefaßt. Ideferent und hunderte von Genossen, welche aus der ganzen Umgegend von weit und breit erschienen waren, mußten unverrichteler Weise wieder umkehren, da der Wirth durch Einschüchterun g, trotz Kon- trakt und Unterschrift, unterstützt von der bewaffneten Macht, sich weigerte, den Saal zu öffnen. Diese Nachricht verbreitete sich mit Blitzesschnelle in dem sonst ruhigen spieß- bürgerlichen Städtchen und hunderte von Genossen zogen nach einem größeren Gartenlokal am Ende der Stadt, begleitet von der gefammten bewaffneten Macht, um unter deren Schutz und Obhut noch wenige Stunden froh und heiter unter einander zu verleben. Auch einige heitere Episoden bereiteten uns die Herren Gendarmen und Polizisten. Mit strenger Amtsmiene untersagten sie die Tischgespräche, wurden aber vom Genossen Zubeil energisch in ihre Schranken gewiesen. Die Entrüstung über dieses Schildbürgermeisterstückchen war unter allen Ein- wohnern groß und athmcte der Herr Bürgerinelster erst wieder auf, als Genossen Zubeil und Tomalski dem Städtchen per Omnibus den Rücken kehrten. Was der Herr Bürgermeister in blindem Eiser verhindern wollte, ist erst rcchl erfolgreich gewesen. Die Begeisterung der dortigen Arbeiterbcvölkerung für die Ideen der Sozialdemokratie ist eine große und wird dem Herrn Bürger- meister am IS. Juni wohl eine deutliche Antwort gegeben werden Gegen den Wirth Bendix wird Klage aus Schadenersatz er hoben. Au» Niederbarnim . In Lanke geben beide wesentlich von Berliner Arbeitern den Sommer hindurch besuchten Lokale ihre Säle zu Arbeiterversammlungen nicht her. Die Nieder- barnimer Genossen ersuchen die Gesangvereine u. s. w., welche im Sommer Ausflüge machen, bei dem Wirth, Teich er t, in Lanke ihren Durst zu löschen, der keinen Saal, aber vorzügliches Bier besitzt und, falls er einen Saal hätte, denselben gern hergeben würde.— Da an vielen Orten Lokale nicht zu haben sind, ist an mehreren Orten der �Versuch gemacht, Versamm- lungen unter freiem Himmel bezüglich unter ausgespannten Segeln abzuhalten, in W a i d m a n n s l u st, in Marien- werder, in Lieben walde: in den beiden erstgenannten Orten haben die Polizeibehörden die Abhaltung der Versamm lungen verboten, Beschwerde ist eingelegt.— Da mehrere B l u m b e r g e r bei der Verbreitung von Flugblättern mit Drohungen und Schimpfworten einzelne Flugblattvertheiler be- lästigten, auch mit Flinten zu schießen gedroht haben, ist Beschwerde beim Landrath eingelegt und er darauf aufmerk- sam gemacht, daß einige Blumberger infolge verschiedener Um- stände glauben zu Geivaltthätigkeiteu berechtigt zu sein, wiewohl der dortige AmtSvorsteher sie davon in Kennlniß gesetzt hat, daß auch sie den Gesetzen unterstehen. Sollten die brutalen Aus- schreitungen durch die Behörden nicht gehindert werden können, so besteht die Absicht, mit so viel Genossen zu erscheinen, daß die Feststellung der Ueberfallelustigen diesmal ermöglicht wird: bekanntlich ist das Strafverfahren wegen Landfriedensbruchs des- halb vorläufig eingestellt, weil die Schuldigen nicht hattten mit Sicherheit rekognoszirt werden können. Um für die HeereSverstärkuug Propaganda zumachen und dem Volke Sand in die Augen zu streuen, scheinen alle Mittel recht zu sein. Nicht allein, daß die Konservativen die Mittler'sche Broschüre mit dem Titel:„Aufklärung über die Militärvorlage" durch Polizeidiener, Magistrats- und Gemeinde- beamten verbreiten lassen, gebrauchen sie jetzt den demagogischen Kniff, diese Broschüre durch Leute vertheilcn zu lassen, die rothe Blumen im Knopsloche tragen. So wurden am 2. Pfingst- seiertag in Rauen bei Fürstenwalde von einem rothbeblümten konservativen Bauernsänger eine ganze Anzahl der Ernst Mittler- fchen Broschüren an die Landarbeiter verbreitet. Unsere Genossen mögen bei Gelegenheit derartigen rothbeblümten Individuen auf den Zahn fühlen. Die absolute Unzulänglichkeit deS Berliner Kranken- Transportwesens trat wieder einmal in der Nacht zum Montag recht deutlich hervor. Ein ca. SSjähriger Mann hatte, nachdem er den Abend im Rathskeller zugebracht und dort für etwa 2 Mark Speisen und Getränke verzehrt, sich schließlich gegen »M2 Uhr ohne Bezahlung entfernt. Als er vor der Thür vom Kellner eingeholt und zur Rede gestellt wurde, zog er eine Pistole hervor und jagte sich eine Kugel in die Stirne. Ein herbe:- geholter Schutzmann benachrichtigte sofort das nur ca. 8 Minuten entfernte Krankenwagen-Justitut. Und nun blieb der Schwer- verwundete dreiviertel Stunde» laug an dem Orte der That auf dem Straßendamm liegen ohne kunstgerechten Verband und bis fast zuletzt ohne ärztlichen Beistand! Der Transport mittels Droschke wurde polizeilicherseits nicht gestattet, obwohl Paffanten sich erbeten, für alle Kosten aufzukommen. Endlich um>/ül Uhr erschien der Krankenwagen.— Das Vorkommniß zeigt wieder einmal klar, zu welchen unzulänglichen Zuständen das private sKrauken-TranSportwesen führt. Gerade bei derartmen Verletzungen ist bekanntlich sofortige gründliche ärztliche Hilfe, wie sie nur das Krankenhaus bieten kann, unerläßlich; es wäre gerade in diesem Falle vielleicht eine Rettung möglich gewesen, wenn der Verwundete, der biS zuletzt noch Lebenszeichen von sich gab, auf der Stelle nach d«r Heil- änstalt geschafft worden wäre. Man vergleiche damit nur das prompte Eingreifen der Feuerwehr bei Bränden, und man wird einsehen, wie berechtigt die sozialdemokratische Forderung der Uebernahme des Kranken-Transporles in städtische Regie ist. Möchte dieser letzte Vorfall an maßgebender Stelle die Anregung zu einer Aenderung der für Berlin ganz unwürdigen Verhältnisse geben. Kuriosität vom Gewerbegericht. Bei den Wahlen der Beisitzer zum Gewerbeaericht war am 20. Februar d. I. im 17. Wahlbezirk auch der Kiftenmacher Ernst T s ch e r n i g Fürstenstraße 17 wohnhaft, in der Liste der Arbeitnehmer gewählt worden. Als solcher ist er auch mit den übrigen im Gemeinde-Blatt Nr. 10 vom S. März d. I. proklamirt, woran er auch bald feine Bestallung und das nothwendige Material erhielt. Von den gewählten Arbeitgebern haben nun im zwischen vier aus stichhaltigen Gründen ihr Amt niedergelegt und treten laut Ortsstatut die mit nächst größter Stimmenzahl an ihre Stelle. Jetzt verkündet das Gemeinde-Blatt Nr. 22 vom 26. Mai d. I. wiederum unfern Genoffen Kistenmacher Ernst Tschernig als Beisitzer zum Gewerbegericht seitens der Arbeit g e b e r für den 17. Bezirk. Die Bestallung(ausgefertigt am 20. Mai) als solcher ist ihm ebenfalls bereits zugestellt. Es liegt hier also ein behördlicher Schnitzer vor. AlS ei» Anzeichen der allgemeine» verminderten Bau thätigkeit in Berlin kann die Thatsache gelten, daß die Zu- nähme an Grundstücken und Versicherungswerlhen bei der städtischen Feuersozietät sich in rückläufiger Bewegung befindet. Während 1889/00 noch S3S neue Grundstücke bei der Sozietät versichert wurden, ging diese Zahl 1890/91 auf 442, im Jahre 1391/92 au 388 herab. Am 1. Oktober 1892 waren im ganzen 22 171 Grund stücke mit einem Versicherungswerthe von 3 218 428 800 M. versichert. Die Stadtgemeinde Berlin ist daran mit 322 Grund- stücken und einem Versicherungswerth von 113 059300 M. be theiligt. Neber einen aufklärnnaSbediirftigen Fall wird das Nachstehende gemeldet: Die 22 Jahre alte Frau des Aichmeisters Meyer suchte Sonntag Nachmittag emen Arzt in der Weißen- burgerstraße auf, um wegen eines Frauenleidens Hilfe zu suchen. Der Arzt wandte eine Chlorzinklösung an und hatte das Unglück, daß dle Patientin unter setnen Händen starb. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Leiche beschlagnahmt und die in Gebrauch gewesenen Instrumente, wie auch die chemische Lösung vorläufig au sich genommen. Ob dem Arzt ein Verschulden zur Last gelegt werden kann, läßt sich vorläufig nicht beurtheilen Eine Dynamit- Explosion in der Kaserne des Regiments Garde du Corps zu Potsdam wird vom Sonnabend Nach- mittag gemeldet. Alle Schauer des Anarchisteuschreckens knüpften sich bereits an diese Nachricht. Jetzt stellen sich die Thatsachen wie folgt heraus: Von dem Futtermeister der 5. Eskadron. Sergeant Witt, sollten am Sonnabend Vormittag nach Been digung des Reitens einige alte Helme, die beim Fechten ver« wendet wurden, von dem über den Stall belegenen Futterboden (nicht, wie gemeldet, von der Montirungskammer) herabgeholl werden. Witt begab sich deshalb in Gemeinschaft mit dem Quartiermeister R o g g e und einigen Soldaten nach dem Boden. Dort fiel ihm plötzlich beim Suchen nach den Helmen ein dicker Strick auf, den er, weil er ihn zum Binden von Heu verwertheu �u können glaubte, aus allerlei Gerumpel hervorziehen wollte. va dies aber nicht so leicht ging, so nahm Witt ein Messer, um den Strick durchzuschneiden. In diesem Augenblick erfolgte eine heftige Explosion, durch die dem Wilt ein Finger der linken Hand fortgerissen wurde, während der dabei stehende Quartiermeister Rogge eine Verletzung am Auge erhielt, die iu dessen nicht sehr erheblich ist. Ein Gefreiter, der in der Nähe war, klagte nach der Explosion über Taubheit, die sich aber wieder gehoben hat. Die Untersuchung soll nun ergeben haben, daß der vermeintliche Strick eine Zündschnur gewesen ist, die mit einer Dynamitpatrone in Verbindung stand. Diese Zündschnur war kabelarlig von dünnen Drähten durchzogen und die beim Durchschneiden derselben erzeugte Reibungl brachte das Dynamit zur Explosion. Es handelt sich um eine Patrone, wie solche zum Sprengen von Eisenbahnschienen verwendet wird. in welcher Fertigkeit alljährlich einzelne Abtheilungen der Kavallerie ausgebildet werden. Nach dem Ergebniß der Unter- suchung ist anzunehmen, daß die Patrone in sahrlässiger Weise. also nicht in schlimmer Absicht, wie zuerst vermuthet wurde, auf den Futterboden gelegt worden ist und dort schon längere Zeit gelagert haben muß. Von den Verletzten befindet sich nur der Sergeant Witt im Lazareth , Rogge wurde in der Kaserne ver bunden. Zwei Amerikaner sind hier ver hastet worden, die an- scheinend geriebene internationale Ladendiebe, vielleicht auch Einbrecher sind, denn bei einem wurden feingearbeitele Ein brecherwerkzeuge vorgefunden. Der eine will der Kürschner Glower aus San Francisco , der andere der Kommissionär Harden aus Washington sein. Beide haben in einem der ersten hiesigen Gasthöfe gewohnt, der Letztere unter dem Namen Harriuglon. Sie haben verschiedene Juwelierläden in der Friedrichsiraße aus efucht, soweit bisher festgestellt, u. a. auch den Laden von frankenberg, Friedrichstr. 82, wo vor einigen Tagen ein Paar jrillantohrringe im Werth« von 500 Mark gestohlen wuroen. Der Verkäufer hat einen von ihnen bestimml als den Thäter wiedererkannt. In den übrigen Fällen scheint die Ge- legenheit zur Ausführung von Diebstählen nicht günstig gewesen zu sein. Die Festgenommenen haben hier jede Aussage verweigert und sich gestellt. als ob sie kein Wort deutsch sprächen, aber auch aus Fragen in englischer Sprache nicht geantwortet, wie es die Gewohnheit amerikauijcher Gauner ist. Aufgefallen ist der Kriminalpolizei, daß sie am 21. d. M. Abends hier angekommen sind, ohne anzugeben, woher und daß an demselben Morgen vor 6 Uhr zwischen Verviers und Köln dem chilenischen Kriegsminister sein Portefeuille ge- kohlen wurde. Der Bestohlene hat allerdings nicht anzugeben vermocht, daß ihm unterwegs die beiden Personen ausgefallen eien. Glower hat ein glaltrasirtes Gesicht, ist blond und trägt auf dem ganzen Oberkörper merkwürdige Tätowirungen, so aus dem Rücken„Christus und die beiden Schächer am Kreuz", aus der Brust eine Frauenfigur, die in der erhobenen Rechten ein Schwert, in der Linken das Sternenbanner hält. Haiden hat einen dunkelbraunen Schnurrbart, abstehende Ohrmuscheln mil angeivachsenen Zipfeln, ein krankes linkes Auge, und daneben eine tiesliegende Narbe. Gekentert ist am Sonntag Nachmittag um drei Uhr auf dem Langen See das Scgelbool Else, in dem der Porzellan- Händler Jakobi und der Malermeister Frisch aus Berlin eine Wasserpartie unternahmen. Obgleich beide durchaus seegelkuudig md, so waren sie doch aus eine plötzlich eingesetzte Boe nicht vor- bereitet und konnten nicht verhindern, daß das Fahrzeug um- chlug. Während sie mit den Wellen um ihr Leben rangen, er- .chien ihnen ein Retter in einem zusällig vorbeifahrenden Dampfer. der beide an Bord nahm. Wegen versuchten MordeS ist am Sonnabend Nach. mittag die 45 Jahre alte Arbeiterfrau Pauline Gcrth in ihrer Wohnung, Hageisbergerstr. 37/38, durch die Polizei festgenommen worden. Ihr Ehemann war dem Trünke seit langer Zeit er- geben. Als er am Sonnabend Nachmittag gegen sechs Uhr iviederum betrunken nach Hause kam und zu Belle ging, goß sie ihm Schwefelsäure in die noch zumTheil gefüllte SchnapZflasche. Gerth erwachte etwa eine halbe Stunde später und griff nach der SchnapZflasche. Trotzdem er sich den Mund und innere Theile vollständig verbrannt hatte, schleppte er sich noch biS zu dem Polizeirevier in der Lichterfelderstraße, wo er Anzeige wurde. Die Frau giebt an, daß sie nur die Absicht gehabt habe, ihrem Manne daS Trinken abzugewöhnen, da er durch feine Neigung zum Schnaps die Familie an dm Bettelstab bringe. Von den vier Kindern ist ein 18jähriger Sohn in der Lehre, dcr zweite von Nachbarsleuten angenommen, und die beiden jüngsten Kinder sind im Waisenhause untergebracht worden. Der Vater ist in sehr schwerem Zustande dem Krankenhause am Urban zugeführt worden. Wegen vorsänlicher Brandstiftung ist der Kaufmann Schmidt, Calwmstraße 29, verhaftet worden. Sonntag Abend zwischm 9 und 10 Uhr wurde in seiner verschlossenen Wohnung Feuer bemerkt. Als die Feuerwehr eingedrungen war, fand sie als Herd des Feuers eium kleinen Holzkasten, der mit Holz und Papier gefüllt war und in dem ein brmnmdes Stearinlicht steckte. Zweifellos lag Brandstiftung vor. Der Verdacht lmlte fich um so eher auf Schmidt, als er nachweislich die Wohnung kurz vor- her unter Mitnahme seiner Feuerversicherungspolic« verlassen hatte. Ans der Straffe plötzlich zusammengebrochen ist am Sonnabend Nachmittag bald nach 6 Uhr eine bisher unbekannt gebliebene Frau in den vierziger Jahren. Dem Slnscheine nach hat sie sich auf einem Gange befunden, um Einkäufe zu machen; sie fiel vor dem Hause Jnvalidenstr. 85 plötzlich um und blieb hilflos auf dem Bürgersteige liegen. Von herbeigeeilten Personen auf den Flur des genannten Hauses(jetragen, starb sie nach wenigen Minuten. Als Anhalt zur Ermittelung der Persönlichkeit kann dienen, daß die Frau eine Handtasche mit sich führte, in ihrer Wäsche das Zeichen E. I. 2" hatte und mit einem grau und gelben Strohhut mit Kamillenblumen, einem schwarzen Kleide, einem Regenmantel mit Perlenbesatz und schwarzen Zengschuhen bekleidet war. Die Leiche ist aus Veranlassung des 7. Polizei- reviers nach dem Echauhause übergeführt und dort ausgestellt worden. Zu der Blutthat am Garnisonkirchhofe wird berichtet, daß der Diener Hermann Hampel noch am Leben ist. Wenn er auch meistens noch in Bewußtlosigkeit verharrt, so treten doch ab und zu kurze lichte Augenblicke ein, und die Ehefrau, die in auf- regender Ungewißheit oft, das Krankenhaus besucht, hat am Sonnabend die etwas tröstlichere Nachricht mitgenommen, daß in dem Befinden ihres Mannes eher eine geringe Wendung zum Besseren, als zum Schlechteren wahrnehmbar sei. Als ein günstiges Zeichen wird besonders der Umstand angesehen, daß der Puls des Kranken dauernd normal ist. Obgleich die Hoff- nung auf Genesung hiernach nicht gänzlich ausgeschlossen ist, so besteht doch immer noch große Lebensgefahr.— Die Leiche der jungen Schwägerin Hampels ist bereits beerdigt worden. Marktpreise in Berlin am 27. Mai, nach Ermitte- lungen des Polizeipräsidiums. Weizen per 100 Kg. guter von 1(3,60— 16,20 M., mittlerer von 16,10—15,30 M.. geringer von 15,70—15,40 M. Roggen per 100 Kg. guter von 14,80— 14,60 M., mittlerer von 14,50—14,30 M., geringerer von 14,20—14,00 M. Gerste per 100 Kg. gute von 17,50—16,40 M., mittlere von 16,30—15,20 M., geringe von 15,10—14,00 M. Hafer per 100 Kg. guter von 16,90—16,50 M.. mittlerer von 16,40—16,00 M, geringer von 15,90—15,50 M. Stroh. Nicht- per 100 Kg. von 6,50— 5,30 M. Heu per 100 Kilogr. von 9,30— 6,00 M. Erbsen, gelbe zum Kochen per 100 Kg. von 40,00—24,00 M. Speisebohnen, weiße per 100 Kg. von 50,00—20,00 M. Linsen per 100 Kg. von 80,00 biS 30,00 M. Kartoffeln per 100 Kg. von 6,00— 4,00 M. Rind- leisch von der Keule per 1 Kg. von 1,60—1,20 M. Bauchfleisch per 1 Kg. von 1,30—0,90 M. Schweinefleisch per 1 Kg. von 1,60—1,10 M. Kalbfleisch per 1 Kg. von 1,60—0,80 M. Hammel- leisch per 1 Kq. von 1,50—0,90 M. Butter per 1 Kg. von 2,30 bis 1,80 M. Eier per 60 Stück von 4,00—2,20 M. Fische per 1 Kg.: Karpfen von 2,40—1,20 M. Aale von 3,00—1,00 M. Zander von 2,40—1,00 M. Hechte von 2,00—1,00 M. Barsche von 1,60—0,60 M. Schleie von 2,30—1,00 M. Bleie von 1,40 bis 0.70 M. Krebse per 60 Stück von t2,00— 1,75 M. Polizeibericht. Am 27. d. M. Vormittags wurde eine Frau in ihrer Wohnung in der Zoffenerstraße erhängt vor- gefunden.— Vor dem Hause Friedrichstr. 99 fiel eine etwa 6 Zentner schwere Kiste beim Abladen vom Wagen und traf den dabei beschäftigten Kutscher. Er erlitt eine schwere Quetschung am Bein und mußte nach der Universitätsklinik ge- bracht werden.— Nachmittags mischte eine Frau in ihrer Wohnung in derHagelsbergerstraße ihrem dem Trünke ergebenen Ehemann Schwesetsäure in den Branntwein, so daß er. als er gegen Abend davon trank, schwere Verletzungen erlitt, die seine Neber- ührung in das Krankenhaus am Urban erforderlich machten. Die Frau wurde verhaftet.— In der Nacht zum 28. d. Alls. entstand vor dem Hause Adolfstr. 15 eine Schlägerei, bei der der Arbeiter Ludwig von dem Arbeiter Schultze durch einen Messer- stich in den Unterleib schwer verletzt wurde. Ludwig wurde nach der Charitee gebracht und Schultze verhaftet.— Am 28. d. Mls. Vormittags versuchte auf der Wache des 69. Polizei-Reviers ein zu seiner Vernehmung dorthin bestellter Arbeiter sich durch mit- gebrachte Salzsäure zu vergiften. Er wurde schwer verletzt nach der Charitee gebracht.— In der Nacht zum 29. d. M. brachte ich vor dem Hause Jüdenstr. 59 ein etwa 40 Jahre alter Mann einen Revolverschuß in die Schläfe bei und verletzte sich so chwer, daß seine Ueberführung nach der Charitee erforderlich wurde.— Im Laufe des Tages fanden fünf Brände statt. Thenkev. Die Direktrice. Berliner Sittenbild in vier Aufzügen von Erich Steffen. Der Verfasser hat mit dem Stück, welches am Sonnabend im Nationaltheater aufgeführt wurde, ei"»n Griff in's volle Menschenleben hinein geihan. Aber da, wo er es packle, was es ergreisend, erzählte es uns von jenem verzweifelten, ausstchls- losen Kamvf, den der Besitzlose unter den heutigen Verhältnissen gegdn die Uedermacht des Kapitals kämpft. Erich Steffen, wie der Verfasser genannt sein will, hat ein scharfes Auge für die Schäden der heutigen Gesellschaft, er steht, wie alle?, was dem Menschen sonst heilig und theuer ist, unter der rücksichtslosen Faust des genußsüchtigen Kapitalisten zu Grunde geht, er hat ein warmes Herz für die Enteiblen und Rcchllosen— aber einen Ausweg aus der verzweifelten Lage, in welcher sich das Prolelariat befindet, weiß er nicht anzugeben. Als der Vor- hang zum letzten Male fiel, da sieht man eine Proletarierfamilie dumpfer Verzweiflung� untergehen. Der Besitzer einer Waschesadrik hat in seinem Geschäft eine Direktrice angestellt, die schließlich seinen Versührungslüiisten zum Opfer fällt. Sie ist mit einem ehrlichen und tüchtigen Arbeiter, ver außerhalb Berlins wohnt, verlobt und sie löst dieses Verhälwiß, weil sie es nicht über sich gewinnen kann, dem einen Mann preisgegeben zu sein und dem anderen Liebe und Treue zu heucheln. Von ihrem„Brotgeber" wird sie in den Strudel )er großstädtischen Vergnügungen gerissen, sie wird von ihm reich beschenkt und in den Stand gesetzt, für ihren alten, arbeits- unfähigen Vater und ihre Geschwister zu sorgen. Sie weiß, daß ie unter unwürdigen Verhältniffen lebt, aber der Gedanke an ihren Vater und ihre Geschwister hält sie aufrecht und läßt sie die Schmach ertragen. Der Fabrikant wird ihrer eine? Tages überdrüssig, sie„langweilt ihn mit ihrer ewigen Sentimentalität". und als er auf der Straße die Bekanntschaft eines jungen Kindes macht, sucht er sich seiner alten Liebe zu entledigen. Es gelingt ihm, das„neue Verhältniß" in feine Wohnung zu locken, bei Portwein und Apfelkuchen erfährt er, daß er es mit der jüngeren Schwester seiner Direktrice zu thun hat. Natürlich findet er das sehr pikant"— im enlscheidenden Augenblick wird er jedoch von seiner Direktrice überrascht, die ihre Schwester aus den gegen seine Ehefrau erstattete, die denn auch sofort verhaftet Klaueii des Wüstlings rettet. Auch der Vater und der früher«
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten