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und berufliHtN Rückst an di gleit umerhaW der Arbeiter- klass». Die Regierungsvorlage und die Anträge bezweckten nur das eine, eine voll st ändige Isolierung der entrechteten Nichtbesitzenden zu schaffen. Gerade die Arbeiter, der «ertvollsto und zahlreichste Bestandteil des Volles, sollten entrechtet sein, sollten Heloten bleiben I Wenn es der Sozialdemolratie darauf ankomme, die Massen aufzureizen und bis zUm äußerste» zu er- bittern, könne sie es nur begrüßen, wenn die Regierungsvorlage und die Anträge der Negierung angenommen würden I Die Abstimmung ergab die Ablehnung sämtlicher An« träge. Auch die entsprechenden Paragraphen der Regierungsvorlage wurden sämtlich abgelehnt. Li»«nebet gegen<iie Met Gestern hat die Sirafjustizkominission nach zweitägiger Sitzung dem Vorschlag der Regierung, die öffentliche Kritik und die Presse in schlimmster Art zU knebeln, zugestimmt. Die Re- gierung schlägt in ihrem Entlvurf vor, die Geldstrafen und Bußen bei Beleidigungen in ganz ungeheuerlicher Art zu erhöhen und außerdem der Wahrheit einen Riegel vorzuschieben. Die Erhöhung der Strafen soll darin bestehen, daß im§ 186 des Strafgesetzbuches an Stelle der Höchststrafe von 660 beziehentlich 1S00 M. 1000 und 10 000 M. treten soll. UeberdieS soll die Geldstrafe im Gegensatz zum geltenden Recht mit Freiheits- straf« kumuliert werden können. Ter Vorschlag der Regierung lautet(die Aenderungen sind durch Sperrdruck hervor- gehoben): Wer in Beziehung aus einen anderen ein- Tatsache be- hauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist. wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, wegen Beleidigung mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark(bis- lang 600 M.) oder mit Hast oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre und. wenn die Beleidigung öffentlich oder durch Ver- breüung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen be- gangen ist, mit Geldstrafe bis zu zehntausend(bislang löOO) Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Aus die Geld st rase kann auch neben der Freiheits- st rase erkannt werde n." Ferner soll die höchstzulässige Buße(§ 188) statt 6000 20 000 Mark betragen. Unerheblicher ist, daß die Höchst-Geldstrafe bei Berkeumdungen statt 900 M. fortan 8000 M.(ohne KumulierungS- Möglichkeit mit einer Freiheitsstrafe) betragen soll. Eine andere Erklärung als die. daß die Regierungen sich dadurch auf Um- wegen ein Mittel verschaffen wollen, ihnen unbequeme Kritiker und eine ihnen unbequeme Presse einfach vernichten wollen, ist undenkbar. Freilich behaupteten die RegierungS- Vertreter, die Strafen würden nur auf die Revolverpresse An- Wendung finden; ausdrücklich erklärten sie und selbst der kon- servative Abg. Dr. Wagner, daß die sozialdemokratische Presse sich frei von den Auswüchsen einer nach Sensation haschenden Presse und natürlich vom Revolvertum halte, diese vielmehr nach- drücklichst bekämpfe. JmGesetzhatdaSkeinenAusdruck gefunden. Jede schon heute der Schlinge des Z 186 leicht ver- fallende öffentliche Kritik ist mit den neuen drakonischen Strafen des Z 186, die über die Strafandrohungen gegen bewußte Verleumdung hinausgehen, bedroht. Und für diesen Preßknebel stimmte auch der..freisinnige" Abgeordnete Dr. H e ck s ch e r, dagegen stimmten die übrigen freisinnigen Kommissionsmitglteder, der freikonservative Abg. Doerksen und die Sozialdemokraten. Schon jetzt ist es möglich, bis auf 2 Jahre zu erkennen. Die Kriminalstatistik zeigt, daß die bestehenden Strafandrohungen mehr als ausreichen. Die letzte amtliche deutsche Kriminalstatistik(über das Jahr 1907) weift an Bestrafungen wegen Beleidigung und übler Nachrede(§8 186. 186) 86 096 Per- urteilungen auf. Auf die Höchststrafe von 2 Jahren wurde nur in einem Falle, auf Gefängnis von 12 Jahren in 13, auf Ge- ifängnis von 3 bis 12 Monaten in 4S3, auf Gefängnis von 1 bis 3 Monaten in 147S. auf Gefängnis von 8 bis unter 30 Tagen in 3623, auf Gefängnis von 4 bis 3 Tagen in 2366, auf niedrigere Gefängnisstrafe in 733. auf Haft in 366, auf Geldstrafe in 60990 «und auf Verweis in 296 Fällen erkannt. Die Statistik erweist, daß nicht der geringste Anlaß zur Erhöhung der Strafen oder gar zur Kumulierung vorliegt. Und da findet sich eine Reichstags- kommiffion, die. unter dem Vorgeben, gegen Skandalblätter vor- gehen zu wollen, die anständige öffentliche Kritik und die oppositionelle Presse mit Vernichtung bedroht. Hiergegen ist «S Pflicht der gesamten anständigen Presse, ohne Unterschied der Parteirichtung, den energischen Widerstand, der sich im März 1909 gegen die Vorlage erhob, nunmehr gegen die Kom- missionSbeschlüsse erster Lesung zu richten. Bereits am Dienstag soll die zweite Lesung stattfinden. Die an st ändige Presse, die es wagt, gegen Mißstände aufzutreten, die sich der Unter- drückten und der Verfolgten gegen ihre mächtigen Widersacher an- nimmt, wird durch den Kommtsstonsbeschluß aufs schlimmste be- droht. Kein Zeitungsmann ist selbst bei der größten Gewissen- haftigkeit und Sorgfalt davor sicher, daß nicht einmal ein Wort zu viel, eine etwas zu weitgehende Behauptung in die Artikel seines Blattes gerät. Einer gleichen Gefahr unterliegt jeder Redner; niemand ist sicher, daß der Richter die Zeugnisse, die ihm vorgeführt werden, nicht anders bewertet, als der Redakteur oder Redner. 90 Proz. der Verurteilungen sind erfolgt, weil der Wahrheitsbeweis nach Ansicht des Richters nicht voll erbracht war. Und in wie vielen Füllen ist Verurteilung lediglich deshalb erfolgt, weil Beamten verboten wurde, auszusagen, weil er sonst die Wahrheit des Artikels oder der Rede hätte de- ckunden müssen? Ader mit dem einen Knebel iffs der Regierung und der Kommiffton nicht genug. Unter dem Vorgeben mag fein im aufrichtigen Bestreben jene von jedem anständigen Menschen verdammte Privatklatschereten. insbesondere über eheliche oder außereholiche Vorgänge privatester Natur, zu hindern, schlug die Slegiermig vor, dem§ 186 zuzusetzen: Bei einer öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangenen Beleidigung tritt die Bestrafung ohne Rucks, cht auf die Erweis- lichkeit der Tatsache ein, wenn diese lediglich Ver- hältnisse des Privatlebens betrifft, die das öffentliche Interesse nicht berühre». Eine Beweisauf- »ahn« übe- die behauptete oder verbreitete Tatsache ist nur mit Zustimmung des Beleidigten zulässig." Daß eine Schädigung der berechtigften Interessen durch diese Vorschrift erreicht werden, daß den gemeinsten Ausbeutern sexueller Unerfahrenheit geradezu ein Freibrief und eine Prämie bis LOOOO M. durch diese Vorschrift gegeben werden könne, wurde in der Kommission anerkannt. Anerkannt desgleichen, daß die Be- griffeVerhältnisse des Privatlebens" undöffentliches Interesse" nndefinierbars Kautschulbegrisse sind. Die Fassung der Re­gierungsvorlage wurde verworfen» aber folgender nicht minder ge- fährlichs Antrag Z>x. Dagßcx M fitöbßt gpgeiMlme»; § 186ä. Bei«ined öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangenen Beleidigung tritt ohne Rücksicht auf die Erweislichkeit der Tat- sache die Bestrafung»ach§ 186 wegen Geheimnisbruchs ein, wenn diese Tatsache lediglich Verhältnisse des Privatlebens be- trifft, die das öffentliche Interesse nicht berühren. Es bedarf keiner langen Darlegung, daß auch diese Vorschrift die berechtigten Interessen der Oeffentlichkeit und der Presse viel- leicht entgegen der Absicht der Antragsteller bedroht. Was ist ein Verhältnis des Privatlebens, das das öffentliche Interesse nicht berührt") Berührt die Aufdeckung einer Paschawirtschast in einer Fabrik, die Aufdeckung derVerhältnisse des Privatlebens" irgend- eines Wüstlings, die in massenhafter Verführung unschuldiger Mädchen besteht, dasöffentliche Interesse"? Ist der Schweinigel ein Ordnungsmann, ein Ordnungsheuchler, so wird in 99 von 100 Fällen die Frage verneint werden, und der Redner oder Redak- teur, dem das Verdienst zukommt, vor solchem BolkSverwüster gewarnt zu haben, fliegt, weil die von ihm behauptete Tatsache wahr ist, ins Gefängnis. Das heißt in der Tat die Gerechtigkeit geradezu auf den Kopf zu stellen und zur willfährigen Dirne für gemeinschädliche Hallunken herabwürdigen. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen ange- nommen. Lex Eulenburg nannte man die Lorlage bei ihrem Erscheinen. In der Tat, dies Wort kennzeichnet den Geist der Vorlage und des ihr gleichstehenden Kommissionsbeschlusses trefflich. Fürst Eulen- bürg defindet sich noch heute auf freiem Fuß und ohne Verurtei- lung. Wer aber wagt, Schweinereien, die, weil es Schweinereien sind, dielediglich das Privatleben" eines hochgestellten Sittlich- keitsheuchlerS betreffen, öffentlich aufdeckt, wird durch die Vorlage. a u ch w c n n e r bis aufs Tippelchen über dem i den vollen Beweis führt, wegen Ausdeckung einer gemeingefährlichen Heuchelei mit Gefängnis bis zu 2 Jahren und mit 10000 M. Geldstrafe sowie mit 20 000 M. an den Schweinigel zu zahlender Buße bedroht. Das ist deutsche Gerechtigkeit! Die sozialdemokratischen Mitglieder der Kommission bean- lragten, die Redner und die Presse gegen mißbräuchliche Anwen- dung des Beleidigungsparagraphen durch Annahme folgender Fassung des ß 193(die Aenderungen sind durch Sperrdruck hervorgehoben) wenigstens in etwas zu schützen: Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische, ge- werbliche, politische oder militärische Leistungen, in- gleichen Aeußerungen, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter ihn o o« r Dritte angehender Interessen, insbesondere auch öffentlicher Interessen auf politischem, reli- gtösem oder anderem Gebiet oder solcher In- teressen, die zur Ausübung eines berechtigten Berufs gemacht werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgeletzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von se:ten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Aeuherung oder aus den Umständen» unter welchen sie geschah, hervorgeht. Der Antrag wurde niedergestimmt. Auch die Freisinnigen stimmten gegen die beiden Einschaltungenihn oder Dritte au- gehender" undoder solcher Interessen, die zur Ausübung eines berechtigten Berufs"(wie der Presse)! Die Presse ohne Unter- schied der politischen Richtung sollte gegen diesen Wechselbalg der Gesetzgebung Sturm laufen, damit die einer freien öffentlichen KrUtt zugedachte Fessel nicht Gesetz wird. Miilheim-Nipperfiil'th. Aus dem Wahlkreise wird uns zum Wahlergebnis noch ge- schrieben: Unser Erfolg ist vorwiegend auf Kosten der Liberalen errungen; in dem meist evangelischen und liberalen Kreise Gummersbach   hatten wir allein eine Zu- nähme von 1600 Stimmen, trotzdem gerade hier die Libe- ralen die eifrigste Agitation entfalteten. Allerdings kann man nicht behaupten, daß das halbe Dutzend Parteisekretäre, die zur Ver- tremng der nationalliberalen Sache hierher beordert waren, sonder- lich geschickt verfuhren; ihre Agitation erinnerte stark an reich«- verbändlerische Manieren. Die Gummersbacher   Nationalliberalen verfielen am Schluß des WahlkanipfeS gar auf den komischen Ge- danken(offenbar aus Konkurrenzrücksichten auf daS Zentrum), sich als den wahren Schutz der Religion anzupreisen. Man merkt, daß der Nationalliberalismus ansängt, alt zu werden. Im übrigen sei anerkannt, daß die Liberalen ebenso, wie sie von der in unseren Versammlungen gewährten Gelegenheit zur freien Aussprache Ge- brauch machten, lolche auch ihren Gegnern in hinreichendem Maße gewährten. Das Zentrum giug auch in diesem Wahlkampf nicht ab von seiner Gewohnbeit, der Wahrheit, der Freiheit und dem Rechte dadurch zu dienen, daß es den Gegner nach allen Regeln christlicher Nächstenliebe beschimpfte und verleumdete, ihm aber Red« und Antwort in offener Aussprache verweigerte und wo es ging, mit allen Mitteln der rohen Gewalt entgegentrat. Keinem unserer Flugblottverbreiter ist in dem evangelischen Kreise Gummersbach   das mindeste geschehen, im christkatholischen Kreise Wipperfürth   waren die Bedrohungen, die Verfolgungen und Mißhandlungen unserer Leute an der Tages­ordnung; dasselbe läßt sich sagen von dem ultramontanen Teile des Landkreises Mülheim. Und während u»S im Kreise Gummers­ bach   eine ganze Anzahl von Lokalen zur Verfügung stand, hatten wir im Kreise Wipperfürth   auch nicht ein einziges Mal Gelegenheit, vor einem größeren Wähler- kreise zu reden. Man begreift eS, wenn in diese scharf be- wachte und ängstlich verschlossene Hürde auch nicht der leiseste Hauch der politilch bewegten Zeit hineindringt, wenn die Bevölkerung hier nichts erfährt außer was der Herr Pfarrer, der die Wahl- bewegung leitet und das ZentrumSblättchen inspiriert, ihnen ver- kündet. Nicht die christliche Weltanschauung, wie die nltramontane Presse verkündet, nicht daS Zentrumsprogramm hat die katholische Wählerschaft bei der Stange gehalten, sondern der Knüppel, mit dem man die sozialdemokratischen Flugblattverbreiter abwehrte, der Terrorismus, den man wider jeden ausübte, der sich nicht der Zentrumsmacht beugt, der Fanatismus, den man sogar auf die Kinder erstreckte, die zur Verhöhnung und Beschimpfung der Sozialdemokratie dressiert worden wvren. Die Geistlichen waren bei alledem an der Spitze; Herr Bitter hätte hier ergiebiges Material sammeln können zur Bekräftigung seines Satzes, daß ohne die Klerisei das Zentrum verloren ist. Rückgang der Liberalen. Stillstand deSZen- trums, Aufstieg der Sozialdemokratie   das ist das Ergebnis der Mülheimer NeickistagSersatzwahl. Und wir können mit unserem Fortschritt zufrieden sein. Die Sieghaftigkeit unserer Sache ist dadurch erwiesen, daß wir überall im Wahlkreise, wo wir Gelegenheit hatten, zu den Wählern zu reden, auch an Stimmen zugenommen haben, nicht nur im evangelischen Kreise Gummersbach  , andern auch unter der katholischen Bevölkerung des Landkreises Mülheim. Wir wollen dein Zentrum seinen Klerus schenken: es wäre auch geliefert, wenn wir mit gleichen Waffen kämpfen und an 'ein Gefolge herantreten könnten. Die Schwtndelpoliti! würde w sich zusammenfallen mit und ohne Klerus) In der Stichwahl werden die Christlichsozialen für das Zentrum stimmen. Das Zentrum könnte dennoch geschlagen werden, wenn die L i b e r a l c n sich entschließen würden, Mann für Mann auf die Seite der Sozialdemokratie zu treten. Der allgemeine Kampfruf: Nieder mit dem Zentrum I würde, durch de» ganzen Wahlkreis getragen, noch manches Tausend bisheriger Nichtivähler an die Wahlurne bringen. Ob sich freilich die Liberalen zu einer entschieden antiuliramontanen Wahlparole entschließen, ist die Frage, und erst recht ist die Frage, ob sie Disziplin und Mur genug besitzen, einer derartigen Wahlparole gemäß auch zu ver- fahren. Wenn die Liberalen lernen könnten, dann würden sie gerade aus diesem Wahlkamvfe die Lehre ziehen, daß die Wasch lappigkeit für eine Partei der Anfang vom Ende ist. DieRheinische Zeitung  ", unser Kölner   Parteiblatt schreibt: Das Erfreuliche an dem Ergebnis ist der Beweis, daß auch das Zentrum auf die Dauer dem Ansturm der Sozialdemokratie nickit widerstehen kann. Die sozialdemokratische Stimmenzunahme entfällt lediglich auf das Landgebiet; rund 1000 Stimmen haben wir in Zentrumsdomänen gewonnen.... Unbefriedigend für uns ist das Ergebnis aus der Industrie- stadt Mülheim  ; hier vermochten wir nur 42 Stimmen zu ge- Winnen, da« Zentrum dagegen nahm um 510 Stimmen zu. Man mag eine Erklärung dafür in der wirtschaftlichen Krise suchen, die gerade unter den städtischen Industriearbeitern schwere Opfer ge- fordert nnd die Zahl der sozialdemokratischen Wähler vermindert hat. Eine weitere Erklärung findet man in der maßlosen religiösen Hetze des Zentrums, die geradezu ekelhafte Forme» an- genommen hat und am eifrigsten von den Predigern der christlichen Liebe geschürt worden ist... Immerhin bleibt die Tatsache be- stehen, daß das Zentrum in einer Industriestadt seine Stimmeuzahl vermehren kann, wenn eS auch auf Kosten der Liberalen geschehen ist. Dieses peinliche Gefühl wird aber von der freudigen Genug- tuung aufgewogen, daß wir auf dem Lande sehr schöne Fortschritte erzielt haben. In den ländlichen Bezirken haben die Zentrumsgetreuen wieder unerhörten TerroriSmuS getrieben. In Wipperfürth  wurden unsere Vertrauensleute mit Schlägen aus einem Wahlokal hinauSgetrieben: ähnliche Vor­gänge werden uns an» Heiligenhaus  , Steinenbrück  , Marialinden  , Eselbqch. Mittelbeck und anderen Orten gemeldet. In Steinen- brück war der sozialdemokratii-ve Vertreter bis nachmittags im Wahllokal; da erschien der Herr Kaplan, und dieser hatte nichts eiligeres zu ttm, als den Polizeidiener zu holen, der unseren Genossen trotz seines Protestes aus dem Wahllokal vertrieb. Daß die Einrichtungen für die Stimm- abgäbe sehr zu wünschen ließen, sei nur nebenher erwähnt." Von der wüsten Kainpfesweise des Zentrums kann der folgende Bericht derBergischen Aroeiter stimme". unseres Solinger   Parteiorgans einen Begriff geben: «... In der Versammlung(einer Zentrumswählerversammlung am 6. Februar) sprach der Zenlrnmskandidat, OberlandeSgerichtsrat M a r x- Düsseldorf  . Zur Diskussion verlangte der national- liberale Herr Jakobs aus Köln   das Wort. Zunächst wurde es ihm verweigert, dann wurden ihm zehn Minuten Rede- zeit zugestanden. Das Bemühen, sich zum VorstandStjsche durch- zuarbeiten, gestaltete sich aber zu einem solchen Martyrium, daß Herr Jakobs von der Absicht, in einer geschlossenen ZenlrumSwähler- Versammlung zu reden, gründlich kuriert wurde, was er selber in folgende klassische Form kleidete: Zehn Minuten Redezeit sind mir bewilligt worden. Siebe» Minuten hat man auf mir hcnimgetreten und mich verprügelt. Aus die letzte» drei Minuten verzichte ich nnd danke nur noch dem Herr» Dekan Stllhler für den persönlichen Schutz, den er mir gewährt hat, nachdem ich ihn darum anacruscu." Dieser Vorgang bat sich unter den Augen des Zentrums­kandidaten, eines höheren Richters, abgespielt I Der Reichstag   würde in ihm sicherlich eine Zierde sondergleichen be- kommen, wenn er gewählt werden sollte. Sozialdemokrat? und Liberalismus werden es in der Hand haben, das zu verhindern." Ob es die Nationalliberalen über sich bringen, den Zentrumskandidaten zu wählen, unter dessen Augen ihr Partei» genösse Jakobs verprügelt wurde? Polizeiliche Räubergeschichten und freisinniger Qtnfall. Wie sehr die Meldungen über die Vorgänge des Dienstags in Neumünster   aufgebauscht worden sind, zeigt die folgende Darstellung, die uns heute aus der vielgenannteli Stadt zugeht: Neumünster  » 16. Februar. Jeder nicht ganz bornierte Mensch muß zugeben, daß nach den blutigen Polizeischlachten vom letzten Sonntag die Empörimg noch lichterloh sein mußte, als Dienstag nachmittag um 6 Uhr nach Schluß der Fabriken und Werkstätten zwei große öffentliche, von 3500 Personen besuchte Versammlungen sich mit den Polizeibruwlitäten beschäftigte». Selbstverständlich wurde von den Leitern der Versommlungen zur Ruhe und Besonnen- heit aufgefordert und die große Mehrzahl der Besucher kam auch dem Ersuchen nach. Sie gingen ruhig nach Haus«. Indes blieben an den verschiedenen Ecken des Groß-Flecken eine An- zahl Personen stehen, zu denen sich noch Neugierige und Kinder gesellten, und gaben, da sie am Rathause vorbeizogen, wo die Polizeimannschaften konzentriert waren, ihrer Entrüstung ungeschminkten Ausdruck. ES kam, wie eS polizeitechnisch so schön heißt, zu.Krawallen". Die Polizeibemühte" sich die Straßen zu räumen; es gelang ihr aber schlecht. Der Polizeikommissar Guts- mann, rühmlichst bekannt durch seine Waffentaten am letzten Sonntag, soll diverse Flaschen an den Kopf und beinahe einen Schuß be- kommen haben. Heute spazierte er wieder vergnüglich durch die Straßen. Um 9'/z Uhr abends wurde, als die Straßen noch nicht leer waren, Militär requiriert. Eine Kompagnie unter Führung eines Hauptmanns rückte an. ES wurde Wirbel geschlagen, eine Aufforderung zum Auseinandergehen erscholl und das Militär säuberte" vi« fast leerstehenden Straßen in der Nähe de? Rat- Hauses l Der freisinnigeHolsteinische Eonrier", der noch am Montag auf der Seite der Demonstranten stand, ist nach den neuesten Vor- gängen wie umgewandelt. Der Herr, der in der Redaktion den lokalen Teil verbricht, erklärt jetzt frank und frei, daß er seine Darstellung vom Montag, die ans falschen Voraus- setzungen beruhe, zurücknimmt- Da dieser Herr von LöJahren Inhaber des Verlages ist. kannmanseinepolizeilich inspirierten Absichten wohl verstehen. Ihm schließen sich mehrere Darstellungen an. die den Zweck haben, diehalbwüchsigen Burschen und RowdieS" auf das grimmigste zu befehden. Nur em Beispiel. Der 26 jährige Arbeiter Gustav Ahrens erhielt nämlich von einem Schutzmann natürlich wieder von hinten einen Säbelhieb über den Oberarm. DerSchutzmann" verschwand dann sofort. Nach der Darstellung desCourier" soll dieser Mann aber den Hieb erhalten haben, als er im Begriffe war, mit einem Stein nach dem Beamten zu werfen. Das ist eine faustdicke Lüge. Der junge Mann ist friedlich seines Weges gegangen. Im übrigen werden die Polizisten heute vom.Courier" gelobt. Der eine von einem Stein beschädigte Beamte wird alsgeschätzter Beamter" bezeichnet. Nach erner neueren Meldung haben heute der Staatsanwalt und der Regierungspräsident das blutige Terrain besichtigt l Kommissar Gutsmann hat den Begleiter gespielt! In der Kollcgiensitzung am kommenden Freitag werden die Herren vom Magisttat und der Polizeiches Rede und Antwort stehen müssen.