St. 41. 27. Jahrgang. 1. KtilM des Jotmätlü" KM» Wksdlall Frkiiüg. 18. Ftbrmr l91y. R.eickstag. SS. Sitzung. Donnerstag, den 17. Februar, nachmittags 1 Uhr. Am Tische des Bundesrats: Nur der braunschweigische Bevoll- mächligte Geheimer Legationsrat Boden. Zunächst ivird der schleunige Antrag Brandys und Genossen <Pole> auf Einstellung eineö gegen den Abg. Korfant y sPole) schwebenden Strafverfahrens für die Dauer der gegenwärtigen Session debattelos angenommen. Der nächste Gegenstand der Tagesordnung ist der �oleransantrag des Zentrums. Er lautet: „Der Reichstag wolle beschließen, den Reichskanzler zu ersuchen, durcb Verhandlungen mit den Bundesstaaten dahin zu wirken, daß Beschränkungen der religiösen Freiheit, soweit solche bestehen, aus dem Wege der Gesetzgebung beseitigt werden." Die Abgg. Älbrrcht u. Gen.(Soz.) beantragen, dem Antrag noch folgende Sätze hinzuzufügen: a) daß aus der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft keine Beeinträchtigung der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten abgeleitet werden darf; b) daß kein Kind gegen den Willen der Erziehungsberechtigten zur Teilnahme an einem Religionsunterricht oder Gottesdienst an- gehalten werden darf; c) daß zur Bewirtung des Austritts aus einer Religions- gemeinschast eine schriftliche oder mündliche Erklärung zu genügen hat. die vor dem Amtsgericht des Wohnortes abzugeben und von diesem der Religionsgemeinschaft mitzuteilen ist: <t) das Auslrittsverfahren hat kosten- und stempelfrei zu sein. Zur Begründung des Antrages des Zentrums erhält das Wort: Abg. Fürst zu Löwenstcin(Z.): Gleich nach Erkämpfung der politischen Einheit hielt das Zentrum die Zeit für die religiöse Freiheit gekommen, und schon am 27. März 1871 brachte die Zentrumsfraktion einen entsprechenden Antrag ein, der aber ab- gelehnt wurde. Viel später, nach Beendigung deS Kulturkampfes, bra-bte daS Zentrum einen Gesetzentwurf ein über die Freiheit der Religionsübung: den ersten sogenannten Toleranzantrag, der schließlich in seinem grundsätzlichen Teil mit 163 gegen Vv Stimmen der Nationalliberalen und Konservativen angenommen wurde. Die Verbündeten Regierungen bestritten dem Reichstage das Recht, diese Materie zu regeln, und beteiligten sich ilicht an der Beratung. Das Zentrum brachte dann wiederholt, im Jahre 1908 und 1966, Toleranzanträge ein, die nicht immer freundlich aufgenonmien, ober doch schließlich angenommen wurden, und selbst die Gegner des Antrages mußten anerkennen, daß eine Beseitigung der religiösen Unduldsamkeit für ganz Deutschland erwünscht sei. Was sind denn auch die Beschränkungen der Katholiken anders als eine Fortsetzung des Kulturkampfs unseligen Andenkens?(Sehr richtig I im Zentrum. sehr unrichtig! bei den Nationalliberalen.) Unser Antrag soll den Boden ebnen, auf dem alle Parteien fich zusammenfinden können zuni Schutze der religiösen Freiheit.(Leb- hasteS Bravo! im Zentrum.) Der heute morgen eingebrachte An- trag der Sozialdemokraten gibt einen solche» gemeinsamen Boden nicht.(Sehr richtig I im Zentrum.) Wir haben in dem Wortlaut große Zurückhaltung geübt, um jeden Schein zu vermeiden, als wollten wir die evangelische Kirche schädigen. Wir beantragen nicht reichsgesetzliche Regelung, die Kompetenzftagen scheiden also aus: wir verlangen lediglich Be> leitigung der Beschränkungen der religiösen Freihert, soweit solche bestehen, und zwar verlangen wir die Beseitigung der Unduld« samkeit nicht nur durch andere Handhabung der Gesetze, sondern aus der Gesetzgebung selbst. Es ist an vielen Orten Deutschlands noch so viel Perückenstaub aufgehäuft, daß wir allen Anlaß haben. hier vom Reichstag aus die alten Rumpelkammern gründlich zu lüften, bis der Staub verflogen ist.(Lebhafter Beifall im Zentrum.) Eine schwere Kränkung der Katholiken ist da« Gesetz gegen die Orden, durch welches die Mitglieder der Orden an der Landes- grenze zurückgewiesen werden wie verseuchtes Vieh.(Lebhaftes Sehr richtig I im Zentrum.) Das Deutsche Reich, in dem 38 Millionen Evangelische und 22 Millionen Katholiken wohnen, kann nicht konfessionell fem.(Sehr Kleines fcuilUton. Neue Element-Forschungen. Bon Frau Curie, die mit ihrem verstorbenen Manne epochemachende Untersuchungen über das Radium und ihm nahestehende Elemente gemacht hat, ist wieder eine wichtige Forschung dem Abschluß nahegebracht worden. Der»Franks. Ztg." wird darüber aus Paris acineldet: Es ist Frau Curre gelungen, au« mehreren Tonnen Pechblende ein Zehntel Milligramm de» Selbst- leuchtstoffes zu erhalten, den sie als Enldeckerin nach dem Namen ihres Vaterlandes Polonium genannt hat. Solche Quantitäten ivaren von diesem Stoffe, der sünftausendmal seltener ist als Radium, noch nie zur Verfügung gewesen. Das Polonium hat eine viel stärkere Selbstleuchtkraft als das Radium: es entwickelt besonders viele Alphastrahlen. Die Flüssigkeit, in der eS aufgelöst erhalten wird, läßt fortwährend Blasen verschiedener Gase auf- steigen, unter denen sich Ozon durch seine Fülle bemerklich macht. Das Ouarzgefäß, in dem diese Lösung aufbewahrt wird, erhält Sprünge über dem Niveau der Flüssigkeit, ohne daß man bisher noch die Ursache dieser Erscheinung feststellen� konnte, die fast zweifellos auf elektrische Kräfte zurückzuführen ist. Das Polonium entwickelt ebenfalls Helium; in hundert Tagen hat das für die Experimente dienende Zehntel Milligramm durch Ausstrahlung einen Raummillimeter dieses seltenen GaseS hervorgebracht. Man hat mit dem Spektroskop diesen Körper studiert, der bisher wegen seiner großen Flüchtigkeit und ungeheuer weitgehenden Verteilung geibueren Nachsorschungen sich entzogen hatte. Diese Prüfung hlft in dem Polonium zur Entdeckung von sieben nur diesem Stoffe eigenen Streifen geführt. Eine der Haupterscheinungen, die besondere Hoffnungen auf das Eindringen in die Ge- Heimnisse der Selbstleuchtkörper erweckt, ist die, daß das Polo- niurn sich selb st sehr schnell zersetzt. Während das Radium kaum einen Gewichtsverlust hervortreten läßt— waren 140 Tage ausreichend, um zum Verschwinden von 50 Proz. deS Poloniums zu führen, mit dem die Experimente vorgenommen wurden. Beim Verschwinden entwickelt das Polonium Helium; durch die Analyse der Ueberreste, die es lassen wird, wenn es voll- ständig verschwunden ist, wird man vielleicht endlich die Grund- elemente dieser bisher so geheimnisvollen Stoffe erkennen, so daß die neuen Forschungen Frau Eimes eine wichtige Etappe auf der Bahn des großen Problems der Stoffebildung darstellen. Jeremias Gotthelf und die Bauern. Aus dem Nachlaß Karl B o g l S werden Erinnerungen im„März" veröffentlicht. Darin be- richtet der ehemalige Reichsverweser ein bemerkenswertes Zusammen- treffen mit dem Schweizer realistischen Bauerndichter Gotthelf , dessen Geschichten neuerdings wieder in Aufnahme gekommen sind. »Ich besuchte— erzählt Karl Vogt — einmal mit meinem Freunde Fritz Jenni in Bern , seines. Zeichens Buchhändler und Rcdalteur eines radikalen Witzblattes„Der Guckkasten", das damals viel Staub aufwirbelte, den bekannten Schriftsteller Jeremias Gotthelf , der als ehrsamer Pfarrer BitziuS in Lützclflüh, einem Dorfe des EnmienthalcS, amtierte. Er nahm uns sehr freundlich auf. erklärte aber sofort Jemi», der gerne ein Werk vov ihm verlegt hätte, daß er, als»urchiger Konservativer" richtig! im Zentrum.) In den Freundschaftsverträgen wird den fremde» Staatsangehörigen volle Religionsfreiheit zugesichert, die den katholischen Bürgern in der eigenen Heimat vielfach versagt ist (Sehr richtig! im Zentrum.) Ich bitte daher alle Parteien, unserem Antrag zuzustimmen.(Lebhaftes Bravo I im Zentrum.) Braunschweigischer Bundesratsbevollmächtigter Geheimer Lc- gationsrat Boden bestreitet, daß in Braunschweig die Katholiken heule noch zurückgesetzt und in der Ausübung der religiösen Freiheit beschränkt werden, wie der Vorredner und andere behauptet hätten. Abg. Winkler(k.): Eine Beseitigung veralteter Bestimmungen, welche die religiöse Freiheit beeinträchtigen, wünschen auch wir. Aber wir wollen kein Eingreifen des Reichskanzlers in diesen Fragen, die zur Kompetenz der Landesgesetzgebung gehören. Unsere ftaats- rechtlichen Bedenken sind durch die neue Form, die der Antrag er- halten hat, nicht vermindert, sondern verstärkt. Die Kompetenz des Reiches auf diesem Gebiete besteht nicht, und wenn wir einer Einflußnahme des Reiches auf die Bundesstaaten hier zustimmen wollten, würde das zu unabsehbaren Konsequenzen führen. Wir wären dann nicht mehr in der Lage, Widerstand entgegenzusetzen, wenn irgendwo der Versuch gemacht wird, in das Verfassungsrecht dieses oder jenes Einzelstaatcs von Reichs wegen einzuwirken. Wir wollen auch nicht den Schein eines Aufsichtsrechts des Reichs gegenüber den Einzel- stauten aufkommen lassen. Mit dieser unserer ablehnenden Haltung glauben wir uns aber nicht in Widerspruch zu setzen mit der christ- lichen Toleranz. Wir können nur wünschen, daß diese Toleranz auf beiden Seiten praktisch betätigt wird.(Bravo I rechts.) Abg. Everling(natl.): DaS Zentrum will daS Recht der religiösen Freiheit durch eine Resolution herbeiführen, die als vorläufiger Ersatz eines Reichsreligionsgesetzes gedacht scheint. Ob ausgerechnet die tentrumspartei nach ihrer konfessionellen Natur und ihrer föderalistischen endenz zuständig ist, die religiöse Freiheit durch Reichsgesetz herbei- zuführen, auf diese interessante Frage will ich heute nicht eingehen. Außerhalb der katholischen Kirche hat man sich darüber eine feste Meinung gebildet(Sehr richtig I links) und die Herren vom Zentrum würde ich doch nicht überzeugen, zuinal bei der Gewandtheit der Herren vom Zentrum, für ihre jeweiligen politischen Be- dürfniffe die jeweilig passenden Gründe zu finden.(Heiter- keit links. Unruhe im Zentrum.) Nach dem Antrage soll dem Reichskauzler ein Auftrag erteilt werden—(Zuruf: Er ist wieder nicht da!), dem Reichskanzler, für den sym- bolisch ein Stuhl dasteht.(Heiterkeit.) Als gewiffenhaste Leute müssen wir zunächst die B e r e ch t i g u n g des Antrages prüfen. Für uns liegt eine Notwendigkeit, diese Resolution anzunehmen, nicht vor. Den Kompetenzbedenken der Konservativen können wir uns nur an- schließen.(Bravo ! b. d. Natt.) Die Herren links glauben vielleicht, daß diese Resolution der erste Schritt zur völligen Trennung von Staat und Kirche ist. Aber nach den Wünschen deö Zentrums soll die Kirche ihre Privilegien behalten und der Staat das Aussichtsrecht verlieren; das ober ist das Gegenteil einer Trennung von Staat und Kirche.(Zu- stimmung bei den Nationallibcralen.) Wir lehnen den Antrag ab gerade aus Ehrfurcht vor der Kirche.(Bravo ! bei den National- liberalen, Lachen im Zenttum.) Abg. Dr. Müller-Meiningen (frs. Vp.. vom Zentrum mit Unruhe enipfangen): Sie hoffen wohl auf ein Kulturkanipflied. Aber hier und überhaupt kommt e s anders als man glaubt. (Zuruf im Zentrum: Er dichtet schon wieder!) Der Antrag der Sozialdemokraten erscheint formell nur als Anhang zu dem Zetrums- antrag, so daß nicht klar ist, ob er die Reichsgesetzgebung oder die Landesgesetzgebung in Bewegung setzen will. Matenell ist er bester als der Zentrumsantrag, da er besfimmte konkrete Forderungen aufftellt, Forderungen, die auch wir stets unterstützt haben. Wir haben stets den Standpunkt vertreten, daß religiöse Intoleranz kleinlich, gehässig und verwerflich ist. Wir wünschen Toleranz gegen- über allen Richtungen: Orthodoxen wie Freireligiösen.(Lebhafte Zustimmung links.) Gegen die Regelung der Frage auf dem Wege der Reichsgesetzgebung aber erheben sich schwere Bedenken. So lange die Kirche nicht aufhört, politische Tendenzen zu verfolgen, Religion und Polifik zu verquicken, den Staat in ihre Dienste pressen zu wollen, so lange bedeutet die Toleranz, wie das Zentrum sie fordert, vermehrte Machtmittel für die katholische Kirche . Wir ver- langen, daß die Reste religiöser Intoleranz aus der Gesetzgebung getilgt werden, aber wir lehnen den vorliegenden Zentrumsantrag als unklar in seiner Fassung, bedenklich in seinen Konsequenzen, ge- fährlich in seinen Zielen ab.(Lebhafter Beifall bei den Liberalen.) mit dem ärgsten»radikalen Scheusale" des Kantons Bern unmög- lich in Geschäftsverbindung treten könne. Jenni meinte, daß ein von einem Berner verfaßtes, bei einem Berner verlegtes Werk doch im Kanton Bern einen bedeutenden Absatz finden müste. .Einbildung", rief BitziuS ,„Irrtum, Aberglauben I Meinen Sie, ein Bauer lese Dorfgeschichten? Fällt ihm gar nicht ein I Ritter- und Räuberromane a la Spieß und Cramer(bekannte Räuber- und Gespenstergeschichtenverfasser) lesen allenfalls die Weiber und Mädchen und die Männer, wenn sie überhaupt etwas lesen, buchstabieren in dem„Hinkenden Boten" Geschichtchen aus den Kreuzzügen oder den Jndianerkriegen. Als sie im Dorfe erfuhren, daß der JerimiaS Gotthelf ein und dieselbe Person sei mit ihrem Pfarrer BitziuS , hätten sie mich fast von der Pfarre verjagt mit Spießen und Stangen. Nein, meine Geschichten werden in den höheren, ge- bildeten Kreisen gelesen, aber nicht von Bürgern und Bauern!" Obwohl die Erzählungen Gotthelfs viel echter, künstlerischer und wirksamer sind al« die Salon-Bauerngeschichten Auerbachs, scheinen sie dasselbe Schicksal wie diese gehabt zu haben: von den Bauern nicht gelesen worden zu sein. Dir geölte Straße. Wie man früher aufgeregte MeereSwellen mit Oel zu beruhigen versucht hat, so sollen jetzt auf ähnliche Weise die für den Menschen kaum weniger gefährlichen Staubwolken nieder- gekämpft werden. Seit der Einführung der schweren und schnell fahrenden Motorwagen in den täglichen Verkehr in Großstädten und Landstraßen, tst diese Forderung äußerst dringlich ge- worden. Besonders vorzügliche Ergebniste scheint die Ver- Wendung von rohem Petroleum in Aussicht zu stellen. Sehr ausgedehnte Erfahrungen mit diesem Mittel hat ein Gcsundheits- beamter in T o r o n t o gemocht. Uebrigens soll Oel in irgendwelcher Form schon von den alten Aegyptern zur Staubbekämpfung benutzt worden sein, und eS wäre somit vielleicht nichts besonders Neues, wenn jetzt sämtliche Straßen einer Stadt mit Petroleum behandelt würden, wie es in der kanadischen Hauptstadt der Fast ist. DaS Erdöl wird mehrere Male nach einander in Zwischenräumen von einigen Stunden auf die Straßenfläche aufgetragen. Die Zahl der Wiederholungen hängt von� der Beschaffenheit der Straße ab. Ist diese gut, so genügt eine dreimalige Anwendung, und diese reicht für einen bis drei Monate hin. Die Haltbarkeit richtet sich natür- lich wieder nach dem Grad der Benutzung der Straße. Je besser der Weg ist. desto kleiner ist auch die erforderliche Menge von Petroleum, was für die Kosten und somit in vielen Fällen wohl siir die Benutzung des Verfahrens überhaupt ausschlaggebend ist. Endlich kommt noch in Betracht, ob die Straße eben oder steil. der Comic ausgesetzt oder schattig ist. Die Verteilung des Erdöls geschieht durch Sprengwagen in möglichst rascher Weise, damit sich keine Oelpfützen bilden. Zn zwei Kilometer Straßenlänge würden bei einmaliger Delling in drei Wiederholungen freilich fast mehr als sechzig Hektoliter Pettoleum nötig sein, bei schlechtem Zustand der Straße noch mehr. Bärrnvevehrung. ES gibt ein Volk, daS die Bären verehrt, das ihnen zu Ehren große Feste veranstaltet. daS sie füttert und hegt und pflegt, solange sie leben, und das sie dann tötet und sie, wenn sie tot daliegen, bitterlich beweint und betrauert; dieses seltsame Volk ist der Stamm der Ainu, die im südlichen Teile der Insel Sachalin Abg. David(Soz.): Der Antrag will, daß die bestehenden Beschränkungen der religiösen Freiheit beseitigt werden. Diese Forderung, wie sie da- steht, ist eine Forderung des sozialdemokratischen Programms, in dem es heißt: Erklärung der Religion zur Privatsache, kirchliche religiöse Gemeinschaften sind als private Vereinigungen zu be- trachten, die ihre Angelegenheiten vollkommen selbständig ordnen. Ergänzt wird diese Forderung durch das, was wir im allgenteincn auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechts verlangen, wo wir für die Abschaffung aller Gesetze sind, die die freie Meinungsäußerung und daS Recht auf Vereinigung und Versammlung unterdrücken. Damit ist unsere prinzipielle Stellung zu dieser Forderung gegeben. Dem entspricht auch unsere bisherige Haltung zu den Anträgen, die unter dem Namen „Toleranzanträge" seither vom Zentrum eingebracht worden sind. Wir haben mit den Herren zusammen das darin ausgesprochene Ziel der Beseitigung aller staatlichen Eingriffe in die Freiheit der religiösen Betätigung verfolgt. Wir haben auch gegen alle Zwangs- und Unterdrückungsgesetze gestimmt, die man gegen die Herren vom Zentrum speziell gemacht hat. Die Herren wissen, daß wir bei der Kulturkampfgesctzgebung an ihrer Seite gefochten haben und mit Ihnen dafür eingetreten sind, daß die Gesetze, welche die Ordensniederlassungen beschränken, beseitigt werden. Wir haben das getan, obgleich wir wissen und erfahren mußten, daß Sie nicht daran denken, u n s die Freiheit, die wir Ihnen zubilligen, auch zu gewähren.(Sehr wahr! bei den Sozialdemo- traten.) Während w i r gegen alle Ausnahmegesetze, die Ihnen galten, gekämpft haben, haben S i e Ihre Hand dazu geboten. Aus- nahmegesetze gegen uns zu beschließen.(Sehr wahrl bei den Sozialdemokraten.) Wir haben also wenig Dank von Ihnen ge- erntet. Freilich haben wir auch nicht so gehandelt um des Dankes willen, sondern von dem Boden unserer politischen Auffassung aus, wonach Weltanschauungsfragen mit rein geistigen Mitteln auszutragen sind und wonach der Staat mit seinen ZwangSgesetzen hier nicht einzugreifen hat.(Sehr richtig l bei den Sozialdemokraten.) Wir wollen vollkommen freie Arena für diese Kämpfe. Es ist absolut kein Grmid vorhanden für irgend eine einschränkende Gesetzgebung auf diesem Gebiete. Hier ist olles erlaubt, was nicht durch die all- gemeine Strafgesetzgebung verboten ist.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Herren vom Zentrum haben, wie gesagt, uns unsere Stellung übel gedankt. Allerdings hat einmal der verstorbene Abgeordnete Dr. Lieber Veranlassung genommen, uns hier den Dank der Zentrumspartei dafür auszusprechen, daß wir Sie bei Ihrem Kampfe um volle Ellbogenfreiheit von Ansang an bis zuletzt im Interesse der Freiheit und Gerechtigkeit einstimmig unterstützt haben. Auch die„Germania " hat in ihrer Nummer vom 27. Februar 1903 geschrieben: »Die deutschen Sozialdemokraten legen speziell in der für uns Katholiken besonders naheliegenden Ordensfrage bisher mehr Sinn für Recht und Gerechtigkeit an den Tag als selbst die deutsche Reichs- und preußische Staatsregierung."(Hört! hört! bei den Sozial- demokraten.) Aber hier heißt es: Will man den Dichter recht verstehen, muß man in Dichters Lande gehen.(Heiterkeit.) Wenn man das Zentrum wirklich kennen lernen will, so muß man draußen hingehen, weitab vom Reichstag, wo eS gegen andere Parteien kämpft. Der letzte Kampf im Wahlkreis Mül- heim-Wipperfürth hat die schönsten Belveise dafür geliefert, wie es prattisch draußen mit der„Toleranz" deS Zentrums aussieht(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) und wie das Zentrum draußen unsere Stellungnahme zu der Kirchengesetz- gebung in daS Gegenteil verkehrt.(Sehr richtig! bei den Sozial« demokraten.) Nur ein Beispiel: Herr Trimborn hat in einer Ver- sammwng am 1. Februar d. I. in Mülheim eS für gut befunden. sich in bezug auf unsere Stellungnahme zur Kirche folgendermaßen auszulassen:»Die Sozialdemokratie ist durch und durch kultur- kämpferisch".(Lebhaftes Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das sagt Herr Trimborn angesichts der Tatsache, daß wir m allen Kulturkampfgesetzen dem Zenttum zur Seite gestanden haben. (Sehr wahr! bei den Sozialdemottaten. Rufe! Unerhört!) Weiter sagt Herr Trimborn:„Keine Partei ist so darauf bedacht, die christlichen Grundlagen des öffentlichen Lebens zu beseitigen und zu untergraben."(Hört! hört I bei den Sozialdemokraten.) Angesichts wohnen. Ein russisches Blatt macht über den eigenartigen Bärenkultus der Ainu interessante Mitteilungen. Alle Jahre gehen die Ainu trupp- weise auf die Jagd und jede Gruppe sucht sich eines kleinen Bären zu bemächttgen. Die angesehenfte Matrone deS Stammes erhält den Auftrag. das Tier zu füttern und großzuziehen: die Futtermittel liefert die Gemeinschaft. Jni Winter gibt es dann eine große Feier, die mit der Opferung des Bären endigt. Am Vorabend des OpfertageS vergnügt sich der ganze Stamm beim Tanz und Schmaus und Ge- sang: die alten Männer des Stammes schnitzen Götzenbilder, während die alten Frauen daS große Festmahl vorbereiten: daS leckerste Gericht ist ein Hundebraten. Einige Männer und Frauen füllen kleine Säckchen mit Reis, Tabak und Fleisch und flechten Kränze als Scbmuck für das verehrte Tier, das den Tod erleiden soll. Am nächsten Morgen ist der Bärenkäfig umringt von schluchzenden Männern und Weibern. Der Bär verliert natürlich die Geduld und rennt, laut brunimcnd, im Käfig auf und ab. Zu- letzt ziehen die Jünglinge des Dorfes den Käfig in feierlicher Pro- Zession durch den ganzen Ort. Wenn sie auf dem Hauptplatze an- gekommen sind, nimmt einer von ihnen die Flinte und drückt loS: der Bär wälzt sich röchelnd in seinem Blute. Die Bevölkerung gerät in die größte Aufregung, und nian hört lautes Jammern, Stöhnen und Heulen. DaS ganze Dorf ist in tiefster Trauer. DaS Blut des Bären wird in Töpfchen aufgefangen und getrunken; den Kopf trägt man in den Wald, wo er an einen Baum genagelt wird. Der Wald weist bereits zahlreiche Bärenschädel auf, da der geschilderte Brauch uralt ist._ Notizen. — Der Verein für Frauen undMädchen veranstaltet zur Feier seines 11. Stiftungsfestes am Sonntag, den 20. d. MtS., abends 6 Uhr, im Gewerkschaftshaus einen heiteren Abend mit einem auserlesenen Programm. Robert Koppel wird Dich- tungen von Liliencron , Bicrbaum, Busch und Ludwig Thoma rezitieren und alte und neue Lieder singen, Bozena B r a d S k y wird auS ihrem reichen Repertoire alte und neue Gesänge dar- bieten.- — Im„Verein für Verbesserung der Frauen» kleidung" wird Professor I ae ger auS Koblenz am 21. Februar eine Vortrag halten über:„Die Frauenkleidung in Be» ruf und Sport"(mit Lichtbildern). Der Vortrag findet in der Aula des Dorothccnstädtischen Realgymnasiuins, Georgcnstraße. statt. Einttitt 50 Pf. — Was kosten Flugmaschinen? Die englische Humber Company verschickt ihren ersten Flugmaschinenkatalog an Privatleute Die Apparate, die in diesen, Katalog angeboten werden und von denen Illustrationen beigegeben sind, sollen alle jüngsten Errungen- schaftcn der Flugtechnik in sich vereinigen. Die Preise richten sich je nach der Stärke des Motors. Ein Monoplau mit 3 Zylindern und 30 Pferdekräften, der billigste Apparat, kostet 9000 M. Dieselbe Maschine mit 50 Pferdekräftcn und 4 Zylindern 16 500 M. Ein Zweidecker mit 4 Zylindern und 50 Pferdekräften wird in der Preis- liste mit 22 000 M. verzeichnet. Vorläufig sind die netten Maschinen. zu denen auch noch eine Halle und ein Techniker gehört, also noch teure Luxusapparaie.
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