einen wesentlichen Teil religiöser Betätigung. Nach Afrika sendetman Missionare, die den Stegern in ihrer Muttersprache predigen.aber Angehörigen des Deutschen Reiches darf nicht in ihrer Mutier-spräche Religionsunterricht erteilt werden! Wir verlangen, daß solcheunerhörten Zustände beseitigt werden, sei es aus dem Wege derReichsgesetzgebung, sei eS auf dem Wege der Landesgesetzgebung.(Bravo! bei den Polen und im Zentrum.)Abg. Licbentiann v. Sonnenberg(wirtsch. Vg.): Wir stehen nochimmer auf dem bei früherer Gelegenheit von unserem Fraktions-mitgliede Stöcker vertretenen Standpunkt, daß die Regelung derMaterie Sache der Landesgesetzgebung ist, und lehnen, ob-wohl auch wir die Beseitigung aller Reste religiöser Intoleranzwünschen, den Antrag Hertling als zu weitgehend und zu vielerDeutungen fähig, einmütig ab.(Bravo! rechts.)DasSchlußwortfür die Antragsteller erhältAbg. Frhr. v. Hertling(Z.): Im Gegensatz zu Dr. David betoneich, daß wir gerade von den Liberalen Zustimmung zu unserem An-trag erwariet"haben und daß wir sehr erstaunt sind, von allen Pur-teien, außer der äußersten Linken, Ablehnung zu erfahren.(Sehrrichtig! im Zentrum.) Unser Antrag fordert gar keinen Eingriff derReichsgesetzgebung, sondern nur die bundesfreundliche Einwirkungdes Reichskanzlers auf die in Frage kommenden Bundesstaaten imSinne der Beseitigung der Intoleranz. Auf diesen Weg hat uns geradeder vorige Herr Reichskanzler verwiesen.(Lautes Hört! hört! imZentrum.) Jetzt gehen wir diesen Weg. und wieder heißt es: erist ungangbar I Ja, welchen Weg sollen wir denn eigentlich be-schreiten?(Heiterkeit und Sehr gut I im Zentrum.) In den Land-lagen der in Frage kommenden Staaten sitzt kein Vertreter unsererPartei.Wenn man wissen will, was wir Katholiken unter kirchlicherund geistiger Freiheit verstehen, so lese man, was ich darüber imStaaislexikon der Görres-Gesellschaft geschrieben habe.Deu" sozialdemokratischen Antrag lehurn wir ab.(LebhaftesHört! Hört! b. d. Soz.) Wenn ich nach den Motiven forschenwollte, so würde ich sagen, daß es sich hier um eine Falle handelt.die uns gelegt ist.(Heiterkeit im Zentrum, Lachen b. d. Soz.) Wirgehen nicht in die Falle! Wir lehnen den Antrag ab. weil wir zurZeit nicht an eine Regelung der ganzen kirchenpolitischen Materieherangehen wollen.(Lachen b. d. Soz.)Vizepräsident Dr. Spahn teilt mit. daß ein Antrag auf na«ent-liche Abstimmimg auch über den Antrag Albrecht(Soz.) eingelaufensei.(Beide namentlichen Abstimmungen werden bei Beginn dermorgigen Sitzung vorgenommen werden.)'Persönlich erklärtAbg. Trimborn(Z.) gegenüber dem Abg. David, daß er dieSozialdemokratie nicht als kulturkämpferisch. sondern als kirchen»feindlich durch und durch bezeichnet habe. Und das sei sie auch.(Lebhafte Zustimmung im Zentrum.)Abg. Dr. David(Soz): Der Bericht über die Rede Trimbornsstand in der„Kölnischen VolkSzeitung" I(Lebhaftes Hört l hört I undHeiterkeit bei den Sozialdemokraten.) In Sperrdruck war inder dort wiedergegebenen Wahlrede Trimborns zu lesen:„DieSozialdemokratie ist kulturkämpferisch durch und durch..Abg. Trimborn: ES ist nicht meine Schuld, daß meine Wortefalsch wiedergegeben worden sind. UebrigenS: den alten Kultur-lainpf hat die Sozialdemokratie nicht mitgemacht, wohl aber machtsie den neuen Kulturkamps mit.Abg. David: Was die Behauptung des Abg. Trimborn betrifft.daß die Sozialdemokratie den neuen Kulturkampf mitmacht...(Glocke des Präsidenten.)Vizepräsident Dr. Spahn: Das ist nicht mehr persönlich.Abg. Dr. David: Herr Trimborn hat doch davon in einer per-sönlichen Bemerkung gesprochen.(Sehr wahr I links.)Vizepräsident Dr. Spahn: Er bezog sich auf eine Stelle inseiner Rede, und insofern war es personlich.(Widerspruch links.)Abg. Dr. David: Ich will also nur kurz bemerken, daß eseinen neuen Kulturkampf gar nicht gibt.(Lebhafte Zustimmungbei den Sozialdemokraten.)Vizepräsident Dr. Spahn: Es ist ein Antrag auf Vertagungeingelaufen.(Es ist inzwischen 6'/« Uhr geworden.) Ich kann michdiesem Antrage nicht anschließen.(Unruhe links, Beifall bei denParteien des Schnopsblocks.) Ich lasse abstimmen.Der Vertagungsantrag wird gegen Nationalliberale. FreisinnigeMld Sozialdemokralen abgelehnt und dieerste LefUng der Gewcrbeordnimcfstiovclle(Abänderung de«§ 114a usw. betreffend Lohnbücher usw.) begonnen.Abg. Dr. Pieper(Z.) bedauert, daß die technischen Prtvalbeamtennicht in die Vorlage hmeingekommen sind.Abg. Pauli- Potsdam(k.) beantragt, da? Gesetz derselbenKommission zu überweisen, an welche das Hausarbeitsgesetz über-wiesen ist.Abg. Man,(frs. Vp.): Die Beseitigung der LohnzahlungSbücherund die Ausdehnung der Fortbildungsschule begrüßen wir. DenGemeinden sollte größerer Einfluß auf den Stundenplan der Fortbildungsschulen eingeräumt werden.Abg. Bogel(natl.) erklärt, daß seine Freunde der Vorlage sym-pathisch gegenüberstehen.Staatssekretär Delbrück: Die Frage der Techniker ist noch strittig,und die Verbündeten Regierungen stehen auf dem Standpunkt, daß manzur Lösung reife Materien der Gewerbeordnung sofort ver«abschieden und sie nicht belasten soll mit strittigen Fragen.Dazu gehört vor allem die Frage der Konkurrenzklausel, über die.wie ich hoffe, im nächsten Jahre eine befriedigende Vorlage wirdgemacht werden können.Abg. Molkenbuhr(Soz.):Daß man die Beratung sozialpolitischer Gesetze nach S Uhrabend? beginnt, ist ein Zeichen für die Bedeutung, die der Reichstagder Sozialpolitik beimißt.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)Wir halten es für angebracht, bei der ersten Lesung zu betonen.welche weitergehenden Forderungen wir für eine Revision derGewerbeordnung haben. Die Vorlage erweckt den Eindruck, al«ob in Deutschland ideale Zustände ans dem Gebiete des Arbeiter«rechts herrschten, da man nur solche Kleinigkeiten, wie dashier geschieht, der Regelung für bedürftig hält. Die Klagen gegendie Lohnbücherhaben sich gegen lauter kleine Einzelheiten gerichtet; z. B. hat manseitens der Wäichekonfektion behauptet, man könne nicht mit Tintein ihnen schreiben, da die Wäsche leicht beschmutzt werdet Aber diehäufig benutzten Stempel weiß man sehr gut von der Wäschefernzuhalten! Die Arbeitgeber wollen die Lohnbücher über»Haupt nicht! Wird doch durch die Lohnbücher verhindert, daß dieArbeiler betrogen werden können. Die Lohnbücher wurden ja ge-wünscht, weil man den Arbeitern bei Uebergabe der Arbeit oft nichtsagte, was sie dafür haben sollten. Jedenfalls erkenne ich an, daßdie betreffenden Bestimmungen der Borlage eine Verbesserungbedeuten.Für dieTZtisdeKiiiftiA des fortbUdungsuntcmcbtswerden wir auch stimmen. In Gewerben, in denen durch übermäßiglange Arbeitszeit Leben und Gesundheit der Arbeiter gefährdet find,soll nach 8 120 5. der Bundesrat und soweit er Bestimmungen nichterläßt, sollen die Landeszentralbehörden Dauer, Beginn und Endeder täglichen Arbeitszeit regeln. Aber dann ist zu befürchten, daßes keiner tut, daß sich jeder auf den anderen verläßt l UebrigenShatte schon heute die Polizeibehörde das Recht, gegen eine über-mäßige Ausdehnung der Arbeitszeit in einzelnen Betrieben einzu-schreiten. In diesem Sinne hat das hanseatische OberlandeSgenchtzugunsten der Maßnahnien cineS Hamburger HafeninfpeltorS cnt-schieden.Die Vorlage steht erheblich hinter der vom 16. Dezember 1907zurück. Den Mangel der damaligen Lorlage schrieb ich dem Blockzu. aber dem jetzigen schwarzblauen Block mutet man nochganz andere Dinge zu! Man sagt, viele Fragen seien weggelassen/weil sie noch nicht geklärt seien. Die Fragen sind aber klar,nur die, welche sie zu beurteilen haben, sind noch nicht klar, unddaS ist kein schönes Zeichen für die Regierung.(Heiterkeit und Sehrgut! bei den Sozialdemokraten.) Es sind Dinge weggelassen, die inder vorigen Vorlage noch standen. Damals also war sichdie Regierung klar; inzwischen ist sie unklar geworden, etwa des-wegen, weil einige Ministerstellen den Inhaber gewechselt haben?(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)Der Reichskanzler klagte im preußischen Abgeordnetenhause über„Stagnation".Aber diese Stagnation bezieht sich nur auf die Bureaukratie;sonst ist von einer Stagnation nichts zu bemerken, weder in wirt-schaftlicher, noch in technischer oder wissenschaftlicher Beziehung.Die Stagnation der Bureaukratie bewirkt gerade das Vorwärts-drängen des Volkes. Aber während das Volk sich weiterentwickelt hat, ist die Regierung nicht bloß stehen ge-blieben, sondem hat sich sogar rückwärts entwickelt.Eigenartig ist, daß aus der früheren Vorlage allesfortgelassen ist, was der Zentralverband Deutscher Industrieller nichthaben wollte. Aber wir wissen ja, daß der gegenwärtige Staats-sekretär des Innern eS als preußischer Handelsminister begrüßte,daß die Brücke des Vertrauens zwischen der Regierung und demZentralverband wieder hergestellt sei l Der Zentralverbandhat sich nicht geäußert, aber die Regierung, die früher seine An-sickten nicht für diskutabel erklärte, befolgt heute seine Anweisungen.(Sehr wahr! b. d. Soz.) Wenn bei uns eine Stagnation herrscht,hätte man bei dieser Gelegenheit an eineKodifikation des gesamten TJrbeiterrecbtsdenken müssen. Heute untersteht derselbe Arbeiter je nach der Artseiner augenblicklichen Beschäftigung den verschiedensten Gesetzen.Ferner ist es dringend nolwendig, daß die Eisenbahn-Werkstätten der Gewerbeordnung unterstellt werden, gehörendoch dazu nicht nur staatliche Werkstätten, sondern auch Klein-bahnen und andere private Eisenbahnwerlstätten, und war dochbereits 1871 die Regierung der Ansicht, daß all die dort be-schäftigten Schlosser, Schmiede usw. gewerbliche Arbeiterseien.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ebenso gilt dieGewerbeordnung nicht für die H o f a r b e i t e r; also die etwa 2StX)weiblichen Arbeiter, die mit dem Reinigen der Wagen usw. bei derEisenbahn beschäftigt sind, für die gilt nicht der zehnstündigeMaximalarbeitstag! Die können unbeschränkt ausgebeutet werden'Auch hier ist die kulturelle Entwickelung unserer Regierung nicht aufder Höhe.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.)Die Abschnitte überdie Sonntagsruhebedürfen ebenfalls einer gründlichen Umarbeitung. Nachdem sie20 Jahre bestehen, ist das sehr notwendig.Durch die Arbeilerwohnungen bei den Kohlenbergwerken werdennicht nur die Arbeiter, sondern ihre gesamten Faniilien zu Sklavender Bergwerksbesttzer gemacht. Auch hier greift die Regierung nicktein. Ebensowenig ist die Frage der Lohnaufbesserung in Angriffgenommen, noch die Frage der Sicherung dcS Lohnes.Nötig wäre auch die Inangriffnahme des Maximal-arbeitStageS für Bergarbeiter, für Feuerarbeiter, für Ar-beiter in konlinuierlichen Betrieben; angesichts der steigendenUnfallziffern wäre daS dringend geboten. Auch die Rechtsverhältnisseder Werkmeister und technischen Beamten verlragen dringend eineRegelung: die Verhältnisse dieses neuen Mittelstandes, wie mandieses geistige Proletariat fälschlich nennt. Die vorige Vorlageenthielt auch einen kleinen Ansatz in dieser Richtung. Und geradehier sind die Großunternehmer besonders titzlich, und deshalb ist esfallen gelassen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Auch dieZeit des Ladenschlusses bedarf der Regelung, femer die Frage derTarifverträge und viele andere wichtige Fragen.Das Wort von der Kulturstagnation kann auf die Dauer derRegierung nicht zur Entschuldigung dienen. Die rapide Wirtschaft-liche Entwickelung verlangt auch eine schnellere Fortbildung unsererSozialpolitik. Aber auch das Zentrum tut nichts, um da« von derRegierung Versäumte nachzuholen; eS beschränkt sich auf Resolutionenzum Etat des ReichSamtS des Innern. In demselben Augenblick.wo in Deutschland die kulturelle Entwickelung rapide Fortschrittemacht, müsien wir eine völlige Stagnation bei der Regierungfeststellen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokralen.)Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage geht an die HauS-arbeitsgesetz-Kommission.Die Tagesordnung ist erledigt. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr.(Namentliche Abstimmung über den Antrag v. Hertling(Z.>;Interpellation Albrecht(Soz.) über die Acußerungen dcS Reichs-tanzlers zum Reichstagswahlrccht. Zweite Lesung deS Etats desReichSamtS doö Innern.) Schluß 7°/� Uhr.parlamentarisches.Eisenbahnverwaltung und Uebcrlandzentralen.In der Budgetkommission des preußischen Abgeordneten-Hauses wurde das Extraordinarium der Eisenbahnverwaltungverhandelt. Hierbei kam es zu einer lebhaften Ausspracheüber die Beteiligung der Eiscnbahnvcrwaltung an elektrischenUcberlandzentralen. Bon einem Konservativen wurde hervor-gehoben, daß in der Provinz Pommern drei Ucberlanth-zentralen im Entstehen seien, die sich nach West- und Ost-Preußen ausdehnen sollen. Die Eisenbahnverwaltung wurdeersucht, die Bahnhöfe für den Bedarf an Licht und Kraft andiese Zentrale anzuschließen. Von freikonservativer Seite er-hob man Bedenken, an kleine Zentralen anzuschließen. In10 bis 12 Jahren wären alle kleinen Zentralen kaput, weil diegroßen Ueberlandzentralen in einem Radius von etwa300 Kilometer Kraft und Licht so billig abgeben können, daßdie Existenz der kleinen Unternehmungen für längere Dauerausgeschlossen ist! Notwendig sei ein Wegegesetz, umden Schwierigkeiten, die der Ausbreitung der Ueberland»zentralen entgegenstehen, abzuhelfen. Der Minister erwiderte,daß ein solches Wcgegesetz in Vorbereitung sei. DieSjtaatseisenbahnverwaltung habe früher auf dem Stand-Punkt gestanden, eigene Anlagen zu bauen, sei aber jetztdavon abgekommen und nehme Kraft und Licht von städti-scheu und anderen kommunalen Werken.Im übrigen kamen Bahnhofsbauten und-Erweiterungenzur Verhandlung._Kassation über Kassation!I Die Wahlprüfungskommission deS Reichstags erklärte innDonnerstag die Wahl des Abg. Meyer(Zentrum), WahlkreisPfarrkirchen(Bayern) für ungültig. Entscheidend für dieKassierung war, daß Stinimzettel in einem Wahl-lokal ausgelcgen haben.Dann wurde die Wahl B o l tz(natl.), Saarbrücken, nach-geprüft. Die Kommission beschloß nach längerer Beratung mit 7gegen 6 Stimmen, daß die Beeinflussung durch den„Bergmanns.freund" in Saarbrücken als eine amtliche Beeinflussungaufzufassen sei. Ferner wurde amtliche Beemflussung angenommen,weil der Eisenbahnpräsident in Saarbrücken eine Rede an die Be-amtcn zugunsten des Kandidaten Voltz gehalten. In Fischbachhatte der Bürgermeister nach Abschluß der Wählerlistediese Liste korrigiert, nach der korrigierten Liste eine neueaufstellen und nach dieser Liste die Wahl vollziehen lassen! In-folgcdcssen beschloß die Kommission, den Fischbacher Wahlakt zukassieren. Die Entscheidung über die Güttigkcit der ÄcsamtwahlteMifce ausgesetzt, bis die Vjese.re.nteZ die Berechnung isssitt haben.Huo Induftrie und RandeLRattenfänger.Wenn zwei sich streiten, kommt immer wenigstens ein ZipfelchenWahrheit ans Tageslicht. So auch bei einer Auseinandersetzungzwischen der„Kreuzztg." als konservative Werberin und der„Köln.Ztg.", die für die nationalliberale Partei einspringt. Auf derenGebiet, im rheinisch-westfälischen Jndustrierevier. versuchen die Kon-scrvativen schon seit Jahren Terrain zu gewinnen. Und sie bringensich als Förderer der— Industrie empfehlend in Erinnerung. DieJunkergruppe habe in selbstloser(I) Weise durch Bewilligung des10 Mark-Zolles auf Eisen die Grundlage der deutschen Eisen-Groß-industrie geschaffen. Ueber solche Unverfrorenheit der„Kreuzztg."erbost, wettert die Kölnerin unter der Ueberschrift„KonservativeRatteufänger" los:„... Die Schutzzollära setzt mit dem Jahre 1879 ein. Bisdahin bestanden lediglich einige Jndnstriezölle, besonders der Eisen-zoll, der mit dem Jahre 1877 fallen sollte. Die Industrie wehrtesich gegen den Fall der Eisenzölle, aber das konservative Agrarier-tum schwang begeistert die Freihandelsfahne.„Das Eisen mußzollfrei sein!" Dieser Satz war nach den Worten des Herrnv. Behr am 10. Juni 1873 ein Axiom geworden, und Axiomebeweise man nicht. Drei Jahre später, iin Winter 1876, regnetees Petitionen um Aufrechterhaltung der Eisenzölle, aberdie Agrarier blieben hart und Herr v. Wedell-Malchow sagtedamals:„Da wird vom Schutz der nationalen Arbeitgesprochen. Aber, meine Herren, gerade den in der Eisen-Industrie liegeuden Teil der nationalen Arbeit allein zu schützen,liegt kein Grund vor, wenn es auf Kosten der übrigenGewerbe geschehen soll. Zur Zeit, wo die Industrie blühend war,hat sie die Arbeiter aus dem nördlichen und östlichen Deulschlandherangezogen, und nun, da die Industrie stockt, sollen wir, dieSteuerzahler, die Eisenkonsumenten, für die jetzige Not aufkommen.nachdem mit Hilfe dieser Arbeiter eine Zeitlang große Summenvon der Eisemndustrie verdient tvorden sind. Das scheint mirdoch unmöglich, zu verlangen."Inzwischen hatte aber die große Umwälzung auf dem Welt»markte eingesetzt und das billige amerikanische Getreide hatteseinen Weg bis vor die Tore Deutschlands gefunden. Die Folgewar. daß der Bismarcksche S0-Pfen»igzoll für Roggen bei derdritten Lesung auf eine Mark erhöht wurde! Dafür wurdenauch die Eisenzölle erhöht. Was also die„Kreuzzeitung" imJahre 1310 selbstlose Schaffung der Grundlagen der industriellenBlüte nennt, da« sah im Jahre 1876 noch einer agrarischen Per-ärgerung über die industriellen Erfolge verzweifell ähnlich undstellt sich im Jahre 1879 als ein ganz geivöhulichrs Schacher-gcschäst dar: Eisenzölle für Kornzölle I"Da« stimmt: Die ganze Zollpolitik, der sogenannte„Schutz dernationalen Arbeit", ist ein ganz gewöhnliches Schachergeschäft aufKosten der Arbeiterschaft und der Konsumenten. Diese müssen be-zahlen, was Junker und Eisenbarone sich gegenseitig schenken. Dasprächtige Eingeständnis der„Köln. Ztg." lvird, unserem AgitationS-material überwiesen, gute Dienste bei der Aufklärungsarbeit tun.EiSnot. Der milde Winter hat neben anderen Unannehmlich-leiten auch die im Gefolge, daß die Versorgung mit natürlichem Eiserheblich unterbunden worden ist. Während sonst sich die Brauereienihren Eiskeller aus den deutschen Gewässern füllen konnten und sichfür den ganzen Sommer einen Vorrat schufen, müssen sie diesmalauf eine derartige Versorgung verzichten. Am besten sind noch diegroßen Brauereien daran, die über Anlagen zur Erzeugung vonKunsteis verfügen. Zwar haben sich in den letzten Jahren immermehr Brauereien solche Anlagen errichtet, doch gibt es immer nocheine ganze Anzahl von kleineren Brauereien, die ganz auf die Ver-sorgung mit Natureis angewiesen sind. Die Brauereien erstrebendaher eine Tarifermäßigung für die Einfuhr von Natureis ausnordischen Ländern.Betrlebscinschräi, kungen in der schweizerischen Baumwollindustrie.Nach einer von dem schweizerischen Spinner-, gwirner- und Weber-verein veranstalteten Umfrage soll während der Dauer von dreiMonaten eine BettiebSeinschrankung von lb Proz. der schweizerischenBaumwollspinnereien Platz greifen.Ein Stahlwerk in Rumänien. Nach der„Bukarester Bursa" istdie Errichtung eines großen Eisen- und Stahlwerks in Riimäniengeplant. Das Werk soll in der Provinz Prahova bei Ceptura-Eotrocini auf staatlichem Grund- und Boden erstehen. Es soll mitdrei Siemens- Martin- Oesen mit einer Leistungsfähigkeit von je20 Tonnen, einer Dolomitmühle, einem Gußstahlwerk, einem Block-und Schienenwalzwerk, Stabeisen- und Blechwalzwerken und weiter-verarbeitenden Werlstätte» arbeiten. Die rumänische Regierung hatzur Förderung des neuen Unternehmens diesem u. a. die Befreiungvon SkaatS- und Kommunalsteuern, zollfreie Einführung von Maschinenund Rohmaterial zugesagt.Hus der frauenbewegung,Ei« Parteidokument.In diesen Tagen erscheinen viele Organe der Arbeiterbewegungals Bebel- Festnummern. Unter diesen nimmt die von der„Gleich-heit" herausgebrachte sicherlich einen hervorragenden Platz ein.Das kann heute schon gesagt werden: Die Bebel- Nuinmer der„Gleichheit" hebt sich über den Rahmen einer FesttagSschrift zuEhren eines der Großen der Zeitgenossen weit hinaus. Sie ist einParteidokument eigener Art. Bebels Leben und Wirken wird hierein scharfes Augenglas, das dem Leser in großen, scharfen Zügen daSWerden der Partei entrollt. Da steht man. von illusionären Irr«lichten, genarrt, von opportunistischen Klippen bedroht, das Partei-schiff vorwärtstreiben. Und immer, wenn August Bebel in daSSteuerrad greift, findet das Schiff den zielsicheren Kurs wieder.Während Genossin Zetkin mit eleganten,'totsicheren Florettstößenverteidigt und angreift, zeichnet Rosa Luxemburg mit dramatischerWucht, wie im heißen Ringen gegen feindliche Gewalten das stolzeBauwerk entstand, an dem Bebel der erste» Baumeister einer war.In dieser Umrahmung der Parteientwickelung kommt Bebels Wirkenin seiner weltgeschichtlichen Bedeutung erst recht voll zur Geltung.August Bebell Der Name wird hier zu einer Weltanschauung, zueinem Programm. Durch Irrungen und Wirrungen führt eS hin«durch, wird leuchtendes Signal, siegverheißend den Sozialismus.Bebel als Förderer der Gewerkschaftsbewegung würdigt GenossinGrünberg. Genossin Wurm schildert die Wirkung von Bebels Buch„Die Frau und der SozialiSniuS" in der bürgerlichen Frauenwelt,die Genossinnen Kahler, Baader und Zieh würdigen seine Verdiensteum die proletarische Frauenbewegung. SuS seinem Privatleben erzähltGenossin Kautsky. Biel Persönliches erfahren wir da. Und ausallem dasselbe Bild: schlicht, wahr und darum so groß lViele der bekannten Genossinnen sind in der Nummer mit einemBeitrage vertreten. Natürlich auch auS dem Auslände. Kaum einLand der Welt fehlt. Von überall grüßt und jubelt eö dem Nestorder Sozialdemokratie zu. Keine öde Anhimmelei) fast alle Beiträgeenthalten irgend etwas Parteigeschichtliches. Und neben derHauptnummerrepräsentieren sich würdig die Beilagen:„Für unsere Hausfraue» undMütter' und„Für unsere Kinder". Die letztere enthält eine hübscheErzählung von einem Helden auf dem sozialen Kampsfelde.Natürlich ist es Bebel und wahrlich, er darf unserer Jugend alsVorbild dienen. In jeder Proletaricrhlltte sollte diese„Gleichheit"-Nummer Eingang finde». Sie sollte nicht nur eine gestnummer fürdie Abonnenten sein, sie inüßte eine Gab« für alle werden, die zurFahne des Sozialismus schwören. Der Verlag erwürbe sich sicher»