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kommisfion und begann dann noch die erste Lesung der Vorlage betr. die Neisekosten der Staatsbeamten. Die Debatte über diesen Gesetzentwurf soll am Sonnabend fortgesetzt werden. Wäre es nach den Konservahven gegangen, bann würde am Sonnabend zunächst der Antrag'vuf Aenderung der Geschäftsordnung   die sogenannte Lex Pfui beraten werden, aber da die anderen Parteien ihnen gut zuredeten, gaben fie sich mit einer Vertagung bis Montag zufrieden. Bis dahin werden sie die kurze Galgenfrist wohl noch ausnutzen, um sich im guten Ton und in kurzen Reden zu üben. Preuhens Opfer für Süddeutschland  . Süddeutschland   fühlt sich durch die Art und Weise tief gekränkt, wie Herr v. Bethmann Hollweg   sich in seiner Wahl- rechtsrede am 111. Februar nicht nur gegen das Reichstags- wahtrecht, das Fundament des deutschen   Reichsbaues, ausge- sprachen hat, sondern obendrein in bezug auf die Verfassungs- institutioiien der süddeutschen Staaten behauptete, daß die politische Kultur und Erziehung desto mehr litten, je demo­kratischer das Wahlrecht in einem Lande gestaltet sei. Um diesen Eindruck auf die süddeutsche Bevölkerung zu der- wischen, hat die preußische Regierung bereits zu allerlei ofsi- ziösen beschönigenden Erläuterungen der Bethmann Hollweg- schen Rede gegriffen: aber in Süddeutschland   will man von solchen nachträglichen erkünstelten Interpretationen recht wen�g wissen. In dieser Verlegenheit greift die Regierung zu einem Mittel, das geeignet ist, den sogenannten süd- deutschen   Partikularismus noch weit niehr aufzustacheln. Sie läßt nämlich den süddeutschen Staaten vorrechnen, was sie nach preußisch-bureaukratischer Auffassung alles Preußen der- danken. Die offiziösenVerl  . Pol. Nachr." bringen nämlich folgendes Verzeichnis derO p f e r", die angeblich Preußen für das Reich gebracht hat: Jüngst hat der preußische Finanzminister im Abgeordneten- Hause daraus aufmerksam gemacht, daß Preußen bei der Ein- ziehung und Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern etwa 12 Millionen Mark zusehe. EL ist nicht die einzige Ausgabe, die Preußen für das Reich opfert. Auf die Matrikularumlagcn, die etwa 3a Millionen Mark für Preuße» betragen und die in dieser Höhe vorläufig auf fünf Jahre fest- gelegt wurden, so dabei gar nicht verwiesen werden. ES gibt aber eine noch höhere Summe, die Preußen jährlich dem Reiche darbringt, und zwar diejenige, die mehr an preußischen Eisenbahneinnahmen aufkommen würde, wenn die Reichspost die Leistungen der Eisenbahnverwaltung für Zwecke des Postdienstcs voll vergüten würde. Das geschieht be- kanntlich nicht. Noch in der letzten dem Abgeordnetenhause vor- gelegten Uebersicht über die Betriebsergebnisse der Eisenbahn- Verwaltung wird die Minderung der Einnahmen, die dadurch der letzteren erwachsen ist, für 1008 auf 41,3 Millio­nen Mark angegeben. Es wird berechnet, daß die Be- triebSauSgaben der Eisenbahnverwaltung für die Postbeförderung 52,4 Millionen Mark betragen. Die von der Post an die Eisen- bahn bezahlten Vergütungen einschließlich der Vergütung für die Gestellung der Eisenbahnwagen zur Postbeförderung hat aber nur 11,1 Millionen Mark ausgemacht. Die Differenz zwischen beiden Summen ist für 1908 der Eisenbahnverwaltung an Ein- nahmen entgangen. Mit anderen Worten, Preußen hat im Jahre 1908 für das Reich diese 41.3 Milli- onen Mark geopfert. ES gibt auch noch weitere, in da? gleiche Gebiet schlagende Summen. Beispielsweise kommt direkt und indirekt ein großer Teil der Summen, die für die Erhaltung deS Deutschtums in den Ostmarken alljährlich von Preußen ausgegeben werden, ganz Deutschland   zugute. Es ist selbstverständlich, daß Preußen als führender Bundesstaat eine Reih« finanzieller Opfer bringt. Auch im Privatleben bringt Würde Bürde. Aber einmal müssen diese finanziellen Opfer in gewissen Grenzen bleiben, weshalb eS auch durchaus ange­messen ist, daß wegen der vom Reiche an Preußen zu zahlenden Vergütungen für die Verwaltung der Zölle und indirekten Steuern Verhandlungen schweben. Sodann ist es doch gut, in Zeiten, wie den gegenwärtigen, auf Opfer, die Preußen für die Allgemeinheit bringt, hinzuweisen. Man braucht deswegen in den Kreisen, die dem preußischen Wesen abhold sind, nicht in Bewunderung für den führenden Bundesstaat auszubrechen, die besprochene Tatsache aber bei der Beurteilung Preußens in den KreiS der Betrachtungen zu ziehen, wäre sicherlich angebracht. Ein merkwürdiges Verfahren, den süddeutschen Bundes- Staaten, um sie zu beschwichtigen, in aller Oeffentlichkeit die empfangenen Wohltaten vorzurechnen. Was würde die .preußische Regierung sagen, wenn Bayern  , Württemberg, Baden usw. den Spieß umdrehten und eine Rechnung darüber ausstellten, welche Nachteile sie durch die preußische Hegemonie erlitten haben?_ Vereinigung für kapitalistische Volkswirtschaftslehre. Herr Professor Richard Ebrenberg, der Rostocker   Professor für Glorifizierung des UiiternchmerlumS, triumphiert. Die lange schon Angekündigte»Vereinigung für exakte Wirtschaftsforschung", das heißt zur Unterstützung jener Winschaftslehre. die in den großen Kapitalisten die seinste Blüte aller Kultur steht, Hot sich endlich } konstituiert und als Organ der Bereinigung soll bis auf weiteres das von Herrn Professor Ehrenberg herausgegebeneThünen-Archiv" gelten, das den Namen»Archiv für exakte WirtschaftS» forsckung' annimmt, Herr Ehrenberg ist also feine rauS. Er hat solvente Gönner für seine antikathedersozialistische Schrittstellerei gefunden, und zwar sehr vermögende Leute, denn zu den Möckern   der neuen Vereinigung gehören: B a l l i n, Generaldirektor; Dr. B e u m e r, M. d. Abgeordneten- hausoS; Bluhm, Rechtsanwalt, Sckmledeberg i./R.: Ernst von K o r s i g, Kommerzienrat; Broedermann« Kneegendorf, Do- uunenral; Dr. von B r u n ck, Geb Kommerzienral; Dr. Budde. Professor; Frhr  . von Cetto, Vorsitzender der Bayer. Landwirt- schaftsbank: von Colmar  -Meyenburg  , M. d. Herrenhauses; Dr. I n g. Karl Delius, Geheimer Kommerzienrat; von Dirkseu, Mitglied des Reichstages und des AbgeordneieuhauseS; Burggraf und Graf Dohna- F i n k e n st e i n, M. d. Herrenhauses; N. vonDreyse, Creuz- bürg a. d. Werra  ; Dr. R. Fleischer. Herausgeber der»Deutschen Revue"; von Grotz-Klanin, Wirklicher Geheimrat; D r. von Gustedt  . Generallandschaftsdirektor; Kirdorf  « Streithof. Geh. Kommerzienrat! K l u e p s e l, Finanzrat; Gras von Koenigsmarck. M d. Herrenhauses; C. von Linde. Pro- sessor; Freiherr Lucius von Ballhausen, Staats» minister a. D.; H. L u e g, Geh. Kommerzienrat, M. d. Herren- Hauses; H. R'tter von Maffei, erbl. Reichsrat der Krone Bayern  ; Gras von Mirbach. M. d. Herrenhauses; D r. I n g. von Occhelhaeuser. Generaldirektor; Emil vom Rath. Geh. Konunerzienrat; Dr. Emil Rathenau  . Geh. Baurat; Victor, Herzog von Ratibor, M. d. Herrenhauses; Louis Ravens, Geh Kommerzienrat: Graf von Redern, M. d. Herrenhauie«; v on Ri   e pp el. Geb. Baurat; R oetg er, Landrat a. D.; O. R u p e r t i i. F. H. I. Merck u. Co., Hainburg  ; S ch i n ck e l, Präsident der Handelskammer Hamburg  ; Semlinger, Komnierzienrat; Arnold von Siemens  , M. d. Herrenhauses; Pryfefsor Dr. A- Slghy, Geh. RegieruitgSrat; D r. A r e i- berr fton Soden, Reichsrat der Krone Bayern  ; von VopeliuS, Hiittenbcsiher, M. d. Herrenhauses; M. Winter- fel dt. Geh. Justizrat; Witting. Geh. RegierungSrat; Frei- berr von Wuerzburg  , Reichsrat   der Krone Bayern  ; Frei- Herr von Zedlitz und Neukirch, M. d. Abgeordnetenhauses. Um das Verstäudnis für die hohe wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des Unternehmertums zu fördern, will zunächst die Ver- einigung dafür sorgen, daß an einer deutschen   Universität ein .Institut für exakte Wirtschaftsforschung" errichtet wird, das Ehren- berg und seine Schüler anstellt; serner sollen populäre Vorträge gehalten und geeignete größere und kleinere Schriften auf Vereins- kosten herausgegeben werden. Der Vizepräsident Spahn. Der frühere Reichstagspräsident Ballestrem  , den das Zentrum jahrelang ins Präsidium entsandte, galt im allgemeinen als im- parteiisch, und er erhielt meist auch die Stimmen anderer Parteien bei Neuwahlen. Sein Nachfolger, der jetzige Vizepräsident Spahn dürste die Anerkennung unparteiischer Geschäftsnihrung kaum er- langen. Schon jetzt, einige Wochen nach Beginn seiner Bmlsführung, werden lebhafte Klagen laut über parteiische Bevorzugung der Zentrumsabgeordneten durch den Zentruinepräsidenten. Als er kürz- lich zwei Zentrumsrednern haltereinander das Won erteilte, wodurch andere schwer benachteiligt wurden, schob er das aus ein Mißver­ständnis. Bei der Beratung des KaligesetzeS wurde nur ein Redner- rurnuS zugelassen; Spahn brachte es aber fertig, außer den osst« stellen Zentrumsredner noch zwei weitere, indirekt zun, Zentrum ge- hörende Abgeordnete, einen Welsen und einen Elsässer, zum Worte kommen zu lassen. Auch darüber beschwert man sich, daß er in der Feststellung von Abstimmungsergebnissen ganz selbstherrlich verfährt Die bayerische   Biersteuer angenommen. München  , 18. Februar. Es ging im Eilzugstempo mit der Beratung des M a l z a u f- sch la g gefetz es. In vier Sitzungen wurde der Gesetzeutwurl erledig», der dem bayerischen Volt zugnnsteu der Staatskasse und der Brauer eine Mehrbelastung von rund 30 Millionen Mark auserlegen will. Ob sich die Massen die Verteuerung des Viere« so ohne weiteres gefallen lassen, wie die Herren Gesetzgeber meinen, ist abzuwarten. Einen längeren Aufenthalt gab es noch bei der Frage der Ein- iübrung der Deilaranonspflicht. die durch den AuSichuß in den Entwurf hineingebracht wurde. Die Biere sollen von Zeit zu Zeit aus ihren E xt r a kt g e h a l t untersucht und die Zahlen dieser Untersuchung publik gemocht werden. Angeblich ist eS den Antragstellern einmal um den guten Ruf und zum anderen um den Schutz der Konsumenten zu tun. In Wirklichkeit aber will man dadurch jeden Brauer zwingen, hochwertige viere zu brauen, auch die tieinen Landbraucr, die Bicre mit weniger Extrattgebalt herstellen und dieselben sehr billig. 15 bis 29 Pf. pro Liter, zum Ausschank bringen lassen. Auch hier steht der Gedanke im Bordergrund, da« Gesetz so zu gestalten. daß jeder Brauer unbedingt abwälzen muß. Die Veröffentlichung des Extraktgehaltes wäre für die kleinen Brauer der Ruin. Sie müßten in kurzer Zeit der Konkurrenz der Mittel« und Großbrauer unterliegen. Die Redner der sozialdemo- kratischen Fraktion, die Genosten Harscher und Roßhaupter sprachen sich darum gegen die Deklarationspflicht aus. Sie betonten, daß die Güte de« Bieres nicht allein vor» Extraktgehalt desselben. sondern noch von einer Reihe anderer Dinge abhänge und daß dem Publikum die Freiheit erhalten bleiben müsse, Bier nach seinem Geschmack zu trinken. Trotz des Widerspruchs de« Finanzministers wurde die Deila- rotionspflicht vom Hause beschlossen. Abgelehnt dagegen wurde gegen die Stimmen der Sozialdemokraten ein von diesen gestellter Antrag, der den durch den Konsumrückgang arbeits- los gewordenen Brauereiarbeitern ein« Vnt- schädigung garantieren wollte. Man tröstet» sich auf der bürgerlichen Seite mit dem Gedanken: Es wird so schlimm nicht werden, und wenn auch einige zur Entlassung kommen, so werden dieselben als kräftige Leute bald andere Arbeit finden I Bei der namentlichen Abstimmung wurde, wie bereits berichtet, das Gesetz mit 82 gegen 42 Stimmen angenommen. Unter den »Neinsagern" befinden sich zahlreiche Versprengte auS allen Parteien und die sozialdemokratische Fraktion geschlossen. Der Posener Freisinn und der Wahlrechtskampf. Die Verwaltung de« Posener Zoologischen Gartens, die au« dortigen freisinnigen Stadtverordneten besteht, lehnte als Besitzerin der Anschlagsäulen die Bekannt», achung der Wahlrechtsversammlungen am letzten Sonntag ab. Die Plakate und die Bezahlung wurden unseren Genossen wieder zurückgestellt mit der Nachricht, daß man sich darüber auf dem Polizeibureau erkundigt habe und dieses die Veröffentlichung nicht wünsche. Allerhand Achtung vor diesen Kämpfern! Wege« des heiligen Rocks von Trier  . Die Stuttgarter   Strafkammer hat heute den Rezitator und Komiker Danny Gürtler wegen Pergehens wider die Religion zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Die Straftai wurde in zwei Vorträgen erblickt, die Gürtler in Stuttgart   gehalten hat, in oeneu eine Kritik am Papsttum und am heiligen Rock von Trier  geübt wurde._ Ein krasser Fall von Soldatenmisihandlung. Wegen zahlreicher teilweise äußerst roher Soldatenmißhand- lungen hatten sich der 19 Jahre alte Fähnrich Ludwig Flu, gel bei der 10. Kompagnie des 2. Infanterieregiment» vor dem Kriegsgericht der 1. Division in München   zu verantworten. Der Angeklagte kam im Juli v. I. vom Kadettenkorps zum Regiment. Im Herbst wurde er mit der Ausbildung der Rekruten betraut, wo- bei er sich insbesondere an dem Infanteristen Psaffeneder verging. Am 19. November vorigen Jahres exerzierte Psaffeneder nicht zur Zufriedenheit des Fähnrichs. Zur Strafe ließ er ihn gemeinsam mit einem anderen Mann Laufschritt machen. Psaffeneder war schon ermüdet, bekam P,ch Seiten st echen und konnte infolgedessen nicht so schnell lAfen wie sein Kamerad. Der Fähn- rich nahm ihn jetzt von der Abteilung weg und führte ihn zu dem auf der anderen Seite des Kasernenhofes liegenden Laufgraben. n diesen 2 Meter tiefen Graben mußte der Mann ine,»springen und nun befahl ihm der Angeklagte, er solle fortgesetzt sich hinlegen und wieder ausstehen. Psaffeneder befolgte diesen Befehl, bis er vollständig er- schöpft war und zwar derart, daß er gar nicht mehr allein aus dem Graben herauskam, der Fähnrich muhte ihn herausziehen. Mit den Worten:Wenn Sie sich wnS merken lasse», werde ich Ihnen kommen", wurde er dann entlassen. Durch diese Ueber- anstrengung erkrankte der Infanterist und kam ins Ltevier. Der Fähnrich begab sich am anderen Tage zu ihm und ver- langte, er solle sagen, seine Erkrankung komme vom Laufschritt machen, denn sonst seiseine(des Fähn- richS) Charge beim Teufel". Nach einigen Tagen konnte der Mann aus dem Revier wieder entlassen werden und sofort wurde er von dem Angeklagten wieder mißhan- de lt. Zu einem wahren Martyrium wurde für ihn der 30. Na- vember. Weil er nach der Ansicht des Angeklagten seine Uniform nicht genügend geputzt hatte, packte ihn dieser morgens 7Uhr schon Lei den Ohren und schüttelte ihn. Bei den darauffolgenden Uebungen auf Oberwiesenfeld gab der FSH»» rich dem Psaffeneder von hinten einen Fußtritt auf das Steißbein, daß nach mehreren Tagen der Arzt noch die blauen Flecken konstatieren konnte. Außerdem packte er ihnander Nase und versetzte ihm mit dem Gewehrkolben Stöße auf die Füße, Nach Schluß der Uebung befahl der Angeklagte:Heute abend kommen Sie aus mein Zimmer, da komm ich Ihne n." Psaffeneder kam auch und der Fähnrich frug ihn, ob er wieder wie früher bei ihm Putzer sein wolle. Als er das ablehnte, erhielt er zunächst zwei Ohrfeigen, wobei der Angeklagte drohte:Wenn «ie sich etwas merken lassen, melde ich Sieden, Hauptmann oder Leutenant." Zur Besänftigung wollte er dann dem Manne 5V Pf. geben. Der wies das Geld ab und nun packte ihn der Fähnrich beim Hals, drosselte ihn und stieß ihn zwischen dem Bett und der Wand aus den Boden, so daß Pfaffen- cder ohnmächtig und bewußtlos wurde. Zufälligerweise kam ein Feldwebel in das Zimmer, der mit Hilfe eines herbeigerufenen Sanijätsunteroffiziers sich des Mannes annahm und ihn ins Revier brachte. Als er wieder das Bewußtsein erlangt hatte, suchte ihn der Fähnrich auf und for- derte ihn aus, er solle sagen,er habe einen Anfall g"- habt". Außer den bereit« angeführten Mißhandlungen ließ sich der Angeklagte gegenüber dem Psaffeneder in noch zahlreichen Fällen folgendes zuschulden kommen: Er packte den Mann bei jeder Gelegenheit am Ohr rollte oder drehte das Ohrläpp- chen nach innen, kniff es und riß daran, so daß dieser wiederholt vor Schmerz l a u t a u f f ch r i e.' Bei diesen Mani- vulationen kratzte er ihn des öfteren am Ohr, so daß der Mann wunde Stellen bekam. Verschiedeasmale packt« er ihn auch an der Brust und versetzte ihm mit der Faust bezw, mit de» Finger» kiivcholn Schläge aus den Hinterkopf. In ähnlicher Weise behan- delte er die übrigen Leute seiner Abteilung, Dem Jnfante- risten Bauer gab er Fußtritte ans die Schienbeine. Den Jnfante- risten Brandstetter packte er wiederholt in der geschilderten Weise an den Ohren, außerdem versetzte er ihm mit der Stiefelspitze Stöße aus die Fußknöchel. Auch der Infanterist Ainmüller wurde an den Ohren gerissen und auf das Schienbein getreten. Der An- ilagevertreter geißelte i» scharfen Worten das geradezu unerhörte Verhalten des Angeklagten und beantragte 4 Monate Festungshaft und Degradation. Das Kriegsgericht verurteilte den Fähnrich Flügel zu 5 Monaten Festungshaft. Von einer Degradation wurde nur mit Rücksicht auf die Jugend de» Angeklagten abgefehen! Das Urteil ist ganz unbogresflich. Ein solcher Leute- schinde? hätte unbedingt aus dem Lfsizirrsstande ansgkstostcn tverden und statt mit Festlliig mit schwerer Gefängnisstrafe belegt werden müssen. Solche Aälle beweisen mcherdem immer wieder von neuem, wie notwendig für die Soldaten das Recht auf Not- wehr ist! Oeftemicb. Erkrankung des Wiener   Bürgermeisters. Wien  , 18. Februar. Bürgermeister Dr. Lueger, der seit Jahren schwer zuckerkrank ist. mußt« sich einer eingreifenden Op«- ratio» infolge Zellgeweb-eit-rnng unierziehen. Nach der Operation zeigte sich großer Schivächezustand, weshalb Sanerjtofftnhalationen vorgenommen werden mußten. fVanhrelcb. Die Schwierigkeiten mit Marokko  . Paris  . 19. Februar. Eine offiziöse Mitteilung bestätigt, daß das Ministerium des Aeußeren angesichts der Haltung Mulay Hasids eine Reihe von Maßnahmen ins Augs gefaßt habe, die gegebenenfalls in allmählich fortschreitender Weise ergriffen werden sollen. Zunächst soll Wuloy Hafid neuerdings ausgesordert werden, die Antwort bctkeffend das jüngst von El Mokr» unterzeichnete französisch-maroktanisch« Abkommen zu er- teilen. Diese Aufforderung werde in einige» Tagen nach Fes ge- langen, so daß ma» über die Gesinnung des Sultans erst in zwei Wochen klar sein dürfte. Wenn Mulay Hafid   dann noch Schweigen beobachten oder erklären sollte, er lehne das Abkommen ab, werde man zu gewissen Zwangsmaßregeln schreiten, unter andern wie schon gemeldet, die Beschlagnahme der Erträgnisse aus den Zöllen vornehmen und gleichzeitig die französische  Kolonie in Fes in Sicherheit bringen. Selbstverständlich würden die fremden Mächte von den beschjossenen Maßnahmen noch vor deren Ausführung verständigt werden. Aber es erscheine sehr wahrscheinlich, daß die Z u st i»i m u n g Mulay Hasids binnen kur­zem erfolgen und es dann überflüssig sein werde, zu Repressalie» zu greisen. Kelgien. Um die freie Schule. Brüssel, 18. Februar. In der heutigen Kammersitzung hielt Genosse Bandervelde eine große Rede, in der er die klerikale Politik der Schulverpfaffung heftig angriff und die Weltlichkeit der Schule forderte. Nach ihm sprach in gleichem SituiL der Liberale Masson. Spanien. Republikanisch.sozialistisches Protestmeeting. Madrid  , 18. Februar. DaS Komitee de« republikani- schen und sozialistischen Verbandes veröffentlicht«inen Aufruf an die Bevölkerung, worin diese ersucht wird, der Massenversammlung beizuwohnen, welche für nächsten Sonntag einberufen ist, um gegen die gegenwärtigen eigentum- lichen Ministerkrisen zu protestieren. Der Aufruf verlangt die sofortige Wiedereröffnung der Schulen, welche geschlossen worden sind, sowie Niederschlagung aller Prozesse, welche wegen Freidenkertums angestrengt worden sind, ebenso die sofortige Freilassung aller auS diesem Grunde ver- hafteten Personen. Die Kundgebung weist ferner aus die Notwendigkeit hin, die Weltlichkeit des Schglunter« richtg einzuführen. Indien  . Der Aufstand. Allahabad  , 18. Februar. Wie am 14. d. M. gemeldet, waren >20 Mann Polizeitruppen nach dem Aufstanosgebiet im Basallenstaate B a st a r. Zeutralprovinzen von Britisch-Jndien, auf- gebrochen. Die beiden Besehlshaber dieser Mannschaften haben sich am 18. d. M. nach Jagdalpnr, dem Zentrum des Aufftaudeö, be- geben. Als die Eingeborenen der Truppe beim Ueberschreiten eines Flusses Widerstand leisteten, wurden fünf von ihnen getötet. teute kommt aus aus Jagdalpnr die Nachricht, daß der Ort von ausenden von Eingeborenen umzingelt ist. deren Zahl sich täglich mehrt. Die Polizeitruppe wird nunmehr ebeitfgüS in Jagdalpur einrücken, auch Militär ist requiriert worden. parlamentarilcbes. Die Wohnungsgeldfrage der preußischen Beamte». Im preußischen Finanzministerium wird zurzeit an der Fertig» stellung einer Novelle gearbeitet, durch die die Wohnungsgeldzu- fchüsse für die preußischen Beamten endgültig geregelt werden sollen. Der Finanzminister hat Mitglieder aller Parteien des preußischen Landtages zu einer Besprechung über diese Materie nach dem Fi- iranzministerium eingeladen. Für die sozialdemokratische Fraltioq nimmt Genosse Hirsch an den Verhandlungen teil,