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it.«. N.MM-. 2. Ktilligt des Jormirts" Kerliml Pollislilßtt.»20.1�« im Reichdtaa* ZtEchluß aus der 1. Beilage. Ledebour(fortfahrend): Ich kann hier meine Anerkennung für die Einsicht der Ber« liner Polizei gegenüber den Demonstrationen am letzten Sonntag aussprechen. Die Leitung hat offenbar das Richtige getroffen und die Polizei hat nicht versucht, den Zug zu stören, wir haben auf dem ganzen Wege keinen Schutzmann ge- sehen. ES war eine riesige Menschenmenge, die beieinander stand, wo ich gesprochen habe. nach mir dann ein Demokrat Dr. Breitscheidt, und noch andere Genossen von mir. Dann ging alles ruhig auseinander, langsam, ungestört, ohne dah irgend eine Person aucb nur bedrängt wurde. Von Verletzungen ist gar keine Rede gewesen. Die Polizei lieh sich eben glücklicherweise gar nicht sehen. Dieselbe Erfahrung ist an anderen Stellen Berlins  und in anderen Städten Deutschlands   gemacht worden. Aber überall, wo entweder infolge eines geheimen Befehls von oben oder infolge deS UebereiferS untergeordneter Polizei« beamter oder gar einzelner Schutzmänner die Polizei eingegriffen hat, ist es zu Krawallen gekommen. Da sind friedliche Strahenpassanten von Schutzleuten geprügelt worden. Da» eklatanteste Beispiel ist der Vorgang in N e u m ü n st e r. Ich kenne die Stadt; eS ist eine Landstadt neueren Datums, also mit ziemlich breiten, aber natürlich sehr öden Straßen, wo also gar keine Gefahr bestehen konnte, daß irgendwie der Verkehr gehemmt wurde. Da ist dann der Platz von allen Seiten ab- gesperrt worden und die Polizei hat cingehauen. Die Leute haben sich gar nicht einmal gewehrt, es sind unzählige Verwundungen, wahrscheinlich sogar einige Todesfälle vorgekommen. (Hört I hört! bei den Sozialdemokraten.) Das ist ja das s ch e u h- l l ch e dabei, dah solche Schutzleute mit scharfer Waffe in das Publikum einhauen dürfen.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) Es gibt gar nickt» feigeres und Brutalere», «13 dah ein Mann, der eine Waffe führt, diese Waffe ge- braucht gegen unbewaffnete Leute, sogar gegen Menschen, d, e vor ihm flüchten.(Lebhaste Zustimmung bei den Sozialdemo- kraten. Zurufe: Kinder und Frauen I> Ja, sogar aus Kinder und Frauen, die aus dem Boden lagen, hat man eingeschlagen.(Hört I hört l bei den Sozialdemokraten.) Diese Parallelen beweisen aufs deutlichste, dah Strahendemonstrationen bei uns genau so möglich sind wie in anderen Kulturländern. Wenn jetzt die Polizei Krawalle provoziert, so liegt die Schuld an den ausführenden Organen, aber auch an dem preußischen Ministerpräsidenten, der dies System der polizeilichen Brutalisierung hat geschehen lasien, der auch heute kein Wort der Verurteilung für diese Beeinträchtigungen der Rechte des Volkes gefunden hat.(Sehr wahr! bei den Sozial- Demokraten.) Deshalb klebt daS Blut von Neumünstrr, Frankfurt  «üb Halle an den fingern de» Herrn Reichskanzler». (Sehr wahr 1 bei den Sozialdemokraten. Zuruf des Abg. Pauli.) Herr Pauli, Sie beweisen mit Ihrem gurus nur erneut, dah Ihre geistrge Struktur nicht über die eines zivil» versorgvngsscheinberechtigten, säbelschwingen« den Schutzmannes hinaus ist.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Herr Baffermann hat ge- glaubt, stch auf Ausführungen meines Parteigenoffen Heine berufen zu können. Er zitierte erst einen Bericht au» einer Zeitung, und als ihm zugerufen wurde, das sei nicht maßgebend die Worte Heines selbst, die dieser in seiner Berichtigung an den.Vorwärts� gebraucht hat. Herr Baffermann sagte dann, daS sei ganz seine Meinung. Nun möchte ich zunächst erklären, darin geht Herr Basiermann jedenfalls viel zu weit, seine Meinung hat Heine nicht, daS hat er mir selbst erklärt. Aber mein Parteigenosie Heine hat bei dieser Gelegenheit allerdings Ansichten ausgesprochen, mit denen er, so weit ich daS beurteilen kann, ziemlich vereinzelt in der Partei steht. Meine Parteigenossen haben in den letzten Tagen durch ihre gewaltigen Demonstrationen bewiesen, dah dieS der Fall ist. W i r w e r d e n auch künftig noch in h ö h er em Ma h e d i e s e n B e w ei S führen.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. Hört! hörtl rechts.) Deshalb hat es politisch keinen Sinn, wenn Sie fich auf Heine berufen. Es ist unvermeidlich, dah in einer groben Partei Meinungsverschiedenheiten über wichtige Fragen vorkommen. Wir fechten diese Meinungsverschiedenheiten untereinander aus. Wir wissen. dah ihnen daS Vergnügen bereitet. Doch das hindert uns nicht, es zu tun, weil nur aus diese Weise eine vorwärtsschreitende Partei zur Klarheit über daS kommen kann, was sie tun will und tun muh.(Sehr richtig I bei den Sozial« demokraten.) Aber und diese Mahnung richte ich besonders an die Liberalen da« können Sie sich gesagt sein lassen: hier im Reichstage in Erfüllung der Aufgaben, mit denen unser« Partei- fenosien durch die Wahl in den Reichstag   uns betraut haben, mar- hieren wir vorwärt» im glelcken Schritt und Critt, in guter Kameradschaft und in geschlossener Front.(Lebhafter und wiederholter Beifall bei den Sozialdemokraten.) All die Hoffnungen, denen Sie sich hingeben, dah einmal die Sozialdemokratie so v e r« flachen könnte, fichanJhreRockschöh« zu hängen oder daß sie sich irgendwie spalten könnt«, sollten Sie doch aufgeben.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Freilich werden Sie daS nicht tun. denn auf diesem Köhlerglauben beruht ja daS Lebenselixier der liberalen Parteien.(Heiterkeit.) Wenn irgend einer von unS, der im Geruch steht, Revisionist zu sein, etwas sagt, dann wird er in den Himmel gehoben und al« Leuchte gepriesen. Da» geschieht in der liberalen und in der konservativen Presse und«S heiht dann unisono: Das ist endlich einmal ein intelligenter Sozialdemokrat.(Heiterkeit.) Und ein anderer, der radikal genannt wird, wird in der ganzen bürgerlichen Presse diskreditiert wird. Das alles läht uns kalt. Wir halten uns da an den Satz, den Karl Marx   aus Dante zitiert: Geh deinen Weg und laß die Leute reden!(Sehr gut I bei den Sozialdemokraten.) Wenn alle anderen Stricke reihen, dann soll die Sozialdemokratie schliehlich mit Gewaltmahregeln mundtot gemacht werden.(Unruhe. Widerspruch bei den Liberalen.) Gewiß, Sie wollen das nicht, aber die Parteien auf der Rechten, mit denen Sie selber noch im Hottentottenblock Bundesgenosienschaft hatten.(Heiterkeit und Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Also wir werden unseren Weg wettergehen, unbekümmert um daS, was unsere Gegner sagen. Mir werden auck Straßendernonftrationen machen, wenn e» uns paßt, ja, wir werden nock viel fchärfeve JVKttcl gebrauchen, um eS endlich dahin zu bringen, dah dem preußischen Volke das gleiche Wahlrecht gewährt wird.(Lebhaftes Bravo l bei den Sozialdemokraten.) Wir werden das erreichen, gegen den Widerstand einer mit den Junkern versippten Regierung, und gegen den Widerstand der Parteien, die heute noch die Macht haben. Run ist gesagt worden, wir wollten ja das Wahlrecht ver» ändern, toeil wir die Ausdehnung des Wahlrechts auf die Frauen und eine Neueinteilung der Wahlkreise verlangten. Zunächst sei bemerkt, daß dies Forderungen sind, die in vorgeschrittenen Avltuxjtggtev längst verwirklicht jind. Und HgK [ Frauenwahlrecht hat Anhänger auch in den bürgerlichen Parteien. l Sogar ein Parteifreund des Fürsten Hatzfeld, der Abgeordnete l v. Kardorfs, war ein Anhänger des Frauenstimmrechts. Der Ab- f geordnete Dietrich hat es fertig gebracht, zu behaupten, wenn man das Wahlrecht erweitere, beeinträchtige man damit die Rechte der gegenwärtigen Wähler. Nein, verehrter Herrl Wenn man jemand das Wahlrecht gibt, so bringt man ihn in Rechte hinein, die andere schon haben. Und die anderen behalten genau das gleiche Recht.(Widerspruch rechts, Zuruf: Das Recht wird entwertet!) Das ist ja eine merkwürdige Beweisführung, daß Rechte nur dann einen Wert haben, wenn man sie allein hat und die anderen nicht.(Heiterkeit.) Heute sind die Bewohner ber großen Städte entrechtet. (Sehr richtig! links.) Wenn Sie(nach rechts) Privilegien sogar aus dem Mittelalter wieder einführen wollen, wie die Leib» eigenschaft, so wird Ihnen kein Mensch einen Vorwurf daraus machen, wenn Sie dafür Propaganda machen. Der Abgeordnete v. Malkewitz(Zuruf: Ist nicht von! Heiterkeit.), also der Abgeordnete Malkewitz hat sogar das jus primae noctis als eine schöne Einrichtung bezeichnet. Auch dafür Propaganda zu machen haben Sie«in Recht.  (Stürmische Heiterkeit.) Die Frage ist nur, ob Sie die Mehrheit des Volkes dafür ge» Winnen können. Nur wenn dies der Fall ist, haben Sie das Recht, solche veralteten Institutionen wieder einzuführen. DaS ist eben der fundamentale Unterschied zwischen unserer und Ihrer Auffassung. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß eine jede Ueber- zeugung vertreten werden kann, durch Wort und Schrift und durch Demonstrationen. Jeder muß die Möglichkeit haben, für seine Ueberzeugung die Mehrheit des Volkes zu gewinnen. Aver dieses Recht bestreiten Sie uns. Wenn wir die Mehrheit deS Volkes für uns gewonnen haben, dann wollen Sie das Reichstagswahlrecht abschaffen. Dann sprechen Sie davon, daß die Staatsnotwendigkeit es gebiete, mit Gewalt die Entwickelung zu verhindern. Wenn es zu Gewalt kommt, dann nur dann, wenn die Herr- schenken 5Aasien die Machtmittel des Staates Militär und P o l i z ei zum Niederhalten des Volkes und zur Zer- ftörung des Reichstages benutzt. Dann wird es allerdings zu Gewalttätigkeiten kommen. Nach allen Erfahrungen der Geschichte ist eS höchst wahrscheinlich, daß die herrschenden Klassen den Versuch einer Anwendung von Ge« walt gegen eine siegreiche sozialistische Volksbewegung machen werden. Dann wird allerdings gegenüber der Gewalt der Reaktion die Gewaltanwendung der Revolution de« BolkeS gerechtfertigt fein.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Und nach allen bisherigen Erfahrungen hat sich erwiesen, daß. wenn die Mehrheit eines Volkes sich seine Freiheiten und seine Rechte er« kämpfen will, noch jede reaktionäre Regierung niedergeworfen und zerlckmettert toDcden ist.(Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Die Reden de« früheren Reichskanzlers Fürst Bülow   und des jetzigen Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg  . daß tne Rechte der Krone niemals angetastet werden dürfen, sind Prophezeiungen, die zu« schänden werden, wie sie zuschanden geworden sind bei den Stuarts  in England und den Bourbonen in Frankreich.  (Abg. v. Oldenburg  ruft: Das hat Napoleon   gemacht?) Wenn Sie eS darauf an­kommen lassen, das Volk wird dazu berert sein. Wenn Sie aber den anderen Weg vorziehen, den wir Ihnen vorschlagen, ruhig den Mcinungskampf durchzuführen, dann werden wir auf friedlichem Wege zur Durchführung der Demokratie deS Sozialismus in Deutschland   kommen. Aber gerade Aeußerungen der letzten Zeit lassen gar keinen Zivetfel darüber, daß in den Köpfen sehr maß« gebender Persönlichkeiten damit gerechnet wird, Waffengewalt gegen ein« siegreiche Volksbewegung in Deutschland   anzuwenden. Des» halb war es ungeheuer wichtig, was der gegenwartige preußische Kriegsminister, ein Sohn des ehemaligen kurfürstlich-heffisHtzn Hof» Marschalls Josias von Heerinaen, direkt ankündigte, daß das Offi» zierskorps deshalb nicht auf die Verfassung vereidigt werden dürfe, weil es unter Umständen sich gegen die Verfassung von einem cid« brüchigen Monarchen mißbrauchen lassen müsse.(Unruhe rechts.) Nichts ist charakteristischer, als daß so etwas heutigen TageS von den geistigen und leiblichen Nachfahren der schlimmsten Reaktionäre aus der Geschichte der deutschen   Vergangenheit verkündet werden komtte. Wenn daS Gespenst des Kurfiirsten von Hessen  , das Ge­spenst Haffenpflugs herausbeschworen wird, dann sehen wir das Wieder- auferstehen der alten Perückenstöcke aus der Metternichzeit. W.nn in einer herrschenden Klasse solche Gespenster der Vergangenheit auferstehen, so ist das ein Beweis dafür, daß wir marschieren und ein deutlickirr Beweis dafür, baß diese Klaffen am Ende ihre» Lateins, daß Ne dem Untergänge nahe find. (Lebhafter wiederholter Beifall bei den Sozialdemokraten. Lärm und Zischen rechts.) Vizepräsident Dr. Spahn: Der Abg. Ledebour hat von oen faulen Witzen deS Herrn Kreth gesprochen. Diese Worte, einem Mitglied« des Hauses gegenüber, entsprechen nicht den Gewohn. heilen des Hauses. Ferner hat der Abg. Ledebour festgestellt, daß, wenn in Zukunft noch jemand davon sprechen würde, daß die Aeußerungen des Abg. v. Oldenburg   sich nur auf die Disziplin im Heere beziehen, das eine Lüge sei. Auch eine solche Feststellung einem Mitglied« des Hauses gegenüber widerspricht der Sitte des Hauses. Dann hat der Abg. Ledebour die Bemerkung gemacht, die deutschen Fürsten   hätten sich durch Raub. Diebstahl und Plündereien in den Besitz ihrer Länder gesetzt, hat schließlich gesagt, das auf den Straßen von Frankfurt  «. M. und Halle geflossene Blut klebe an den Fingern des Reichskanzlers.(Sehr richtigl bei den Sozial. demokraten  .) Wegen dieser beiden Aeußerungen rufe ich den Abg. Ledebour zur Ordnung.  (Bravo  ! rechts.) Damit schließt die Debatte. Es folgen persönliche Bemerkungen. Abg. Fürst Hatzfeld(Rp.): Der Abgeordnete Ledebour   hat ausgeführt, ich hätte mich doch gegen das bestehende Reichstags- Wahlrecht gewendet. Das ist nicht richtig. Im übrigen bedaure ich, auf die Rede deS Abgeordneten von Ledebour  (Heiterkeit Zuruf links: Ist nichtvon"!) nicht eingehen zu können. Abg. Dr. Wiemer(stf. Vp.): Der Abgeordnete Ledebour   hat mich gefragt, wo seine Partei unS beim WahlrechtLkampf in den Rücken gefallen sei. Ist stelle erneut fest, daß ich zu dieser Be- merkung durch höhnische Zurufe aus den Reihen der Sozialdemo- kraten gekommen bin. Ich wurde dazu um so mehr veranlaßt, als auch sonst von der Sozialdemokratie aus parteitaktischen Gründen an dem Ernste unserer Haltung im Wahlrechtskampf gezweifelt wird. Der Reichskanzler hat mit einer erregten Aeuße- rung sich gegen meine Bemerkung gewendet, er habe mit seiner Rede im Abgeordnetenhaus despektierlich von den süddeutschen Staaten gesprochen. Er hat gemeint, ich hätte so loyal sein müssen. den Wortlaut auch seiner anderen Bemerkungen zu zitieren. Ich habe die Aeußerungen zitiert, auf die es mir ankam. Ich bin um meine Bemerkung gerade von süddeutschen Parteifreunden er. sucht worden. Di« Schärfe der Tonart halte ich dem Reichskanzler zugute, sie zeigt, daß er sich der Schwäche seiner Position durchaus bewußt ist.(Sehr gut! links. Unruhe rechts.) Abg. v. Oldenbvrg(k.): Der Abgeordnete Ledebour   hat sich heute erneut mit meinen Ausführungen zum Militärctat be- schäftigt. ES galt bisher nicht für anständig, einem politischen Gegner eine andere Deutung seiner Worte unterzuschieben, als er selber angibt.(Sehr richtigl rechts.) Der Abgeordnete Ledebour hat mit dieser Uederliejervng gebrochen. Ich verlasse die Schloß« folgerung aus den heutigen Ausführungen des Abgeordneten Ledebour   allen normaldenkenden und allen anständigen Leuten. (Lebhaftes Bravol rechts Große Unruhe links.) Abg. Ledebour(Soz.): Der Abg. Oldenburg(Zuruf rechts: v. Oldenburg  !), der Abg. v. Oldenburg-Januschau, Ritterguts- besitzer, Kammerherr und Rittmeister a. D., hat die Tatsache voll- kommen außer Betracht gelassen, daß ich meine Ausführungen darauf gründete, daß er nachträglich im Anschluß an Aus- führungen eines anderen Redners seinen Worten eine andere Deutung zu geben versucht hat, als sie nach den Gesetzen der deutschen Sprache(Zuruf rechts: Unsinnl), der Logik und nach dem klaren Wortlaut seiner Rede überhaupt möglich war. Es war bisher in diesem Hohen Hause nicht Brauch und wurde nicht für a n st ä n d i g gehalten, daß ein Abgeordneter seinen Worten eine dem wirklichen Sinn diametral entgegen» stehende Auslegung zu geben versuchte.(Sehr gut! links.)) Das Schlußurteil hieraus zu ziehen, überlasse ich allen Herren im Hause, mit Ausnahme des Abg. v. Oldenburg  , von dem ich natürlich nicht erwarte, daß er diese Schlußfolgerung zieht, die jeder Mann ziehen muß. der zu seinen Worten steht, der nicht kneift» der weiß, daß er unter allen Umständen das ber- antworten muß, was er hier als Politiker sagt.(Lebhafte wieder, holte Zustimniung bei den Sozialdemolraten. Lärm rechts.) Abg. v. Oldenburg  (k.): Ich halte es für unter meiner Würde, hierauf zu antworten.(Lautes Gelächter links. Abg. Ledebour; Sie müsse» wohl abreisen? Allseitige Heiterkeit.) Damit ist dieser Gegenstand erledigt. Es folgt die Fortsetzung der zweiten Lesung deS Etats des Reich SamtSdeSJnnern. Abg. Kämpf(freist Vp.)(bei der Unruhe im Hause zunächst fast unverständlich) verbreitet sich über die Handelspolitik und tadelt die Hochschutzzollpolitik, die den Abschluß von Handelsverträgen erschwere. Hoffentlich komme es nicht zu einem Zollkrieg mit Frankreich.(Im Hause sind noch zirka L0 Abgeordnete anwesend.) Redner hält eine Propagandarede für den Hansabund. Hierauf wirb ein Bertagungsantrag angenommen. Es ist ein schleuniger Antrag eingelaufen auf Ernennung deS Abg. Grafen Sch-oerin-Löwitz(kons.) zum Aushilfs» Präsidenten für die Dauer der Krankheit des Präsidenten Grafen S t o l b e r g. Auf Antrag G o t h e i n(freist Vg.) wird, da niemand Wider- spricht, der Antrag sofort auf die Tagesordnung gesetzt und ein, stimmig und debatteloS angenommen. Abg. Graf Schwerin-Löwitz(kons.) erklärt sich zur Ueber» nähme des Hilfspräsidiums bereit.(Allgemeiner Beifall.) Nächste Sitzung: Montag 1 Uhr.(Fortsetzung der Beratung deS Etats des ReichsanttS des Innern.) Schluß S Uhr. Hbgeordnetenbauö. 23. Sitzung, Sonnabend, den IS. Februar, vormittags 11 Uhr. Am Ministertisch: Freiherr   v. Rheinbaben. Vor Eingang in die Tagesordnung erklärt Abg. Jtschert(Z.): In der vorgestrigen Sitzung habe ich AuS, führungen des Abg. Liebknecht in bezug auf daS Verhalten eines LandgerichtSdirektorS beim Landgericht II Berlin   widerlegt, indem ich darauf hingewiesen habe, daß die Worte deS betreffenden Land» gerichtsdirektors nur scherzhaft gemeint gewesen seien, Herr Dr. Liebknecht hätte das wissen müssen, weil er selbst Verteidiger gewesen wäre. Herr Dr. Liebknecht hat mir nun gesagt, daß nicht er, sondern sein Bruder in jenem Prozeß der Verteidiger gewesen wäre. Ich habe den betreffenden Landgerichtsdirektor zwar noch nicht sprechen können, habe aber keine Veranlassung, an der Rich- tigkeit der Angabe deS Herrn Dr. Liebknecht zu zweifeln.(Bravol) Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Reise« kosten der Staatsbeamten. Nach kurzer Debatte geht der Gesetzentwurf cm eine Kom, Mission von LI Mitgliedern. Die zweite Lesung des Etats wird fortgesetzt beim Etak der Verwaltung der direkten Steuern. Abg. Dr. Hauptmann(Z.) führt darüber Beschwerde, daß preußische Arbeiter, die in Holland   beschäftigt werden, sowohl in Preußen wie in Holland   zur Steuer herangezogen werden. Direktor der Verwaltung der direkten Steuern Heinke: Es handelt sich hier um Bergarbeiter, die an der Grenze wohnen, aber in Holland   ihr Brot finden. Ihre Besteuerung auch durch Holland  beruht auf emem holländischen Gesetz, gegen daS wir nichts machen können. Abg. Ecker-Winsen(natl.) verweist auf die Veröffentlichungen deS Professors Delbrück   über Steuerhinterziehungen und ver, langt eine genaue Prüfung der Delbrückschen Zahlen. Abg. Hirsch-Berlin(Soz.): Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit zunächst auf eine Verfügung des Ministers lenken. Die Verfügung geht dahin, daß eine Er- Mäßigung deS Steuersatzes wegen SlrbettSlofigkeit nur dann er- folgen darf, wenn die Arbeitslosigkeit länger als 10 Wochen un- unterbrochen dauert. Ist aber jemand IL Wochen im Jahre ar- beitslos, dann hat er keinen Anspruch auf Ermäßigung, falls die Arbeitslosigkeit nicht ununterbrochen andauert. Ich halte diese Verfügung für falsch, da im Z 63 des Einkommensteuergesetzes von einer ununterbrochenen Arbeitslosigkeit nicht die Rede ist. Der Vorredner hat mit Recht darauf hingewiesen, dah ein großer Teil der Unterschätzungen au den Bestimmungen deS Gesetzes selbst liegt. Nach dein Gesetz würde z. B. ein Zensit, dessen einzige Ein- nahmen die Zinsen einer Hypothek sind, wenn ihm diese Hypothek am 31. März ausgezahlt wird und er daS Geld am 1. April noch nicht anderweitig begibt, sondern zu Hause aufhebt, daS ganze Jahr hindurch keinen Pfennig Einkommensteuer zu zahlen haben. Per- sönlich halte ich eme solche Auslegung des Gesetzes für falsch; aber in der Veranlagungskommission, der ich angehöre, stand die Mehrheit auf dem entgegengesetzten Standpunkt. ES wäre drin- e n d notwendig, daß der Minister über diesen Fall Aus» u n f t gibt. Ob die Delbrückschen Zahlen richtig sind, oder nicht, lasse ich dahingestellt. Auf ein paar Millionen kommt eS ja gar nicht an. DaS eine aber steht fest, daß tatsächlich erhebliche Summen hinter» zogen werden. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt, daß das nur auf dem Lande geschieht, glaube vielmehr, daß in den Städten genau so gewirtschastet wird. ES gibt eben gewisse Leute, die nicht gerne Steuern zahlen, die sich freuen, dem Staat ein Schnippchen schlagen zu können. Abhilfe konnte am besten geschaffen werden durch die Anstellung ftaatlicher Veranlagungskommissare. In Charlottenburg   haben wir vor einigen Jahren einen VeranlagungS- kommissar angestellt. Die Summe, die wir für ihn ausgeben müssen, steht in gar keinem Verhältnis zu dem, war wir durch seine Tätigkeit an Steuern mehr bekommen. Also vor den Kosten für solche Kommissare brauchen wir keine Furcht zu haben. Die Del- brückschen Angaben genau nachzuprüfen, ist eine Pflicht deS Staats- Ministeriums. Wenn die Angaben richtig sind, muß es dringend für Abhilfe sorgen. Neben den Beamten werden die Arbeiter am kräftigsten zur direkten Steuer herangezogen. Ja. ich behaupte. dah die Arbeiter eher zu viel als zu wenig an Steuern zahlen, weil sie nicht wissen, welche Abzüge sie machen dürfen. Wenn das aber der Fall ist, dann müssen gerade die Parteien, die mit solcher Energie für den§ L3 des Einkommensteuergesetzes eingetreten sind, es als ihre vornehmste Pflicht betrachten, daß nun auch andere KMe du Bevölkerung genau so bchandelt werde».(Sehr richtig!