Nr. 45.
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Vorwärts
Berliner Volksblatt.
Dino 27. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69.
Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Mittwoch, den 23. Februar 1910.
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
Der Schnapsblock gegen das Wahlrecht!
Neue Zentrumsverräterei!
Das Zentrum hat in der Sigung am Dienstag[ teiner Silbe erklärt habe, daß der vor bereits acht Tagen Denn die Verknüpfung der geheimen mit der der Wahlrechtskommission seine Heuchlermaske völlig gelüftet. gefaßte Beschluß der Kommission zugunsten der geheimen indiretten Wahl macht die geheime Wahl völlig wertlos Als der„ Vorwärts" bereits nach dem Verlauf der beiden Abstimmung für sie unannehmbar sei. Sollte die Regierung für die entrechteten Maffen! ersten Kommissionssizungen mit aller Schärfe nachwies, daß aber die Vorlage zum Scheitern bringen, so liege es Denn worin bestand denn der Wert der geheimen Wahl? das Zentrum unter allen maßgebenden Parteien die ja am Volke und den wahlrechtsfreundlichen Darin, daß die Wähler, geschützt vor dem Terror der Beschäbigste Verräterrolle spiele und seine ganze Tattit Parteien selbst, durch Verschärfung der Wahlrechts- hörden und der Unternehmer, überall ihrer Ueberzeugung darauf anlege, das neue Wahlrecht noch elender zu ge- bewegung unter den Massen die Regierung zu gemäß wählen konnten. stalten, als es selbst die Anträge der National- zwingen, schleunigst eine neue, bessere Vorlage ein- Die indirekte Wahl raubt diese Möglichkeit aber auf dem liberalen bezweckten, die doch wahrhaftig schon reaktionär zubringen! Lande auch bei der geheimen Wahl den Anhängern aller genug waren, gab es noch immer Naive, die sich und anderen Der ungeheure Respekt, den das Zentrum in der schärferen Oppofitionsparteien, namentlich der Sozialeinzureden suchten, nicht das Zentrum, sondern die Wahlrechtsfrage vor der Handvoll Junker bekunde, demokratie! Nationalliberalen seien der eigentliche und nehme sich bei einer angeblich demokratischen Partei gefährlichste Feind der Wahlreform.
Die Haltung, die das Zentrum am Dienstag in der Wahlrechtsfommission einnahm, dürfte nunmehr auch dem Naivsten den Staar gestochen haben!
Denn am Dienstag deckte das Zentrum seine Karten auf und einigte sich mit den Konservativen zu einem Kompromiß, das geradezu ein
Nonplusultra niederträchtigster Wahlrechtsverräterei darstellt!
Bekanntlich hatte die Wahlrechtskommission bereits mit 15 gegen 13 Stimmen die geheime Abstimmung im Prinzip beschlossen! Die geheime Abstimmung war also gesichert. Nicht nur in der Kommission, sondern auch im Plenum, wo ja 231 ultramontane, nationalliberale, freisinnige, polnische und sozialdemokratische Stimmen den 212 fonservativen und freifonservativen Stimmen gegenüberstehen. Es galt jetzt nur noch, die bereits beschlossene geheime Abstimmung in den Text der Regierungsvorlage einzuarbeiten. Eine mindestens ebenso große Mehrheit war für die ja obendrein in der Regierungsvorlage selbst geforderte direkte Abstimmung vorhanden.
Die dirette Wahl sowohl als die geheime Wahl wären also gesichert gewesen, wenn das Zentrum sich nicht im legten Augenblick mit seinen Verbündeten vom Schnapsblock, den Konservativen, zu einem
infamen Kühhandel
Das Zentrum gibt die direkte Wahl preis! Dafür ftimmen die Konfervativen für das geheime Wahlrecht!
Denn das geheime Wahlrecht läßt sich bei der indoch ebenso befremdend aus, wie seine unglaublich direkten Wahl ja nur dann ausüben, wenn es den Oppositionsniedrige Einschätzung des Volkswillens! parteien möglich ist, die nötige Zahl Wahlmänner aufzubringen. Das aber ist namentlich der Sozialdemokratie ganz unmöglich! Folglich müßt das geheime Wahlrecht infolge der Wiedereinschmuggelung der indirekten Wahl den Entrechteten auf dem Lande keinen Pappenstiel!
Nachdem nun gar die Konservativen selbst in aller Form die Erklärung abgegeben hätten, daß auch sie teineswegs prinzipielle Gegner der geheimen Abstimmung seien, entfalle für das Zentrum aber auch der lette Scheingrund zur Preisgabe der direkten Wahl!
In den Städten aber war ja bei dem den Arbeitern Bergebens! Der schamlose Schacher, durch den durch ihre starten Organisationen gewährleisteten Schuh die das Zentrum eine Verbesserung des Wahlrechts Gefahr der wirtschaftlichen Schädigung zum guten Teil ohne. berriet, die selbst die Regierung in der Vorlage zugestanden hin beseitigt! Das geheime Wahlrecht, das der in der Wahlrechtsfrage hatte, war offenbar schon vorher beschlossene Sache! Durch einen geschäftsordnungsmäßigen Erid neuerstandene Schnapsblock dem Volte bietet, ist also nichts forgte das Bentrum dafür, daß die Abstimmung über die als eine Eingliederung der ja bereits beschlossenen geheimen Wahl in das Gesetz zusammengefoppelt burde mit einem konservativen Antrag auf Beibehaltung der indirekten Wahl.
erbärmliche Sckeinkonzeffion!
Es ist im Grunde nichts als die auf einem Umwege erreichte Realisierung des Zedlisschen Vorschlages, die bürger.
Die paragraphierte Spottgeburt, die die geheime Ab- lichen Wähler vor der Notwehr der sozialdemo ſtimmung nicht nur volksverräterisch, sondern obendrein auch an de den alten infamen Terror der reaktionären Gewalten noch sinnwidrig verbindet mit der Wahlmännerwahl,
wurde dann
von Konfervativen und Zentrum
angenommen!
Und zwar mit 16 gegen 8 Stimmen!
aufrecht zu erhalten!
Denn die Wiedereinführung der Wahl. männerwah I sichert auf dem Lande und überall da, wo die Arbeiter keine festgeschlossene, wohlorganisierte Macht bilden, Behörden und bürgerlichen Parteien
Wir sind gewiß die Letzten, die den erzreaktionären jede terroriftifche Vergewaltigung! Charakter der Nationalliberalen und ihr zufammengetan hätte! Unter dem abgeschmackten Vorwand, boltsfeindliches Verhalten in der Wahlrechts- Der Terror bleibt also bestehen, mur daß sich die verdaß das geheime Wahlrecht nur dann im Herrenhaus und fommission beschönigen möchten. Forderte doch gerade auch gewaltigten, entrechteten Massen seiner nicht mehr durch Notbei der Regierung auf Annahme rechnen dürfe, wenn es ge- der sozialdemokratische Vertreter in der Wahlrechtskommission wehratte erwehren können! linge, auch die Konservativen dafür zu gewinnen, da- das Zentrum in der energischsten Weise auf, sich dem Kampf Und nicht nur, daß das Kompromiß der Schnapsblockdurch also eine starte Majorität dafür zustande zu der Sozialdemokratie nicht nur gegen die konservativen, Parteien dem Proletariate jede Möglichkeit nimmt, auch nur öringen, schlug es folgendes Kompromiß vor: sondern auch die nationalliberalen Wahlrechtsfeinde den Einfluß, den ihm selbst die Dreitlassenschm a ch anzuschließen. zuweist, in Gestalt von Abgeordnetenmandaten in die WagAber wenn schon die Nationalliberalen wegen schale zu werfen: das Proletariat ist nicht einmal in der Lage, ihrer Kompromißsüchtelei die äßende Kritik herausforderten- feine Stimmen zählen zu können! welche Kritik fordert dann erst die unsägliche Haltung des Ein raffinierter auf die Interessen der Zentrums heraus! wahlrechts- und volksfeindlichen Reaktion zugeschnittenes Die Nationalliberalen waren doch immerhin be Kompromiß läßt sich also gar nicht ausflügeln, als Die Konservativen erklärten ihre Zustimmung zubingungslos für die geheime Abstimmung. Sie das, zu dem das Zentrum in frechfter Wahlrechtsverräterci Vergebens wandten sich die Vertreter der Linken gegen doch erst bei der Klasseneinteilung, die sie nicht bewaren für die direkte Wahl. Ihre Kompromißlerei begann seine Hand geboten hat! Am Donnerstag wird die erste Lesung beendet sein! Die Namentlich der Vertreter der Sozialdemokratie feitigt, sondern nur in der unzulänglichsten Weise zweite Lesung wird wohl in zwei Sizungen durchgepeitscht werden, sodaß in kaum 14 Tagen der Wahlrechtswechselbalg brandmarkte dies Zusammengehen der Schnapsblockparteien abgeschwächt wissen wollten! als den perfidesten Wahlrechtsverrat! Sei es doch geradezu lofe Gewährung des geheimen Wahlrechts! Unter der fläg- werden dürfte! Das Zentrum dagegen war nicht einmal für bedingungs- des Schnapsblocks dem Plenum zur Beratung vorgelegt unglaublich), die bereits gesicherte geheime Abstimmung lichen Ausrede, die geheime Abstimmung sichern zu müssen, Da gilt es, in der Agitation für das gleiche und wirklich geheime Wahlrecht die äußerste Zattraft zu entfalten!
diesem Kompromiß!
diesen schmachvollen Schacher!
nochmals zum Schacherobjekt machen zu wollen, nur zu dem zwede, der Reaktion zuliebe das direkte verband es sich auch in der Wahlrechtsfrage mit seinem Wahlrecht zu opfern! Die Aengstlichkeit des Zentrums Komplizen vom Schnapsblock, um die geheime Abstimmung bor einer ablehnenden Haltung der Regierung sei um durch die indirekte Wahl
so erstaunlicher, als die Regierung doch noch mit
zu verbunzen und zu entwerten!
Es gilt, mit den Wahlrechtsverrätern unerbittliche Abrechnung zu halten!
Nieder mit dem preußischen Schnapsblock,
dem Anti- Wahlrechtsblock!