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Demonftrationen. Die Blutarbeit der Frankfurter   Polizei vor den Stadtverordneten. Frankfurt   a. M., 22. Februar.(Privatdep. d.Vorw") In der Stadtverordnetenversammlung kamen heute die Vorgänge vom 13. und 17. dieses Monats zur Sprache. Die Sozialdemokraten wie die Freisinns-Demo- kraten interpellierten den Magistrat und Ober- bürgermeister, wie er sich zu der Sache stelle, daß st ä d t i s ch e Lokale den Schutzleuten an beiden Tagen zur Verfügung gestelltwurden, daß weiter st ä d t i s ch e Trambahnwagen dazu benutzt wurden, um die Schutzleute von einem Punkt der Stadt zum andern zu fahren. Genosse Quarck   sagte in der Begründung der Jnter- pellation, es sei doch unerhört, daß der Magistrat im Gegensatz zu dem Magistrat der Stadt Berlin   so einseitig Partei ge- nommen habe für die Polizei. Er gab noch einmal eine Dar- stcllung der Vorgänge, die sich mit der bereits imVorwärts" gegebenen deckt und schilderte weiter, was er s e l b st an beiden Tagen erlebt habe, wie brutal und gemein die Polizei gegen Unbeteiligte, ja selbst gegen Frauen und Kinder vorgegangen sei. Auch der Freisinns-Demokrat Wedel   äußerte sich in sehr scharfer Weise über das Vorgehen der Polizei und verlangte, daß der Magistrat unbedingt Maß- nahmen ergreifen müsse, um eine Wiederholung solcher Vor- gänge zu verhindern. Er sprach mehrmals von b e a b s i ch- tigtem Ueberfall der Polizei auf die fried- l i ch e n Demonstranten. Der Stadtverordnete Genosse W i t t i ch erzählte, daß er einem Kommissar Vorhaltungen gemacht habe über das Vorgehen. Er habe selbst gesehen, wie der Kommissar vom 4. Revier einen harmlosen Menschen, der nicht einmal zu den Denwnstranten zählte, gepackt und auf die Erde geworfen habe. Darauf habe er(Wittich) zu dem Kommissar gesagt:Sind Sie sich denn nicht bewußt, daß Sie eben eine gesetz» widrige Handlung begangen haben?" Die Antwort war:HaltenSie dieSchnauze!" Und als Genosse Wittich sich dann vorstellte als Stadtverordneter, sagte der Kommissar:Wir pfeifenaufalleStadtver- ordnet e nl" Der Oberbürgermeister suchte das Vorgehen der Polizei in milderem Lichte darzustellen. Die Hergabe städti- scher Lokale und Straßenbahnwagen gab er jedoch in ziemlich unverschämtem Tone zu und verlas eine Erklärung, die ihm offenbar von der Polizei diktiert worden war. Als dann auch der Stadtverordnete Ladenburg  , einNationallibe- r a l e r, eine Erklärung der Nationalliberalen verlas, die sich in geradezu provozierender Weise auf die Seite der Polizei stellte, wurde er von unseren Ge- nassen und von einigen Freisinns-Demokraten mit Minuten- langen stürmischen Pfui-Nufen unterbrochen. Auch die Ga- lerie stimmte in diesePfui-Rufeein. Der ganze Römer, das Sitzungslokal der Stadtverordneten, ist von einer dichten Menschenmenge umlagert. Der Oberbürgermeister griff noch wiederholt in die Debatte ein und mühte sich vergebens ab, das Vorgehen der Polizei zu beschönigen. Als er dann die Besetzung der städtischen Straßenbahnwagen anders darstellte, als Genosse Ouarck, rief ihm der freisinnige Justizrat Helff zu: Wen nesnichtwahrist, soistesguterfunden!" Justizrat Helff erklärte dann noch, er habe gewiß nichts mit der Sozialdemokratie gemein und billige nicht alles, was die Sozialdemokratie mache, aber das müsse man doch sagen, daß die Sozialdemokratie und die Gewerk- schaften einen sehr erzieherischen Ein'fluß auf die Arbeiterschaft ausüben. Es sei ganz unerhört, wie die Polizei es wagen konnte, auf friedliche Menschen einzuhauen, einzureiten und au schießen. Zum Schluß wurde dann der folgende dringlrcheAntragder demokratischen und freisinnigenFraktion mit übergroßer Mehrheit auch die Sozialdemokraten stimmten dafür angenommen: Mit Rucksicht darauf, daß das Verhalten der Polizciorgane geeignet ist, sowohl die Sicherheit harmloser Passanten zu ge- fährden als auch den Fremdenverkehr zu beeinträchtigen, ersuchen wir den Magistrat, an der zuständigen Stelle Verwahrung ein- zulegen, damit die Wiederkehr solcher Vorgänge vermieden wird." Die Wahlrechtsinterpellationen der So- zialdemok raten und Freisinnigen wurden dann wegen der vorgerückten Stunde vertagt. Kundgebungen außerhalb Preußens. Die Schandvorlage Bethmann Hollwegs und die sich häufenden Angriffe auf das Reichstagswahlrecht erregen bis weit über die schwarz-weißen Grenzpfähle hinaus lebhafte Empörung. Ueberall empfindet das Proletariat, daß die preußische Wahlrechtsfrage die deutsche Frage ist, und allerorts fühlt es, daß die preußischen Arbeiter für das Proletariat des ganzen Reiches kämpft. Und so nehmen denn die Proletarier Gesamtdeutschlands lebendigen Anteil am Kampf der preußischen Arbeiter und lassen es sich nicht nehmen, ihrer Sympathie den Kämpfern und ihrer Entrüstung über die Anschläge der preußischen Reaktion deutlichen Aus- druck zu geben. So wird uns aus Nürnberg   berichtet: Hier tagten am Montagabend 15 Parteiversammlungen, in denen überall die preußische Wahlrechtsreform als erster Punkt auf der Tagesordnung stand. Im Landbezirk Nürnberg   haben bereits am Sonnabend und Sonntag sieben Versammlungen stattgefunden. In allen 22 Versammlungen kam die lebhafteste Empörung über die preußische Reaktion zum Ausdruck, die auch für die übrigen Bundesstaaten eine schwere Gefahr bildet. Es wurde in allen Versammlungen einstimmig eine Resolution angenommen, in der dem für die Erringung des Wahlrechts kämpfenden preußischen Volkes Sympathie ausgesprochen und die Kämpfer ersucht werden, nicht zu ruhen, bis das Bollwerk des verderblichen Junkerregiments, das schändliche Dreiklaffenwahl- recht gefallen ist. ES wird ferner protestiert gegen das reichsverräterische Gebaren des Junkertums, wie es sich in den Worten Oldenburgs dokumentiert; ent- schiedenster Protest wird erhoben gegen die Bedrohung des ReichStagswahlrechtS durch den höchsten verantwortlichen Beamten des Reiches im preußischen Landtag. ES wird auf die geradezu rrichSzerstörerische Tendenz dieser Bestrebungen nach Be- seitigung des ReichStagswahlrechtS hingewiesen, und von der bayerischen   Regierung wird gefordert, daß sie im Bundesrat diesen Umsturzplänen mit aller Entschiedenheit entgegentritt. In Chemnitz   tagte am Sonntag eine von über 2000 Per- fönen besuchte Versammlung, in der Genosse Ed. B e r n st e i n über den Wahlrechtskanchf in Preußen sprach. Der Polizei genügte das, um außerordentlicheSicherhdtS"Vorkehrungen zu treffen. Sämt­liche dien st freie Schutzleute wurden eingezogen und mit Revolvern und scharfer Munition versehen! Die Versammlung nahm einen glänzenden Verlauf. Den preußischen WahlrcchtSkämpfern wurde vollste Sympathie ausgesprochen und dann gingen die Massen friedlich nach Hause. Und die bereit- stehenden Polizeimannschaften warteten vergeblich auf Arbeit. Demonstrations-Nachkläuqe im Kieler Stadtverordneten- kollegium. Bei der Beratung des Theateretats in der Sitzung der städtischen Kollegien in Kiel   fragte der Stadtverordnete Genoffe Adler den Oberbürgermeister, ob er davon unterrichtet sei, daß am Sonntag, den 30. Januar, im städtischen Theater vierzig Schutzleute untergebracht worden sind, um von hier aus auf friedlich vorüberziehende Wahlrechtsdemonstranten losgelassen zu werden. Der Oberbürgermeister erklärte, daß dies mit seinem Wissen und Willen geschehen sei, und er würde auch künftig, wenn der Polizeipräsident darum antrage, die Unterbringung von Polizisten in städtischen Gebäuden gestatten. Dann erhob sich der Stadtrat Nissen, ein Bruder des zu trauriger Berühmtheit gelangten Stadtrats Nissen in Neu- m ü n st e r, und machte den Leitern der Demonstration den Bor- wurf, daß sie sich hinter den Tintenfässern v e r st e ck e n. Er erhob die u n w a h r e B e s ch u l d i g u n g, daß in K i e l die Polizeibeamten von den Demonstranten mit Steinen und Flaschen geworfen worden seien und erklärte zum Schluß, die Wahlrechtsdemonstranten müßten von der Polizeinoch viel mehr auf den Kopf habe n". Der Genosse Adler verfehlte nicht, die Handlungsweise dieses Mannes, der im Privatleben ein sehr frommer Christ sein will, ins gehörige Licht zu setzen. Bon den bürger- lichen Vertretern nahm niemand zu den Erklärungen des Oberbürgermeisters und des Stadtrats Nissen das Wort; selbst der freisinnige Landtagsabgeordnete Hoff nicht. Wider die Neumünstersche Polizeileitung. Die sozialdemokratischen Stadtverordneten in Neu- m ü n st e r haben an den Regierungspräsidenten das Gesuch gerichtet, die Herren Stadlrat Nissen und Polizeikommissar Guts mann aus ihren Aemtern als Polizeibeamte zu entheben. Der Vahlrechtsßawpf. Zentrnmsmanöver. AuS dem Ruhrrevier wird uns geschrieben: Angesichts der gewaltigen Wahlrcchtsdemonstrationen der Sozialdemokratie scheint doch dem Zentrum der Boden unter den Füßen zu heiß zu werden. In Bochum   haben sie sich hinter verschlossenen Türen zu einer platonischen Liebeser- klärung für die Uebertragung des Reichstags- Wahlrechts auf Preußen aufgeschwungen. Dies geschah in einer Versammlung des katholischen Volks- Vereins. Von den anwesenden christlichen Arbeiter- sekretären Meise, Gilsing und Schick wurde ganz ener- gisch die Uebertragung gefordert! Schließlich nahm die Versammlung eine Entschließung in diesem Sinne an, fügte aber hinzu:Sollte die Zentrumsfraktion infolge der Uebermacht der Konservativen und Nationalliberalen diese Forde- rung nicht durchsetzen können, so sei unbedingt an der orderung der geheimen Wahl fe st zuhalten." Der rbeitersekretär Gilsing stellte die freche Behauptung auf, das Zentrum habe seit Jahrzehnten die Forderung der Uebertragung des Reichstagswahlrechts vertreten, während die Sozialdemokratie erst seit einem Jahre den Kampf für diese Forderung aufgenommen habe. Die Zentrumsarbeitersekretäre Rheinland-WestfalenS haben eine ähnliche Erklärung wie die Versammlungsresolution an ihre Landtagsfraktion abgesandt. Die Wahlrechtsvorlage«nd die Gemeindevertretungen. Die liberalen Mitglieder der Stadtverordnetenversamm- lung in Magdeburg   haben einen Antrag eingebracht, durch den der Magistrat und die Stadtverordneten ersucht werden, an das Abgeordnetenhaus eine Petition um Ablehnung der Wahlrechts- Vorlage zu richten._ Die Lage in Cngland. Die Thronrede hat endlich einige Klarheit über die Haltung der englischen   Regierung geschaffen. Die Radi- kalen, die Iren und die Arbeiterpartei, die gefordert hatten, daß zuerst das Vetorecht des Oberhauses be- seitigt werden müffe, bevor das Budget erledigt werde, sehen sich von Herrn Asquith im Stich gelassen. Asquith   hatte zwar vor der Wahl feierlich versprochen, die Regierung nur zu übernehmen, falls er sichere Garantien gegen die Lords erhielten und alle Welt legte dies Versprechen dahin aus, daß Asquith   nur regieren wolle, wenn er vom Könige die Vollmacht zu einem ausgiebigen Pairsschub erlange. Aber nach der Wahl fand sich eine andere Aus- legung: Unter den Garantien hätte Asquith   vor allem eine große Mehrheit verstanden; die Liberalen aber zählen nur 273 Mitglieder gegen 273 der Konservativen. Das erhaltene Mandat sei also nicht entschieden genug; deshalb müsse das Budget vorgehen. In Wahrheit kommen zu den 275 Liberalen noch 82 Iren und 40 Mitglieder der Arbeiterpartei, die eine überwältigende Majorität gegen die Lords ergeben. Aber Herr Asquith muß auf die einflußreiche Gruppe der ge- mäßigten Liberalen Rücksicht nehmen, die nach den Wahlen von der radikalen Taktik noch viel weniger wissen wollen als vorher. Deshalb muß das Budget zuerst an die Reihe kommen. In der an die Thronrede anschließenden Debatte er- läuterte der Ministerpräsident seine Haltmcg folgendermaßen: Die Thronrede sei wohl die kürzeste, die es jemals gegeben, da sie sich in der Hauptsache nur mit den Beziehungen der beiden Häuser zueinander befasse. Abgesehen von der nötigen Vorsorge für die Finanzen sei dies die e i n z i g e F r a g e. an die die Regierung heranzutreten beabsichtige. Jedenfalls würde sie, wenn auch vielleicht einige Vorlagen von geringerer Be- deutung eingebracht werden sollten, keine Vorlage einbringen, über die es Streit geben könne. Es sei dies zwar ein ungewöhnliches Vorgehen, aber cS sei auch ein un- gewöhnliches Vorgehen, das die allgemeinen Neuwahlen veranlaßt habe. Was die Frage der sogenannten Garantien von der K r o n e anlange, so habe er keine solche Garantien er- halten oder sie zu erhalten gewünscht. Denn eS sei Pflicht des verantwortlichen Staatsmannes, den Namen des Monarchen und die Prärogative der Krone bei der Politik möglichst anS dem Spiele zu lassen.(Beifall bei den Oppositionellen.) Wenn sich Veranlassung bieten sollte, so würde er nicht zögern, der Krone zu raten. wie eS die Umstände im öffentlichen Interesse angemessen erscheinen ließen.(Beifall bei den Ministeriellen.) Aber plsin pouvoir für eine unbeschränkte Ausübung der könig  - lichen Prärogative für eine Maßnahme. die dem Unter- hause noch gar nicht unterbreitet sei, zu verlangen, würde eine Forderung sein, die kein konstitutioneller Staatsmann ausstellen(Beifall bei den Oppositionellen) und deren Gewährung man von keinem konstitutionellen Monarchen erwarten könne. Nie- mand könne bestreiten, daß im gegenwärtigen Unterhause eine überwältigende Mehrheit sich dafür verbürgt habe, die Frage des OberhauSvetoZ zu regeln. Die Regierung schlage zunächst vor, mit Resolutionen bezüglich des Vetos vorzugehen, die später nach ihrer Annahme der Bill einverleibt werden sollten. Die Negierung sei der Meinung, daß dieses Verfahren sich rechtfertige durch die Wichtigkeit der Vorschläge, die eine Umformung des konstitutionellen Systems Englands bedeuteten. Dieses Verfahren wurde das Haus instand setzen, möglichst früh seine Billigung oder Mißbilligung der Vorschläge der Regierung auszu- sprechen, und der Regierung eS zu ermöglichen, zu sehen, ob sie die Billigung des Hauses habe. Asquith   wies dann auf die zahlreichen Ausgaben hin, für die vor Schluß des Finanzjahres am 31. März gesorgt werden müßte. Die Negierung schlage daher nur eine kurze Vertagung zu Ostern vor. Das Haus würde dann weiter sitzen, bis es das alte Budget und die Resolutionen über die LordS er- I e d i g t hätte. Diese Periode würde sich vermutlich bis Mitte April ausdehnen, worauf das Haus große Ferien inachen würde. Nach den Ferien würde man zu der auf den Resolutionen betreffend die Lords begründeten Bill übergehen. Das Budget würde den Lords indessen nicht eher übersandt werden, als bis daS Unterhaus Gelegenheit gehabt hätte, seine Meinung über die Lords- Resolutionen auszusprechen. Das frühere Budget sollte nur in einigen verhältnismäßig unwesentlichen Punkten abgeändert und das Haus solle ersucht werden, das Ge- schehene nachträglich zu genehmigen, die vom letzten Unterhause ge- nehmigten Steuern wieder zu erheben und den Bestimmungen des früheren Budgets bezüglich der Landabschätzung usw. die Genehmi- gung zu erteilen.(Beifall bei den Ministeriellen.) Hierfür würde es notwendig sein, ein summarisches Verfahren in Anwendung zu brigeu. Asquith   schloß, die Regierung wünsche es klar zum Ausdruck zu bringen, daß sie mit dem Budget und den Resolutionen betreffend das Oberhaus st e h e oder falle, da sie beide Punkte als einen integrierenden Bestandteil ihrer Politik ansehe und ihre Existenz daran setzen müsse, um diese im Uuterhause durchzubringen.(Beifall bei den Ministeriellen.) Wenn das Haus mit den Vorschlägen der Regierung nicht einverstanden sei, müsse diese sich der Entscheidung beugen. Obwohl die Lage reichlich Versuchung biete, irgendeinen leichten Ausweg zu fiildeii, sei es Pflicht der Regierung, jede An- strengung zu machen, um diese große fundamentale vorläufige Re- form zustande zu bringen. Serr Asquith verschiebt also die wirkliche Entscheidung auf erbst. Denn die Resolutionen, die das Unterhaus vor- her annehmen soll, haben keine bindende Kraft; diese kommt nur der später zu beratenden Bill zu. Es ist nichts weniger als eine Vertagung derbrennendsten Frage", die Herr Asquith   seiner Majorität zumutet. Kein Wunder, daß die Iren und die Arbeiterpartei ihre Enttäuschung nicht verbergen. Der Führer der Iren, R e d m o n d, kam unmittelbar nach Herrn Asquith zu Worte und erklärte, nachdem er die völlige Unabhängigkeit seiner Partei nachdrücklich betont hatte: Wenn die Regierung ihnen Sicherheit gäbe, daß eine Veto- Vorlage noch in diesem Jahre zum Gesetz erhoben würde. würden die Nationalisten für das Budget stimmen. Sie seien bereit, diesen Preis zu zahlen, aber nicht u m s o n st oder für etwas ganz Ungewisses. Sie hätten nicht den Wunsch, eine Krise herbeizuführen, aber in dieser Angelegenheit könnten sie nicht mit verbundenen Augen vorgehen. Im Unterhause wurde die Rede RedmondS, der Sicher» heit verlangte, kurz nach der Erklärung Asquiths, keine Sicher- heitgeben zu kötmcn, sehr pessimistisch gedeutet. Man sprach davon, daß spätestens im Juni Neuwahlen stattfinden würden. Derselben Meinung gibt die Presse Ausdruck. Die Morgen- blätter halten, wie aus London   telegraphiert wird, allgemein die Regierung für verurteilt, namentlich infolge der Rede Redmonds. Die konservativen Zeitungen erklären. das Fiasko sei vollständiger, als sie jemals zu glauben ge- wagt hätten. Die liberalen Blätter geben sehr trül<! Kommentare und räumen ein, daß die Liberalen von der Er- klärung Asquiths enttäuscht seien und daß der Sturz der Regierung sicher sei, wofern nicht ein Einverständnis mit den Nattonalisten erzielt werde, die aber voraussichtlich nicht nachgeben würden. Aber eben dies muß zweifelhast erscheinen. Denn von Neuwahlen, die den Konservativen noch günstiger sein würden, haben die Iren nichts zu hoffen. Dagegen müssen sie dann fürchten, ihre den Ausschlag gebende Stellung zu verlieren. Der Sturz der Regierung ist also nicht ihr Interesse. Sie können nur eine Politik der Erpressung befolgen, deren Voraus- setzung aber nur die Fortexistenz der von ihnen abhängigen Regierung bildet. So ist es wohl doch noch am wahrschein- lichsten, daß ein Kompromiß gefunden werden wird. Und daß ein solches vorbereitet wird, beweist ein Telegramm aus London  , das folgendes meldet: Eine Versammlung der irischen Parlaments- abgeordneten nahm heute einstimmig folgende Resolution an: In Anbetracht der außerordentlichen Wichtigkeit des jetzt zwischen beiden Häusern des Parlaments vor sich gehenden Kampses und in der Uebcrzeuguiig, daß es die erste Aufgabe dieses Parlaments ist, in Gemäßheit des durch die allgemeinen Wahlen erteilten Mandate? zu handeln und sofort daran zu gehen, das jetzt vom Hause der Lords über alle progressive Gesetz- gcbung ausgeübte Veto zu beschränken, beschließt die irische Partei. diese große Frage nicht durch Beantragung eines Amendements zur Adresse oder Anträge während der jetzigen Session verwickelter zu ge st alten. Der Beschluß erklärt sich also nochmals für die soforttge Inangriffnahme der Oberhausfrage; aber er verzichtet darauf. die Regierung zu stürzen und schafft so Zeit für den Abschluß eines Kompromisses. Atag aber auch die Regierung dadurch momentan ge- rettet sein, irgend längere Dauer verspttcht dieser Zustand nicht. Das Kabinett verfügt über keine homogene Majorität. Wenn erst das Budget erledigt sein wird, wird es den Kon- servativen ein Leichtes werden, dem schwachen Ministerium die Fortregierung unmöglich zu machen. Die OdcrhanSdcbatte. London  , 21. Februar. Bei Besprechung der Adresse auf die Thronrede erklärte Lord LanSdowne. wenn das Budget vom Uuterhause angenommen würde, so werde dies auch vom Oberhanse geschehen. Er frage die Regierung, ob sie daS Mandat zu haben glaube» die Verfassung des Lande« in Stücke zu brechen, das Zweikammersystem aufzuheben und nur eine einzige Kammer einzuführen. Die Gegner de« Oberhauses wollten ein Oberhaus einführen, das nur ein unwirksames Schattenbild von dem fein sollte, was das Zweikammersystem sein müßte. Zur Er- wägmig einer Reform, die da« Oberhaus wirksamer machen, aber ein Stillstehen der Gesetzgebung verhüten würde, seien er und seme Freunde bereit. Lord Roseberry machte sodann den Vorschlag, daß die Lords, die mit einer Reform einverstanden seien, einen Reformplan ein- bringen möchten, ohne die Lorschläge der Regierung abzuwarten, so daß dem Lande zwei Pläne unterbreitet würden. Die Peer? müßten anerkennen, daß das Land sich gegen daS Prinzip der Erblichkeit ausgesprochen habe, und das Oberhaus habe jetzt eine gute Gelegenheit, sein eigenes Hans in Ordnung zu bringen. Nachdem Carl of Crewe noch daraus hiugewiesen hatte, daß Lansdowne der auswärtigen Politik keine Erwähnung aetan habe, und seine Freude darüber ausgedrückt, daß die Ver- hältnisse in Europa   dies nicht als notwendig hätten erscheinen lasse«, wurde die Adresse angenommen.