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Set vmgeSung von Vreslau hat das VerwaNungSgericht selbst Ver- anlassung genommen, einzuschreiten! Es handelt sich um einen kleinen Ort, in dem ein Wirt seinen Saal auch der Sozialdemo- tratie zur Verfügung stellte. Tom Wirt wurde sofort die Polizei- stunde herabgesetzt auf 9 Uhr; die Polizei revidierte jeden Tag seinen Betrieb, und bei der geringsten Kleinigkeit wurde Anzeige erstattet. Ja, der Wirt wurde verantwortlich gemacht für eine Schlägerei, die ein paar hundert Meter entfernt von seinem Lokal stattgefunden hatte!(HörtI hört! bei den Sozialdemokraten.) Das Verwaltungsgericht hat schließlich mit einer geradezu vernichtenden Begründung die Maßnahmen der Polizei aufgehoben. Es hat zu- gegeben, daß die Polizei ursprünglich nur eingeschritten ist aus politischen Gründen, so daß hier ein schwerer Amtsmißbrauch vorliegt! Diese Fälle sind durchaus nicht vereinzelt. Als ich sie auf dem preuhischen Parteitag zur Sprache brachte, wurde mir allenthalben entgegengerufen, daß diese Fälle überall zu Hause sind, dah die Polizei überall in dieser unerträglichen Weise den Befreiungskampf des Proletariats aufzuhalten sucht.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie dem Volke die Möglichkeit nehmen, die politischen Angelegenheiten in Versamm- lungen zu erörtern, so drängen Sie ja geradezu das Volk auf illegale Wege!(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) In unerhörter Weise tritt die Polizei auch den Jugendorganisationen der Arbeiter gegenüber das Vereinsgesetz mit Füßen. In Berlin  . Breslau  und Königsberg   sind die Jugendorganisationen in ungesetz- licher Weise aufgelöst worden. Und doch haben sich gerade die Jugendorganisationen des Proletariats erfolgreich bemüht, reine Bildungsvereine zu sein. Die Jugendorganisationen des Proletariats sind bei weitem nicht so politisch wie die bürget- l i ch e n Jugendorganisation.(Sehr richtig! bei den Sozialdemo- kraten.) Es liegt eben hier ein Messen mit zweierlei Maß vor. Die Jugendbewegung der Arbeiterklasse werden Sie mit solchen Maßnahmen nie aufhalten können. Eine Jugend, die gut genug ist, in die Werkstätten hinausgejagt zu werden, die auch gut genug ist, ausgebeutet zu werden, ist auch gut genug, um ein Vereinsrecht zu besitzen.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Die Jugendbewegung des Proletariats wird Mittel und Wege finden, stch ihre Wege über den Kultusminister und Polizeiminister hinwegzubahnen. Nichts hat der Jugendbewegung einen so frischen und fröhlichen Mut verschafft als dieses Vorgehen der Polizei. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die proletarische Jugendorganisation ist kampfesfreudig, weil sie für eine große Idee kämpft, und sie ist deshalb nicht niederzuhalten. Die Polizei hat sich auch nicht gescheut, in der Umgegend von Berlin   auf die Jugendorganisationen Polizeihunde zu Hetzen, ja, Gendarme find gegen einen harmkosen Ausflug der Jugendvereine in der rücksichtslosesten Weise eingeschritten!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Polizisten stürmten dabei sogar auf junge Mädchen ein. Schließlich machte man den jungen Leuten noch einen Aufruhrprozeß, der allerdings mit einem un- säglichen Fiasko der Polizei endete. Es kann gar keine besseren Agitatoren für uns geben, als wenn Sie weiter in dieser Weise Polizeihunde und Gendavme auf die Jugendorganisationen los- lassen. Die Kleinlichkeit des preußischen Polizeigeistes beweist auch der Kieler   Fall. Zu seiner Rechtfertigung verweist der Minister auf die ge» fährliche Situation während des schwedischen Generalstreiks! Der Minister hätte gut getan, sich besser zu informieren. Wenige Wochen vorher, als auch schon der schwedische Generalstreik herrschte, habe ich in Kiel   eine Versammlung unter freiem Himmel abgehalten, die von über 10 990 Menschen besucht war. Wenn der Minister glaubte, befürchten zu müssen, daß die Kieler   Arbetter irgendwie Unfug stiften könnten, so ist diese Befürchtung durch diese Versammlung auf daS deutlichste widerlegt. Aber der Minister geht eben nicht von einer weitherzigen Auslegung des Vereinsgesetzes aus, sondern übt die kleinlichste Schikane gegen die Arbeiter. jsllnruhe rechts.) Vizepräsident Dr. Porsch: Sie dürfen dem Minister nicht den Vorwurf machen, daß er die kleinlichste Schikane gegen die Ar- beiter begeht. Abg. Dr. Liebknecht: Die Erregung in der Versammlung, in der ich sprach, war allerdings eine ungeheure, aber es war eine innere Erregung der Massen, die sich nicht äußert in Exzessen nach außen. ES war eine Protestversammlung gegen den Besuch des Zaren in Deutschland  , und sie brachte speziell den Gedanken zum Ausdruck, daß es «ine Schande für Deutschland  ist, wenn der Zar deutschen   Boden betritt. sLärm rechts und im Zentrum. Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident Dr. Porsch: Wegen dieses Ausdrucks rufe ich Sie zur Ordnung.(Bravo  ! rechts.) Abg. Dr. Liebknecht: Daß Ausländer dem Reichsvereinsgesetz nicht unterstehen, mag formell richtig sein, aber dieser Grundsatz entspricht nicht dem Volkerrecht und nicht der Courtoifie, wonach den Angehörigen fremder Staaten dieselbe Bewegungsfreiheit eingeräumt wird, die die eigenen Staatsangehörigen besitzen. Der Minister hätte gut getan, in diesem Falle die unteren Polizeiorgane preis- zugeben, statt den aussichtslosen Versuch zu machen, sie zu decken. (Sehr richtig!) Einen interessanten Beitrag liefert daS Königreich des Herrn v. Heydebrand, Klein-Tschukawe, wo eine Versammlung meiner Parteigenossen wegen einer Scharlachepidemie verboten wurde. Diese Scharlachepidemic hatte nur die Eigentümlichkeit, daß sie gar nicht existierte!(Hört! hört! b. d. Soz.) Charakteristisch ist auch ein Fall, der sich im vorigen Mai in Breslau   abspielte. Dort vergaß der Schriftführer der Demokratischen Vereinigung   bei der Anmeldung einer Versammlung mit Herrn v. Gerlach als Refe- renken, die Zeit anzugeben. Die Polizei erteilte trotzdem die gesetzliche Bescheinigung und inhibierte nachher die Versammlung! (Hört! hört! b. d. Soz.) Das ist doch auch schikanös, denn jeder vernünftige Mensch hatte auf das kleine Versehen aufmerksam gemacht. Der Regierungspräsident v. Arnsberg   geht gegen sozial- demokratische Versammlungen vor, weil er Ruhestörungen befürchtet. Der Herr weiß natürlich ganz genau, daß man in sozialdemokra- tischen Versammlungen auf Ordnung zu halten pflegt.(Lachen rechts.) Das wissen Sie auch! Man ist sogar gegen eine Ver- sammlung vorgegangen, die sich mit der R e i ch s f i n a n z r e f o r m beschäftigen sollte. Sie sehen, wie unrichtig Ihre Behauptung ist, die Regierung hätte tatenlos die Steuerhetze geschehen lassen! Die Polizei wenigstens gab sich Mühe, die verhetzende Tätigkeit der Sozialdemokratie zu verhüten. Wenn Sie eine solche Angst vor unserer Tätigkeit habÄ:, dann muß sich schon«ine große Summe von Schuld auf Ihrer Seite aufgehäuft haben, die im Volke zu einer Entladung reif geworden ist.(Sehr gut! bei den Sozial- demokraten. Unruhe rechts.) Die Schikanen gegenüber den Ausländern, die heute an der Tagesordnung sind, müssen beseitigt werden. Für die Ausländer müssen alle die Gesetze gelten, die auch für die Inländer geschaffen sind. Ein besonders trauriges Kapitel des Frcmdenrechts ist das Kapitel der Koutrollstation, deren Wesen darin besteht, daß die minderbegüterten Ausländer einer beschämenden polizeilichen Kontrolle unterworfen werden; sie werden den Agenten der Vcrkehrsgesellschastcn ausgeliefert, denen man geradezu polizeiliche Befugnisse gibt. Erst neuerdings habe ich Agenken desNorddeutschen Llohd" auf dem Lehrter Bahnhof  beobachten können. Ein Redakteur desVorwärts" Hot sich einmal früher, als Ausländer verkleidet, in eine solche Kontrollstatlön stecken lassen, um die wirklichen Verhältnisse genau kennen zu lernen.(Rufe rechts: Spitzel!) Ja, da gibt es gax kein anderes Mittel, uifl kennen zu kernen, wie die Zustände wirklich sind. Glauben Sie etwa, daß man einen Sozialdemokraten in die Kontrollstation hin- eingelassen und ihm reinen Wein eingeschenkt hätte? Ueber das Spitzelwesen sind Sie auch gar nicht empört. Ihre Empörung ent- springt nur der ohnmächtigen Wut darüber, daß es uns auf diese Weise gelungen ist, einen Schmutzfleck an der preußschen Verwaltung bloßzulegen. Vizepräsident Dr. Porsch: Herr Abgeordneter, ich muß Sie aber doch bitten, sich in Ihren Ausführungen zu mäßigen. Abg. Dr. Liebknecht: Die bayerische   Kammer hat den bayerisch- russischen Auslieferungsvertrag aufgehoben Es wäre doch ein be- schämendes Zeugnis, wenn Preußen wiederum so weit hinter den Süddeutschen herhinken sollte. An oem Fall Schieper hat sich wieder einmal gezeigt, in welch unerhörter Weise die Polizei provokatorisch innerhalb der anarchistischen Organisation tätig ist. Man kann nur alle ehrlichen Anarchisten vor der unerhörten Spitzelwirtschaft, die gerade jetzt auf die Berliner   Anarchistenorganisation ausgedehnt worden ist, warnen.(Sehr wahr! b. d. Soz.) Di« Spitzel wollen ihre llneni- behrlichkeit beweisen und unternehmen allerhand gefährliche Aktionen; sie wollen dadurch vielleicht auch eine Gehalts- erhöhung oder eine Beförderung erreichen Nun zu den StraKenäemonstrationen. Nach einer Entscheidung des Kammergerichts find die Straßen- demonstrationen als durchaus gesetzlich zu betrachten. Die Straßendemonstrationen haben 1906 eingesetzt. In Breslau  wurden dagegen für die Polizisten Revolver angeschafft, Kriegs- Übungen wurden veranstaltet, die Säbel wurden besonders scharf ge- schliffen.(Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Bei Haus- suchungen bei verschiedenen Arbeiterführern aber fand man nirgends Waffen außer geistigen Waffen und g e i st i g e r Munition(Heiterkeit), die Ihnen freilich viel unangenehmer ist als die brutale Waffe, denn die können Sie leicht kompensieren, aber nicht die geistigen Waffen! Auch wurden seinerzeit mit Rücksicht auf die Demonstrationen Kanonen über das Pflaster von Breslau   gezogen. Es wurde auch eine Hand einem Demonstranten abgeschlagen. Diese ist seit diesen Tagen für die Sozialdemokratie das Wahrzeichen zur Kenn- Zeichnung der preußischen Polizeiwirtschaft.(Heiterkeit rechts.) Graf v. Hoensbroech   hat auch die Polizeiausschreitungen verurteilt, und Graf HoenSbroech stammt doch aus aristokratischen Kreisen, er ist kein Sozialdemokrat.(Zurufe rechts.) Für Sie ist alles Sozialdemokrat, was links von Herrn v. Heydebrand sitzt.(Heiterkeit.) Für die letzten Demonstralionen hat die Sozial- dcmokratie überall polizeiliche Genehmigung nachgesucht, obwohl nach dem Urteil des KammergerichtS Straßendemonstrationen gar keiner polizeilichen Genehmigung bedürfenl Bei unseren Demonstrationen hat sich wieder einmal gezeigt, daß überall da, wo die Polizei die Arbeiter in Frieden läßt, sich alles in vollster Ord- nung und Ruhe abspielt. Die Auslassungen des Berliner  Polizeipräsidenten über Straßendemonstrationen in England beweffen«ine geradezu vollständige politische Kindlichkeit. eine absolute Ignoranz ans den Gebieten der Politik. In England find Straßendemonstrationen geradezu an der Tages- ordnung. Dort werden sogar auf den Verkehrsstraßen mit- unter Rednertribünen ausgestellt und Versammlungen abgehallen. DerStandard", ein konservatives englisches Organ, wendet stch denn auch gegen die Ausführungen des Polizeipräsidenten, indem es diese Tatsache darlegt und dann fortfährt: Die preußische Regierung erblickt in jeder Opposition gegen ihre Ideen Hochverrat. Sie wird aber auf die Dauer nicht gegen den Willen der Majorität des Volkes regieren können." Wie eS in England ist, ist eS in Frankreich  , in der Schweiz  , in Holland  . Dem Kölner Karneval macht man keine Schwierigkeiten(Heiterkeit), obwohl dort jedes Jahr Hunderte von Verletzten zu verzeichnen sind!(Heiterkeit.) In den Straßen- demonstrationen der Anhänger des Hottentottenblocks in der be- kannten Januarnacht 1907 auf den Berliner   Straßen erblickte man auch keine Ungesetzlichkeit. Die Maßnahmen gegen die Straßendemonstrationen wirkten ein bißchen komisch. Wir im Hause bekamen hier doch vor der Wahlrechtödebatte eine Aufforderung, von der Leipziger Straße  aus ins Abgeordnetenhaus zu gehen wegen großer Menschenansamm- lungen in der Prinz-Albrecht-Straße. Sie sind fürchterlich inS Waffer gefallen mit Ihrer Aengstlichkeit.(Widerspruch rechts.) Der Berliner   Polizeipräsident erließ folgendes Plakat: Es wird das Recht auf die Straße verkündet. Die Straße dient lediglich dem Berkehr. Bei Widerstand gegen die Staatsgewalt erfolgt Waffengebrauch. Ich warne Neugierige!" (Lebhafter Beifall rechts.) Natürlich, S i e rufen Bravo I, Herr v. Jagow aber wird wahrscheinlich nicht mehr Bravo   rufen, wenn er an diesen Erlaß denkt.(Heiterkeit rechts.) Sie können darüber lachen und höhnen, aber niemand wird an den rechten Ernst Ihrer Heiterkeit glauben. Diese Straßendemonstrationen waren ge- tragen von einer Stimmung des Enthusiasmus, von einer Stimmung des Idealismus und der Opferfreudigkeit.(Heiterkeit rechts.) Jedem. der diese Stimmung kennen gelernt hat, ist klar, daß diese Volks« maffe reis genug ist, die Regierung selbst in die Hand zu nehmen. (Gelächter rechts. Beifall bei den Sozialdemokraten.) Diese Volks- masse ist nicht länger geneigt, sich der Herrschast übermütiger und ausplündernder Unterdrücker zu beugen.(Lachen rechts, Beifall bei den Sozialdemokraten.) Vizepräsident Dr. Porsch: Ich muß bitten, diese Ausdrücke nicht zu gebrauchen. Abg. Dr. Liebnecht: Die Straßendemonstrationen sind in glänz- voller Weise verlaufen und haben eine ungeheuere Begeisterung gezeigt. Wo Ausschreitungen vorgekommen sind, ist das nicht die Schuld der Demonstranten, sondern ausschließlich Schuld der eng- herzigen Polizeiorgane. Dieses Blut ist die Blutschuld der polizeilichen Mißwirtschast, der preußischen Reaktion, insbesondere der Jimkerreaktion. Frankfurt  . DieFrankfurter Zeitung  "(Aha!-Nufc rechts.) sie war doch eine Blockzeitung, und damals hätten Sie nichtAha" ge- rufen hat sich ausdrücklich dahin ausgesprochen, daß eS nicht möglich wäre, wenigstens nicht in gutem Glauben möglich wäre, die Vorgänge in Frankfurt   zu reaktionären Zwecken zu fruktifizieren. (Gelächter rechts.) DieFrankfurter Zeitung  " schildert, wie die Massen sich ruhig durch die Straßen bewegten, wie dann die Schutzleute auf sie einHieben und sogar in rücksichtslosester Weise Frauen anfielen.(Hört! hört!) Die Beamten, die ihre Hand gegen eine Frau erhoben haben, verdienen, der allgemeinen Mißachtung preisgegeben zu werden. Die Schutzleute hieben sogar auf eine Frau ein. die zu Boden geriss»,, war I (Lachen recktö.) Sie sollten sich schämen, hier zu lachen. Wer bei solchen Dingen den Ernst nicht wahren kann, hat das Recht ver« loren, an den Aufgaben der Verwaltung noch teilzunehmen. In Reumünster hat ein Beamter der Stadtverwaltung zugeben niüise», daß er be­dauern mußte, die blutigen Vorgänge nicht verhindern zu können. DerVorwärts" hat gewiß nicht übertrieben. Die ersten Nummern desVorwärts" enthielte» nur tatsächliche Mitteilungen, dabei sogar ein ziemlich uneingeschränktes Lob über die Berliner  Polizeiverwaltung. DaS kann uns aber nicht hindern, die einzelnen Fälle anderer Art in den Vordergrund zu rücken und darauf aufmerlsam zu machen, daß sie ein Ausfluß find des preußischen Polizeigcistcs, der hätte vermieden werden können, wenn der Minister verständige Anweisungen gegeben hätte. Der Minister hatte daS Recht und die Möglichkeit zu einer solchen Anweisung. Wir können daher mit Recht behaupten, daß daS geflossene Blut an dm Händen der preußischen Verwaltung klebt.(Oho! rechts), daß sie nichts dazu getan hat, um diese Blutschuld wieder abzuwaschen. Vizepräsident Dr. Porsch ruft den Redner wegen dieser Worte zur Ordnung und macht ihn darauf aufmerksam, daß ihm bei dem dritten Ordnungsruf das Wort entzogen werden kann. Abg. Dr. Liebknecht(fortfahrend): Die Polizei hat erfreuliche Fortschritte gemacht, nicht auf dem Gebiete des Schutzes der Be» völkerung, sondern auf dem der V e r f o l g u n g der Bevölkerung. (Ruf rechts: Zur Ordnung!) Straßendemonstrationen sollen von jetzt ab photographiert werden I Diese Verfügung des Ministers wird von den Sozialdemokraten begrüßt; wir werden sehen können, ivie Demonstrationen entstehen. Der Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen ist klein. Die Vorkommnisse im Berliner   Rathause haben wohl überall ein verständnisvolles Lächeln hervorgerufen. Der Polizeipräsident hat so wenig Augenmaß gehabt, einen Schutzmannsposten frei nach Herrn v. Oldenburg   in das Berliner   Rathaus zu schicken. Die Sache hat ein solches Erstaunen hervorgerufen, daß in Zukunft derartiges wohl nicht mehr vorkommen wird. Die Verhandlungen haben sich an jenem Tage im Berliner Rathaus   in ruhigster Weise abgespielt, und der Polizeipräsident scheint wohl selbst das nötige Einsehen gehabt zu haben, indem er erklärte, in Zukunft keine städtischen Gebäude mehr mit Polizeiposten besetzen zu wollen. Was der preußischen Verwaltung in der gegenwärtigen Situation am meisten zum Vorwurf gemacht werden muß, ist der Umstand, daß in den verschiedensten Gegenden bei Demonstrationen sogar Militär requiriert worden ist. Ich weiß nicht, ob Sie wisien, daß eS wahr ist. Aber es ist wahr, daß diese Anwendung deS Militärs eine Stimmung in der Bevölkerung erzeugt, die jede antimilitaristische Propaganda in meinem Sinne wettmacht. In Berlin   sollen an dem betreffenden Sonntag sämtliche Regimentskommandeure besondere Anweisungen erhalten haben! Das zweite Garde-Dragonerregiment soll ein Probereite» veranstaltet haben, damit sich die Pferde an da? Pflaster gewöhnen! Wenn etwas dazu beiträgt, den letzten Rest von Popularität, den unser Militär noch im Volke genießt, gänzlich auszumerzen, so ist das der richtige Weg dazu-(Lachen rechts.) Ich berufe mich dafür auf den Generalseldmarschall Moltke, der sich im Reichstag dahin ausgesprochen hat, daß es gerade im Interesse der Disziplin eine höchst gefährliche Sache sei. das Militär gegen den inneren Feind zu verwenden. Aber diese Besonnenheit Moltkes ist längst gewiche». Gegenwärtig erachtet man das Militär als das wichtigste Macht» mittel gegen den inneren Feind. Sowohl bei der Schlacht in Halle wie bei den Vorgängen in Neumünster   hat es sich gezeigt. daß die gewaltigen Menschenmassen sich durchaus ruhig durch die Straßen bewegten; es wäre auch nichts vorgekommen, wenn die Polizei Besonnenheit gezeigt hätte. Die städtischen Kollegien in Frankfurt  , Halle, Neumünster   und Königsberg   haben diese Vorgänge bereits erörtert. DaS ist das beste AgitationSmsttel für die Sozialdemokratie. Natürlich wird die Sozialdemokratie zu noch schärferen Mitteln als den Demonstrationen greifen, soweit sie es für zweckmäßig hält, diese schärferen Mitteln anzuwenden.(Aha l rechts.) Ich spreche nicht von Säbeln und Maschinengewehren, sondern von unserer Agitation, die die Bevölkerung in eine Stimmung hineintragen wird, daß die Negierung sich unseren berechtigten Forderungen nicht mehr wird widersetzen können. Es ist nicht der geringste Zweifel, daß, wenn die Verhältnisse stch so weiter ent» wickeln, zuletzt auch das Mittel des Massenstreiks zur Anwendung kommt.(Lachen rechts.) Das Mittel wird nicht gemacht werden, es wird aber von selbst kommen, und Sie werden es zweifellos erleben, daß dieses wichtigste und stärkste Machtmittel des Volkes zur Anwendung kommen wird. Ins Bocks- Horn läßt stch das Volk nicht jagen, und wenn Sie auch weiter mit Militär vorgehen, Sie werden keinen Erfolg haben gegen- über dem Ansturm des Volkes. Gerade der Versuch deS zwischen den Mehrheitsparteien jetzt geschlosienen Kam- promiffeS in der Wahlrechtsreform ist nur geeignet, die Empörung immer weiter zu steigern.(Der Vize- Präsident bittet den Redner, auf die Wahlrechtsreform nicht weiter einzugehen.) Der Ansturm wird wachsen. Wir Sozialdemo- kraten rufen das Bürgertum auf, Seite an Seite mit den Sozial- demokraten in diesem Kampfe zu stehen. Wir rufen das gesamte Proletariat auf und wir sind überzeugt, daß auch zuletzt die große Masse der Beamtenschaft sich mehr und mehr auf die Seite der Sozialdemokraten stellen wird.(Ruf rechts: Aus- geschlossen!) Wir werden die Beamren für uns gewinnen, und zuletzt wird auch Ihre letzte Waffe, Militär und Polizei, versagen. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten. Lautes Gelächter links.) Minister v. Moltke: Ich muß antworten, nicht etwa, weil die Ausführungen des Vorredners irgend welchen Eindruck auf mich gemacht hätten,(Sehr richtig! rechts.) sondern lediglich, um die vielen Uebertreibungen richtigzustellen und die Verdächtigungen der Polizeiorgane nicht un- widersprochen zu lassen. Der Abg. Liebknecht glaubt, daß die Demonstranten, wenn sie sich selbst überlassen wären, sich vollkommen ruhig verhallen hätten. Die Erfahrungen haben uns ein anderes gelehrt. Ueber die Vorgänge in Frankfurt   am 8. Februar geht aus dem amtlichen Bericht hervor, daß auf die Polizeibeamten zuerst geschossen, daß ihnen Pfeffer in die Augen gestreut wurde, daß der Angriff auf die Kriminalschutzleute den Eindruck niachte, als ob nach einer lang- vorbereiteten stillen Parole gehandelt wurde.(HörtI hörtl rechts.) Von der Polizei ist nur von zwei Beamten und nur zur Abwehr geschossen worden. Es ist auch mit Bierflaschen geworfen worden. 23 Schutzleute und viele Kriminalbeamte sind verletzt worden.(Hört! hört I rechts.) Das ist der amtliche Bericht.(Abg. Liebknecht: Ja, ja, das glaube ich!) Oberbürgermeister Adickes  , ein ruhig denkender hoch- geachteter Mann hat in der Frankfurter   Stadtverordnetenversammlung erklärt, daß die Polizei die Pflicht zur Aufhebung des Zuges gehabt habe. Von nationalliberaler Seite wurde anerkannt, daß die Polizei in schlimmster Weise provoziert worden ist. Es wurde auch lebhaft Protest eingelegt gegen die Beschimpfung Bismarcks vor dem Denkmal.(HörtI hörtl rechts.) Ich kann nur meine Genugtuung aussprechen, daß die mir unterstellten Polizeiorgane ihre Pflicht überall getan haben.(Lebhafter Beifall rechts. Zischen bei den Sozialdemokraten. Erneuter lebhafter Beifall rechts.) Hierauf wird die Weiterberatung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt. ricktzitälere! un<l Schächten. In der gestrigen Sitzung der Strafjustizkommission wurden zu« nächst diejenigen Beschlüsse erster Lesung wiederholt, die sich auf eine Milderung der Strafen für Hausfriedensbruch, Nötigung eines Beamten, Arrestbruch, Entziehung der Verstrickung, Freiheits- beraubung, Beisciteschaffung von Vcrmögensstücken bei drohender Zwangsvollstreckung, Zuwiderhandeln gegen Maßregeln zur Ver» hütung oder Einführung einer Krankheit oder von Viehseuchen sowie für Entziehung Minderjähriger beziehen. In allen diesen Fällen verlangen die Beschlüsse die Zulässigkeit von Geldstrafen. Außerdem soll bei Hausfriedensbruch künftig die Zurück» nähme des Strafantrages zulässig sein. Eine längere Debatte entspann sich bei dem auf Tier« quälerei bezüglichen Vorschlag. Da? geltende Strafgesetzbuch bestraft Tierquälerei nur dann, wenn boshaftes Quälen oder rohes Mißhandeln der Tiere öffentlich oder in Aergernis rr- regender Weise borgenominen ist. Als Strafe ist Geldstrafe bis 150 M. oder Haft angedroht. Der Entwurf und der Beschluß erster Lesung beseitigt das Er- fordernis der Oeffentlichkeit und des AergcrniScrregcns und ivill den, der die Tiere boshaft quält oder roh mißhandelt, mit Ge» f S n g n i s bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 000 M.