mit ber Wirkung ein, daß die Bewohner, soweit sie überhaupt zuwarten in der Lage sind, froh sein müssen, wenn sie um halb neunUhr ihre Briefe und Zeitungen erhalten haben. Achnlich geht esim Ortsteil Halensee. Glücklicher sind aus unersichtlichen Gründeneinige wenige bevorzugte Villenbewohner in der Kaiserallce undder Landhausstraße daran. Diese erhalten, wie das Lokalblatt ohneWiderspruch mitteilen konnte, die vom Postzcitungsamt für sie um6V2 Uhr früh eingehenden Sachen in einer Extrabestcllung zuge-sandt, ohne daß sie für dies Entgegenkommen eine besondere Ge-bühr zu bezahlen hätten. Wie sehr die Briefträger es begrüßen,daß sie den acht oder zehn vornehmen Herrschaften schon zu sofrüher Stunde das Neueste darbieten dürfen, läßt sich denken. Wosolche Bevorzugung etlichen Wählern erster Klasse zuteil wird, mages anderseits nicht darauf ankommen, daß sogar die Rohrpost aufeinigen Postämtern nach den Prinzipien der durch Ludwig Börneberühmt gewordenen Postschnecke bedient wird. An den Post-ämtern Pragerstratze und Kaiserplatz ist zwar amtlich Rohrpost-bedienung eingerichtet, jedoch setzt sich das„Rohrnetz" aus denBoten zusammen, die von Zeit zu Zeit die aufgespeicherten Rohr-Postbriefe nach dem Hauptamt in der Uhlandstraße tragen, von woaus sie dann endlich den unterirdischen Weg nehmen. Auch mitder Paketbestellung liegt es zumTeil sehr imArgen. Die auf dem AmtHalensee eingehenden Pakete werden nicht direkt befördert, sondernnach dem Postamte Grunewald gebracht, von wo aus sie erst ihrenWeg in die Welt nehmen. So kommt es denn, daß ein nachBerlin adressiertes Paket, das mit Hilfe der Straßenbahn in einerhalben Stunde besorgt werden kann, anderthalb bis zwei Tageunterwegs ist, bevor es seine Adresse erreicht. Da von den fünfPostämtern des Ortes vier in höchst unzulänglichen Mietshäusernuntergebracht sind, so ist auch die Abfertigung an den �Schalternmit Umständen verknüpft, die man in einer Großstadt für unmög-lich halten sollte. Denkt man nun noch an die mancherlei Mißver-ständnisse und Verlvechselungen, die dadurch entstehen, daß dereine Ort Wilmersdorf auf postalischem Gebiet in die drei OrteBerlin W., Wilmersdorf und Halensee geteilt ist, so wird man zudem Schluß kommen, daß die preußische Eigenart des Rückschritis.deren freie Entfaltung Bethmann Hollweg in seiner Wahlrechts-rede so schön zu preisen wußte, im Wilmersdorfer Postwesen zuderartiger Strammhcit gediehen ist, daß der selige Stephan alleUrsache hat, sich vor Freude im Grabe umzudrehen.Wilmersdorf-Halensee.lieber die gegenwärtige politische Lage referierte in einer amSonntagnachmittag in Haleusee in den Wilmersdorfer Festsälen,Johann Georgstr. IS, stattgefundenen öffentlichen VersammlungGenosse Fritz Zubeil. In treffenden Worten kritisierte derReferent die jetzige politische Lage im Blockreichstag und ebenfallsdie neue preußische Wahlrechtsvorlage. Besonders forderte er dieFrauen zur Teilnahm« am Wahlrechtskampf auf. Hierauf brachteder Gesangverein„Sorgenfrei" Kampflieder hum Vortrag.Nach Schluß der Versammlung blieben die Anwesenden nochbeim Tanz einige Stunden gemütlich beisammen.Eharlottenvurg.Di« schon häufig gerügt« Unfittr der Kinder, sich an vorüber-fahrende Fuhrwerke anzuhängen, hat vorgestern zu einem bedauer«lichen Unfall geführt, dem der öjährige Sohn Waldemar des in derHerderstraße 14 wohnhasten Konditoreibesitzers Pulwit zum Opferfiel. Der Knabe war auf da» seitliche Trittbrett eines Müllwagensgeklettert und kam, als er abspringen wollte, so unglücklich zu Fall,daß er unter den Wagen geriet. Die Räder des schweren Gefährtsgingen dem Kleinen über Kopf und Brust hinweg und führten seinensofortigen Tod herbei.Rixdorf.Bon einem Pferde getätet wurde vorgestern der LSjShrige Trans-Portbegleiter Hermann Müller. Er hatte einen Transport Reitpferdenach der Provinz Ostpreußen überzuführen. Auf dem RixdorferGüterbahnhof, wo die Tiere verladen werden sollten, scheute einesder Pferde vor einer abfahrenden Lokomotive, schlug aus und traden M. mit solcher Wucht gegen den Unterleib, daß er besinnungslosauf der Stelle zusammenbrach. Der Verunglückte wurde nach seinerWohnung übergeführt, wo er wenige Stunden darauf an denFolgen der erlittenen Verletzung verstarb.Schöuederg.Der Umsatz ans dem Schönederger GrnndstückSmmkt hat sich seitBeginn dieses Jahres überaus lebhast gestaltet. Am meisten bevor-zugt erscheint im Hinblick auf Untergrundbahn, Rathausneubau undStadtpark die westliche Fortsetzung des Bayerischen Viertels. DerGesamtumsatz in unbebauten Grundstücken betrug 1 533 350,50 M.,die Verkäufe bebauter Grundstücke erstrecken sich aus das gesamteStadtgebiet, mit Ausnahme des Friedenauer OrtSteiles. wo einreger Markt wohl mit der Erschließung des SüdgeländeS einsetzendürste. Für bebaute Grundstücke wurden seit Beginn deS LahresK 269 000 M. erzielt. Am lebhaftesten war der Umsatz auch hier imBerliner Ortsteil und im Bayerischen Viertel.Berbrannt ist vorgestern die zweijährige Tochter deS Feuerwehr-mannes Rudolf aus der Ebersstraße. Während die Frau R. nach-mittags ihrem Manne Essen brachte, öffnete ihr ältester vierjährigerSohn die Ofentür, wobei einige glühende Kohlen herausfielen unddas Bett, in dem das Kind lag, in Brand setzten. Auf das Geschreider Kinder drangen einige Hausbewohner gewaltsam in die Woh-nung und erstickten das Feuer. Das jüngste Kind hatte aber bereitsam ganzen Körper so schwere Brandwunden erlitten, daß eS imAugusta-Biktoria-Krankenhaufe kurz nach seiner Einlieferung dort-selbst verstarb.Die„Freie Jugendorganisation Schöneberg" veranstaltet amSonntag, den 27. Februar, nachmittags 5 Uhr, in den Gesamt-räumen von Miethes Festsälen einen großen Unterhaltungsabendmit nachfolgendem gemütlichen Beisammensein und Tanz. Eintrittfür Erwachsene 25 Pf., für Jugendliche 15 Pf. Die Parteigenossenwerden ersucht, sich an dieser Veranstaltung möglichst zahlreichzu beteiligen.Grost-Lichterfelde.Die Wahlen zur Gemeindevertretung find nunmehr amtlichpubliziert. In der dritten Abteilung, die für die ArbeiterNafie nachden örtlichen Verhältnissen allein in Frage kommen kann, ist dies-mal nur ein einziger Gemeindevertreter zu wählen und zwarim östlichen Bezirk. Die vereinigten bürgerlichen Wahl-ausschiisse haben sich wieder auf den bisherigen Gemeindevertreter,den Schmiedemeister Thiel, einem erzreaktionären konservastvenMittelstandspolitiker, als Kandidaten geeinigt. Der fozialdemokra-tische Wahlverein hat den Genossen Wenzel. Krumme-straße 2, als Kandidaten der Sozialdemokratie proklamiert.Da aller Voraussicht nach weitere Kandidaturen nicht in Fragekommen, muß die Entscheidung schon im ersten Wahlgange erfolgen.Die Arbeiterschaft muß alles daran setzen, den Sieg ihres Kandidatenherbeizuführen, endlich Bresche zu legen in das ihnen bisher ver-schlössen gewesene Gemeindeparlament. Alle Parteigenossen müfienbis zum Tage der Wahl die Agitation energisch betreiben, dieLauen und Gleichgültigen aufrütteln, ihnen klarmachen, daßWahlrecht Wahlpflicht bedeutet. Die äußeren Umstände, diejetzige politische Situation, die das Volk in Spannung und Erregungerhalten, find der Wahlbewegung günstig.Die kurze Frist bis zur Wahl muß daher zur intensiven Agitationausgenutzt werden. Die Wahl findet am Mittwoch, den2. März, von 3—8 Uhr im Henningschen Saale,Jungfern stieg 5(Ostbahnhof) statt.Britz.Die Gemeindevertretung nahm in ihrer letzten Sitzung dieWahl eines Schöffen vor. Der bisherige Gemeindeschöffe HerrFranz Späth legte wegen mangelnder Gesundheit sein Amt mit dem7. Februar d. I. nieder. Die Wahl fiel auf Herrn Wendt. Hieraufbeschäftigte sich die Vertretung mit der Abänderung des Orts-namens in Berlin-Britz. Der Vorsitzende verlas hierzu einSchreiben aus den Kommissionsverhandlungen, woraus zu ent-nehmen ist, daß die Anregung von Deulsch-Wilmersdorf ausgeht.Der Antrag, daß künftig Britz der Name Berlin vorausgesetztwerden soll, fand einstimmige Annahme. Alsdann legte der Vor-sitzende den Entwurf eines Ortsstatuts betreffend die Aufbringungder Straßenunterhaltungskosten usw. in Britz auf Grund des§ 9 des Kommunalabgabengesetzes vor. Wegen der Wichtig-keit dieser Angelegenheit wurde eine gründliche Durch-beratung in der Kommission empfohlen und auch angenommen.Bezüglich der.Einführung eines Einheitspreises für Gas vom1. April 1910 ab" wurden vom Vorsitzenden 14 Pf. für Koch- undLeuchtgas empfohlen. Er bemerkte hierzu, daß dadurch den Haus-besitzern bei der Gasanlage gewisse Vorteile geboten würden. Auchbleibe dem Abnehmer die Miete für den zweiten Gasmesser erspartund der Verwaltung der Gasanstalt die doppelte Kontrolle. FürKraftzwecke kann die Verwaltung. wenn der Abnehmer einen jähr-lichen Verbrauch von 3000 Kubikmeter nachzuweisen hat, den Kubik-mcter mit 12 Pf. berechnen. Es soll somit der elektrischen Kraftkein Vorzug gegeben werden. Der Automatenpreis von 10 Pf.bleibt besteben. Genosse Kitzing verlaugte einen Einheitspreis von13 Pf. Diesen Antrag bekämpften die Herren Grau und Kuppler;sie betonten, daß vorläufig 14 Pf. genommen werden müssen, umdie Rentabilität des Unternehmens zu sichern. Es wurde somit derEinheitspreis von 14 Pf. gegen die Stimmen der Genossen Kitzingund Schliebitz angenommen.Schlachtensee.Erschossen aufgefunden wurde am vorgestrigen Tage auf einerBank am Schlachtensee der 28 jährige Kunstmaler Karl BeddieS, dersich durch einen Schuß in das Herz getötet hatte. Als Grund zudem Selbsünord werden schlechte pekuniäre Verhältnisse angegeben.Bei der Leiche wurde nur ein Portemonnaie vorgefunden, das einenPfennig enthielt.Lichtenberg.Der Etat der Stadt Lichtenberg für das Rechnungsjahr 1910balanziert in Einnahme und Ausgabe mit 13000000 M.Obwohl im letzten Jahre die Beamten- und Lehrergehälter erheblichaufgebessert sind und auch eine Erhöhung der Arbeiterlöhne berück-sichtigt ist, war die Balanzierung möglich, ohne die Gemeinde-Einkommensteuer, die wie im vorigen Jahre nur 100 Proz. beträgt,zu erhöhen; auch eine Erhöhung der Grundwertsteucr war nichterforderlich. Trotzdem standen dem Magistrat aus Betriebsüber-schüssen der städtischen Werke noch rund 70 000 M. zur Verfügung.Der Ausgleichfonds, der etwa 300 000 M. beträgt und im vorigenJahre mit 73 000 M. herhalten mußte, braucht daher diesmalnicht in Anspruch genommen zu werden.Köpenick.Di« Leiche eines unbekannten Mannes wurde vorgestern imKöpenicker Forst in der sogenannten Totenecke an einem Baumehängend aufgesunden. Der Selbstmörder ist zirka 40 Jahre alt,1,70 Meter groß, hat hochstehendes, schwarzes Haar, graumeliertenSchnurrbart und trägt ein doppeltes Bruchband. Bei dem Lebens-müden, der anscheinend dem Arbeiterstande angehört, wurden keinerleiWertsachen oder Legitimationspapiere vorgefunden.Tegel.Die Gemeindevertretung beschäftigte sich in ihrer letzten Sitzungnochmals mit der am 15. November v. I. beschlossenen Umsatz- undWertzuwachssteuerordnung. Der Landrat hat bekanntlich eine Aende-rung der beschlossenen Ordnung verlangt. Diesem Verlangen kamdie Vertretung, damit die Vorlage endlich unter Dach und Fachgebracht werden konnte, nach.Serickts- Deining.Der Revolver im GerichtSsaale.Bedrohliche Absichten schien ein Angeklagter zu haben, dergestern im VerhandlungSzimmer der zehnten Strafkammer desLandgerichts I Berlin einige Aufregung verursachte. Der Kauf-mann Stankemcyer war wegen verschiedener Vergehen angeklagt.Er zeigte schon während der Verhandlung ein ausgeregtes Wesen.Als sich nach Stellung des Strafantrages seitens deS Staatsanwalts das Gericht zur Beratung zurückgezogen hatte, bemerkteder Gerichtsdiener Martiny, daß der Angeklagte im Anklageraumsich in verdächtiger Weife mit dem Auswickeln eines in Papier ge-hüllten Gegenstandes zu schaffen machte. ES war ein Revolver,der zwar noch nicht geladen war, zu dem aber der Angeklagte dreischarfe Patrone» bei sich führte. Noch ehe er dazu kam, diese inden Revolver einzufügen, wurde ihm der letztere entrissen und somitdrohendes Unheil verhütet. Ob der Angeklagte die Absicht hatte,im GerichtSsaale einen Selbstmord zu begehen, oder ob er dieSchutzwaffe gegen einen der Prozeßbeteiligten richten wollte, mußdahingestellt bleiben, da der Angeklagte sich ausschwieg. DieserVorgang, der unwillkürlich die Erinnerung an die Bluttat imReichsgerichtsgebäude wach rief, hat Anlaß zu Erwägungen gegeben.ob zum Schutze des Gerichts eine Untersuchung darüber vor derVerhandlung stattzufinden hat, ob ein Angeklagter Schuß» odersonstige Waffen bei sich führt.Ein Revolverjournalist.Mit dem gemeingefährlichen Treiben eines Prehpiraten hattesich gestern die 2. Strafkammer des Landgerichts II unter VorsitzdeS Landgerichtsdirektors Licpmann zu beschäftigen. Wegen voll-endeten und versuchten Betruges war der„Journalist" und Rechts-konsulent Richard Henze aus Britz angeklagt.Der früher in Rixdorf wohnhafte Angeklagte ist Inhaber einesRechtsbureaus und verfaßte auch Gerichtsberichte. Vor längererZeit tauchte das Gerücht auf, daß der Angeklagte sich nach derSitzung an verurteilte Angeklagte herandränge und Geld für dieVerschweigung von Artikeln verlange. Da ihm jedoch nichts direktnachzuweisen war, konnte der Angeklagte sein unsauberes Handwerkruhig fonfetzen, bis ihn eines schönen Tages sein Schicksal ereilte.Vor dem Schöffengericht war der Bäckermeister G. wegen Diebstahlsangeklagt gewesen und zu einer mehrtägigen Gefängnisstrafe ver-urteilt worden. Nach der Verhandlung erschien Henze in demGeschäft des G. und erklärte, daß er beauftragt sei, nicht nur fürdie Rixdorfer, sondern für sämtliche Berliner Zeitungen einenBericht zu liefern. Er wolle jedoch ausnahmsweise von der Ver-öffentlichung Abstand nehmen, wenn ihn der dadurch entstandeneSchaden erstattet werde. Er habe Macht über alle Zeitungenund könne eine Veröffentlichung verhindern, wenn ihm 45 M.gezahlt würden. G. glaubte in seiner Angst vor der Blamage denAngaben des Schwindlers und zahlte an ihn 20 M. Er war jedochnicht wenig erstaunt, als am nächsten Tage der Verhandlungsberichttrotzdem im„Rixdorfer Tageblatt" und im„Vorwärts" erschien.Trotz dieses wohlverdienten Reinfalles zögerte G. aus Furcht vorweiteren Bloßstellungen, gegen den betrügerischen Preßpiraten An-zeige zu erstatten.In einem zweiten Falle handelte es sich um eine MilchhändlerinFrau M., die vom Schöffengericht wegen Nahrungsmitielverfälschungverurteilt worden war. Der Zlngeklagte drängte sich auch an dieseheran und gab sich als„Gerichtsredakteur" einer„RixdorferZeitung" aus. Unter Hinweis auf ein Manuskript erklärte er dergeängstigten Frau, daß ihre Sache in die Zeitungen käme, wennsie nicht zahle. Als er dann von der Frau 4 M. erhalten hatte,zerriß er das angebliche Manuskript vor ihren Aggoft.In zSei anderen Fällen ivendete sich Henze schriftlich an üef«urteilte Personen und bot ihnen an,„unter Garantie" dafür sorgen»zu wollen, daß die Verhandlungen gegen sie nicht veröffentlichtwürden.Der„Vorwärts" hatte in einem Falle festgestellt, daß ein!Bericht des Angeklagten, nachdem dieser vergeblich ein Schweige-geld verlangt hatte, verfaßt war. Er teilte dies seinen Lesern mitdem gleichzeitigen Bemerken mit, daß er selbstverständlich vondiesem Mann Berichte nicht mehr aufnehmen werde. Dadurchkam die Kugel ins Rollen. Der Vorsitzende des Rixdorfer Amts»gerichts, Gcrichtsassessor Ulrich, wies ihn aus dem Gerichtssaal.Gegen Henze wurde Anklage wegen versuchten und vollendete»Betruges in je zwei Fällen erhoben. Das Schöffengericht nahmjedoch nur zwei Betrugsfälle als erwiesen an und verurteilte denAngeklagten, trotzdem dieser schon wegen Unterschlagung und Ur-kundenfalschung mit 10 Tagen Gefängnis vorbestraft ist, zu dermilden Strafe von 209 Mark Geldstrafe. Hiergegen legte derAmtsanwalt und auch der Angeklagte Berufung ein. In dergestrigen Verhandlung beantragte Staatsanwaltschaftsrat Pabst dasVerfahren auf Erpressung auszudehnen, da der Angeklagte in zweiFäll offenbar nur durch die Drohung mit einer Veröffentlichungdas Schweigegeld erhalten habe. Mit Rücksicht auf das überausgemeingefährliche und verwerfliche Treiben des Angeklagten be-antragte der Staatsanwalt eine Gefängnisstrafe von 3 Monaten.Das Gericht hielt es jedoch für angebracht, nicht auf eine Ge-fängnisstrafe zu erkennen, da der Angeklagte nur geringfügig vor-bestraft sei. Das Urteil lautete wegen vollendeten Betruges ineinem und versuchten Betruges in zwei weiteren Fällen auf 399 M«Geldstrafe.Eine außerordentlich milde Strafe, zumal sämtliche Tat-bestandsmerkmale einer Erpressung vorliegen. Hätte die Staats-anwaltschaft die Anklage von vornherein wegen Erpressung erhoben,so wäre wohl eine Verurteilung wegen dieses Delikts, dessenMindeststrafe einen Monat beträgt, erfolgt.Autounfall.Der Handelsmann Stengert hatte an einem Auend mit mehre-ren Familienmitgliedern und Bekannten auf seinem Break einenAusflug nach Wannsee gemacht. Auf der Heimfahrt passierteihnen zwischen Wannsee und Beelitzhof ein Unfall, der für zweiBeteiligte recht schlimme Folgen gehabt hat. Die Ausflügler warenin froher Stimmung und die mitfahrenden Kinder sangen heitereLieder, als plötzlich der Gesang durch ein lautes Angstgeschrei ab-gelöst wurde. Die Insassen des Breaks sahen hinter sich einschlecht beleuchtetes Automobil, welches ohne mit der Hupe einZeichen zu geben, in sehr schneller Fahrt direkt auf den Wagenzufuhr. Der Führer des Automobils, Chauffeur Wüst, versuchtezwar noch im letzten Augenblick, den Kraftwagen durch Bremsenzum Stehen zu bringen, er hatte ihn aber nicht mehr in seinerGewalt. So kam es zu einem heftigen Zusammenprall. Das Breakwurde in die Höhe gehoben und beinahe ganz zertrümmert. ZweiDamen wurden bei der Heftigkeit des Zusammenstoßes aus demWagen geschleudert und erlitten nicht unbedeutende Verletzungen.Die eine, ein junges Mädchen, hat vier Wochen im Krankcnhausezubringen müssen, die andere, Frau Stengert, leidet noch heutean heftigen Kopfschmerzen infolge des Unfalls. Der Angeklagtesuchte sich durch die Behauptung zu entschuldigen: an dem Breakmüsse die Laterne verkehrt geleuchtet haben, so daß er geglaubthabe, das Fuhrwerk fahre nicht in seiner Fahrrichtung, sondernkomme ihm entgegen. Infolgedessen sei er falsch ausgebogen unddadurch sei das Unglück entstanden. Das Schöffengericht bestrafteihn mit 150 M. Geldstrafe. Der Chauffeur legte Berufung ein,die gestern von der Strafkammer des Landgerichts III Berlin ver-warfen wurde. Der Vorsitzende Landgerichtsdirektor Dr. Warnatschließ den Angeklagten nicht im Zweifel darüber, daß er zu Ge-fängnis verurteilt worden wäre, wenn die Strafkayuner als ersteInstanz zu mttzilen gehabt hätte.Vernnlcktes.Zu dem dreifachen Mord,über den wir gestern berichteten, wird noch aus Oldenburg vomgestrigen Tage gemeldet: Nach dem Geständnis, das der jugendlicheMörder Adolf Denker heute vor dem Untersuchungsrichter abgelegthat, besteht kein Zweifel mehr, daß er die Tat mit Vorsatz aus«geführt hat. Er hatte schon abends das Beil bereitgelegt und denMord um 6 Uhr früh ausgeführt. Zunächst erschlug er den nebenihm im Bette liegenden Bruder und begab sich dann in die Schlaf-kammer der Eltern. Er erschlug und erstach seinen Vater und danndie erwachende Mutter. Gegen 8 Uhr wurde er in der elterlichenWohnung wegen des Einbruchdiebstahls verhaftet und zur Polizei-wache geführt, wo er die ersten Angaben über die grausige Tatmachte. Die drei Leichen wurden gestern abend in das Hospiialgeschafft und heute mittag dort seziert.von einer Lawine verschüttet. Die drei am großen St. Dem-Harb vermißten Arbeiter wurden, wie aus Bern gemeldet wird, vonMönchen des Hospizes mit ihren Bernhardiner Hunden als Leichenin einer Lawine aufgespürt und ausgegraben.Mit Mann und MauS untergegangen. AuS Rom wird gemeldet:Der Hafenkommandant von Castellamare erhielt die Meldung vondem Verlust deS Handelsdampfers„Ciampa". Der„Ciampa" waram 12. Oktober von Castellamare nach Schweden abgegangen undam 6. Januar in der Nähe von Kingston zum letzten Male gesehenworden. Dann hatte man seine Spur verloren. Der„Ciampa" istmit Mann und Maus in der Nordsee untergegangen.Verkehrsstörungen infolge Erdrutsches. Pariser Meldung zufolgewurde die Eisenbahustrecke zwischen Gaunat und MaulinS wurdedurch einen gewaltigen Erdrutsch vollständig verschüttet, so daß derVerkehr unterbrochen ist. Enorme Erdmassen sind noch im Rutschenbegriffen.Lawinenkatastrophe auf Island. Auf der friedlichen InselIsland hat sich ein schweres Unglück ereignet. Wie ein TelegranimauS Reykjavik meldet, hat im HuifSdal am Jsafjord eine Lawinezwei Häuser fortgerissen, wobei dreiundzwanzig Menschen um-gekommen sind.In einer Erdhöhle getötet. Wie auS Brünn berichtet wird, wurdein Blansko eine arme Familie, bestehend auS Vater, Tochter undderen Kind, welche in einer Erdhöhle wohnten, verschüttet und alledrei Personen getötet.Eingegangene Drucbrcbriften.Feuertrunken. Eine Dichterjugend. Schiller» Briefe bis zu feinerVerlobung. Von H. Brandenburg. 1,80 M. W. Langcwicfche- Brandt,Ebenhauien b. München.Megaendorfer. Blätter. Nr. 1000. JublliumSnummer. 30 Pf.Münche», Thcatinerstr. 47.Die Wohnungsfrage als Kulturproblem von Gras PosadowSktz.50 PI.— Wir und die Japaner von Prof. F. Doflein. 50 Pf.— Ge>schichtliches über den Alkoholismns von Dr. G. B. Gruber. 1 M.E. Neinhardt, München.Der Apotheterbernf. Sonderabdruck aus dem.Zentralblatt fürPharmazie und Chemie. Verband kond. Apotheker, Nürnberg, HaZler-straße 27.Nietzsches Werke und daö Nietzfche-Archiv. Von Dr. A. Oehler.A. Kröner, Leipzig.„Reform-Blätter." Nr. 2. III. Monatsblatt für alle hygienischenReformen. Jährl. 3 M. Max Königs, Hannover.Geschäftsbericht und Jahresabrechnung 1909. Berlin, Zentral»verband der Schmiede, 76 Seiten.Geschäftsbericht für das Jahr 1999. Deutscher Metallarbeiter-Verband, Verwaltung Solingen. 2s Seiten. Verlag: P. Pawlowitsch,Solingen.