Herr Gothel» sagte, die deutsche Landwirtschaft könne unseren gesamten Bedarf nicht decken. In dieser Allgemeinheit gebe ich daS zu. aber nicht, wenn er diese Aeusjerung auf den Vichbednrf bezieht. Unsere Landwirtschaft ist sehr Wohl imstande, den gesamten Bedarf an Schlachtvieh zu decken, wenn Sie nämlich die Schutzzölle beseitigen, so dah die Landwirtschaft billige Futtermittel verioenden kann l(Sehr wabr l bei den Sozialdemokraten.) Unsere Bauern- schaft kann dann sehr leicht zehnmal so viel Vieh stellen wie heute. Dänemark ist diesen Weg gegangen. Also dieses Problem ist zu lösen, denn die Steigerung des Mehstandes hängt nicht ab von der Fläche. In diesem Zusammenhange will ich auch zurückgreifen auf das, was über die Kon rumgcnonetifcbaf tcn gesagt ist. Die Konsumcntenorganisation ist gerade im Interesse der Landwirtschaft zu fördern; denn durch sie erst wird das Problem gelöst, dah die Fleischpreise nicht in fortgesetzter Dissonanz zu den Biehpreisen stehen und auf dein Wege über Koin- Missionäre, Großhändler und Schlächter noch weiter verteuert werden, In Dänemark und England ist das Problem gelöst. Die englische Großcinkaufsgesellschasl der englischen Konsumvereine besitzt eigene Schiffe, die die Produkte der dänischen Bauern in die Lager der englischen Konsningenossenschaften bringen, so daß sie ohne den ver- teuernden Zwischenhandel auf dem Tisch des englischen Arbeiters er- scheinen. Auch in Deutschland haben wir Ansätze dazu. Aber diese Verbindung zwischen Konsumenten und Produzenten bedarf noch der EntWickelung. Die landwirtschaftlichen Genossenschaften in Sachsen erkennen das an; sie sagen in ihrem Bericht, daß von den Konsum- vereine» für 60 Millionen Mark jährlich landwirtschaftliche Produkte gekauft werden, und sie fügen hinzu:»Diese Konsumgenossenschaften sind als sozialdemokratisch verschrien, aber m g e s ch ä s t- l i ch e r Hinsicht sind sie „geradezu musterhaft geleitet" lHöct! hörtl bei den Sozialdemokraten), so daß unsere landwirt- kchaftlichen Genossenschaften noch viel von ihnen lernen können I tErneuteS Hört I hört I bei den Sozialdemokraten.) Der große Konsumverein in Leipzig -Plagwiy, die Hamburger„Pro- duktion", die eine Schlächterei errichtet hat, wirken ebenfalls aus- schaltend auf den Zwischenhandel.(Sehr richtig l bei den Sozial- demokraten.) H Wir wollen auch den Bauern ein Einkommen gewähren, das ihnen eine menschenwürdige Existenz erlaubt, wie wir in der ganzen Arbeiterbewegung für eine anständige Bezahlung eintreten. Aber wir wollen in der Landwirtschaft keine künstliche Preiserhöhung durch Zölle usw., die nicht begründet ist durch die Bedürfnisse der Produktion. Im übrigen sind wir durchaus bereit mitzuarbeiten, damit unser Boden im wachsenden Maße kultiviert wird. Die Sozial- demokratie vertritt also nicht, wie Herr Delbrück wieder etumal zu Unrecht behauptet hat. nur einseitig die Interessen einer einzelnen Klasse, sondern die Interessen der Gesamtheit der Arbeitenden. in welcher Stellung und auf welcher Stufe sie auch stehen.(Sehr richtig I bei den Sozialdemokraten.) Feindlich gegenüber stehen wir nur den K a p i t a l i n t e r e s s e n t e n. die von Zinsen und fremder Arbeit leben. Eine Existenz ohne Arbeit billigen wir niemand zu, der arbeiten kann, und wir wollen für alle Arbeitenden die Möglichkeit einer menschen« würdige« Lebenshaltung. (Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Deshalb sind wir keine Feinde der Bauernschaft, wohl aber die Großagrarier, die Grund- renteninteressenten. die fortgesetzt Bauernland zukaufen, um ihre großen Latifundien zu erweitern.(Sehr wahr I bei den Sozialdemokraten.) DaS bedeutet nicht nur eine Ilnterdrückung der Bauern- schaft, sondern auch einen schweren wirtschaftlichen Rückgang in der Richtung, die die englische Landwirtschaft eingeschlagen hat. Wenn Sie, wie Graf Carmer sagt, die englischen Zustände in der Land- Wirtschaft nicht haben wollen, dann sorgen Sie dafür, daß wir eine lebensfähige Bauernschaft dorthin bekommen, wo heute die großen Herrensitze mit ihren Jagdgründen sind.(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Dann müssen wir aber auch im Osten politische Zustände schaffen. in denen selbstbewußte Menschen leben können und wo nicht jeder, der sich als Persönlich keit fühlt, wegzieht, wie heute Zehntausende. Statt dessen ziehen Sie G a l i z i e r und Polen ins Land, wie immer „national", nur bedacht auf die„nationale" Wohlfahrt!(Sehr gut l bei den Sozialdemokraten.) In der Tat stehen Ihre Interesse» der nationalen Wohlfahrt entgegen, und deshalb müssen wir Sie bekämpfen. Wir wollen nicht aus unserem Lande Hörig« und Heloten der großen Grundherren, sondern politisch freie Menschen, die sich.. keine Bormundschast gefallen zn laste» brauchen. So ist das Interesse der Landbevölkerung. der Kampf gegen das Junkertum identisch mit den Jnteresten der Arbeiterschaft, und ich bin überzeugt, daß der Tag lommen wird, wo auch die Mäste der Landbauern zu dieser Einsicht kommen und mit uns gemeinsam diesem System ein Ende bereiten wird. (Lebhafter Beisoll bei den Sozialdemokraten.) Hierauf vertagt sich das HanS. In einer persönlichen Bemerkung wendet fich Abg. Wachorst de Wcnte(natl.) gegen die Ausführungen de« Abg. Dr. Hahn: Wenn es sich darum handle, mit dem Zentrum Geschäfte zu machen, so sei Herr Hahn biegsam wie ein Peitschenstiel. (Stürmische Heiterkeit links.) Abg. Krcth(k.) spersönlich) sucht die SpiriwSzentrale gegen den Abg. Gothein zu verteidigen. Vizepräsident Dr. Spahn: Die SpirituSzentrale ist nicht per- sönlich.(Große Heiterkeit. Abg. Ledebour ruft: Kreth ist doch ihr Direktorl— Große Heiterkeit.) BSg. Dr. Hahn<k.) verwahrt fich unter brausender Heiterkeit der Linien gegen den Ton des Abg. Wachorst de Wcnte. Abg. Erzbcrger(Z.) erklärt, daß Abg. Hahn niemals vor ihm Bücklinge gemacht habe.(Zuruf links: Geistige Bücklinge I Heiterkeit.) Abg. Dr. Hahn: Die Bemerkung des Abg. Erzberger zeigt, was von der Glaubwürdigkeit des Abg. Wachorst de Wente zn halten ist. Abg. Wachorst de Wente: Jetzt beruft sich Herr Hahn auf einen Zenirumsabgeordneten l Einstmals wurde Herrn HahnS Unglaub- Würdigkeit gerade durch einen Zentrumsabgeordneten(Abg. Szmulo) festgestellt I(Lebhaftes Hört! hörtl links.) Abg. Dr. Hall»(mit hochrotem Gesicht auf den Tisch schlagend): Damals erinnerte sich ein Zentrumsabgeordneter an eine Unter- redung mit mir, während ich mich nicht nn diese Unterredung er» innertel(Mit vor Wut sich überschlagender Stimme): Ist das Unglaubwürdigleit, wenn inan sich an eine Unterredung nicht er- inner» kann?(Große Heiterkeit links.) Nächste Sitzung: Dienstag. 1. März, nachmittags 1 Uhr: (PrSfideutenwahl, Fortsetzung der Beratung deS Etats des Innern.) Schluß 7»/« Uhr._ Hbgeordlictciibaua. 28. Sitzung: Freitag, den 85. Februar, mittags 12 Uhr. Die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Innern Wird fortgesetzt beim Titel„Minist ergeh alt". Abg. Kloppenborg(Däne) führt Beschwerde über rigorose Hand- habung des Bercrnsgesetzcs gegenüber der dänischen Bevölkerung in Schleswig-Holstein . Abg. Dr. Schiffer(nail.) behauptet gegenüber dem Vorredner, daß die Regierung den Dänen uxit cntgcgcngekoiullicn sei. Sehr bedauern müssen wir, daß der Staaisselrclär deS Auswärtigen V. Echoen sich in die Verhältnisse in Nordschlcöwig cingemischt und sogar erklärt hat. daß auch auf deutscher Seite in der Nordmark aussichtslose Bestrebungen und unfruchtbarer und erbitterter Streit und Kampf stattgefunden hat.(Hört! hört! bei den National- liberalen.) Diese Aeutzerung hat in weiten Kreisen schärfstes Bedauern und größten Unwillen hervorgerufen. Minister v. Moltke: Wenn auch eine friedliche EntWickelung der Verhältnisse in der Nordmark für die Aufrechterhaltung freund- schafilicher Beziehungen mit unseren Nachbarländern im Norden von Bedeutung ist, so besteht doch im Ministerium kein Zweifel darüber, daß die Sache in erster Linie eine Frage der inneren preußischen Politik ist.(Bravo ! rechts.) Abg. Strosser(k.) betont gegenüber dem Abg. v. Moltke, daß die scharfen Angriffe des Abg. v. Pappenheim gegen den Minister wegen der„Germanicus "-Broschüre im Auftrage der ganzen Fraktion erfolgt seien? Redner polemisiert des weiteren gegen den Abg. Liebknecht: Die Behauptung, daß auf den Polizeiwachen, z. A. auch in Breslau , gewissermaßen gewohnheitsmäßig ge- prügelt werde, muß ich auf das entschiedenste zurückweisen. Herr Liebknecht beklagte sich über den Schutz, den die Behörde den Arbeitswilligen angedeihen läßt. Wie sieht es aber mit der Streik- moral der Sozialdemokratie aus? Herr Kurt Eisner hat am 26. Oktober 1909 in der„Fränkischen Tagespost" geschrieben: „Koalitionszwang ist zwar noch nicht zwingendes Gesetz, aber er ist bereits ungeschriebenes Gesetz, er ist soziale Moral. Koalitionsrecht und Koalitionszwang sind dasselbe, oder es gibt überhaupt kein Koalitionsrecht. Wenn sich streikende'Arbeiter gegen Arbeitswillige empören, so treibt sie dazu der wahrhaft staatserhaltende Instinkt... Der Unternehmer sollte gesetzlich gezwungen werden, seine Fabrik zu schließen, wenn bei ihm auch nur ein Mann weniger als die Hälfte der Arbeiter nicht arbeiten will." Die Moral der Sozialdemokratie wird auch kraß beleuchtet durch ein von der wissenschaftlichen Autorität der Sozialdemokratie Karl Kautskh mit einem Vorwort versehenes Buch eines Hollands - schen Sozialisten. Da heißt eS: „Nur innerhalb der Klassen kann auf dem Gebiete des Klassenkampfes noch von irgend einem„sittlichen Gebot" die Rode sein. Der anderen Klasse gegenüber gilt das höchste sittliche Gebot ebenso wenig wie den Feinden gegenüber. Unehrlichkeit gegenüber der feindlichen Klasse ist in den Augen der eigenen Klasse eine Tugend."(Hört! hört! rechts.) Die Saalabtreibnngen, von denen Herr Liebknecht sprach, finde auch ich wenig geschmackvoll und nicht in der Ordnung. Aber wie machen Sie es denn? Sie schicken einfach Scharen von Sozial- demokraten in gegnerische Versammlungen, um sie zu sprengen. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Daß bei den Straßen- demonstratio»«» in Frankfurt die Massen zuerst die Polizei mit Steinwürfen usw. angegriffen haben, haben auch das„Berliner Tageblatt' und die„B. Z. am Mittag" berichtet. Redner verliest eine Stelle aus dem„Berliner Tageblatt".(Zuruf bei den Sozial- demokraten: Weiter lesen: Jetzt kommt das Interessanteste, daß die betreffenden Demonstranten keine Sozialdemokraten waren!) Jedenfalls steht fest, daß die Demonstranten, wohlvor- bereitet auf einen Kampf, an den Umzügen teilgenommen haben. Wenn Sie allerdings wollen, daß die Straßendemonstrationen als harmloses Narrenspiel betrachtet werden(Heiterkeit rechts), so würde die Polizei ihnen ebenso wenig Schwierigkeiten machen wie den Umzügen beim Karneval. DaS Recht auf die Straße, von dem Herr Liebknecht sprach, besteht weder in Frankreich noch in England. Bei uns sind solche Umzüge an die polizeiliche Genehmi- gung geknüpft, und wir erwarten, daß die Regierung dem bestehen- den Gesetze unter allen Umständen Geltung verschaffen wird. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Auch gegen Sie bei den Wahlen 1907!) Als bor kurzem vor dem Dom in Berlin eine große Menschenansammlung stattfand und der erste VerS eines Kirchenliedes gesungen wurde, hat ebenfalls ein Polizeileutnant darauf hingewiesen, daß das verboten sei, und die Menge ist ruhig auseinander gegangen. Wenn Sie das ebenso machen, wird es zu keinem Konflikt kommen. Es besteht eben ein großer Unter- schied zwischen Ansammlungen einer patriotisch bewegten Masse bei ganz ausnahmsweise» Gelegenheiten und der RadaumaÄerei bei den sozialdemokratischen Straßendcmonstrationen.(Große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Unseren Schutzleuten gebührt Dank und Anerkennung für ihre pflichttreue Haltung.(Bravo l rechtS.l Die Mehrheit deS Volkes will nichts wissen von dieser Aufpeitsckung der Massen, wie die Sozialdemokratie sie betreibt. Auf die von Ihnen auf die Straße geführten und verführten Leute paßt da« Wort Goethes, das Herr Liebknecht neulich zitierte: „Dann überlaßt Ihr sie der Pein, denn alle Schuld rächt sick auf Erden."(Sehr gut! rechts.) Die blutigen Straßendemonstrationen sind nichts anderes als ein Manöver und Einexerzieren zur Revo- lution.(Lebhaftes Bravo! rechts.) Abg. Freiherr v. Zedlitz(fr!.): Der Herr Abg. v. Moltke hat im Namen meiner ganzen Fraktion gesprochen, als er bedauerte, daß ein so wenig belang- reicher, vereinzelter, wenn auch gewiß bedauerlicher Vorgang wie die Haltung deS Ministers gegenüber der„GermanicuS "- Broschüre von den Konservativen und dem Zentrum zum Gegen- stano eine? so prononzierten gemeinsamen Vorstoßes geniacht wurde, namentlich gegenüber einem Minister, der auch gestern wiifcer bezeugt hat. daß er in loyaler und ehrlicher Weife gewillt ist, den Grundsatz, daß die Regierung über den Parteien stehen soll, wirklich in die Tat umzusetzen. In bezug auf die Wnhlrechtsdcmonstrationen kann ich die ganz vortrefflichen Ausführungen des Abg. Cassel nur völlig„nterschreiben.(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich möchte meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß der Herr Minister so nachdrücklich für die pflichttreuen Polizei- beamten hier eingetreten ist.(Bravo l rechts.) Herr Liebknecht hat sich erkühnt, von dioser Tribüne aus zu drohen, daß von den Straßendemonstrationen übergegangen werden wird zum politi- schen Massenstreik. Herr Stroster hat bereits mit Recht gesagt, daß der politische Massenstreik die modexne Form der Revolution ist.(Sehr wahr! rechts; Zuruf bei den Sozial- demokraten: Gesetzliches Mittel!) Sie sagen, gesetzliches Mittel. Aber wie liegen die Dinge denn? Die Folge eines solchen Streiks wäre doch, daß ein schwerer wirtschaftlichen.' Kampf daraus entstehen würde. Es würde sich dabei die staatSerhaltende Kraft unserer starken Arbeiterorganisationen erweisen, und zahl- lose Arbeitermassen würden schließlich zum Hunger verurteilt. Der Hunger aber würde si� zur Gewalt treiben.(Sehr richtig! rechts.) Darum liegt in der Aufreizung zum politischen Massen- streik auch die Anreizung zum Landes- und Hochverrat.(Leb- Haftes Bravo! rechts.)(Lürade diesen Bestrebungen gegenüber sollten alle bürgerlichen Parteien einig zusammenstehen gegen» über dem gemeinsamen Feinde.(Bravo ! rechts.) Abg. GronowSki(Z.): Mit dem letzten Appell des Herrn v. Zedlitz find wir durchaus einverstanden. Wie stimmt es aber mit diesem Zusammengehen der bürgerlichen Parteien zusammen, daß noch vorgestern im Kreise Gummersbach Nationalliberale beschlossen haben, in der Stichwahl nicht nur Stimmentbaltung zu üben gegenüber dem Zentruni, sondern für die Sozialdemokratie zu stimmen? (Hört! hört! im Zentrum.) Von einem gemeinsamem Vorstoß des Zentrums und der Konservativen gegen den Minister ist keine Rede gewesen. Der Anschluß des Herrn v. Pappenheim an die Ausführungen des Mgeordneten Bell erfolgte ohne jede Ver- abredung. Die Herren Sozialdemokraten haben vorhin bestritten, daß ihre Parteigenossen gegnerische Versammlungen sprengen. Ich weiß nicht, ob die Sozialdemokratcu in Berlin so harmlos sind; in Rhcinland-Wcstfalcil gehören die sozialdcinokrati schen Arbeiter jedenfalls nicht zum Klub der Harmlosen.(Heitcrkett.) Wie die Sozialdemolralen uns gegenüber dort vorgehen, beweist das Flugblatt, in dem Brust vorgelvorfen wurde,' er sei von den■ Grubenbesitzern mit 80 000 N. bestochen worden.(Hört! hörtl im Zentruni; Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Es ist vor Ge- richt festgestellt worden, daß die Leitung des sozialdemokratischen Bcrgarbeiterverbandes von diesem Flugblatt Kenntnis gehabt und nicht die nötigen Schritte getan hat. um der Verbreitung dieser offenbaren Verleumdung Einhalt zu tun.(Hört! hörtl im Zentrum; Widerspruch bei den Sozialdemokratin.) Vizepräsident Dr. Porsch bittet, den Redner nicht zu unter- brechen.(Abg. Leinert: Dann soll er wenigstens dieWahrheit sagen!) Für diesen Zwischenruf rufe ich den Herrn Abg. Leinert zur Ordnung.(Bravo ! rechts.) Abg. Gronowski(fortfahrend): Die Dortmunder „Arbeiter- Zchtung" brachte beim Besuch des Kaisers auf der Hohenshburg, alL da» ganze Volk— auch die Arbeiter— sich freuten, einmal den Kaiser ui Westfalen begrüßen zu können, einen Hetzartikel gemeinster Sorte. Redner verliest Stellen daraus:„Die Elenden grüßen Dich. Cäsar!",„Die vaterlandslosen Gesellen grüßen Dich!" (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das sind ja K a i s e r w o r t e!) Nun, dann erinnere ich Sie an die Worte Bebels auf dem Dresdener Parteitage:„Ich will der Todfeind dieser bürger- lichen Gesellschaft bleiben, so lange ich lebe, und mich bestreben, ihre Existenzbedingungen zu untergraben." Sie werden nicht sagen, daß das auch Kaiserworte waren, lind trotz dieser Hetze gegen das deutsche Kaiserhaus haben die Nationallrbcralen den revolutionären Sozialdemokraten in Dortmunb zu vier Stadt- verordnetenmandaten verholfen!(Hört! hört! rechts; Zuruf bei den Nationalliberalen.) Es wird mir vorgeworfen, daß ich vor der letzten Wahl einen sozialdeenokratischen Brief höflich beantwortet habe und mich verpflichtete, für die Uebertragung des ReichStagSwahlrechtes auf Preußen und eine gerechte Wahlkreiseinteilung einzutreten. DaS habe ich ganz freiwillig getan.(Lachen bei den National- liberalen.) Das Zentrum ist immer für die Uebertragung deS ReichStagswahlrechts auf Preußen eingetreten(Lachen bei den Sozialdemokraten), schon seit 1873— und 1906 haben wir auch für eine Neueinteilung der Wahlkreise gestimmt. Wir werden durch die Angriffe der Sozialdemokraten nur noch mehr zu- sammengeschweißt. alle unnatürlichen Gebilde gegen uns gründlich zu zerstören.(Bravo ! im Zentrum.) Abg. Hammer(k.): Ich will mich in den Streit zwischen dem Zentrum und den Nationalliberalen nicht einmischen. Aber es ist tief betrübend, daß zwei monarchische Parteien sich fort- gesetzt bekämpfen, weil sie sich nicht verstehen wollen. Der lachende Dritte dabei ist die Sozialdemokratie.(Sehr richtig! rechts.) Wir in den Vororten von Berlin machen e» anders. Bei uns halten alle bürgerlichen Parteien zusammen gegen die Roten. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Und wir kommen doch hinein!) Abg. Ecker-Winsen(natl.): Die nationalliberale Parole in Mülheim -GummerSbach lautet nicht: Gegen daS Zentrum, für die Sozialdemokratie! sondern: Freiheit der Stimmabgabe: dem Zentrum keine Stimme!(Stürmische Heiterkeit.) Im übrigen klangen die Vorwürfe des Herrn Gronowski besonders im Munde des Vertreters einer Partei, die bei den letzten ReichStagSwahlen 12 Sozialdemokraten zum Siege verholfen hat und einem Ab- geordneten, der selbst nur mit Hilfe der Sozialdemokraten in den Landtag gewählt worden ist und sich schriftlich verpflichtet hat, für die Einführung des ReichStagswahlrechts in Preußen einzutreten. (Hört! hört! bei den Nationalliberalen.) Daß daS Kammergericht Straßendemonstrationen für gesetzlich erklärt habe, wie Herr Liebknecht behauptet, ist eine Legende. DaS Kammergericht hat nur entschieden, daß das Gesetz Straflosigkeit für die Teilnehmer an Straßendemonstrationen sichert für den Fall, daß sich solche Demonstrationen innerhalb der öffentlichen Ordnung halten. Ich wundere mich, daß Herr Liebknecht als Jurist diesen Unterschied nicht erkannt hat. Die Demonstrationen werden an dem starken Gefüge des preußischen Staates zerschellen.(Bravo ! bei den?iationalllberalen.) Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Abg. Hirsch-Berlin(Soz.): Durch den Schluß der Debatte ist cö mir unmöglich gemacht worden, nachzuweisen, daß da» Zitat aus dem Buche„Der historische Materialismus" von Gorter. womit Herr Strosser die Sozialdemokratie vernichten zu können glaubte. gefälscht ist.(Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) Für die Herren. die ein Interesse daran haben, sich darüber zu informieren, wie die Stellen wirklich heißen, stelle ich hier das Werk selbst zur Verfügung. Ferner ist es mir unmöglich gemacht worden, den Nachweis dafür zu erbringen, daß Herr GronowSki aus freien Stücken sich verpflichtet hat, für die Uebertragung des Neichstagswahlrechts auf Preußen und für«ine Neueinteilung der Wahlkreise einzu» treten, lediglich deshalb, um mit unserer Hilfe in den Landtag einzuziehen.(Hört! hört! bei den Nationalliberalen.) Es ist mir weiter unmöglich gemacht worden, die Angriffe. Verdächtigungen und Verleumdungen zurückzuweisen, die gestern der Abg. Graf Moltke gegen meine Partei geschleudert hat.(Un, ruhe rechts.) Vizepräsident Dr. Pirsch: Sie können nicht im Rahmen einer GeschäfrsordnungSbemerkung eine ganze Rede halten, die Ihnen durch den Schlußantrag verwehrt ist. Mg. Hirsch: DaS ist selbstverständlich nicht meine Absicht. Ich wollte nur feststellen, daß es uns durch den Schluß der Debatte unmöglich gemacht worden ist, Angriffe, die gegen uns gerichtet worden sind, von der Tribüne des Landtage» herab zurückzuweisen. Es ist mir leider dadurch auch unmöglich gemacht, die Art und Weise zu schildern, in der Herr Cassel dem Proletariat im Augen- blick des schwersten Kampfes in den Rücken fällt und damit den Gegnern des Reichstagswahlrechts Wasser auf ihre Mühle gibt. Vizepräsident Dr. Porsch: Auch daS gehört nicht mehr zur Geschäftsordnung. Abg Gronowski: Gegenüber Herrn Hirsch erkläre ich nochmals, daß ich den Brief ganz freiwillig beantwortet habe. Ich glaube, es ist unter gebildeten Menschen Sitte, an einer solchen Erklärung nicht zu zweifeln.(Bravol im Zentrum.) Abg. Strosser(k.): Herr Hirsch hat mir vorgelvorfen. ich hätie aus dem von Herrn KautSky mit einem Vorwort versehenen Buche falsch zitiert. Ich habe wörtlich vorgelesen nach einer in der „Schlesischen Zeitung" erschienenen Ucbersetzung und habe nicht gelesen, daß diese Ucbersetzung irgend wo als falsch bezeichnet worden ist. Abg. v. Moltke(fk.): Ich bedauere, daß Herr Hirsch die eigcnt» liche Tendenz meiner Ausführungen noch nicht begriffen zu haben scheint; sie ging dahin, ihn und seinen verehrten Herrn Genossen Dr. Liebknecht bor Vergnügen und Freude sprachlos zu machen. (Heiterkeit recht?.) Abg. Hirsch(Soz.): Ich habe nicht etwa behauptet, daß Herr S t r o s s e r da» Zitat gefälscht hat, sondern daß das Zitat, daß er verlesen hat. gefälscht ist. Ich wußte wohl, daß er das Buch, auö dem er zitierte, nie in der Hand gehabt hat.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Ich erwarte von seiner Loyalität, daß er bei der nächsten Gelegenheit hier auftritt und erklärt, daß er tatsächlich nicht richtig zitiert hat. Die Tendenz der Rede des Abg. v. Moltke habe ich i'ehr wohl erkannt. Ver» gmigen hat uns seine Rede gewiß bereitet, aber fernen anderen Zweck, uns sprachlos zu machen, wird er n i e erreichen.(Heiterkeit und Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) Abg. Miillcr-Sagan(frf. Vp.): Herr Hirsch hat meinem Freunde Cassel, der heute beruflich verhindert ist, hier anwesend zu sein« den Vorwurf gemacht, er sei der Sozialdemokratie in den Rücken gefallen. Ich will nur konstatieren, daß wir der Sozialdcmakratie nicht in den Rücken gefallen sind, sondern immer als schärfste Gegner ihr gegenübergestanden haben. Der Titel„Mtnislergehalr" wird hierauf bewilligt. Hierauf vertagt da» Haus die Wciterberatung bei Eta Sonnabend 10 Uhr. Schluß 5H Uhr. tat? auf
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