Nr. 49.
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27. Jahrg.
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Redaktion: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1983.
Werbt Wahlrechtskämpfer!
Expedition: S. 68, Lindenstrasse 69. Fernsprecher: Amt IV, Nr. 1984.
verdienten Untergange entgegengehen. Vielleicht wird sich die Stimmung, die unter den liberal gesinnten Wählern herrscht, schon in allernächster Zeit offenbaren. Fünf Nachwahlen müssen stattfinden; wer wird die Wiederwahl der liberalen Minister garantieren? In einigen Tagen kommen die Wahlen zum Londoner Grafschaftsrat. Vor acht Tagen hatten die Liberalen Die Volksverhöhnung durch die Wahlrechtsvorlage und die noch die beste Aussicht, die große Schlappe, die sie bei den über alle Maßen schnöde Haltung der bürgerlichen Parteien Die Thronrede und die Adreßdebatte haben dem britischen letzten Grafschaftswahlen erlitten, wieder gut machen zu Liberalismus tiefe Wunden geschlagen. Der„ starte Mann" der tönnen. Heute sind alle jene hoffnungsvollen Gemüter, die haben unter den entrechteten Massen eine Empörung aus- liberalen Partei, der Premierminister Asquith , hat sich in dem Neuliberalismus den Erlöser fahen, entmutigt und gelöst, wie sie seit Menschengedenken nicht zu beobachten durch den Verlauf und das Ergebnis der Wahlen das Rück verdrossen und werden nichts tun, um den Konservativen die war. Die enorme Beteiligung an den von der grat brechen lassen. Die mutigen Manifeste der Minister am reiche Beute der Grafschaft London ftreitig zu machen. die Jm Parlament haben mittlerweile die Konservativen das Sozialdemokratie veranstalteten Wahlrechtsdemonstrationen Vorabend der Wahlen werden hinweginterpretiert; legt davon Zeugnis ab! Parolen, die den Liberalismus vor dem Zusammenbruch Heft in den Händen; wenn es ihnen paßt, werden sie diese retteten, werden abgeschwächt. Die große Mehrheit der diskreditierte Regierung nach Hause schicken. Irländer und Aber die Teilnahme an dem Massenaufgebot in Ver- Liberalen machen dem Premierminister bittere Vorwürfe: Arbeiterparteiler versuchen noch ihr Beſtes, um die Regierung fammlungen und auf der Straße, so notwendig und so Kampf gegen die Lords oder Demission! Das voranzutreiben; die ersteren, weil sich ihnen nicht leicht wieder selbstverständlich sie für jeden Entrechteten sein muß, ist ihr Verlangen. eine ähnliche Gelegenheit bieten dürfte, um einen Druck auf erschöpft keineswegs die Pflichten, die jeder denkende Volksgenosse in dem Wahlrechtskampf zu erfüllen hat! Denn dieser Kampf ist nicht nur durch wuchtige Massenaktionen zu führen, sondern er erfordert auch die
Kräfteanfpannung jedes einzelnen!
Der preußische Ministerpräsident, Herr v. Bethmann Hollweg , fragte kürzlich verächtlich: Was steht denn hinter der Wahrechtsbewegung? Für diesen sich philosophisch spreizenden preußischen Oberbureaukraten ist die Masse des Volkes offenbar nichts als eine blökende Hammel heerde, die blindlings dem Leitbock folgt.
Beweist durch
Entrechtete!
Euer persönliches Eintreten, daß Ihr nicht das seid, was frecher Junker- und Bureaukratenhochmut in Euch sieht: politisches Herdenvieh, sondern
mündige, selbst- und kraftbewußte
Staatsbürger!
Zeigt, daß Eure Empörung, Eure Kampfesglut nicht rasch verslackerndes Strohfeuer ist! Beweist, daß Ihr entschlossen seid, Einer für alle Alle und Alle für Einen im Rampfe einzustehen!
Nur die Maffe ist start, die aus flaffenbewußten, kampfbereiten Einzelnen besteht. Wie heute die Millionenheere des Militarismus nur dann Wert besigen, wenn in ihnen die Durchbildung jedes Einzelnen bis zum äußersten entwickelt ist, so ist auch beim politischen Kampfe
Organisation und Durchbildung alles!
Deshalb ist es notwendig, daß das um seine Rechte fämpfende Bolt vor allem seine Organisationen stärkt! Mitläufer und Außenseiter sind in diesen Zeiten des erbittertsten Kampfes wertloser Ballast! Nur der in die Organisation eingegliederte und geschulte Mitkämpfer vermag in jeder Lage, im Massenkampf wie im Einzelgefecht, seinen Mann zu stehen!
Darum stärkt die
Kampfformationen des Proletariats! Werbt unablässig, mit unverwüstlicher Energie und Ausdauer neue Mitglieder für die proletarischen Kampfesorganisationen! Jede Kompagnie, jedes Bataillon neuer Wahlrechtsstreiter erhöht die
Siegeschancen des verhöhnten und brüskierten Volfes!
Die radifaleren Elemente bezeichnen die Handlungsweise die liberale Partei auszuüben; die letzteren wünschen Neudes Premierministers offen als Verrat. Zwar versucht wahlen zu vermeiden, so lange sie über feine selbnoch die liberale Presse ihre erregten Leser zu beschwichtigen, ständige Parteiorganisation verfügen. Leider ist dieser indem sie jeden Tag neue lächerlich flingende Ausreden er- Wunsch auf die Stellungnahme der Partei nicht ohne findet, aber in der liberalen Wählerschaft gärt es und diese Einfluß geblieben und die radikaleren Ansichten Barnes Gärung kommt auch im Verhalten der linfsliberalen Barla- und Keir Hardies sind nicht voll befolgt worden. mentsmitglieder zum Ausdruck. Die Minister erscheinen im Das wichtigste für die Arbeiterpartei wäre jezt, fühne und Barlament, ohne von den üblichen Zurufen ihrer Anhänger entschloffene intransigente Politik zu betreiben, um die Wählerbegrüßt zu werden; ein eisiger Empfang wird ihnen zuteil. Von massen, die an der liberalen Partei irre geworden sind, an vorne werden sie von den Konservativen angegriffen, in der sich zu feffeln. Noch ist es zu einer entschiedenen Lattik nicht Flanke haben sie die Fren und die Arbeiterpartei, und im zu spät, die allein berhüten kann, daß die Wähler nicht auch Rücken siken ihnen die eigenen Parteigenossen, die das die Arbeiterpartei entgelten lassen, was die liberale Partei geMinisterium am schärfften angreifen. In den liberalen Slubs, fündigt hat. Der Stand der Krise. deren Mitglieder bei den letzten Wahlen herkulische Anstrengungen gemacht haben, herrscht die offene Empörung. London , 26. Februar. Es wird allgemein erwartet, daß die Die liberale Presse wagt es nicht, die Briefe zu veröffent- innere Krisis am Montag, wenn Ministerpräsident Asquith feine lichen, die sie von ihren Lesern über den Verrat an der Programmrede hält, zur Entscheidung tommen wird. Wählerschaft empfängt. Mutlosigkeit und Ratlosigkeit hat sich Sowohl liberale wie fonfervative Morgenblätter wissen heute zu der leitenden Personen bemächtigt. melden, daß die Regierung den Forderungen ihrer Nicht genug, daß die von der Regierung eingeschlagene Barteigänger plöglich nachgegeben, ihren bisherigen Politit nur eine Fortsetzung des elenden liberalen Schein- Standpunkt, wonach sie es für verfrüht hielt, schon jetzt einen kampfes gegen die Lords bedeutet, dieser Scheinkampf soll Plan über die Reform des Oberhauses zu entwerfen, aufgegeben auch noch durch die Hineinzerrung der Reform des Ober- und sich statt dessen entschlossen habe, die Weto bill in den hauses verwickelt und abgeschwächt werden. In der Thron- Mittelpunkt ihrer Aktion zu rücken. Trotzdem seien die rede kommen die zuerst wenig beachteten Worte vor: Nationalisten noch immer unzufrieden, daß die Regierung sich ge„ Dieses Haus( Oberhaus) soll so beschaffen sein usm." weigert habe, bas Budget bis zur Erledigung der Betofrage Man schließt daraus, daß die Regierung gefonnen ist, aufzuschieben. Falls sie ihren Sinn bis Montag nicht ändern, auch eine Umgestaltung der zweiten Rammer vorzunehmen. so sei es immerhin möglich, daß die Konservativen mit Zwar soll Asquith gestern die von Sir Charles Dilke ge- der Regierung stimmen, um die Annahme des Budgets zu führte linksliberale Gruppe in bezug auf diesen Buntt be- fichern. Daily News" beuten an, daß im Zusammenhange mit Asquiths ruhigt haben, die Tatsache bleibt jedoch bestehen, daß einflußreiche Minister wie Sir Edward Grey und der frühere Frontwechsel Aenderungen im Kabinett bevorstehen. Radikale Haupteinpeitscher der Liberalen Pease für die Reform des Blätter wie Weekly Journal, The Nation" und" Daily News" Oberhauses sind und versuchen werden, den Schachzug der fordern, es solle ein Wolts referendum über die Beto Lords, die sich jetzt selbst reformieren wollen, durch eine bill herbeigeführt werden. Morning Leader" behauptet, daß die liberale Reform des Oberhauses zu unterstützen. Daß die Regierung diesen Schritt ernstlich in Erwägung zieht. Der konfer Reform des Oberhauses gerade das Gegenteil von dem be- vative Daily Telegraph" gibt seiner Freude über die neue Halzweckt, was die Einschränkung des Vetorechts beabsichtigt, daß tung der Regierung Ausdrud, da fie geeignet set, dem Plane, den sie die Position der zweiten Kammer anstatt zu schwächen die Lords selbst über die Umgestaltung des Oberhauses entwerfen, die Gunst des Volkes zu gewinnen.
stärken wird, ist jedermann klar.
Wie nun auch die Vetobill, wenn sich die Minister schließ- Die pessimistische Auffassung der Lage wird noch verstärkt durch lich geeinigt haben, ausfallen mag, eine wirksame Politit von den Beschluß der Jren, teinen Regierungstandidaten liberaler Seite gegen die Lords ist ganz ausgefchloffen. Dem in Großbritannien zu unterstügen, wenn die Reolfe ist der Mut und der Glaube an die Ehrlichkeit gierung nicht vor der Einbringung des Budgets Schritte tut, um der liberalen Parteiführer genommen worden. Fest ver- die Annahme der Vorlage, durch welche das Wetorecht des Obertrauend auf die Worte des Premierministers und seiner hauses noch in diesem Jahre abgeschafft wird, dadurch sicher zu radikalen Kollegen, die dem Volte versicherten, daß es endlich stellen, daß sie erklärt, daß dies auch die Bedingung für ihr zu einer Abrechnung mit den Lords fommen sollte, hat das Berbleiben im Amte sei. Heute fand wieder ein Ministerrat statt, der drei Stunden englische Volt große Opfer gebracht, haben Tausende bei den legten Wahlen ihre Eristenz aufs Spiel gesetzt, hat manch dauerte. einer seine Stellung eingebüßt, nur um jetzt mit der alten
Bertröstung auf die Zukunft genasführt zu werden. Was ist aus all den Versprechungen und den großen Worten der Lloyd George und Churchill geworden?
Noch am 3. Dezember hatte der Schattanzler erflärt:
„ Ich würde auch nicht für eine einzige Stunde Mitglied einer Regierung bleiben, die nicht entschlossen wäre, nur dann die Staatsgeschäfte zu leiten, wenn fie alle Vollmachten zur Gewährleistung der gesetzgeberischen Oberherrschaft des Unterhauses erhalten hat."
Der Wahlrechtskampf.
Der Kuhhandel ist perfekt! Jmmer deutlicher stellt sich heraus, daß der neuliche Antrag der Zentrumsvertreter in der Wahlrechtskommission des preußischen Abgeordnetenhauses, die geheime Abstimmung mit der indirekten Wahl( Wiederherstellung der WahlmännerJezt mußte Asquith gestehen, teine wirksamen Voll- wahlen) zu verbinden, nicht nur auf einer infamen Kompromachten zu befizen und trotzdem die Regierung übernommen misselei zwischen Zentrum und Konservativen beruht, sondern Neben der Organisation gilt es dann die Agitation zu haben. Diese Uebernahme begründet aber einen um so daß diese Parteien auch vorher mit der Regierung zu fördern! Das wichtigste Mittel der Agitation ist aber die schwereren Vorwurf, als er sich dadurch der offenbaren Weigerung Fühlung genommen haben. Deutlich geht das aus des Königs, die verlangten Garantien zu geben, widerstandslos dem Rückblick der letzten Nummer der Nordd. Allgem. Preffe! Deshalb ist es die erste Pflicht jedes Partei- unterworfen, damit aber die Macht der Krone außerordentlich 3tg." hervor, in der zwar erklärt wird, daß die Regierung genossen, jedes entschlossenen, rührigen gestärft hat. feinen Anlaß habe, schon jetzt zu diesem Beschluß Stellung zu Wahlrechtskämpfers, der sozialdemokratischen Presse Die englische Demokratie ist so wieder einmal um die nehmen, in der aber dann weiter angedeutet wird, daß die immer weitere Verbreitung zu sichern! Früchte des Kampfes betrogen worden. In Ermangelung der Regierung wegen einer Verbindung der geheimen Abstimmung Bürgschaft, daß die Beschlüsse der Volfsvertretung in bezug auf mit der indirekten Wahl wohl mit sich reden lassen werde. Die Einschränkung der Macht des Oberhauses auch wirksam sein Wörtlich heißt es in dem Kanzlerblatt: werden, wird die Aktion gegen die Lords zur reinen Farce. Die Furcht vor der sie schiebenden demokratischen Masse hat die leitenden Personen der liberalen Parteien davon abgehalten, in einen ernstlichen Verfassungsfampf zu treten. Wären sie zurückgetreten, so könnte man sie jetzt achten, so hätten sie ihr Wort nicht gebrochen, so hätten sie auf die Unterstützung der Mehrheit des Volkes rechnen können. Wie die Dinge jetzt liegen, muß die liberale Partei Englands dem
"
Den Ruf: Werbt neue Wahlrechstämpfer" beherzigt deshalb nur der Genoffe, der unermüdlich nene Abonnenten wirbt auf das Blatt, dessen Titel zugleich die Wahlrechtsparole enthält:
„ Vorwärts!"
Wer behauptet, daß die geheime Wahl durch die Verbindung mit der indirekten für den Liberalismus tertios wird, beweist damit keineswegs, daß die direkte Wahl ohne die geheime nur ein formales Zugeständnis ist.
Was nun schließlich die geheime Wahl betrifft, so war, wie wir oben ausgeführt haben, sie weder in Aussicht gestellt, noch in Aussicht genommen worden. Wie man auch über ihre theoretische Berechtigung und über ihre praktische Opportunität denken mag,