auf ein« ziemlich bequeme Weise zu beobachten. Man ist bann in inoffizieller Weise an die Russe » herangetreten, sie möchten doch wieder eine Lesehalle gründen, die Polizei würde nichts dagegen haben! Natürlich lehnte man dies„freundliche Ansinnen" ab. In- zwischen ist aber in Berlin eine nene Lesehalle gegründet worden, von der der dringendste Verdacht besteht, daß sie von russischen Spitzeln im Einverständnis mit der Berliner Polizei ausgeht? ES sind Untersuchungen angestellt über die Herkunft des Materials, der Gelder und Bücher, und die betreffenden Personen haben sich in solche Widersprüche verwickelt, und sich solche Un- Wahrheiten zuschulden kommen lassen, daß der dringende Verdacht besteht, daß man es hier mit den unsaubersten Persönlichkeiten zu tun hat. In der Leitung der Lesehalle sitzt eine Persönlichkeit, die seit langem als Spitzel bereits entlarvt ist. Es wird noch eine genauere Untersuchung darüber stattfinden, aber ich möchte schon jetzt von dieser Stelle aus an alle in Berlin lebenden Russen die Mahnung richten, daß sie dieser Lesehalle mit äußerster Vorsicht gegenüber stehen und in diese Polizei falle nicht hinein- geraten! Weiter möchte ich auf folgenden Vorfall hinweisen: Im Februar 1909 befand sich hier ein russischer Schriftsteller Ananjin, um einige ganz unpolitische Vorträge literarischen Cha- rakters zu halten. Er erließ Zirkulare an verschiedene russische Studentengruppen in Deutschland : ob sie auch von ihm Vorträge haben möchten. Gerade in dem Moment, als er die Antworten bei sich hatte, verhaftete ihn die Berliner Polizei, nahm ihm die Schriftstücke ab, und nun wurde in ganz Deutschland herumtele- graphiert und eine Razzia veranstaltet! Man konstruierte das Bestehen einer russischen Geheimbündelei"! In dem Prozeß, der im Juni veranstaltet wurde, sind die meisten Angeklagten frei-- gesprochen worden, eine geringere Zahl zu geringen Strafen verurteilt, da anerkannt wurde, daß sie irgendwelche schädlichen Zwecke nicht verfolgt hätten, sondern der einzige Krund für die Geheimhaltung die Angst vor den russischen Spitzeln in Preußen gewesen sei. Das Gericht stellte dabei fest, daß eine Geheimhaltung vor russischen Spitzeln identisch sei mit einer Geheimhaltung vor der preußischen Polizei, hielt also die Solidarität zwischen den in Deutschland lebenden russischen Spitzeln und der preußischen Polizei für etwas Selbstverständliches.(Hört! hört! bei den So- gialdemokratcn.) Die Berliner Polizei hatte auch an die öfter- reichische Polizeiverwaltung«ine Warnung geschickt; diese hat sie aber ebenso abblitzen lassen, wie in dem bekannten Königs- derger Prozeß das Berliner Polizeipräsidium von der S ch w e i z e r Polizei abgeblitzt wurde. Der Prozeß wurde unter dem Namen Grinblatt u. Gen. im Juni in Dresden verhandelt. In dem Prozeß wurde ein Brief eines gewissen Peskin an Ananjin verlesen, in dem es nach der b e gl a u b iji4 e n Uebersetzung der 7. Abteilung des Berliner Polizeipräsi- diums hieß:.... „Da die Vorträge hier geheim(konsptratrv) veran- staltet werden, so bitten wir Sie, mitzuteilen, unter tvelchem Namen Sie hier auftreten wollen." Am zweiten Tage wurde auf Verlangen des Verteidigers das Original des BozefeS vorgelesen, und es stellte sich heraus» daß die Stelle folgendermaßen hieß: „Da die Vorträge hier legal öffentlich mit Anmeldung bei der Polizei veranstaltet werden, so bitten wir Sie mitzuteilen. (Hörtl hört! bei den Sozialdemokraten.) ES hatte also hier irgendein Halunke, um die Russen hinein. zulegen, den Brief genau in das Gegenteil gefälscht!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Das Gericht war s o konsterniert über diese bewiesene fäirchung dce Berliner Polizei- Präsidiums, daß der Vorsitzende von dem Augenblick an einen ganz anderen Ton gegen die Angeklagten anschlug, und daßMr der Begründung des Urteils ausdrücklich hervorgehoben wurde, �daß die Art und Weise, in der die in Deutschland lebenden Russen von der Polizei bc handelt werden, ihnen allerdings die größte Vorsicht zur Pflicht macht".(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Ich frage den Herrn Minister als Vorgesetzten oeS Berliner Polizeipräsidiums, ob er über diese infame Fälschungsgeschichte, die sich würdig den Fälschungen im KönigSberger Hochverratsprozeß anreiht, orientiert ist und befriedigende Erklärungen abgeben kann darüber, ob Remedur stattgefunden hat und ob der erbärmliche Schuft, der die Fälschung gemacht hat, zum Teufel gejagt ist. Wir können ver- langen, daß die Polizei, nachdem sie gegenüber anständigen, wenn auch politisch mißliebigen Russen eine derart unerhörte Praxis zur Anwendung bringt, nicht im allerhöchsten Maße unsauberen Individuen, die aus Nußlano kommen, Unterschlupf gewährt. Wir sind gewiß Gegner jeglicher Ausweisungen. Aber wenn man es für zulässig hält, politisch mißliebige Ausländer zur Schande Deutschlands und zur Ehre der russischen Knute auszutveisen, dann haben wir das gute Recht, zu verlangen, daß das Berliner Polizeipräsidium diese Schufte und Judasse, die nach Deutschland kommen, daß es diese ganze Bande zum Tempel hinausjagt.(Leb- Haftes Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Auf eine Anregung des Abg. Faßbender(Z.) erklärt Minister v. Moltke: ES ist mir bekannt, daß das gewohn- hcitSmäßige Tragen von Schußwaffen, das wir jetzt konstatieren müssen, dazu führt, daß Zwistigkeiten, die zuerst einen harmlosen Charakter tragen, leicht einen blutigen Verlauf nehmen. Wir sind bemüht, Slbhilfe zu schaffen. Auf gesetzlichem Wege läßt sich daS vorderhand nicht machen, sondern nur auf dem Verwaltungs- wege. Für Berlin steht die Regelung unmittelbar bevor. Abg. Strosser(k.): Der Abgeordnete Liebknecht stellt eS so dar, als ob die Russen, die überwacht werden, ganz harmlose Leute wären. Ich erinnere daran, daß sie die Gastfreundschaft, die sie genießen, schon in schnöder Weise gemißbraucht haben. Denken Sie nur an die Waffcnsnnde und an die Waffenschmuggeleien für die Revolution.(Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Ob der von Dr. Liebknecht verlesene Brief wirklich gefälscht ist oder nicht, lasse ich dahingestellt. Man hat mir gestern auch vor- geworfen, ich hätte ein Zitat aus dem Buche„Der historische Materialismus" von Gorter gefälscht. Ich habe mir inzwischen das Buch verschafft und halte alles aufrecht, was ich gestern gesagt habe.(Hört! hörtl rechts.) Es steht wörtlich in dem Buche drin, was ich gestern aus der„Schlesischen Zeitung" vorgetragen habe. '(Hört! hörtl rechts.) Im übrigen kann ich den Minister nur bitten, sein ganzes Augenmerk auf di« sich hier aufhaltenden Russen zu richten.(Bravo l rechts.) Abg. Hirsch-Berlin(Soz.):j Es ist mir unbegreiflich, wie nach der gestrigen Debatte und nachdem der Abgeordnete Strosser angeblich das Buch von Gorter gelesen hat, dieser Herr noch die Stirn haben kann, sich hier hinzustellen und zu erklären... Vizepräsident Dr. Porsch: DaS dürfen Sie von einem Mitglieds dieses Hauses nicht sagen. Abg. Hirsch-Berlin(Soz.): Ich will nachweisen, daß das, was ich gestern behauptet habe, den Tatsachen entspricht. Herr Strosser hat gestern zitiert: „Der Klassenkampf tötet ein gut Teil der Sittlichkeit. Nur innerhalb der Klasse kann auf den Gebieten des Klassenkampfes noch von irgendeinem sittlichen Gebot die Rede sein; der anderen Klasse gegenüber gilt das höchste sittliche Gebot ebensowenig wie dem Feind gegenüber." Ich lege kein Gewicht darauf, daß zlvischen diesen beiden Sätzen ein Satz fehlt, der etwa 4 Druckzeilen umfaßt. Dagegen ist folgendes von entscheidender Bedeutung: Herr Strosser fährt nämlich unmittelbar im Anschluß an diese Sätze fort: „Der Arbeiter wird den Unternehmer nicht belügen und bc- trügen, wo er nur kann." Ich stelle fest, daß zwischen den von mir vorhin verlesenen und diesen Worten nicht iveniger als 19 Druckseiten stehen, die Herr Strosser ausgelassen hat.(Hört! hört! bei den Sozialdemo- traten.) Aber nicht nur das. Um die letzten Worte in einen logischen Zusammenhang zu bringen mit dem, was ich zuerst ver- lesen hatte, ist auch der Anfang dieser Worte direkt gefälscht war- den. Auf den 19 ausgelassenen Seiten untersucht der Verfasser die Kräfte, die beim Menschen tätig sind. Er weist, gestützt au' Darwin , nach, daß in der menschlichen Brust ein Drang, anderen zu helfen, lebt; ein sittliches Gebot rein irdischen, ja tierischen Ur- sprungs, daß aber durch den Kampf ums Eigentum, durch die Konkurrenz und den Klassenkampf die Aeußerung dieses Gesetzes immer verschieden ist. und daß gegenüber Klassengenossen das Sittengesetz ganz anders lautet als gegenüber Klassen- a e g n e r n. Und nun stellt Gorter fest, daß das, was er eben behauptet hat, auf den Unternehmer zutrifft, und nachdem er das festgestellt hat, fährt er fort:„Umgekehrt wird auch der Arbeiter den Unternehmer nicht belügen und betrügen, wo er nur kann." Diese Worte sind verwandelt worden in die Worte:„Der Arbeiter wird den Unternehmer nicht belügen und betrügen usw." Wenn das das Zitieren eines wissenschaftlichen Werkes ist, wenn das keine Fälschung ist, dann weiß ich nicht, was eine Fälschung ist. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten; Unruhe rechts.) Nach diesen Worten Gorters kommen dann die Worte, mit denen Herr Strosser sein Zitat schloß. Aber auch dazwischen fehlt wieder eine ganze Druckseite.(Hört! hörtl bei den Sozialdemokraten.) Ich überlasse es dem Urteil des Hauses, selbst zu entscheiden, ob das, was Herr Strosser verlesen hat, eine Fälschung ist oder nicht. Jeder, der noch seinen gesunden Menschenverstand befitzt, wird mir zugeben, daß es eine Fälschung ist.(Bravo ! bei den Sozialdemo- traten.) Abg. Strosser(k.): Ich kann hier doch nicht ein ganzes Buch vorlesen.(Heiterkeit.) Durch das Wort„umgekehrt" wird der Sinn in keiner Weise geändert. Das, worauf es mir ankam, steht in dem Buche für jeden klar und deutlich zu lesen. Auch ich über- lasse das Urteil dem hohen Hause. Abg. Hirsch-Berlin(Soz.): Jeder, der einmal ein wissen. schaftliches Werk gelesen hat— und es handelt sich hier um ein philosophisches wissenschaftliches Werk— wird mir zu. geben, daß man nicht so zitieren darf, wie Herr Strosser es getan hat. Ich halte ihm zugute, daß er in der kurzen Zeit dieses philo- sophische Werk nicht verstehen konnte. Er wirst durcheinander das, was Gorter selbst sagt, und das, was er als Einwendungen wieder gibt. Abg. Strosser(k.): DaS ist nicht wahr! Im übrigen war ich genötigt, den Vorwurf, den mir der„Vorwärts" macht, ich hätte ein Zitat gefälscht, zurückzuweisen. Abg. Hirsch-Berlin(Soz.): Ob der„Vorwärts" das behauptet hat, weiß ich nicht. Nicht gegen den„Vorwärts", sondern gegen mich hat sich Herr Strosser gewendet. 11 ieraU� bertaet k32 Haus die Weiterberatung auf Montag, Schluß 4 Uhr.___ Parlamentarisches. Eine Resolution der sozialdemokratischen ReichstagSftaktion ver langt einen Gesetzentwurf, wonach der§ 8 des Wahlgesetzes dahin ergänzt werden soll, daß die einzelnen Neuwahlen, die während einer Legislaturperiode notwendig werden, innerhalb eineS Zeitraums von 60 Tagen nach Erledigung drS Mandats vorgenommen werden müssen._■ Kali . Die ReichStagskommission zur Vorberatung deS Gesetzentwurfs über den Absatz von Kalisalzen trat Freitag vormittag zu- sammen. ES lagen ihr drei Anträge zur Beratung vor. Nr. 1 vom Zentrum und Nr. 2 von den Sozialdemokraten gestellt, ver- langen die Vorlegung von Materialien, auf Grund deren die Weiterberatung stattfinden soll. Abg. Kölle(Wirtsch. Vg.) ver- langt, daß die Regierung Material über die amerikanischen Kali- Verkäufe der Schmidtmanngruppe beibringe, und daß die Akten eines beim Landgericht Nordhausen gegen Schmidtmann geführten Pro- zesses der Kommission vorgelegt werden. Abg. Gothein bean- tragt die Vorlage einer geologischen Kart«, aus der das Vorkommen von Kalisalzen ersichtlich ist. Auch die Wahrscheinlichkeit des Vor- kommens in Nachbarland ern müsse geprüft werden. Die sozialdemokratischen Kommt sstonsmitglieder stellen noch den Antrag: Die Regierung möge alle bundesstaatlichen Gesetzes- bestimmungen über die Gewinnung von Mineralien für die Kom- Mission zusammenstellen. In der Diskussion sagt Handelsminister S y d o w zunächst nur die Erfüllung des Zentrumsantrags, zu. Erst nach ein- gehender mehrfacher Begründung des sozialdemokratischen Antrags durch Genossen Hu e erklärt sich Shdow bereit,„so weit wie möglich" dem Antrage gerecht zu werden. Der einzige Abgeordnete, der sich gegen den sozialdemokratischen Antrag wendet, ist der National- liberale B ä r w a l d. Er will die Hineinziehung der Grubenvorstands- und AuftichtSratsmitglieder unter keinen Umständen haben. Genosse H u e entgegnet ihm, daß diese Kenntnis dringend notwendig ist, um zu zeigen, um einen wie kleinen Kreis von Interessenten eS sich bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt. Die Regierungsvertreter werfen die Frage der vertraulichen Be- Handlung des vorgelegten Materials auf. Die Mehrheit der Kom. Mission läßt keinen Zweifel darüber, daß sie nicht gewillt ist, dem Vertraulichkeitsunfug der Regierungen, wie er sich in letzter Zeit breit macht, ohne weiteres Rechnung zu tragen. Es soll die Frage der vertraulichen Behandlung wohl geprüft, aber nur im äußersten Notfalle beschlossen werden. In der Abstimmung wurde auf Antrag des Zentrums einstimmig beschlossen: den Reichskanzler zu ersuchen, daS folgende Material als Unterlage der Kommisstonsberatung zur Verfügung zu stellen: Nachweise über: I. alle bestehenden Kaliwerke(getrennt nach Karnallit - und Hartsalzlverken): ' a) der im Betrieb befindlichen fiskalischen und privaten, d) der im Bau befindlichen, c) der Bohrgesellschaften und sonstigen Besitzer ver- liehener, aber noch nicht erschlossener Grubenfelder, nebst Angabe des ihnen gehörigen Felderbesitzes; 2. die durch Bohrungen und sonstige Aufschlüsse festgestellten Kalisalzmcngcn des zu 1 erwähnten Besitzes; 3. die Jahresrcchnungcn der einzelnen Werke für die Jahre 1999 bis 1999, insoweit solche in diesen Jahren schon in Betrieb gewesen sind, mit Angabe der in diesen Jahren produ zierten und verkauften Kalimengen; 4. die Herstellungs-(Gewinnungs-) kosten der hauptsächlichsten Sorten Rohsalze und Fabrikate n) in den staatlichen Betrieben, b) in den privaten Betrieben für die Jahre 1999/1999; S. die Verkaufspreise für die gleiche Periode ») für das Inland, d) fü' �' 6. d) für das Ausland, unter Angabe der hierauf gewährten Rabatte, Provisionen, Beiträge an Verbände, Propagandazuschüsse und dergleichen sowie die heute geltenden Syndikatspreise für das Inland; die Anlagekosten aller in Betrieb befindlichen Kaliwerke unter Angabe, wie weit solche durch Zubußen, Aktienkapital, Obligationen oder Aufwendungeu aus dem Betricbsgewinn aufgebracht worden sind; die in den Jahren 1999/1999 erzielten Betriebsüberschüsse der einzelnen Werke und deren Verwendung o) für Neuanlagen und BctriebScrwciterung, b) für Ausbeuten. Dividenden und Tantiemen; 8. die in den Jahren 1999 bis 1997 und in den Jahren 1998/1919 erfolgten Feldesteilungen(§ 24) und die dafür gewährten Kaufpreise oder sonstigen Abfindungen; 9. die Schüchtezahl eines jeden bereits bestehenden Kaliwerks, nebst Angabe, ob solche untereinander oder mit denen an» derer Werke durchschlägig sind; 19. die in der gleichen Periode erfolgten Ouotenübertragunge» (§ 29) und die dafür gezahlten Abfindungen; 11. die an die einzelnen Bundesstaaten seitens der Kaliwerke zu leistende» Grubenfeldabgaben und Gewinnanteile; 12. die nach Z 33 und ß 83 in Betracht kommenden LieferungS - vertrage(Lieferzeit, Quantum, Verkaufspreise und Be- dingungen); 13. die zurzeit geltenden Bcteiligungsziffern(ß 2S); 14. die bis zum 31. Dezember 1999 in Geltung gewesenem Be- teiligungsziffern; 15. die Entwickelung der Ausfuhr nach den einzelnen Absatz- gebieten. Gegen den sozialdemokratischen Antrag stimmten National- liberale und Reichspartei, bei Ziffer 2 und 3 auch die Wirtschaft» liche Vereinigung. Die übrigen Parteien, sogar di« Konservativen, verhalfen dem Antrage zur Annahme. Er lautet: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die in dem Antrage Müller- Fulda und Genossen— Nr. 1 der Kommissions-Drucksachen— gewünschten Materialien zu ergänzen durch Nachweisungen über? 1. die GrubenvorstandS- und Aufsichtsratsmitglieder der in Kommissions-Drucksache Nr. 1 genannten Kaliwerke; 2. die wirkliche Leistungsfähigkeit der Werke; 3. den absoluten und relativen Anteil der Arbeiterlöhne an den Herstellungs-(Gewinnungs-)kosten der hauptsächlichsten Sorten Rohsalze und Fabrikate, wobei die einzelnen Ar- beiterkategorien gesondert aufzuführen sind; 4. die Zahl der beschäftigten Arbeiter, die Dauer und Zahl der regelmäßigen Schichten pro Jahr sowie der Neben- und Sonntagsschichten und Ucberstunden nach Arbeitergruppcn gesondert; 5. die Summe deS in der Kaliindustrie angelegten Gesamt- kapitalS sowie der Zahl der Kuxen und Aktien. Der weitere sozialdemokratische Antrag betreffs der Zu» sammenstellung der Gesetzesbestimmungen sowie der Antrag Kölle wurden einstimmig angenommen. Der Antrag Gothein, eine geologische Karte vorzulegen, fand gegen Konservative, Nationalliberale und Wirtschaftliche Ver- einigung Annahme. Hierauf wurde die Weiterberatung vertagt, bis das verlangte Material vorliegt. Da Handelsminister S Y d o w glaubt, daß er in 5— 6 Tagen das Material vorlegen könne, wird die Abhaltung einer weiteren Sitzung für Dienstag, den 8. März, in Aussicht genommen._ Wahlprüfung. Die WahlprüfungSkommisfion des Reichstages hat jetzt einen weiteren Bericht über die Wahl des konservativen Abgeordneten A r n st a d t im 3. Wahlkreis des Regierungsbezirks Erfurt (Mühl- Hausen-Langensalza-Weißensee) erstattet. Die Kommission war vom Plenum beaustragt worden, über acht Behauptungen des gegen die Wahl eingebrachten Protestes Beweiserbebungen vorzunehmen. Diese Beweiserhebungen haben zu dem Resultat geführt, daß drei Protest- bebaupwngen für widerlegt— beziehungsweise unbeachtlich— er- klärt, die übrigen aber ftir berechtigt anaesehen werden und daß deshalb die Wahl des Abg. Arnstadt , da sich die Gesamtzahl der für ihn abgegebenen Stimmen um 372 vermindert und er dann die absolute Mehrheit nicht mehr erreicht hätte, für ungültig zu er« klären sei._ Soziales* (Siehe auch 3. Beilage.) Neuregelung der Sonntagsruhe. Im Reichsamt des Innern ist ein Gesetzentwurf über die Neuregelung der Sonntagsruhe im Reiche in Vorbereitung. Er soll im Herbst dem Reichstage zugehen. Der Entwurf ieht eine völlige Sonntagsruhe in Kontoren und Betrieben vor. die mit keiner offenen Verkaufsstelle verbunden sind; für gewisse Fälle und einzelne namhaft gemachte Betriebe kann ausnahmsweise eine Beschäftigung des Personals bis zu zwei Stunden Platz greifen. Wenn durch Ortsstatut für Kontore usw. bereits jetzt völlige Sonntagsruhe ohne Zulassung von Ausnahmen eingeführt ist, 'o soll an diesem Zustand auch nichts geändert werden. Füro f f e n e Ve r k a u f s st e l l e n soll die Beschäftigungszeit an Sonntagen auf drei Stunden herabgesetzt lverden, und zwar soll die zuzulassende Verkaufszeit an Sonntagen vor die Kirchzeit fallen, wenn dies möglich scheint. Für bestimmte Gewerbe, die dem täglichen Bedarf des Publikums dienen (Bäckereien. Fleischereien. Butterhandlungen, Kolonialwaren- geschäfte usw.). kann, wenn die Notwendigkeit vorliegt, eine Ausnahme von der dreistündigen Maximalbeschästigungszeit gemacht werden; doch soll die Beschäftigungszett auch in 'olchen Fällen nicht über fünf Stunden ausgedehnt werden dürfen. Eine Verteilung der Geschäftszeit vor und nach den Kirch- 'tunden ist zulässig, doch soll die Beschäftigungszeit auch in olchen Fällen nicht über fünf Stunden ausgedehnt werden dürfen. Eine Verteilung der Geschäftszeit vor und nach den Kirchstunden ist zulässig, doch soll die zweite Hälfte der Ge- 'chästszeit nicht früher als eine halbe Stunde nach Beendigung >es Gottesdienstes beginnen. Sonderbestimmungen für große, mittlere und kleine Ge- meinden wird der Entwurf nicht enthalten, weil die Verhältnisse im Norden und Süden, im Osten und Westen zu verschieden ind, um sich im Rahmen eines Gesetzes fassen zu lassen. >lus diesen Gründen wird auch eine einheitliche Laden- ' ch l u ß z e i t im Entwurf nicht festgelegt werden. Die Zahl der Sonntage, die für einen erweiterten Geschäftsverkehr 'reigegeben werden, soll sechs betragen und sich beschränken auf die beiden, den drei Festen vorangehenden Sonntage. Spezialbestinimungen für bestimmte Fälle sollen der Neu- regelung durch das Ortsstatut überlassen bleiben. Der Bundesrat soll ermächtigt werden, bei der Verschiedenheit der Verhältnisse die Anordnungen für die Durchführung der Sonntagsruhe den Verwaltungsbehörden nach seiner An- Weisung zu überlassen. Auch kann der Bundesrat nähere An- ordnungen für bestimmte Teile des Reiches erlassen betreffs Zulassung und Umfang von Ausnahmen. Diese Vorschriften werden die Handlungsgehilfen, die von der vor zwei Jahren angekündigten Neuregelung der Sonntagsruhe viel erwarteten, schwer enttäuschen. Hoffentlich gelingt es unseren Genossen in der Gewerbeordnungskommission. die von ihnen schon vor zwei Jahren gestellten Anträge zur Durchführung einer wirklichen Sonntagsruhe zur Annahme m der Kommission zu bringen._ Haftet der Arbeiter für ohne sein Verschulden beschädigte Arbeitsgeräte? _ Trotz der juristischen Spitzfindigkeit, mit der die Verträge, die einige Nachtwachgesellschaften mit ihren Angestellten abschließen, aus»
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