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sogar noch einen Schritt weiter und forderte die Liberalen auf. für den sozialdemokratischen Kandidaten einzutreten. Aber zwei Tage vor der Stichwahl wurden diese beiden Beschlüsse durch eine neue Kundgebung der liberalen Ver- trauensleute des ganzen Wahlkreises aufge- hoben. Die Sozialdemokratie hat sich denn auch nicht auf die Hilfe der Liberalen verlassen, sondern die Zeit bis zur Stichwahl noch zu reger Agitation ausgenutzt." DaSBerliner Tageblatt" bemerkt zu dem Wahlresultat: Man muß es bedauern, daß von den Liberalen nur 2i00 zu der Einsicht gelangten, daß bei der Lage der Dinge für einen Liberalen hier der Sozialdemokrat entschieden das kleinere Uebel war, und daß es Pflicht war, die Wahlstimme gegen den Jen- trumsmann, den Vertreter der schwärzesten Reaktion, in die Wag- schale zu werfen. Solange die Liberalen nicht einsehen, daß die Gegner, klerikale ebenso wie agrarisch-konservative, nicht durch un- tötiges Beiseitestehen, sondern nur durch aktives Mitwirken nieder- gerungen werden können, wird allerdings die Reaktion keinen Fuß- breit Boden verlieren." Posadotvsky gegen Bethmann. Man kann es dem Grafen Posadowsky, der ein kenntnis- reicher und ehrlicher Mann gewesen ist, nachfühlen, daß ihm die gespreizte Stümperei des Herrn v. Bethinann Hollweg unerträglich geworden ist und daß ihm ein Protest gegen fo viel anmaßliche Unfähigkeit eines vom Karriereglück be- günstigten Bureaulraten zu einem Bedürfnis geworden. Der März" veröffentlicht einen Artikel des früheren Staats- sekretärs, der zwar-mit äußerster Zurückhaltung in der Form, aber doch mit ziemlicher Schärfe in der Sache eine Vernich- tende Kritik des Herrn v. Bethmann Hollwcg enthält. Graf Posadowsky sieht Strömungen, die dem föderativen Reichsgedanken nicht förderlich sind. Besonders die Verhandlungen über die Schiffahrtsabgaben und über die Aenderungen des preußischen Wahlrechts haben solche Stimmungen hervorrufen müssen, Graf Posa- dowsky sagt: Noch bedenklicher ist im föderativen Interesse die Stimmung, die sich bei den Verhandlungen über die Aenderung des preußischen Wahlrechts nur zu deutlich geltend gemacht hat, eine Stimmung, die den Institutionen des Reiches wenig freundlich zu sein scheint. Auch die Gegner des Reichstagswahl - rechts, welches mit dem Reiche geboren ist, müssen aner- kennen, daß unter der Herrschaft dieses Wahlrechts in Deutschland auf gesetzlichem und Wirtschaft- lichem Gebiete eine ungeheure Kulturarbeit geleistet ist, und daß die auf Grund dieses Wahlrechts gewählte Körperschaft noch stets die Mittel gewährt hat, welche zur Verteidigung unseres Vaterlandes zu Land und zu Wasser notwendig waren. Der Streit- Punkt, der im Winter 190g zur Auflösung des Reichstages führte, kann nicht als ein solcher betrachtet werden, bei dem es sich ernsthaft um Versagung der Mittel zur natio- len Verteidigung gehandelt hatte.(Womit die Wahllüge des Hottentottenblocks auch von Posadowsky gebrand- markt ist. D. R.) Solange aber der Reichstag in dem Umfange, in dem er es bisher getan hat, seinen nationalen Pflichten genügt, scheint es recht fehlsam. das Reichstagswahlrecht als eine für das Reich politisch verfehlte und schädliche Einrichtung hinzustellen, um so mehr, als alle Parteien des Reichstages und ebenso die Ver- treter des Bundesrates bei vielfachen Gelegenheiten auf das be- stimmteste erklärt haben, daß es ihnen völlig fernliege, das Reichs- Wahlrecht anzutasten. Eine Prognose, daß es sich einmal um die Wahl zwischen Reich und Reichswahlrecht handeln könne, kann nur dazu dienen, in weiten Kreisen Mißtrauen gegen die Absichten der Regierung und auch der Parteien zu schüren, deren Vertreter solche Befürchtungen äußern. Auch die entschiedensten, offenen und geheime» Gegner des Reichswahlrechts würden kaum in der Lage sein, ihre Gegnerschaft in gesetzgeberische Beschlüsse zu übertragen. Zu allen diesen symptomatischen Aeußerungen und verschleier- ten Stimmungen kommt noch die bekannte Erklärung im Reichstage, daß der König von Preußen und der deutsche Kaiser jeden Moment imstande sein müsse, zu einem Leutnant zu sagen:Nehmen Sie zehn Mann und schließen Sie den Reichs- tagl" Wer den gesamten Inhalt der Verhandlung und ins- besondere jener Rede vorurteilsfrei und von der Hitze politischen Kampfes unbeeinflußt liest, muß zugestehen, daß die Aeußerung nur ein Beispiel für den unbedingten Gehorsam des Soldaten gegenüber der allerhöchsten Kommandogewalt geben sollte, und daß es eine arge Uebertreibung(?) ist, in jener Aeußerung eine Auf. forderung zum Verfassungsbruch zu erblicken. Trotzdem ist ein solch drastisches Beispiel schon deshalb höchst gefährlich, weil es, wenn auch nur theoretisch, die Möglichkeit zuläßt, daß der höchste Träger und Vertreter von Recht und Gesetz einen Befehl erteilen könnte, der gegen die Grundvcrfassung des Deutschen Reiches verstieße. Derartige Aeußerungen pflegen jahrelang zum Gegenstand des Angriffs, der Verdächtigung� und Aufreizung ge- macht zu werden, und zwar mit desto mehr Erfolge, je urteilsloser die Menge ist, an die man sich wendet. Das Deutsche Reich ist ein sehr künstlicher, ganz eigenartiger politischer Aufbau, geschaffen in einer Zeit, die selten reich an be- deutenden Männern und opferfreudigem Wagemut war. Man sollte sich aber hüten, einer einzelnen gesetzlichen Maßregel halber. auch wenn sie sich finanziell und wirtschaftlich rechtfertigen läßt, oder aus Mißstimmung darüber, daß das Reichstagswahlrecht auch der schärfsten Opposition in erheblicher Anzahl die Tore der gesetz- gebenden Körperschaft des Reiches geöffnet hat, eine gewisse Parti - kulare Mißstimmung gegen die Verhältnisse im Reiche überhaupt offen heraus zu bekennen oder wenigstens verständlich genug durch- blicken zu lassen. Gegensätze und widerstreitende Interessen inner- halb des Reiches sind bereits reichlich vorhanden. Ein zu starkes partikulares S e l b st b e wu ß t s e i n ist nur geeignet, die schon vorhandenen N ei b u n g S f l ä ch e n, die in einem Bundes- staate aus politischen und wirtschaftlichen Gründen unvermeidlich sind, noch zu verschärfen. Draußen im Reiche finden derartige Stimmungen lebhasten Widerhall und erschweren die politische Arbeit der Stellen und Personen, die für den Reichsgedanken und seine Stärkung mit Herz und Verstand eintreten. Im A u s l a n d e hält man solche Stimmungen für einen Mehltau, der auf die Reichshauptstadt gefallen ist, und man fragt sich mit Erstaunen, in welchem Dunstkreise eine derartig pessi- mijtische Stimmung gegenüber einem Staatsgebilde entstehen konnte, das auf eine so gewaltige und allgemein beneidete Eni- Wicklung zurückzublicken vermag." Für die Kennzeichnung der gedankenarmen Reaktion, die heute das preußische Ministerium und ihre ministeriellen Handlanger im Reiche verkörpern, kann es wohl keine schär- fere Verurteilung geben, als diesen Protest eines durch und durch konservativen Mannes, der alle Illusionen über den sozialen Beruf der Hohenzollern stets geteilt hat, der der Vater des agrarischen Zolltarifes ist, der aber auch geglaubt hat. nicht bloß ein Bedienter der Scharfmacher und Junker sein zu brauchen. Graf Posadowsky ist ein Politiker, der dem Zentrum und den Konservativen in vielen Auffassungen sehr nahesteht: für den Geschäftsträger des schwarzblauen Blocks von heute hat er aber nur Verachtung. Auch ihm ist Herr v. Bethmann Hollweg der Reichsfeind, der im Innern den Reichsgedanken hinter den preußischen Partiku- larismus zurücksetzt und im Auslande das Deutsche Reich durch seine miserable innere Politik diskreditiert._ Berantw. Redakt.: Richard Barth » Berlin . Inseratenteil verantw, Die Perle von Januscha». Ein recht interessantes Beispiel dafür, wie uneigennützig sich die vermögenden Landjunker des Bundes ner Landwirte der Interessen des kleineren Bauernstandes annehmen, erzählt dieFreis. Ztg.": Im westpreußischen Kreise Roscnberg, nahe der Grenze zwischen den Provinzen West- und Ostpreußen , unfern des großen Geserichsees und in der Nähe der Städte Dt. Eylau, Nosenbcrg und Saalfeld , Ostpreußen , liegt eine kleine Ortschaft namens Zollnich. Vor noch etwa 10 bis 20 Jahren hatte dieses Dorf eine Anzahl kleiner Bauernhofsbesitzer, ferner befanden sich dort eine Schule, ein Gasthaus und eine Glashütte . Heute findet man an dieser Stelle nur ein einzelnes bewohntes Ge- höft, dessen Bewohner ein Privatförster und Fischereiauf- sehet ist, und ein altes verfallenes und unbewohntes Häuschen. Die Wege zu diesem Orte, die zum Teil durch Wald führen, sind vollständig von Gras verwachsen; man sieht es ihnen an, daß jetzt auf ihnen nur selten ein Gefährt verkehrt und daß sie nur im Winter vielleicht zur Holzabfuhr benutzt werden. Kein Weg- weiser oder Wegestein zeigt dem Wanderer die Richtung an. Der mächtige Nachbar des Dorfes, der adlige Rittergutsbesitzer, der sein Gebiet vergrößern wollte, hat nach und nach die Besitzungen der einzelnen kleinen Bauern aufgekauft, und heute ist er der Herr der gesamten Ländereien, aber ein früher blühendes Dorf ist vom Erdboden verschwunden." Und wie heißt dieser edle Bauernfreund? Er heißt von Oldenburg und herrscht auf Januschaul Wahlrechtsantrag der sozialdemokratischen Fraktion im preußischen Landtag. In der Wahlrechtskommission des preußischen Abgeord- netenhauses wird von sozialdemokratischer Seite folgende Resolution eingebracht: Das Haus der Abgeordneten wolle die Regierung ersuchen, noch in dieser Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den s) allen in Preußen wohnenden über 20 Jahre alten Deutschen ohne Unterschied des Geschlechts das gleiche und direkte Wahlrecht mit geheimer Stimmabgabe unter Zugrunde- legung des Proportionalwahlsystems gewährt; b) auf Grund der Ergebnisse der jedesmaligen Volkszählung und entsprechend dem Grundsatz des Gesetzes vom 27. Juni 1800 vor jeder Wahl eine anderweite, Feststellung der Wahlbezirke für die Wahl zum Abgeordnetenhause herbei- geführt und die Gesamtzahl der Abgeordneten neu be- stimmt wird._ Ministcrwechscl in Hessen . Der Großherzog hat das Entlassungsgesuch des Finanz- Ministers Dr. Gnauth angenommen. Das Finanzministerium übernimmt der bisherige Minister des Innern Dr. Braun. Die Leitung des Ministeriums des Innern wird dem Provinzial- direktor der Provinz Rheinhessen , Freiherrn von Hombergk zu Bach übertragen, der zunächst zum Präsidenten des Ministeriums des Innern ernannt wird. Der ZcngniSzwanq vor dem bayerische« Landtag. München , 24. Februar. Zwei Interpellationen standen heute zur Tagesordnung, die die Anwendung des Zeugniszwangs ioersahrens zum Gegenstand hatten. Der Sachverhalt ist kurz folgender: In dem demokratischen Nürnberger Anzeiger" erschien ein Artikel unter der Ueberschrift Inquisition ", in dem die Drangsalierung eines Postbeamten be- sprachen wurde. Es wurde darauf gegen einen Postsekretär das Disziplinarverfahren eröffnet und der Redakteur desNürnberger Anzeigers" vor den Untersuchungsrichter, einen höheren Postbeam- ten, geladen, lieber den Verfasser des Artikels befragt, verweigerte er die Auskunft. Dasselbe taten zwei als Zeugen geladene Post- sekretäre. Nun wurde das Zeugniszwangsverfahren eingeleitet und gegen den Redakteur und den einen Postsekrctär eine Geld- strafe von 50 M., gegen den anderen Sekretär eine solche von 100 M. ausgesprochen. Dem einen Sekretär wurde zugleich die Verhaftung angekündigt. Der mit 50 M. Bestrafte wurde einen Tag nach der Zcugnisverweigerung auf einen geringeren Posten versetzt. Genosse Süßheim begründete die sozialdemokratische Jnter- pellation, Dr. Q u i d d e die liberal«. Beide Redner fanden scharfe Worte der Verurteilung der skandalösen Vorgänge, die um so be- dauerlicher seien, als das erste Mal in Bayern der Zeugniszwang in einem Disziplinarverfahren Anwendung fände. Sie bedauerten, daß ein höherer Beamter als Untersuchungsrichter nicht mehr Gefühl und Verständnis für Moral und Ehre habe und seine Untergebenen zu einem Vertrauensbruch, also einer ehrlosen Handlung, durch Strafen zwingen wollte. Dr. Süß- heim machte darauf aufmerksam, daß das geradezu preußische Zustände seien, die für Bayern eine Schande bedeuten. Wn sozialdemokratischer und liberaler Seite wurde darauf aufmerksam gemacht, daß nicht nur der Berufsredakteur, sondern auch der Mitarbeiter oder Vertrauensmann des Redakteurs vor dem Zeugniszwang geschützt werden müsse. Anderenfalls könne die Presse ihre wichtige Aufgabe nicht erfüllen. Das wurde besonders auch vom Genossen Müller betont, der dem Minister scharf ins Gewissen redete. Der Vertreter der Zentrumspartei , Schöndorf , verurteilte das Zeugniszwangsverfahren und wünschte es in bczug auf den Redakteur vollständig beseitigt. Den Mitarbeitern und Ver- trauenspersoncn dagegen kann er denselben Schutz wie den Redak- teuren nicht zuerkennen. Der Verkehrsminister half sich mit dem Einwände, daß er nicht das Recht habe, in ein schwebendes Verfahren einzugreifen, und daß der Untersuchungsrichter nur die Machtnnttel zur Anwendung gebracht habe, die ihm das� Be­amtengesetz zuerkenne. Im übrigen aber wolle ererwägen", ob er nicht nach Abschluß des Verfahrens an seine Beamten einen Erlaß hinausgeben wolle, durch den der Wiederholung der An- Wendung des Zeugniszwanges vorgebeugt werde. Warten wir ab, was aus derErwägung" herauskommt. Die Einnahmen des Reiche?. an Zöllen, Steuern und Gebühren in der Zeit vom 1. Aprik 1909 bis Ende Januar 1910 sind fast durchweg gestiegen. Es wurden vereinnahmt: Zölle 010 908 651 M.(gegen daS Vorjahr+ 113928 314 M.). Tabaksteuer 9 837 318 M.(+ 829 465 M.), Zigarette»- steuer 18 136 746 M.(+ 4 013 690 M.), Zuckersteuer 134 134 616 M. (+ 4 549 451 M.). Salzsteuer 49 698494 M.(+ 871 010 M), Branntweinsteuer t a) VerbrauchSabgabe 40 575 285 M., b) Be­triebsauflage 9 096 429 M., c) Maischbottichsteuer 10 705 906 M. ( 17 967 424 M); d) VerbrauchSabgabe und Zuschlag auS der Zeit vor dem 1. Oktober 1909: 112 288 482 M. t-st 961 888 M); e) Breim- steuer 1719 364 M.< 1 420 127 M), Essigsäurevcrbrauchsabgabe 237 513 M.(+ 287 513 M). Schaumweiiisteuer 10 845 992 M. (+ 5 930 963 M.), Leuchtmittelsteuer 830401 M.. Züiidwarensteuer 6 391 007 M.. Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 61483 879 M.(-}- 19 715 833 M.), Spielkarrenstempel 1 586 525 M. (4-49 653 M.). Wechselstempelsteuer 16 675 588 M(-f- 1 881 455 M.), Reichsstempelabgaben von Wertpapieren 31 208 733 M.(-st 9 330 426 Mark), von Gewinuanteilschein- und ZinSbogen 2 417 587 M., von Kauf- und sonstigen AnschaffungSgeschäften 18 300 870 M. <8 736 403 M), von Lotterielose» a) für StaatSlotterien 23 939168 M.(-st 1439 522 M.), b) für Privatlotterien 11 893 882 M.(4-1516 858 M.), ferner von Frachturkunden 12 826 693 M.(4- 795 160 M.), von Personenfahrkarten 16 369 032 M. : LH. Glocke, Berlin . Druck u. Verlag: Vorwärts Buchdr. u. verlagsanstalt (-st 1069 120 M), Von ErlaubniSkurten für Kraftfr-hrzeuge S 094 494 Mark<357 145 M.), von Vergütungen an Mitglieder von Aufsichrs- räten 3 541 967 M.(-st 1352 310 M). von Schecks 2 418 077 M., von GrnndstückSübertragungen 17 475 928 M, Erbschaftssteuer 30 730 206 M.(-st 7 625 512" M,), Statistische Gebühr 1 349 262 M. (-st III 611 M.). Mugdan als Reichsverbändler. Während der Reichstagswahlbewegung im Kreise Bingen -Akzeh hatte der nationalliberale Kandidat, der bekannte Dr. Becker-Sprend- lingen in einer Versammlung gesagt, auch der freisinnige Abgeord« nere Dr. Mugdan sei Mitglied des Reichsverbandes zur Bekämpfung der Sozialdemokratie gewesen. DieHessische liberale Wochenschrift" warf infolgedessen dem Dr. Becker vor, er habe seine Behauptung wider besseres Wissen gemacht. Becker klagte. Am Freitag kam die Angelegenheit vor dem Schöffengericht in Darmstadt zur VerHand- lung. Dort stellte Dr. Becker fest, daß Dr. Mugdan zwar kein zablendcs Mitglied des Reichsverbandes gewesen, wohl aber für den Reichsverband tätig gewesen sei. Der beklagte Redakteur nahm in« folgedessen seine Behauptung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück und verstand sich zur Tragung sämtlicher Kosten, auch der Anivaltskosten des Klägers. Für den freisinnigen Herrn Dr. Mugdan, der seinerzeit feierlich erklärte, daß er mit dem Reichsverband nichts zu tun habe, ist der Darmstädter Prozeß mehr wie unangenehm. Empfehlungsbriefe. Daß preußische Minister Schriften empfehlen, die sie nicht ge- lesen haben, ist schon öfter dagewesen. Wie Moltke mitGer- manicus", so ist vor zwei Jahren Bülow mit einem katholischen Pfarrer Reiter in Holzhausen(Bayerisch-Schwaben) hereingefallen. Und das ist gerade der Humor der AffäreGermanicus ", daß jetzt daS Zentrum sich gekränkt sah, während es damals eine Anerken- nrmg des Katholizismus und indirekte Beschimpfung des Pro» testantismus durch den deutschen Reichskanzler schmunzelnd ein- steckte. Bülow schrieb nämlich an jenen Pfarrer: Ich schätze die treue Mitarbeit der katholischen Kreise Deutschlands an dem großen Werke der sozialen Versöhnung be- sonders hoch und wünsche, daß auch Ihrem Belehrungs- und Gebetbuch ein voller Erfolg be schieden sein möge zum Besten unseres deutschen Arbeiter» stände s." Das Büchlein nannte sichPflichten und Rechte des christlichen Arbeiters" und enthielt, wie damals dieFrankfurter Zeitung " mitteilte, unter anderem folgende schöne Stelle: ... Luther, Calvin und so viele andere, die durch ihren Abfall von der Kirche unsägliches Unheil stiftetet«. wären nie Ketzer geworden, wenn sie sich nicht von Ehrsucht und Stolz hätten beherrschen lassen: Eitelkeit und Dünkel war es, daß sie mit neuen Lehren auftraten... daß sie an ihrem Irrtum festhielten, obwohl sie in ruhigen Augenblicken denselben erkannten." frankreicd. Eine Bestechungsagentur. Paris , 28. Februar. AuS T o u l o n wird berichtet, daß der mit der Untersuchung der im Arsenal verübten Unregel» Mäßigkeiten beauftragte Polizeibcamte Sebille einer regel» rechten Bestechungsagentur auf die Spur gekommen sei. Leiter der Agentur sei ein Touloner Kommissionär, der den Ver- mittler zwischen Lieferanten und den unredlichen Marinebeamten spielte. Bei dem Kommissionär sei eine sehr große Anzahl Briefe beschlagnahmt worden, die erdrückendes Anklagematerial enthalten sollen. foißlaml. Die Budgetdebatte. Petersburg, 26. Februar. Reichsduma. In der Budgetdebatte sprachen die N a t i o n a l i st e n ihre Genugtuung über den gstn- stigcn Abschluß des Budgets aus, bemängelten aber eine Bevor- zugung der Grenzgebiete auf Kosten des zentralen Rußlands . Die Redner der Opposition führten die Bilanzierung des Budgets auf eine Besserung der Finanzlage des Landes zurück, von Volks- Wohlstand könne aber noch keine Rede sein. Die reforma- torischcn Anregungen der Duma zur Hebung der Wehrmacht, na- mcntlich der Flotte, seien noch immer nicht erfüllt. Die Redner der Linken wollten in dem Abschluß des Staatshaushalts eher einen Beweis der äußer st en Inanspruchnahme als der Zahlungsfähigkeit des Volkes sehen. Während für den Militarismus enorme Summen aufgewendet würden, geschähe nichts zur Hebung der produktiven Kräfte des wirtschaftlich zurückgebliebenen Landes. Die Arbeiter» g r u p p e und die Sozialdemokratie würden daher gegen daS Budget stimmen. Serbien . Eine sozialdemokratische Interpellation. Belgrad , 28. Februar. Skuptschtina. In Beantwortung einer Interpellation der Sozialdemokraten wegen Ausweisung montenegrinischer Auswanderer er- klärte Ministerpräsident P a s ch i t s ch, die Regierung von Monte- negro habe wiederholt darauf hingewiesen, daß die freundschaft- lichen Beziehungen, deren Pflege er im Interesse des serbischen Volkes für notwendig halte, durch den Aufenthalt montenegrinischer Auswanderer in Serbien beeinträchtigt würden. Da die serbische Regierung jedoch hierfür keine genügenden Beweise in Händen habe, um gegen die Auswanderer vorgehen zu können, habe sie ihnen geraten, Serbien zu verlassen, was sie denn auch freiwillig getan hätten. Der von den Sozialdemokraten gestellte Miß- trauensantrag wurde abgelehnt. Letzte j�aebnebten und vepelcben. EinSieg" der Reaktion. Halle a. S.» 28. Februar. (B. H. ) Die heutige Stadt» verordnetenversammlung lehnte mit 26 gegen 20 Stimmen einen von den Freisinnigen und Sozialdemo- kraten eingebrachten Antrag, bei der Staatsregierung gegen den Wahlrcchtscntwiirf als Benachteiligung der Städte zu' protestieren, ab. Die Angelegenheit gehöre nicht zur Kompetenz der Stadtverwaltung. Der Magistrat hatte erklärt, einen Protest nicht mitmachen zu können._ Ausdehnung des BcrgarbeiterstreikS? London , 28. Februar(W. T. B.) In Pentre wurde Vt» kannt gemacht, daß auch die nicht dem Verbände der Kohlen» grubenbe sitzer angchörigcn Gruben am 31. März die Arbeit einstellen werden, da es unmöglich erscheint, daß zwischen den Grubenbesitzern und dem Bergarbeiterverbande eine Einigung zustande kommt. Danach erscheint eS als fraglos, daß alle Gruben in Südwales an diesem Tage den Betrieb schließen._ Die Iren schweigen. London , 28. Februar.(W. T. B.) Die irische Partei hat heute abend folgende Resolution angenommen:In Anbetracht der Erklärungen des Schatzkanzlcrs Lloyd George wird die Partei davon abstehen, für oder grgcn die Regierung Stellung zq nehmen."_______ Paul Singer Co., Berlin SVik. Hierzu 4 Beilage» u.Untrrhaltungsbl«