Nr. 50. 27. Jahrgang.cüU Ks Lmäck" Zerlimr WIKsblM.l.Mgeorclmte�Kaiis.30. Sitzung. Montag, den 28. Februar 1910,vormittags 11 Uhr.Zlm Ministertisch: v. Moltke.Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung desGesetzentwurfs betr. die Auflösung des LandkreisesMülheim a. d. Ruhr, die Erweiterung des Land-kreises Essen sowie der Stadtkreise Mülheim a. d. Ruhr,Oberhauscn und Essen.Abg. v. Goßler(k.): Wir beantragen die Ucberweisung derVorlage an die Gemeindekommission. Ich möchte aber betonen,daß wir die größten Bedenken haben gegenüber dem Tempo, indem seit einiger Zeit Eingemeindungen erfolgen. Es ist dies die19. Vorlage in dieser«ession. Wohin soll es führen, wenn dieAufsaugung des platten Landes um die Großstädte herum in dieserWeise fortschreitet?! Wir Konservativen legen den Sckwervunktder nationalen Frage und der Volksgesundheit nicht in die Groß-städte,« sondern auf das platte Land.(Bravo I rechts.)Ein Regierun gskommissar erwidert, daß es sich hiernicht nur um eine Eingemeindung in eine Großstadt handle, son-dern auch um die Erweiterung eines Landkreises.Abg. Bell(Z.) bittet, die allgemeine prinzipielle Frage beidieser Gelegenheit nicht zu erörtern.Abg. Müllcr-Sagan(frs. Vp.). betont, daß gerade in diesemFalle die Gegensätze zwischen Stadt und Land gar nicht in Be-tracht kämen.Die Vorlage wird hierauf an die Gemeindekom-Mission verwiesen.Es folgt die Fortsetzung der zweiten Lesung des Etatsdes Ministeriums des Innern beim Kapitel:poliLeivemattimg in den Provinzen.Abg. Liebknecht(Soz.):Am vergangenen Tonnerstag hat der Unterstaatssekretärzum Fall RakowSkierklärt, daß dieser Wohl von der Polizei in Posen einige Zeit inpolitischer Beziehung verwendet wurde, daß man aber später davonAbstand nahm, weil er als unzuverlässig erkannt worden ist. Ichhabe hier eine wörtliche Uebersetzung der Bekenntnisse, die derRakowski in einer Zeitung niedergelegt hat. Ich bemerke, daßRakowski mir persönlich für alles Wesentliche, was er in diesenBekenntnissen niedergelegt, eidesstattliche Versicherung gegeben undmir auch Beweismittel genannt hat: nicht nur sein eigenes Zeug-nis, sondern auch das einer Anzahl anderer Personen. Was zu-nächstdie Organisation der politischen Polizei in Posenbetrifft, so behauptet er auf Grund eines Dekrets des Ministersfür innere Angelegenheiten vom 19. Mai 1991, daß das Polizeibureau von Zacher in Posen kein einfaches Polizeibureau unter derAufficht der Regierung, sondern ein Polizeibureau fürpolnische Angelegenheiten ist. Alle Polizeiämter inPreußen müssen alles, was polnische Angelegenheiten betrifft, direktHerrn Zacher mitteilen! Da gibt es ein Bureau in Posen fürpolnische Angelegenheiten und Spionagesachen. Diesem Bureausteht der 5hriminalkommissar Paul Frost vor, der inoffiziell„Kopieka",d. h. Kopeke genannt wird, wahrscheinlich, weil man annimmt, daßder Herr nicht ganz widerstandsfähig gegen Versuche ist, auf ihneinzuwirken!(Oho! rechts.) Ich werde Beweise darüber bei-bringen.(Zuruf.) Offiziell heißt er„Rentier". Er hatKaiserin-Viktoria-Straße 33 gewohnt und hatte die Telephonnummer 994. Früher ist er Grcnzgendarm gewesen. Er wird denunteren Polizeibeamten gegenüber nach Möglichkeit unbekannt gelhalten, damit er seine geheime Tätigkeit möglichst wirksam aus-üben kann. Eine ganze Anzahl von herumreisenden Spitzeln stehtthm zur Verfügung.Außerdem gibt es in Oberschlesien, in B e u t h e n, ein Bureauspeziell für oberschlesischc Angelegenheiten und provokatorischeAgitation unter der Leitung des Polizeirats Mädler. In Berlingibt es auch eine große Anzahl von Spitzeln, die von dem Polizei-bureau unterhalten und geleitet werden. Diese Organisation gibtu. a. auch ein Amtswochenblatt unter dem Titel:„Gesamtüher-blick der polnischen Tagesliteratur" heraus. Der Inhalt dieserZeitung wird auch als Waschzettel an allerhand polenfeindlicheBlätter abgegeben und dort ziemlich viel benutzt.kleines Feuilleton.Der Streik der„Zieger" in Paris. Daß ein Streik von„Negern" die französische Literatur erheblich in Mitleidenschaftziehen kann, mag auf den ersten Augenblick unglaublich erscheinen.Das Rätsel löst sich indessen, wenn man erfährt, daß„Neger"(wirsagen in ähnlichem Sinne„Kuli") im Literatenfranzösisch die zu-meist unbekannt bleibenden Mit- und Hilfsarbeiter der Schrift-steller bedeutet, denen die Verfasser von Romanen und Geschichts-werken die Sammlung von Material oder die Ausarbeitung be-stimmter Teile ihrer Werke nach ihren Angaben und Entwürfenübertragen. Diese„Neger", von deren Diensten nebenbei gesagt.schon manche Größe der französischen Literatur recht ausgiebigenGebrau chgemacht haben soll, fanden nun, wie wir der„Opinione"entnehmen, daß es mit den Bedingungen, unter denen sie bisherfür ihre Herren arbeiteten, so nicht"weiter gehen könne, und stelltendeshalb eine Reihe von Forderungen auf, bis zu deren Annahmevom �.Syndikat der Literaturneger und verwandten Bcrufszweige"der Streik verhängt wurde. Man kann sich denken, daß sich diefranzösischen Blätter diese Sensation nicht entgehen ließen; mansprach vom„literarischen Panama". Das Publikum drängte sich zuihren Versammlungen, um die ivahren Größen der französischenLiteratur endlich einmal von Angesicht zu Angesicht kennen zulernen und sie deklamieren zu hören:„Blicken Sie sich um,Bürger! Der Mann hier hat die sozialen Romane geschrieben, dieganz Europa bewundert: jener dort— o blutiger Hohn!— hatdie berühmten Flugschriften zum Schutze des literarischen Eigen-tums geschrieben, von denen ein anderer den Gewinn gezogen hat!"Den Arbeitgebern der Literatur aber war unbehaglich zu Mute.Ein Teil von ihnen bat seine Verleger, bis zur Beendigung desStreiks von den vereinbarten Verträgen zurückzutreten, andere der-schickten Mitteilungen, daß sie niemals„Neger", sondern immernur Kopisten in ihren Diensten gehabt hätten, und schrieben nuntum Troh drauf loL; wieder andere nahmen Streikbrecher in ihrendienst, aber diese„gelben" Neger erwiesen sich den organisiertennicht gleichwertig. Kurz, es war auf die Dauer ein unerträglicherZustand, und die Unternehmer hielten es daher für geraten, dieForderungen der„Neger" einer wohlwollenden Prüfung zu unter-ziehen. Sie bestanden in der Hauptfache darin: erstens, daß keinfranzösischer Romandichter in Zukunft mehr als einen Romanpro Vierteljahr und„Neger" liefern solle, zweitens, daß d i e Neger,die für Geschichtsschreiber arbeiteten, in Zukunft ebenso wie ihreKollegen vom Romanfach entlohnt werden sollten, wenn sie mehrals 59 Bogen im Tag lieferten. Diesen Forderungen konnten sichdie Arbeitgeber der französischen Literatur nicht versagen, sie gabenvielmehr den Forderungen ihrer„Neger" in allen Punkten nach:die Neger haben gesiegt.Was die Naturvölker zur See gcleistct haben. Der„Köln.Ztg." wird geschrieben: Die aus der chinesischen HafenstadtRakowski beschuldigt sich selbst, daß er der Polizei wichtigesund reichliches Material in Sachen der Nationalliga geliefert habe,daß er dem in Lemberg wohnenden Redakteur der„AltpolnischenRundschau" Material fortgenommen undfür diesen Diebstahl 890 M. erhaltenhat. Er behauptet auch, in einer Buchhandlung eine große Anzahlvon Broschüren und allerhand geheime Schriften gestohlen und für399 M. an das Bureau abgegeben zu haben. Er macht Mitteilungendarüber,wie in Posen falsche Berichte über allerhand politische Angelegen-heiten gemacht worden sind.Bei diesen Fälschungen sei er selbst mit tätig gewesen.—Dieser Rakowski ist an mich mit dem Ersuchen herangetreten, ichsollte gegen ihn, als er noch in Berlin war, Anzeige erstatten!Er wollte eine Selb st anzeige gegen sich machen. Ich habeihm davon abgeraten, weil ich mich zunächst erst vergewissernwollte, mit wem ich es zu tun hätte. Diese falschen Berichte sindnach der Tarstellung RakowSkis in einem Restaurationslokal ge-schrieben worden. Er sagt:Dort schrieb ich, zusanrmen mit einer anderen Person, dieich nicht nennen will, fast alle Berichte, die die polnische Bewegungbetrafen.Wiederholt sind Berichte aus Lemberg, aus Krakau von allerhand Kongressen angeblich von Vertretern gegeben worden, dieFrost dorthin gesandt haben wollte, während diese Berichte nachder Behauptung Rakowskis tatsächlichin Posen fabriziertlvorden sind!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Die Reise-spesen habe» die Herren Frost und seine Kumpane in die Taschegesteckt! Den Bericht über den altpolnischen Kongreß in Lemberghat ein Agent des Frost in Posen geschrieben! Die Originaledieser Berichte wurden nach Berlin an das literarische Bureaudes Ministeriums des Innern gesandt und sind-dann von der Re-gierung im Kampfe gegen die Polen verwendet worden.(Hört!hört! bei den Sozialdemokraten.) Auch in Berlin ist nach Be-hauptung des Rakowski unter Führung der Polizei ein ruthenischeSKomitee zur Ueberwachung gegründet worden.Was die nationale Liga anbetrifft, behauptet Rakowski. manmüßte Bücher schreiben, wollte man alle falschen Berichte nennen,die über den Nationalfonds und die nationale Liga geschriebensind. Er hebt hervor: Frost lernte durch seine Vermittelungirgendeine bestimmte Person kennen, die sich verpflichtete, falscheAufrufe der Liga zu schreiben! Diese Proklamationen wurdenvon der betreffenden Person— eL war eine Frau, der Namesteht dem Sern Mini st er zur Verfügung— aufPergament geschrieben und mit einem gefälschten Stempel der-sehen. Insbesondere handelte es sich dabei um zwei Aufrufe, einenvon dem Sokol und einen anderen von dem Posener Delegiertender Liga! Dies? lithographierten Aufrufe verbreitete Frost inder polnischen Presse„Dziennik PoznanSki", druckte den Aufrufsofort ab und kritisierte ihn streng.In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 19. Mai 1894wurde vom Minister Hammerstein ein Aufruf vorgelesen, der soblutrünstig war wie nur irgend möglich und sofort von den hieranwesenden Polen als gefälscht bezeichnet wurde. Unter leb-hasten Zwischenrufen nur konnte der Minister seine Ausführungenbeenden. Rakowski hat jetzt bekannt, daß mit seiner Kenntnisdieser Aufruf von einer von ihm namhaft gemachten weiblichenPersonfabriziertworden ist!(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.) Rakowskibehauptet, Frost hätte bald nachher in seiner Gegenwart dasOrignial des gefälschten Aufrufes mit dem Bemerken zerrissen,es fei besser, daß solche Dokumente nicht existieren. Für dieRedaktion dieser gefälschten Berichte sind 69 M. gezahlt worden.Bald danach ist Frost mit einem ziemlich hohen preußischen Ordenversehe» worden. Zacher wurde zum Polizeidirektor ernannt, be-kam auch den russischen St. Annenorden, ebenso wieder Polizeipräsident von Posen, der frühere Herr v. Hellmann.Diese Dekorationen erinnern lebhaft an den bekannten RotenAdlerorden, den der berüchtigte russische Oberspitzel Harting sichja auch in Preußen verdient haben soll.Rakowski beschuldigt sich weiter, über die revolutionäre De-wegung in Galizien selbst Berichte geschrieben zu haben, die dannin die Zeitungen hineinlanciert worden sind und die zum Teilvon Frost einfach nach den Zeitungs Meldungeninspiriert waren! Es wird von Rakowski weiter behauptet,daß in seiner Gegenwart eine Anzahl gefälschter Aufrufe, dieSchanghai kommende Nachricht, daß zur Mündung des Jangtsekiangauf gebrechlichem Fischerkanu drei Eingeborene der wegen ihrerrätselhaften Ruinen bekannten deutschen Karolineninsel Ponapeverichlagen worden seien, weckt darum Erstaunen, weil die Eni-fernung ungefähr die gleiche ist, wie zwischen den nächstgelegenenPunkten Europas und Amerikas. Aber wer die fast märchenhaftenälteren Schiffahrtsleistungen der makaiisch-polhnesischen Rasse-verwandten der drei Kanaken kennt, kann sich über deren See-tüchtigkeit kaum wundern. Schon um die Zeit, als das römischeWeltreich dem Ansturm der Germanen erlag, dürften, wie manannimmt, behufs Besiedelung des weitgestreckten Jnselgebietes derSüdfce jene Seelvanderungen der Polynesier begonnen haben,deren zielbewußter Kühnheit gegenüber alles was ein Jahrtausendspater Kolumbus vollbracht hat, fast als klein erscheint. Nimmtman Madagaskar an der Ostküste Afrikas und die Osterinsel an derWestküste Südamerikas als äußerste Grenzen der malaiisch-poly-nesischen Wanderungen und Eroberungszü�e an, so findet man,daß drei Fünftel des Erdumfanges von Völkern besiedelt wordensind, die nicht wie Kolumbus über immerhin stattliche Karavelen,sondern nur über äußerst sinnreich und zweckentsprechend gebauteungedeckte Kanus verfügten. Mit vielleicht einige hundert, jedenfallsDutzende dieser Fahrzeuge zählenden Flotten ohne Kompaß denGroßen Ozean von Nord nach Süd und von Ost nach West zu durch-queren, ist eine Leistung, der gegenüber die im wesentlichen auf dasMittelmeer beschränkten Seefahrten unserer antiken Kulturvölkerlächerlich winzig und unbedeutend sind. Wenn Horaz meint, daßdreifaches Erz die Brust dessen umschlossen haben müsse, der zuerstden Kiel auf das tobende Meer, also in seinem Falle das Mittel-meer, hinauslenkte, was erst müßte dann ein Dichter der Kanakenvon jenen braunen Seehelden zu melden Wissen� deren Namen dieWeltgeschichte nicht kennt und niemals kennen wird? Es ist unver-gleichlichcr Dünkel, wenn gegenüber den Kulturtaten der weißenRasse die von ihr in den Hintergrund gedrängten farbigen Volkerso sehr wenig Beachtung finden. Unsere schwarzen Kolonial-deutschen von Kamerun besitzen seit Jahrhunderten ein Ver°ständigungsmittel für die Ferne, das allem, was unsere europäischeKulturwelt bis zur Einführung des elektrischen Telegraphen anderartigen! erdacht hatte, wie z. B. dem optischen Telegraphen, viel-fach überlegen ist. Achnlicher Beispiele ließen sich hunderte an-führen.Ein seltsamer Beruf. In Paris besteht ein eigenartiges Amt,dessen Ausübung mit einem Monatsgehalt von 159 Fr. dotiert istund von dessen Existenz nur wenige Bürger wissen: das Amt des„HundeentdeckerS" oder„HundebellcrS", das direkt demFinanzministerium untersteht. Wer diesen Beruf ergreifen will,braucht keine Schulzeugnisse vorzulegen und kein Universitätsstudiumzu absolvieren; nur eins muß er können: bellen wie ei» Hund.Das ist bei Menschen gewöhnlich keine natürliche Gabe, aber mitGeduld, Ucbung. Fleiß und einigem Talent läßt eS sich wohlerlernen, die Stimme des Hundes täuschend nachzuahmen. Nacheinem kurzen praktischen Examen wird der HnndecntdeckerEnteignungsfrage betreffend, verfaßt und im„Straz" gedrucktworden sind, daß weiter einige Artikel einer Zeitung, als sie Frostnicht scharf genugwaren,bei der Uebersetzung künstlich umgestaltet und verfälscht Mworden sind. Rokowski behauptet, drei von den gefälschtenExemplaren damals gestohlen zu haben.Besonders interessant ist die Behauptung des Frost, daß eres für nötig hielte, der Regierung darzulegen, das? ja auch dierussische Regierung über die internen prensiische» Berhältnissc vielbesser organisiert sei als die deutsche.(Hört! hört! bei den Sozial-dcmokraten.) ES wurde behauptet, es sei eine Broschüre er-schienen, aus der die genaue Kenntnis der russischen Regierungüber die inneren preußischen Verhäftnisse zu ersehen sei. MSdas Ministerium die Vorlegung der Broschüre verlangte, herFrost nach Behauptung des RakowSki die Broschüre erst aufGrund der gefälschten SNittcilungcn, die vorher dem Ministeriumgemacht worden waren, in verschiedenen Druckereien in Posen her-stellen lassen. Bei der Herstellung wurden in den verschiedenenDruckereien verschiedene Lettern benutzt. Das habe Frost so er-regt, daß er die Frauensperson, die spoziell damit-beschäftigt gc-Wesen war, ge ohrfeigt habe! Er habe sich aber beruhigenlassen, als ihm gesagt worden sei, man könne ja behaupten, dieBroschüre sei von polnischen Revolutionären unter allerhand er-schwerendcn Umständen gedruckt worden!!(Hört! hört! bei denSozialdemokraten.)Weiter wird zugegeben, daß ein Plan über das Manöver des„Sokol" in Galizien von Rakowski mit einem anderen Herrn,dessen Name dem Mini st er zur Verfügung st cht,gefälscht sei. Es habe sich dort um harmlose Turnspiele gehandelt,die zu einer Art kriegerischen Manövers umgefölscht worden seien.Sie, wissen, welch große Rolle diese angeblichen Manöver der Polenin der antipolnischen Agitation spielen.Rakowski behauptet weiter, daß gefälschte Berichte über dierevolutionäre Bewegung im Königreich Polen jeden Tag in FrostsBureau, Moltkcstraßc 11, für das Ministerium in Berlin geschriebenworden seien. Die Berichte wurden so verfaßt, daß PolizeidircktorZacher die Zeitungen lieferte, in denen er mit Rotstift das anstrich,ivorauf er Wert legte, daß Frost dann allerhand Geschichten hin-zuerzählte und Rakowski mit seinen Spießgesellen darauseinen„Bericht" fabrizierte. Frost soll einmal gesagt haben:„Wenn man schon die kleinen Räder so drehen und schmierenmuß, wie müssen dann erst die großen Mühlen mahlen!"(Hört!hört! bei den Sozialdemokraten.) Auf Grund der gefälschtenBerichte wurde tatsächlich damals eine Verstärkung des Kordonsan der preußischen Grenze vorgenommen!Weiter berichtet Rakowski, wiedie Kontrollstationen �ausgenutzt wurden, um Personen, die wegen eines politischenVergehens verfolgt wurden, an der Flucht nach Amerika zu hindernund der russischen Polizei auszuliefern! Das kann sehr wohl derFall sein, ohne daß die Oeffentlichkeit viel davon erfährt, dennbekanntlich ist die Möglichkeit, an der Grenze jemand zurückzu-weisen, nachdem er die Grenze bereits passiert hat, einer Kontrolleüberhaupt uicht unterworfen, und von all dem Unrecht, das da anden östlichen Grenzen geschieht, dringt wenig in die Oeffentlichkeit.Von Interesse sind noch die Bemühungen der politischenPolizei, die Auswanderung der Polen nach Amerika zu begünstigen,erstens, um sie loszuwerden, zweitens, um den Agenten des Lloydsund der Hapag, mit denen die politischen Polizeibeamten zusammen-arbeiten sollen, einen Vorteil zuzuschanzen. Unter Vorbehalt gebeich'wieder, daß Rakowski behauptet, bei einem Prozeß, als der-gessen war, das Rechtsmittel rechtzeitig einzulegen, mit Hilfe einesNachschlüssels in dir Kanzlei der Staatsanwaltschaft eingedrungenzu sein, die Akten des Sokol fortgcnommen und dem Polizei-rat Zacher ausgehändigt z» haben. Auf dieselbe Weise seien siedann wieder zurückbefördert worden.Auf Veranlassung des Zacher soll auf Grund eines Berichtsan das Ministerium im Mai 1999 der russischen Regierung vor-geschlagen worden sein, in Berlin für polnische Angelegenheiten einspezielles Bureau unter preußischer and russischer Aufsicht einzu-richten. Rußland soll damit einverstanden gewesen sein. Wenndas richtig ist, ist es allerdings nicht wunderbar, daß der Ministermeine neuliche Behauphrng, es besteheein Kompagniegeschäft zwischen der deutschen und russischen Polizei-nicht zu bestreiten versucht hat. woraus das„Tageblatt" ein Zu»geständnis zu meiner Behauptung folgert.Weiter wird behauptet, daß auch der Bericht über einen all-dann amtlich angestellt. Seine Aufgabe ist nicht allzu schwierig:des Nachts, wenn die Dunkelheit sich über die einsamen Straßen derVororte senkt, schleicht der Hundeentdecker seines Weges und läßtvon Zeit zu Zeit ein wütendes Gebell erschallen. In jedem Hause,in den» sich ein Hund befindet, wird alsbald die Antwort ertönen.Der Hundeentdeckcr aber schreibt sich Straße und Hausnummer indaß Notizbuch und liefert am Morgen nach seinem Rundgang demFinanzministerium das Verzeichnis ab. Bald wird in dem be-treffenden Hause ein Steuerinspektor erscheinen, um sich zu Über»zeugen, ob die Hundesteuer auch richtig bezahlt ist.Humor und Satire.Ein Telephongespräch..Hier Wachtmeister Immer-druff."—„Hier Polizeipräsident von Jagow. Was ist loS?"—.Vor dem Dom haben sich 5999 Menschen versammelt„Jagen Sie sie mit Säbeln auseinander!"„Zu Befehl. Aberes scheinen keine Sozi zu sein, sondern..."—„Dann jagen Siesie nicht auseinander!"—„Sie singen allerdings sehr laut..—„Aha I Die Arbeitermarseillaise I Lassen Sie eventuell schießen I'—„Nein, sie singen:„Eine feste Burg ist unser Gott" l"—„Alsonicht schießen lasienl Berstanden?"—„Es hält auch einereine Ansprache..."—„Wahrscheinlich über daS Wahlrecht? Sofort den Kerl verhaften!"—„Nein, er spricht über die ExistenzJesu!"—„Also keinesfalls verhaften! Nicht unterbrechen denMann! Sie wissen doch: die Straße dient einzig dein Verkehr.Natürlich auch dem Verkehr mit dem Jenseits! Sonst noch was!"—„Soll ich die Leute nicht zum Auseinandergehen auffordern?"—»„Sie sind wohl verrückt? Machen Sie Augen und Ohre» zu I ZumDonnerwetter, Sie scheinen sich nicht darüber klar zu sein, day inPreußen alle Menschen vor dein Gesetz gleich sind?! Melden Siesich heute abend I Schluß!"An mein Volk! Wie steh' ich da? Fabelhaft. Erfolgüber Erfolg. Gelt, da schaut Ihr, Ihr ollen Bundesbrüder? Sagenur: wenn ich nicht Oldenburg wäre, möchte ich Mecklenburg sein.Wahnsinnig gefeiert worden im Zirkus Busch. Gönne das demEosinschwein Ledebour. Hätte es ihm neulich noch ganz anders gesteckt,mußte aber leider abfahren. Hat mich denn auch glänzend abfahren lassen!S. M. sogar im Telegramm an Berliner Landwchroffiziere meinenAusdruck„Triarier" adoptiert. Ich ihm das Wort jeradezu in denMund jelegt! Donnerwetter, schon halb scchse! Muß abreisen.Meinen triarischen Segen allerseits l Wollte, gäbe endlich Luftschiff-verbindimg Berlin-Jannschau, daß nicht immer mit Röllchemnenschenselben Zug fahren muß! Gut Mist! v. Oldenburg.(„Jugend").Notizen.— DeutscheNaturwissenschaftlicheGesellschaft.Dienstag, de» 1. Marz. �9 Uhr. findet im großen Saale der„Musikersäle"(Kaiser-Wilhelm-Str. 18M) der erste öffentliche Licht-bildcrvortrag statt. H. N. Baege spricht über daS Thema:„AuSdem Liebcsleben der Tiere". Eiittritt für Gäste 39 Pf.